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Document 52014IE6520

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Korruptionsbekämpfung in der EU: Berücksichtigung der Anliegen der Unternehmen und der Zivilgesellschaft“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 13 vom 15.1.2016, p. 63–72 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.1.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 13/63


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Korruptionsbekämpfung in der EU: Berücksichtigung der Anliegen der Unternehmen und der Zivilgesellschaft“

(Initiativstellungnahme)

(2016/C 013/11)

Berichterstatter:

Filip HAMRO-DROTZ

Ko-Berichterstatter:

Pierre GENDRE

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. Oktober 2014 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Korruptionsbekämpfung in der EU: Berücksichtigung der Anliegen der Unternehmen und der Zivilgesellschaft.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2015 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 510. Plenartagung am 16./17. September 2015 (Sitzung vom 16. September) mit 184 Stimmen bei 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen

1.1.

Die EU sollte unverzüglich eine kohärente und umfassende Fünfjahresstrategie für die Korruptionsbekämpfung und einen dazugehörigen Aktionsplan ausarbeiten, die von den Präsidenten der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates unterstützt wird. Die EU-Ratsvorsitze und die Organe der EU sollten sich in ihren Programmen sowie in der interinstitutionellen Zusammenarbeit zu klaren Zielen für die Korruptionsbekämpfung verpflichten. Sie sollten über eine fortschrittsorientierte Agenda verfügen und den Schwerpunkt insbesondere auf übergreifende Themen in Sachen Korruptionsbekämpfung in der EU und in den Außenbeziehungen der EU, auf stärkere Unterstützung der Mitgliedstaaten und verstärkte transnationale Zusammenarbeit, auf die Verbesserung der Integrität der Organe und den Schutz der finanziellen Interessen der EU legen. Förderung von Transparenz und Korruptionsprävention sollten zentrale Ziele für alle Maßnahmen der EU sein. Die Strategie sollte den Empfehlungen dieser Stellungnahme Rechnung tragen.

1.1.1.

Die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Durchsetzung bestehender nationaler, europäischer und internationaler Regelungen sollte dabei oberste Priorität haben.

1.1.2.

Die Fortschritte der Strategie sollten im Rahmen des Europäischen Semesters unter Berücksichtigung der Korruptionsbekämpfungsberichte und der regelmäßigen Erhebungen der Kommission geprüft werden. Die Korruptionsinzidenz sollte auch bei der Überwachung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten durch die EU berücksichtigt und ausdrücklich genannt werden als Teil der Auflagen in den mit Mitgliedstaaten und Drittstaaten vereinbarten wirtschaftlichen Unterstützungsprogrammen.

1.2.

Eine verbesserte und integrative transnationale Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung sollte der zentrale Ansatz dieser Strategie sein:

1.2.1.

Die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten sollten die transnationale Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung im Kontext der erneuerten EU-Strategie der inneren Sicherheit 2015-2020 (COM(2015) 185) ausbauen, die Koordinierung zwischen den einschlägigen Einrichtungen (OLAF, Eurojust, Europol, Bürgerbeauftragter und Rechnungshof) verbessern und ein wirksames Management des EU-Kontaktstellennetzes zur Korruptionsbekämpfung (EACN) sicherstellen. Sie sollten den Austausch bewährter Verfahren ausbauen und die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen nationalen Staatsanwaltschaften in Fällen grenzüberschreitender Kriminalität — z. B. bei der Rückgabe und Rückführung von Vermögenswerten, die durch kriminelle Machenschaften erworben wurden — fördern.

1.2.2.

Der Europäische Rat besitzt diesbezüglich eine zentrale Führungsrolle und kann die Korruptionsbekämpfung vorantreiben mittels:

dem Auflegen von Programmen zur Sensibilisierung und Aufklärung in den Mitgliedstaaten in Bezug auf: den Wert von Integrität in Gesellschaft und Wirtschaft; das Wesen und das Ausmaß von Korruption in Politik, Justiz und öffentlicher Verwaltung; die Rolle von Korruption bei der Unterdrückung von Medienfreiheit, der Ausbreitung des organisierten Verbrechens und der Aushöhlung der Wettbewerbsfähigkeit; die Eröffnung einer grundlegenden Debatte über die Zukunft der demokratischen Regierungsführung in Europa;

Förderung und Erlass verstärkter Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption; sowie in diesem Zusammenhang auch Start der Überprüfung und Förderung der Umsetzung des UNCAC in der EU (gemäß UNCAC Artikel 63 und Entschließung 3/1);

eines verstärkten Engagements für die Harmonisierung der einzelstaatlichen Strafrechtsvorschriften, wenn diese eine wirksame Ermittlung und Verfolgung von Korruptionsfällen behindern. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf der Angleichung der Definitionen für Korruption und Interessenkonflikte liegen. Dies könnte vorzugsweise mittels EU-Rechtsvorschriften oder mittels Verfahren wie z. B. der „offenen Koordinierungsmethode“ erreicht werden, bei der Gesetzesentwürfe zur Anleitung der Mitgliedstaaten ausgemacht werden könnten;

der unverzüglichen Annahme der Verordnung über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EStA) und der geänderten Verordnung über Eurojust.

1.2.3.

Der dreigliedrige Sozialgipfel sollte auf der Grundlage der Artikel 152-155 AEUV erwägen, wie der soziale Dialog sowohl auf horizontaler wie sektoraler Ebene zur Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption beitragen könnte.

1.2.4.

Was das Engagement für die EU-Initiativen zur Korruptionsbekämpfung betrifft, sollte die Konsultation und Einbindung der Zivilgesellschaft nach Maßgabe von Artikel 11 AEUV sowie die Mitwirkung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Europäischen Ausschusses der Regionen verstärkt werden.

1.2.5.

Die EU-Organe und die einschlägigen Einrichtungen sollten in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit zum Engagement der Bürgerinnen und Bürger im Kampf gegen Korruption ergreifen. Dabei sollten auch die Rechte und der Rechtsschutz im Rahmen des EU-Rechts verdeutlicht werden. Eine Informationskampagne für die Massenmedien wäre erforderlich, um z. B. deutlich zu machen, wie Bürger den Verdacht auf Korruption und Missbrauch von EU-Mitteln melden können. Dies sollte mit mehr Transparenz in puncto Verwendung von EU-Geldern einhergehen.

1.3.

Die EU sollte — neben legislativen — alternative Maßnahmen ergreifen und unterstützen, um — im Einklang mit internationalen, sektoralen und europäischen Instrumenten und Leitlinien — die Annahme, Durchführung und Einhaltung von Kodizes und Standards zur Bekämpfung von Bestechung und Korruption in den Unternehmen zu fördern. Das Konzept transparenter und inklusiver Einbindung wichtiger Interessenträger einschließlich der Arbeitnehmer sollte Teil der Umsetzung eines Ethikkodex (einschließlich angemessener Bestimmungen über die Meldung von Missständen) in den einzelnen Unternehmen sein. Unternehmen in Drittstaaten sollten der Verpflichtung unterliegen, über ein System zur Korruptionsbekämpfung zu verfügen, um für Projekte, die mit EU-Mitteln unterstützt werden, infrage zu kommen.

1.3.1.

In diesem Zusammenhang sollte die EU auch die Erneuerung der EU-Strategie für die Verantwortung von Unternehmen dazu nutzen, mithilfe von Unternehmens- und Wirtschaftsverbänden und der Sozialpartner zu untersuchen, wie bewährte Verfahren der Corporate Governance und ethische Grundsätze umfassend verbreitet werden können.

1.3.2.

Der Ausschuss begrüßt die jüngste Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen, nach der große Unternehmen in der EU verpflichtet sind, in ihren Rechenschaftsberichten Informationen zu Compliance und ethischen Standards vorzulegen. Sie soll dafür sorgen, dass Unternehmen die Einhaltung von Standards für die Betrugsbekämpfung einschließlich angemessener Warnmechanismen über ihre gesamte Lieferkette sicherstellen und dass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angemessene Maßnahmen ergreifen.

1.3.2.1.

Dies betrifft insbesondere Rohstofflieferungen, die häufig eine Quelle von Korruption sind. Die EU kann sich auf bewährte Verfahren im Forstsektor und ordnungspolitische Konzepte in den USA in Bezug auf sog. Konfliktmineralien stützen. Die Europäische Kommission sollte in diesem Zusammenhang einen kohärenten Ansatz bei der Überarbeitung ihrer Rohstoffstrategie gewährleisten. Sie sollte auch eng mit Unternehmensvertretern auf europäischer Ebene zusammenarbeiten, um einen kohärenten und konsistenten Ansatz zur Beseitigung von Korruption in den Lieferketten zu konzipieren.

1.4.

Die Europäische Kommission sollte ihre Richtlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge erneut überarbeiten, insbesondere um zu ermitteln, inwieweit die Transparenz und Zuverlässigkeit der Verfahren verbessert werden können. Sie sollte proaktiv überprüfen, wie bestehende Bestimmungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Günstlingswirtschaft von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden (auch auf regionaler und kommunaler Ebene), und gegebenenfalls ausführlichere Leitlinien erlassen. Die Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen sollten für alle Unternehmen unbeschadet ihres Herkunftslandes gelten.

1.4.1.

Die Europäische Kommission sollte sicherstellen, dass es geeignete Wege für die Meldung von Korruption bei öffentlichen Vergabeverfahren auf nationaler und kommunaler Ebene gibt, und bessere Möglichkeiten für Rechtsmittel zulassen, auch für nicht unmittelbar betroffene Akteure. Die EU und die Mitgliedstaaten sollten für ein hohes Maß an Transparenz in diesen Verfahren sorgen. Es ist zu begrüßen, dass die elektronische Auftragsvergabe in allen Mitgliedstaaten zum Standard wird. Es sollte das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Informationen bezüglich des Vergabeverfahrens und der Zuschlagserteilung auf der einfach zugänglichen und leicht auszuwertenden elektronischen Plattform TED (Tenders Electronic Daily) zur Verfügung stehen.

1.4.2.

Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, sollten Informationen über ihre Eigentumsverhältnisse, einschließlich des wirtschaftlichen Eigentümers des Unternehmens, vorlegen. Großunternehmen, die sich um Aufträge bewerben, sollten über einen soliden Verhaltenskodex für die Bestechungs- und Korruptionsbekämpfung verfügen, der den internationalen, europäischen und branchenspezifischen Instrumenten bzw. Leitlinien entspricht. Die Offenlegung von Informationen sollte den Schutz von Geschäftsgeheimnissen (siehe EWSA-Stellungnahme INT/145) wahren und nicht durch unterschiedliche datenschutzrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden.

1.4.3.

Der Einsatz von Sanktionen und als letztes Mittel der auf einen verhältnismäßigen Zeitraum begrenzte Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen sowie entsprechende Maßnahmen für Personen im öffentlichen Sektor sollten von der EU als Abschreckungsmaßnahmen gegen Korruption gefördert werden. Die Europäische Kommission, die Europäische Investitionsbank und die EU-Mitgliedstaaten sollten ein EU-weites übergreifendes Ausschlusssystem schaffen, das auf europäischer und nationaler Ebene bestehende Ausschlusssysteme integriert und sicherstellt, dass korrupten Personen die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in der EU verwehrt wird — wie dies in den neuen EU-Vergaberichtlinien (2014/24 und 25) vorgesehen ist. Personen im öffentlichen Sektor sollten mit entsprechenden Konsequenzen zu rechnen haben. Ein solcher Ausschluss sollte vor allem dann erwogen werden, wenn ein Unternehmen wegen strafbarer Handlungen verurteilt wurde oder es versäumt hat, präventive Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung zu ergreifen. Die Regelung sollte Unternehmen begünstigen, die Reformen durchgeführt haben und angemessene Schritte zur Prävention von Korruption („selbstreinigende Maßnahmen“) ergriffen haben. Der Einsatz des Instruments des „Integritätspakts“ — Verpflichtungen der Behörden und Unternehmen zu höheren Standards für Transparenz und Integrität im öffentlichen Auftragswesen — sollte unterstützt werden. Notwendig ist die strengere Beachtung und Einhaltung ethischer Maßstäbe in staatseigenen Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung, sowohl auf nationaler als auch regionaler/kommunaler Ebene.

1.5.

Die EU sollte die Transparenz von Finanzströmen in der EU verbessern. Der Ausschuss begrüßt zwar die jüngst erlassenen Rechtsvorschriften zur Verbesserung der Transparenz im Bereich des unternehmerischen Eigentums im Rahmen der vierten Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU, die Öffentlichkeit muss jedoch über die tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer von Trusts und sonstigen Investitionen tätigenden Unternehmen informiert werden. Die Transparenz internationaler Finanzströme würde vor allem durch eine erweiterte Unternehmensberichterstattung verbessert — nach Maßgabe internationaler und sektoraler Leitlinien sowie einschlägiger EU-Rechtsvorschriften, die multinationale Unternehmen zur Mitteilung der finanziellen Eckdaten in den Staaten, in denen sie eine Geschäftstätigkeit ausüben, verpflichten.

1.5.1.

Die Einhaltung der geltenden EU-Rechtsvorschriften durch die Banken sollte verbessert werden. Die Europäische Kommission und die Europäische Bankaufsichtsbehörde sollten sich in diesem Zusammenhang aktiver dafür einsetzen, dass Defizite bei der Umsetzung der Vorschriften in einem Mitgliedstaat nicht das gesamte System schwächen. Die Europäische Kommission sollte ferner ihre Zuständigkeiten für die Harmonisierung der strafrechtlichen Sanktionen in diesem Bereich nutzen, um sicherzustellen, dass in allen Rechtsordnungen der EU geeignete abschreckende Sanktionen vorgesehen sind. Die Mitgliedstaaten sollten auch angehalten werden, den Straftatbestand der absichtlich begangenen unerlaubten Bereicherung eines Amtsträgers laut Artikel 20 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) einzuführen.

1.6.

In vielen Fällen hängt die Aufdeckung von Korruption von der Bereitschaft von Informanten (Whistleblowern) ab, Fälle zu melden, sofern dies nach Treu und Glauben und aus berechtigten Gründen erfolgt. Die Europäische Kommission sollte alternative Wege zur Förderung des Informantenschutzes sondieren, eine Machbarkeitsstudie bezüglich Instrumente auf EU-Ebene — wenn möglich, in Form einer Verordnung oder Richtlinie — durchführen, wobei die internationalen und sektoralen Leitlinien sowie die einschlägigen Entschließungen des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen sind. Die Achtung von Privatsphäre und Geschäftsgeheimnissen sollte die Aufdeckung von Korruption nicht verhindern (Richtlinie 2013/36 — CRD IV). Es sollten angemessene Schutzbestimmungen erlassen werden, die die betroffenen Parteien vor unrichtigen Meldungen schützen.

1.7.

Wie Erfahrung und Forschung zeigen, sind die Verteilung und Verwendung des Gelds der EU-Steuerzahler über die Struktur- und Investitionsfonds der EU (einschließlich des EFSI) anfällig für Missbrauch. Betrug geht häufig mit Korruption einher, aber die Untersuchung wird häufig durch Defizite bei der Zusammenarbeit der EU mit den nationalen Behörden behindert. Die EU sollte eine wichtigere Rolle bei der Überwachung und Prüfung der Mittelverwendung auf der Grundlage von null Toleranz bei Korruption und Betrug spielen. Die Europäische Staatsanwaltschaft (EStA) sollte als ein unabhängiges und effizientes Europäisches Amt eingerichtet werden, das über angemessene Ressourcen verfügt, um nicht nur Straftaten in Bezug auf EU-Gelder, sondern auch schwere länderübergreifende Delikte wie Korruption ermitteln und verfolgen zu können — wie dies im Vertrag von Lissabon festgelegt wurde. Die Kapazitäten von Eurojust sollten ebenso ausgebaut werden, da Drittstaaten, für die die EStA nicht zuständig ist, mitunter betroffen sind.

1.8.

Die EU sollte sich stärker an der Korruptionsbekämpfung auf internationaler Bühne beteiligen. Sie sollte strenge Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung in ihre Vereinbarungen mit Drittstaaten aufnehmen. Bei Finanzierungsprogrammen (im Rahmen der Heranführungsmittel, Nachbarschaftsfazilitäten, Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und der Außenhilfe usw.) sollten strenge Konditionalitätsvorschriften vorgesehen werden, um Korruption zu bekämpfen und ihr vorzubeugen (und auch um die Mittel selbst zu schützen). Es müssen solide Verfahren eingeführt werden, um die Umsetzung zu überwachen.

1.8.1.

Es sollten Maßnahmen ergriffen werden zum wirkungsvollen Schutz — sowohl auf dem Binnen- als auch auf dem Weltmarkt — von europäischen Unternehmen, die ethische Standards einhalten, gegenüber Bewerbern aus Drittstaaten, die solche Bestimmungen missachten. Dieser Schutz sollte u. a. Folgendes beinhalten: „Die Vertragsbedingungen sollten so abgefasst werden, dass die mit dem Vertrag verbundenen Risiken in fairer Weise aufgeteilt werden“ (Erwägungsgrund 65 der CEF-Verordnung (EU) Nr. 1316/2013). Dieser Grundsatz sollte in den Wortlaut sämtlicher Regelungen der EU aufgenommen werden, die EU-Finanzmittel betreffen.

1.8.2.

Ferner sollte die EU ihr Finanzsystem mit mehr Engagement davor schützen, ein sicherer Hafen für schmutzige Gelder zu werden. Ereignisse der letzten Jahre z. B. in Afrika, dem Nahen Osten und der Ukraine haben die Unzulänglichkeit des bilateralen Ansatzes für die Wiedererlangung und Rückführung gestohlener Vermögenswerte deutlich gemacht. Die Europäische Kommission sollte eine aktivere Rolle bei der Unterstützung und Koordinierung der Rückgabe von Vermögenswerten an diese Länder übernehmen.

1.9.

Es obliegt den EU-Organen selbst, dafür zu sorgen, ein Vorbild in Sachen Transparenz, Integrität und verantwortungsvoller Regierungsführung zu sein und so Maßstäbe für die EU-Mitgliedstaaten zu setzen. Nur so werden die EU-Organe die Autorität und Glaubwürdigkeit erlangen, die oben dargelegten Maßnahmen einzuleiten, zu steuern und umzusetzen. Diesbezüglich sollten die EU-Organe ein Höchstmaß an Rechenschaftspflicht und Transparenz im Beschlussfassungsprozess anstreben, u. a. durch die Schaffung eines „legislativen Fußabdrucks“ für EU-Rechtsvorschriften und -Maßnahmen, d. h. eines öffentlichen und zeitnahen Nachweises über das Zusammenwirken von EU-Organen, Mitgliedstaaten und Lobbyisten; ebenso sollten Rechtsvorschriften über die obligatorische Registrierung von Lobbying in der EU erlassen werden.

1.9.1.

Außerdem sollte die EU bezüglich der Überwachung und Vorbeugung von Interessenkonflikten — die Entscheidungsverfahren beeinträchtigen können — kohärent und proaktiv vorgehen. Es sollten unabhängige Ethikausschüsse eingerichtet werden, die befugt sind, verbindliche Empfehlungen auszusprechen und Sanktionen zu erlassen. Weitere Reformen sollten in dem in Empfehlung 1 genannten Fünfjahres-Aktionsplan unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen der Korruptionsbekämpfungsberichte der Kommission und von OLAF dargelegt werden.

1.10.

Der EWSA sollte mit folgenden zweckmäßigen Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption in der EU beitragen:

Sensibilisierung der Öffentlichkeit als Folgemaßnahme zu der Stellungnahme;

Beteiligung am einschlägigen Dialog über Korruption zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, wie von der Kommission gewünscht;

Ansprechen der Korruptions- und Betrugsbekämpfung in künftigen Stellungnahmen und Erwägung zusätzlicher Stellungnahmen einschließlich Stellungnahmen zu Korruption in einzelnen Branchen;

Thematisierung der Problematik im Rahmen der Zusammenarbeit mit den nationalen WSR und bei Kontakten mit den Interessenträgern sowie bei den Aktivitäten des EWSA auf dem Gebiet der Außenbeziehungen;

Erwägung einer Überarbeitung des internen Kodexes der EWSA für gute Verwaltungspraxis und des Verhaltenskodexes für EWSA-Mitglieder einschließlich Einführung interner Vorschriften bezüglich Whistleblower;

Förderung der regelmäßigen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung mit den EU-Organen (Europäischer Rat, Europäische Kommission, Europäisches Parlament), den einschlägigen Agenturen und dem Ausschuss der Regionen;

Einsetzung einer Monitoring-Gruppe für die Korruptionsbekämpfung.

2.   Beschreibung von Korruption

2.1.

Korruption wird in Anlehnung an UNCAC definiert als „jeglicher Machtmissbrauch zur Erlangung privater Vorteile“. Diese Definition ist Ausgangspunkt der Stellungnahme.

2.2.

Korruption ist ein weltweit verbreitetes Phänomen. Die Kosten, die Korruption jährlich für die EU-Steuerzahler verursacht, werden auf ca. 120 Mrd. EUR geschätzt (wobei Betrug zum Schaden der finanziellen Interessen der EU noch nicht berücksichtigt ist); dies entspricht nahezu dem jährlichen Gesamthaushalt und macht ein Prozent des BIP der Union aus. In puncto Korruption gibt es zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede. In vielen durchdringt sie alle Schichten des öffentlichen und privaten Lebens. Die Europäische Kommission gibt in der Einleitung zum Korruptionsbekämpfungsbericht der EU von 2014 an: „Korruption fügt der Wirtschaft und der Gesellschaft als Ganzes erheblichen Schaden zu (…). Auch die EU-Mitgliedstaaten sind dagegen nicht immun. Die Korruption (…) stellt ein Problem für die verantwortungsvolle Staatsführung, den sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern und für wettbewerbsfähige Märkte dar. Im Extremfall erschüttert sie das Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen und Verfahren.“

2.3.

Korruption hat viele Gesichter. Sie kann klassifiziert werden als Korruption im öffentlichen Sektor, Korruption im privaten Sektor und politische Korruption, je nach Sektor, in dem sie auftritt. Korruption betrifft immer zwei an der illegalen Handlung einvernehmlich beteiligte Akteure.

2.3.1.

Typische Beispiele für Korruption sind Bestechungshandlungen, sowohl aktiver als auch passiver Natur, einschließlich des Anbietens, Gewährens und Entgegennehmens oder Erbittens eines Vorteils als Anreiz für eine erlaubte, unrechtmäßige oder unethische Handlung, beispielsweise in Form von Geschenken, Darlehen, Provisionen, Zahlungen zur Erleichterung eines Vorgangs („Schmiergelder“), Prämien (verdeckte Rückerstattungen — Kick-back) und sonstigen Vorteilen wie Steuernachlässe, Visa, Dienstleistungen, Sponsoring und Schenkungen. Korruption ist in vielen Fällen mit anderen rechtswidrigen Praktiken verbunden wie z. B. Preisabsprachen, Manipulation von Angebotsabsprachen unter Bietern, Geldwäsche, unerlaubte Bereicherung, Erpressung und Betrug. Sie ist auch in weniger greifbaren Transaktionen gegenwärtig, beispielsweise Günstlings- und Vetternwirtschaft bei der Einstellung von Amtsträgern, Klientelismus, unethische Immunität, Straferlass und Privatisierungspraktiken fragwürdiger Natur, Einflussnahme und Bestechung gerichtlicher und polizeilicher Behörden, Parteienfinanzierung und Manipulation von Wahlkampagnen. Nicht geregelte oder schlecht gehandhabte Interessenkonflikte können zu Korruption führen, z. B. lukrative Posten in Unternehmen ohne Stillhaltezeit für vormalige Amtsträger („Drehtüreffekt“).

2.3.2.

All diese unethischen und unrechtmäßigen Handlungen werden durch eine Vielzahl von Faktoren erleichtert. Diese umfassen rechtliche Einschränkungen (Immunität für gewählte Amtsträger und Verjährungsfristen); das Fehlen von internationalen Standards, Verhaltenskodizes, ethischen Leitlinien und angemessenen Warnmechanismen; der Mangel an Transparenz im Zusammenhang mit öffentlichen Entscheidungsprozessen und der Art und Weise, in der diese beeinflusst werden (beispielsweise mangelnde Offenlegung von Nebeneinkünften und -tätigkeiten gewählter oder ernannter Amtsträger oder verborgene Treffen mit Personen, die solche Entscheidungen beeinflussen möchten).

2.3.3.

Korruption ist häufig mit der Schattenwirtschaft und dem organisierten Verbrechen verknüpft. Europol identifiziert in der Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität (SOCTA) von 2013 rund 3 600 Gruppen und Netzwerke des organisierten Verbrechens, die derzeit EU-weit operieren und in steigendem Maße alle Bereiche der Wirtschaft infiltrieren.

2.4.

Korruption wird als schwerwiegendes und wachsendes Problem in der EU (und weltweit) wahrgenommen. Korruption macht nicht vor nationalen Grenzen halt.

2.5.

Die Europäische Kommission hat im Juni 2011 mit der Annahme eines umfassenden Pakets zur Korruptionsbekämpfung einen wichtigen Schritt getan, um Korruption in Europa anzugehen und zu bekämpfen. Darin wurde die Einführung eines EU-Berichterstattungsmechanismus für die Korruptionsbekämpfung vorgeschlagen. Im Februar 2014 wurde der erste Bericht über die Korruptionsbekämpfung in der EU — COM(2014) 38 final — veröffentlicht. Weitere Berichte sollen im Zweijahresrhythmus erscheinen. Mit diesem ersten Bericht soll eine breite Debatte mit den Interessenträgern angestoßen werden, um das Engagement im Kampf gegen die Korruption zu unterstützen und Wege auszumachen, wie die EU-Institutionen einen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung leisten können. Das Konzept der „Beteiligung der Gesellschaft“ ist angelehnt an Artikel 13 UNCAC.

2.5.1.

In dem Bericht werden spezifische Probleme der Korruption in den einzelnen Mitgliedstaaten angesprochen. Dabei wird allgemein hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen zur Bekämpfung von Korruption und Betrug verstärken sollten, da sie die Bestimmungen einschlägiger internationaler und europäischer Instrumente nur unzureichend umsetzen, durchführen und durchsetzen.

2.5.2.

Zusammen mit dem Bericht wurden zwei Eurobarometer-Umfragen veröffentlicht: a) die Sonderumfrage Korruption und b) die unternehmensbezogene Kurzumfrage.

2.5.2.1.

Dies sind die zentralen Punkte der Umfragen (alle angegebenen Zahlenverhältnisse beziehen sich auf die Anzahl der Unionsbürger bzw. Unternehmen, die bei der Umfrage geantwortet haben):

drei Viertel der Unionsbürger halten Korruption in ihrem Heimatland für weit verbreitet. In zehn Mitgliedstaaten liegt diese Zahl bei über 90 %;

über die Hälfte der Europäer denkt, dass das Ausmaß der Korruption in den vergangenen drei Jahren zugenommen hat;

drei Viertel der Europäer geben an, dass Bestechung und das Ausnutzen von Beziehungen häufig der einfachste Weg sind, bestimmte öffentliche Dienstleistungen (z. B. bei ärztlicher Versorgung und im Gesundheitswesen) in ihren Ländern zu erhalten;

über zwei Drittel der Europäer sind der Auffassung, dass Korruption in den Organen der EU verbreitet sei, und mehr als die Hälfte denkt nicht, dass die Organe zur Verringerung der Korruption in Europa beitragen;

ca. die Hälfte der Unternehmen sieht Korruption als Problem für ihre Geschäftstätigkeit an. Staatseigene Unternehmen und der öffentliche Sektor einschließlich Steuer- und Zollbehörden schienen besonders anfällig zu sein;

über die Hälfte der Unternehmen stellt fest, dass Korruption im öffentlichen Auftragswesen weit verbreitet ist aufgrund von Interessenkonflikten, nicht transparenten Verfahren und Günstlingswirtschaft. Die öffentliche Auftragsvergabe für Projekte und Verträge in den Bereichen Stadtentwicklung, Infrastrukturen, Bauwesen und Gesundheitsversorgung wurde auf allen Ebenen als besonders korruptionsanfällig ausgemacht.

2.6.

Der OECD-Bericht von Dezember 2014 zeigt, dass die Bestechung ausländischer Amtsträger weiterhin ein inakzeptables Ausmaß aufweist. In dem Bericht werden mehr als 400 Fälle von Bestechung ausländischer Amtsträger im Zeitraum 2009-2014 beschrieben. Die Bestechungsgelder beliefen sich durchschnittlich auf 11 % des gesamten Transaktionswerts und standen in vielen Fällen im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen. Zwei Drittel der Fälle traten in vier Sektoren auf: Rohstoffe, Bauwirtschaft, Transport und Lagerung, Information und Kommunikation.

2.7.

Im Hinblick auf die Bemühungen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU (von der EU verwaltete Gelder der Steuerzahler) wurden 2013 16 000 Fälle von Unregelmäßigkeiten (ca. 2 Mrd. EUR) bei der Verwendung von EU-Mitteln gemeldet, davon 1 600 Betrugsfälle (350 Mio. EUR). Seit 2009 haben die gemeldeten Unregelmäßigkeiten zahlenmäßig um 22 % und wertmäßig um 48 % zugenommen. Dokumentenfälschung (häufig im Zusammenhang mit Korruption) war hierbei die Hauptursache. Der Rechnungshof der EU stellte in seinem Jahresbericht für 2013 bei rund 5 % der bewilligten EU-Mittel eine missbräuchliche oder fehlerhafte Verwendung fest, insbesondere in den Bereichen Regionalpolitik, Energie und Verkehr, Landwirtschaft, Umwelt, Fischerei und Gesundheitswesen.

3.   Internationale Instrumente zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung

3.1.

Zusätzlich zu ihren eigenen nationalen Vorschriften zur Bekämpfung von Bestechung und Korruption sind die EU-Mitgliedstaaten verschiedenen internationalen Übereinkommen und Verträgen beigetreten, zudem müssen sie den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften nachkommen. Jedes dieser Übereinkommen verfügt über ein eigenes Überwachungsverfahren, das üblicherweise eine Form des „Peer Review“ beinhaltet.

3.2.

Dies sind die wichtigsten internationalen Instrumente und Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung:

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC);

Übereinkommen der OECD über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr;

Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates von 1999, Zivilrechtsübereinkommen über Korruption.

3.3.

Die wichtigsten Rechtsinstrumente der EU zur Korruptionsbekämpfung sind:

Artikel 83 Absatz 1 AEUV, mit dem der EU das Mandat erteilt wird, gegen schwere Kriminalität (wobei u. a. Korruption erwähnt wird) mit einer europäischen oder grenzüberschreitenden Dimension vorzugehen;

Artikel 325 Absatz 4 AEUV bietet eine Rechtsgrundlage für alle erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU;

Übereinkommen von 1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EU oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind;

Rahmenbeschluss (2003/568/JI) zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor.

3.4.

UNCAC ist das umfassendste aller internationalen Übereinkommen; alle EU-Mitgliedstaaten sowie die EU haben es unterzeichnet.

3.5.

Die EU hat Richtlinien, Mitteilungen und Rahmenbeschlüsse angenommen, mit denen vor allem Mindeststandards festgelegt werden und in denen Fragen behandelt werden, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption und Betrug stehen: Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, Geldwäsche, soziale Verantwortung der Unternehmen, Offenlegung nichtfinanzieller Transaktionen, Unternehmensführung („Corporate Governance“), öffentliches Auftragswesen und Rechnungsprüfung. Der EWSA hat regelmäßig Stellungnahmen zu diesen EU-Initiativen abgegeben.

3.6.

Die EU hat außerdem Korruptions- und Betrugsbekämpfungsvorschriften in ihren — sowohl internen als auch externen — Finanzierungsprogrammen eingeführt (u. a. in der Kohäsions-, Regional-, Landwirtschafts-, Erweiterungs-, Nachbarschafts- und Entwicklungspolitik).

3.7.

Als eine erste Maßnahme zum Schutz gesetzestreuer Unternehmen der EU auf Drittlandsmärkten sollten die Grundsätze, die in Erwägungsgrund 65 der CEF-Verordnung (EU) Nr. 1316/2013 und in Artikel 3 Absatz 24 der Auftragsvergabevorschriften der EBWE enthalten sind und die eine faire Aufteilung der mit dem Vertrag verbundenen Risiken verlangen, in den Wortlaut aller EU-Regelungen betreffend EU-Mittel aufgenommen werden.

3.8.

Die Europäische Kommission wendet seit 2011 auf der Grundlage von Artikel 325 AEUV eine umfassende Betrugsbekämpfungsstrategie (CAFS) (KOM(2011) 376) an, um den gesamten Zyklus der Betrugsverhütung und -aufdeckung sowie die Bedingungen für Untersuchungen und eine hinreichende Wiedergutmachung und Abschreckung durch entsprechende Sanktionen zu verbessern. Die Kommissionsdienststellen haben branchenspezifische Betrugsbekämpfungsstrategien entwickelt. Von Bedeutung ist auch der Richtlinienentwurf (COM(2012) 363) über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtetem Betrug.

4.   Selbstregulierung — ethische Kodizes hinsichtlich Korruption und Bestechung

4.1.

Der Selbstregulierung kommt bei der Bekämpfung von Korruption und Bestechung eine wichtige Rolle zu. Die Unternehmen berücksichtigen zusehends Unternehmensverantwortung, Compliance und rigorose Korruptionsverhütung als Teil ihrer Gesamtstrategie und ihres allgemeinen Managements. Die ethischen Kodizes einzelner Unternehmen basieren hauptsächlich auf einschlägigen internationalen und sektoralen Leitlinien und sollen auch einschlägige EU-Standards umsetzen (Offenlegung nichtfinanzieller Informationen, soziale Verantwortung der Unternehmen usw.). Hauptziel eines Unternehmenskodex ist es, ethisch einwandfreies Verhalten in allen Geschäftsbereichen des Unternehmens zu fördern, alle Akteure einzubinden und für eine transparente und integrative Umsetzung zu sorgen, indem dieses Thema auch im Rahmen des sozialen Dialogs angesprochen wird.

4.2.

Folgende zentrale internationale Leitlinien und Mechanismen gehen ein auf die Grundsätze für Unternehmen zur Verhinderung von Korruption und Bestechung und zur Förderung ethischen Verhaltens:

Bestimmungen der ICC zur Korruptionsbekämpfung, Leitlinien für die Meldung von Missständen, Handbücher usw.;

Global Compact der Vereinten Nationen, zehn Grundsätze der Korruptionsbekämpfung und begleitende Leitlinien für die Meldung;

OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen: Empfehlung 7 zu „Bekämpfung von Bestechung, Bestechungsgeldforderungen und Schmiergelderpressung“;

ISO 37001 Norm für Antibestechungsmanagementsysteme („Anti-Bribery Management Systems“, in Erarbeitung, ISO PC/278);

Leitlinien der Weltbankgruppe für die Korruptionsbekämpfung;

Global Reporting Initiative (GRI, GR4);

Transparency International: Geschäftsgrundsätze für die Bekämpfung von Bestechung usw.

Die Leitlinien der Industrie auf EU-Ebene, z. B. der europäische Bauindustrie (www.fiec.org — einschließlich einschlägiger Leitlinien und gemeinsamer Erklärungen) und der mineralgewinnenden Industrie (www.eiti.org) sind von zentraler Bedeutung für die betreffenden Branchen. Das Gleiche gilt für nationale Leitlinien, (z. B. der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, die dänischen Leitlinien der Industrie), denen bei der Steuerung des Verhaltens der Unternehmen eine zentrale Rolle zukommt.

4.3.

Das Europäische Parlament und die Kommission haben ihre eigenen ethischen Leitlinien angenommen, u. a. einen Verhaltenskodex zur Ergänzung der Pflichten der Beamten nach Maßgabe des Statuts für die Beamten der EU, einschließlich eines Verhaltenskodexes für die Mitglieder des Europäischen Parlaments mit Leitlinien für den Umgang mit Geschenken und Zuwendungen, sonstigen finanziellen Interessen und Interessenkonflikten. Der EWSA hat ähnliche Kodizes angenommen.

5.   Bemerkungen zu den Anliegen der Unternehmen und der Zivilgesellschaft

5.1.

Die Situation hinsichtlich Korruption und Betrug mit öffentlichen Mitteln in der EU ist unhaltbar. Die Zivilgesellschaft und die Unternehmen sind von den Auswirkungen empfindlich betroffen. Korruption verursacht den Verbrauchern zusätzliche Kosten und schafft unsichere Rahmenbedingungen für Unternehmer, die ethische Standards einhalten. Der EWSA nimmt mit Missfallen die weit verbreiteten Fälle von Korruption und Betrug in den Mitgliedstaaten der EU sowie das mangelnde politische Engagement der Regierungen und kommunalen Behörden für eine wirksame Bekämpfung der Korruption, u. a. eine unzureichende Umsetzung und Durchsetzung der auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene vorhandenen Instrumente, zur Kenntnis.

5.1.1.

Die Bürger und die Teilnehmer am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben haben, ungeachtet dessen, in welchem Land der Union sie ansässig sind, das Recht, in einer transparenten und gerecht regierten Gesellschaft zu leben, die nach den Grundsätzen des Rechtsstaats funktioniert. Die Finanz- und Eurokrise hat zu wachsender Kritik der Bürger an schamloser Korruption und zu schwindendem Vertrauen und einem Vertrauensverlust der Bürger bezüglich der demokratischen Regierungsführung auf EU-Ebene und somit zu zunehmender Europaskepsis geführt. Die Zivilgesellschaft erwartet, dass die EU und die Mitgliedstaaten verstärkte und zielgerichtete Anstrengungen bei der Bekämpfung von Korruption und Betrug unternehmen. Entscheidungsträger müssen glaubhaft machen, dass sie im öffentlichen Interesse handeln.

5.2.

Der EWSA selbst engagiert sich aus diesen Gründen bei den Bemühungen zur Lösung des Problems. Er reagiert auf den Wunsch der Europäischen Kommission auf Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei der Korruptionsbekämpfung; die Stellungnahme zielt in erster Linie darauf ab, einen Beitrag zum nächsten Betrugsbekämpfungsbericht (2016) der Kommission zu leisten und an der Sensibilisierung für die Problematik, der Verbreitung von Informationen und der Förderung der Transparenz teilzunehmen.

5.3.

Korruption ist nicht nur eine Frage von Integrität und Ethik, sondern auch der Wirtschaft, da sie die legale Wirtschaft — faire Voraussetzungen und Bedingungen für Handel, Investitionen und Wettbewerb — schädigt und somit das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Daten der Weltbank und des Weltwirtschaftsforums zeigen, dass die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes eng mit der Fähigkeit der Regierung zur Eindämmung von Korruption verbunden ist. Untersuchungen haben ergeben, dass die Eindämmung von Korruption in der EU eng mit Wirtschaftsfreundlichkeit verbunden ist. Ebenso wurden die negativen Auswirkungen von Korruption auf die privaten Investitionen belegt.

5.3.1.

Korruption erhöht die Kosten für integre Unternehmen, da sie in einem korrupten Umfeld den Verlust von Aufträgen riskieren. Dies beeinträchtigt die Effizienz des Binnenmarkts und könnte sich folglich nachteilig auf die Bemühungen auswirken, die Ziele der Wachstumsstrategie Europa 2020 zu verwirklichen und die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken — und schwächt daher die Möglichkeiten zur Verbesserung der Beschäftigung und des Wohlstands in Europa — sowie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf dem Weltmarkt.

5.3.2.

Unternehmen mit einer guten Bilanz bei der Korruptionsbekämpfung sind für Anleger attraktiv. Das Ansehen der Welt der Wirtschaft steht auf dem Spiel, wenn ein Unternehmen der Bestechung und Korruption für schuldig befunden wird. Es beschädigt nicht nur das eigene Ansehen, sondern lässt die Gesamtheit der Unternehmen in einem schlechten Licht erscheinen. Indes sollten auch die administrativen und finanziellen Belastungen für Unternehmen, insbesondere für KMU berücksichtigt werden, die durch die Vorschriften über die Einhaltung des Rechts im Bereich Korruptionsbekämpfung und der Meldepflichten verursacht werden.

5.4.

In den Medien wird regelmäßig über Korruptionsskandale auf höchster Ebene in zahlreichen Mitgliedstaaten sowie weltweit berichtet. Politische Korruption (z. B. im Zusammenhang mit Ernennungen, Schmiergelder und Finanzierung von Parteien und Wahlkampagnen und Manipulationen bei Sportveranstaltungen), insbesondere wenn Justiz und Polizei beteiligt sind, wird von den Bürgern als extrem gesellschaftsschädigend wahrgenommen. Diesen Praktiken muss ein Ende bereitet werden, ebenso wie der in zahlreichen Mitgliedstaaten weit verbreiteten Praxis der Schmiergeldzahlungen, die das tägliche Leben der Bürger beeinträchtigen. Diese gesellschaftlichen Phänomene beruhen offenbar auf einem Wandel in der Vorstellung von Rechtmäßigkeit. Dies gilt es zu bewerkstelligen: Die Bürger haben ein Recht auf Rechtsstaatlichkeit, eine funktionierende Verwaltung und öffentliche Dienstleistungen ohne Korruption. Es ist ein Umdenken erforderlich, und eine Kultur der Transparenz sollte eine Kultur der Korruption — wo vorhanden — ersetzen. Dies sollte im Wesentlichen durch Rechtsvorschriften und im Zuge der Förderung und Bildung erreicht werden.

5.5.

Der EWSA unterstützt die Maßnahmen und Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Korruptionsbekämpfung, die Anstrengungen der EU zur Bekämpfung von Betrug sowie die Aktionen des Europäischen Parlaments, insbesondere den Aktionsplan 2014-2019 zur Bekämpfung von organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche. Darüber hinaus sind die Empfehlungen in den Berichten der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO), der Vereinten Nationen, der OECD und des IStGH unerlässlich und sollten bei der Intensivierung der Maßnahmen und Aktivitäten der EU und ihrer Mitgliedstaaten zur Korruptionsbekämpfung berücksichtigt werden.

5.6.

Die enge Verflechtung der Wirtschaftssysteme der Mitgliedstaaten sowie das wachsende Ausmaß und die zunehmende Geschwindigkeit der grenzüberschreitenden Geldströme erhöhen die Gefahr einer Ausbreitung der Korruption in der EU. Korruption ist zu einem transnationalen Phänomen geworden und darf nicht mehr nur als Angelegenheit des nationalen Strafrechts betrachtet werden. Korruption ist vergleichbar mit einer ansteckenden Krankheit, gegen die niemand als immun angesehen werden kann und die zweckmäßiger medizinischer Behandlung bedarf. Der derzeitige fragmentarische Ansatz muss durch einen kohärenten Ansatz ersetzt werden, um nennenswerte Fortschritte erzielen zu können. Der Kommissionsbericht sollte auf diesen Aspekt angemessen eingehen: Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung müssen im Kontext einer zunehmend auf europäischer Ebene integrierten und globalisierten Wirtschaft konzipiert und umgesetzt werden.

5.6.1.

Korruptionsbekämpfung muss deshalb einen höheren Stellenwert auf der EU-Agenda bekommen; die EU sollte eine wichtigere Rolle spielen bei der Förderung von Transparenz und dem Schutz der Integrität auf dem Binnenmarkt, in den auswärtigen Beziehungen, in den EU-Institutionen und den Ausgaben. Bei allen relevanten internen und externen EU-Maßnahmen sollte ein stärkerer Fokus auf Bekämpfung von Korruption und Betrug gelegt werden. Dies wird von den Unternehmen und der Zivilgesellschaft erwartet, und in dieser Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass eine wirksame Führung und Koordinierung durch die EU notwendig ist. Die EU verfügt über das Potenzial, ihr politisches Gewicht zur Förderung eines EU-weiten Bereichs auf der Grundlage von Integrität und hoher Korruptionsbekämpfungsstandards einzusetzen.

5.7.

Nichts weniger als eine ausdrückliche Verpflichtung — ein europäischer Korruptionsbekämpfungspakt — ist erforderlich, um zu einer glaubwürdigen und umfassenden Strategie zu gelangen. Diese Strategie muss „von oben“ gesteuert werden und bedarf der Teilhabe aller einschlägigen Interessenträger auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene.

5.8.

Die Mitgliedstaaten stehen bei der Bekämpfung von Korruption und Betrug in vorderster Front. Die Umsetzung von strengen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung liegt in ihrer Verantwortung (insbesondere glaubwürdige Vorschriften und eine funktionierende Antikorruptionsbehörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens sowie von Korruption in Politik und Justiz), ebenso wie ihre proaktive Beteiligung an der grenzübergreifenden Zusammenarbeit und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Bekämpfung von Korruption und Betrug.

5.8.1.

Die Beteiligung der Zivilgesellschaft einschließlich der Unternehmen, der Wirtschaftsverbände und der Sozialpartner an der nationalen Korruptionsbekämpfung ist wichtig, insbesondere mit dem Ziel der Sensibilisierung und Anleitung bezüglich der Vermeidung von Korruption, Betrug und Bestechung. Das Verhalten einzelner Unternehmen und Behörden ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Nationale Anlaufstellen, z. B. die nationalen Kontaktstellen der OECD sowie die Vertretungs- und Rechtsberatungsstellen von Transparency International (ALAC), können ebenso eine wichtige Rolle bei der nationalen Korruptionsbekämpfung spielen. Die Medien sollten ihre wichtige Funktion und große Verantwortung bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Bezug auf Korruption und Anstrengungen bei der Korruptionsbekämpfung in den Mitgliedstaaten anerkennen.

Brüssel, den 16. September 2015.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


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