Zunehmende Ungleichgewichte am Aktienmarkt

Zunehmende Ungleichgewichte am Aktienmarkt

Um Risiken zu vermeiden oder Chancen zu nutzen, sind wir stets auf der Suche nach divergenten Entwicklungen an den Kapitalmärkten. So halten wir im Rahmen unserer Chance-Risikoanalyse auch nach Ungleichgewichten Ausschau. Die Zunahme solcher Ungleichgewichte war dabei zuletzt insbesondere an den Aktienmärkten sehr auffällig.

Gerade in den USA war zu beobachten, dass die Aktienmarktentwicklung nur noch von wenigen großen Aktien bestimmt wurde. Dieses Ungleichgewicht lässt sich leicht erkennen, wenn man den bekannten – nach Marktkapitalisierung gewichteten – S&P 500 mit der weniger bekannten gleichgewichteten Variante des Leitbarometers vergleicht. Letztere bewegt sich seit Jahresbeginn nahe der Nulllinie, während der S&P 500 zeitweise fast zweistellig im Plus notierte. Die durchschnittliche Aktie kommt also nicht vom Fleck, während der S&P 500 Kursgewinne ausweist. Dieses Phänomen wird gelegentlich auch als fehlende Marktbreite bezeichnet.

Das Gewicht der fünf größten Aktien (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und NVIDIA) macht mittlerweile fast ein Viertel der Indexkapitalisierung aus. Allein Apple hat eine Marktkapitalisierung von über 2,5 Billionen Euro erreicht und liegt damit sogar leicht über der gesamten Marktkapitalisierung des Russell 2000 (einem weltweit beachteten Aktienindex für US-amerikanische Nebenwerte). Die folgende Grafik zeigt die imposante Entwicklung der Marktkapitalisierung von Apple und des rund 2000 Einzelwerte umfassenden Index seit dem Jahr 2010. Als zusätzliche Referenz ist auch die Marktkapitalisierung des deutschen Leitindex DAX dargestellt, die in Summe zuletzt bei rund 1,5 Billionen Euro lag und damit rund 60 % der absoluten Marktbewertung von Apple ausmachte:

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Weitere Beispiele für die zu beobachtende Abnahme der Marktbreite haben ebenfalls ihren Ursprung meist in den USA. So überschritt im Zuge der jüngsten Bankenkrise beispielsweise die Marktkapitalisierung der größten US-Bank J.P. Morgan die kombinierte Marktkapitalisierung der 143 im S&P Regional Banks Index vertretenen Regionalbanken deutlich. Auch die Entwicklung der Aktie des US-amerikanischen Automobilherstellers Tesla im Vergleich zum Rest des globalen Marktes aller Automobilhersteller entsprach in den vergangenen Jahren dieser Entwicklung. Ähnliches gilt in abgewandelter Form in den Top-5-Aktien des S&P 500 für Amazon und den Chiphersteller NVIDIA, dessen Marktkapitalisierung inzwischen rund dem 30-fachen des letzten Jahresumsatzes (nicht Gewinn) entspricht.

Trotz des tendenziell negativen Beigeschmacks bleiben die geschilderten Beobachtungen am Ende des Tages jedoch das was sie sind: Beobachtungen. Kleine Puzzleteile im großen Bild des Gesamtmarktes. Die überwiegend sehr gute fundamentale Entwicklung aller genannten Einzelaktien könnte sich durchaus weiter fortsetzen und die Ungleichgewichte am Markt könnten sich in der Folge noch weiter verstärken. Auch könnten die bisher abgehängten Bereiche des Marktes wieder aufschließen – die Bewertungen würden entsprechenden Spielraum bieten – und die Ungleichgewichte entsprechend reduzieren. In jedem Fall gilt es die beschriebenen Entwicklungen zu kennen und zu verfolgen. Damit man weiß, wovon man spricht, wenn es wieder einmal heißt: „Der Markt macht dieses oder jenes …“

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Autor : Christian Schmitt, Senior-Portfoliomanager bei ETHENEA Independent Investors.

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