Zur Causa Distanzlernen

Zur Causa Distanzlernen

Sehr geehrter Herr Kultusminister, lieber Grant Hendrik Tonne,

zum wiederholten Male befinden wir uns im Lockdown. Es geht darum, die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Dazu soll die Anzahl menschlicher Kontakte reduziert werden. In dieser Situation ist es für uns als Eltern sehr gut nachvollziehbar, dass auch Schulen geschlossen werden. 

Als Eltern eines Grundschülers werden wir nun zum dritten Mal mit einem Prozess konfrontiert, den Sie förmlich „Distanzlernen“ nennen. Die Idee ist simpel, wenn die Schüler*innen nicht in die Schule gehen dürfen, dann sollen sie schulische Lerninhalte eben zu Hause erarbeiten. 

In der Realität der Schüler*innen ist das leider gleichbedeutend mit Dauerhausaufgaben. 

Hausaufgaben sind vermutlich schon unter „normalen“ Bedingungen eine eher ungeliebte Form des Lernens. Vor allem bei jüngeren Schüler*innen erfordern sie eine enge Begleitung und Unterstützung durch die Eltern. Für das zeitintensive Distanzlernen steht in vielen Familien durch Arbeit und Home-Office nur ein begrenztes Zeitbudgets zur Verfügung. Die meisten Eltern sind keine ausgebildeten Pädagogen. Wie lässt sich unter diesen Bedingungen eine interessante und altersgerechte Lernumgebung in heimische Wohnräume zaubern? 

In der Realität entstehen dadurch Druck und Stress für Kinder und Eltern – die Beziehung zwischen ihnen leidet darunter. Die Anzahl der Kinder, die das sogar mit Gewalterfahrungen bezahlen dürfte erschreckend hoch sein.

Was bedeutet das? Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Zeit. Damit sind außergewöhnliche Lösungen verbunden. Doch wie lang soll das nach dem bisherigen Prinzip weitergehen? Fast ein Jahr ist inzwischen ins Land gegangen, ohne dass durch das Kultusministerium pädagogische Modelle entwickelt wurden, die eine Antwort auf die außergewöhnlichen Herausforderungen bedeuten. Wir erleben keine aktive Anpassung von Lehrplänen oder Unterrichtsmaterialien. Ganz im Gegenteil, versäumter Lehrstoff aus der Lockdownzeit wird in der restlichen Unterrichtszeit aufgeholt. Das geht oftmals erneut mit einer großen Menge an Hausaufgaben Hand-in-Hand.

Als Kultusminister sollte Ihnen das Wohlergehen der Schüler*innen am Herzen liegen. Sie haben an dieser Stelle Verantwortung übernommen. Dazu sollten Sie auf die Bedürfnisse der Kinder schauen. Dauerhausaufgaben werden diesen Bedürfnissen in unseren Augen nicht gerecht. Es braucht interaktive Medien, die es Kindern ermöglichen mit Freude zu lernen. Medien, die zugleich Räume öffnen, um das erlernte Wissen praktisch auszuprobieren. Wo sind diese Formate? Wo findet eine Befähigung der Lehrenden in diese Richtung statt? Wo sind angepasste Lehrpläne, die diese andauernd besondere Situation auffangen? Interessanterweise leisten die Anstalten der ARD in dieser Beziehung mehr als das zuständige Kultusministerium und stellen ein großes Angebot an kindgerechten Wissensformaten in der Mediathek zur Verfügung. Wieso wird das nicht inhaltlich vernetzt? Mit Antolin sind zwar Plattformen vorhanden, die werden jedoch nur unzureichend eingesetzt. Wo sind digitale Dialogformate, in denen die so wichtigen Beziehungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen erhalten und gefestigt werden? In den Grundschulen werden die Grundsteine für künftige Schullaufbahnen der Schüler*innen gelegt – hier sollte es doch vor allem darum gehen die Lust am Lernen zu vermitteln.

In meiner Wahrnehmung versuchen Sie diese – zugegeben großen – Herausforderungen ohne wirkliche Anstrengungen auszusitzen. Die gesamte schulische Bildung könnte mit mutigen Entscheidungen modernisiert und auf ein höheres Niveau gehoben werden. Dazu gilt es auch Leidenschaft innerhalb der Lehrerschaft für solche Formate zu wecken und positive Beispiele zu verbreiten, die zur Nachahmung einladen. Solche Beispiele gibt es vielerorts – hervorgehend aus dem herausragenden Engagement einzelner Lehrer*innen.

Kommen Sie endlich raus aus der inneren Haltung der Handlungsunfähigkeit und kreieren Sie eine positive Haltung zur Veränderung. Beenden Sie das Desaster der Dauerhausaufgaben und ersetzen sie es durch geeignetere Konzepte. Kinder und Eltern werden es Ihnen danken.

Herzlichen Gruß

Roland Panter

#Distanzlernen #Lockdown #Corona #Schule #Bildung #Pädagogik #Digitalisierung #Politik #Kultusministerium

Peter Schwarz

Get Innovations and Investments financed by public funding

3 Jahre

Dasselbe in Berlin. Lehrende warten auf Ansagen von DirektorInnen, die wiederum auf Ansagen von der Senatorin für Bildung, Jugend und Famile #SandraScheeres warten, die darauf wartet, dass die Schulen wieder öffen. Die Folge #NixHomeschooling. 

Ich stimme völlig zu, dass gerade jetzt die Zeit genutzt werden müsste, Lehrpläne den Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Hausaufgaben - und jetzt Dauerhausaufgaben - sind leider ohnehin allzuoft zur Beschäftigungstherapie verkommen. Natürlich hängt viel vom Lehrer ab, aber vielzu oft noch wird die Lernfreude durch stumpfes "Abarbeiten" von soundsoviel Aufgaben im Mathebuch nicht gefördert. Ein Gedanke, der mich allerdings auch sehr beschäftigt ist, wie Kinder aus Familien, in denen die Eltern nicht die Möglichkeit haben, sich adequat zu kümmern, durch diese schwere Zeit kommen.

Home Schooling hängt in der Grunschule aus meiner Sicht primär von der Motivation und der Technikaffinität des Klassenlehrers ab. Wir haben da mit unserer Klassenlehrerin großes Glück, aber mir ist nicht bekannt, dass sie beim Aufbau der digitalen Lerninhalte auf irgendeine Unterstützung ihres Dienstherren zählen konnte...

Roger Cericius

Den Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße

3 Jahre

Unser Junge hat bei der ersten Schulschliessung zum Distanzlernen abfotografierte Overheadfolien bekommen mit Arbeitsaufgaben für mehrere Wochen. 6 Monate später das gleich makabre Schauspiel. Es ist zum heulen.

Manuel Bode

Commercial Strategist I Revenue Creator I Perception Pro I Chamber Musician

3 Jahre

Du legst den richtigen Finger in die richtige Wunde. Das herausragende Engagement Einzelner macht immer wieder Mut. Leider beobachte ich vor allem in weiten Teilen der Lehrerschaft ein Maß an Digitalisierungsangst, Bequemlichkeit und Weigerung zu lebenslangem Lernen, das mich sprachlos macht. Dass ausgerechnet eine der wirtschaftlich am besten abgesicherten Berufsgruppen zum Teil derart unsolidarisch mit den übrigen gesellschaftlichen Gruppen ist, finde ich inakzeptabel. Und dass die Riesenchance, in der aktuellen Lage gesichtswahrend Curriculum und überkommene didaktische Methoden endlich den Bedürfnissen des 21. Jahrhundert anzupassen, von der Politik im föderalen Dornröschenschlaf leichtfertig versemmelt wird, ist beinahe unverzeihlich.

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