This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 51999IE0953
Opinion of the Economic and Social Committee on 'A policy to consolidate the European agricultural model'
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema «Eine Politik zur Konsolidierung des europäischen Agrarmodells»
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema «Eine Politik zur Konsolidierung des europäischen Agrarmodells»
ABl. C 368 vom 20.12.1999, p. 76–86
(ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema «Eine Politik zur Konsolidierung des europäischen Agrarmodells»
Amtsblatt Nr. C 368 vom 20/12/1999 S. 0076 - 0086
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Eine Politik zur Konsolidierung des europäischen Agrarmodells" (1999/C 368/21) Der Wirtschafts- und Sozialausschuß beschloß am 25. Februar 1999 gemäß Artikel 23, Absatz 3 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten. Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. September 1999 an. Berichterstatter war Herr Strasser. Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 367. Plenartagung am 20. und 21. Oktober 1999 (Sitzung vom 21. Oktober) mit 76 gegen 5 Stimmen und 15 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme. 1. Einleitung 1.1. In Europa wurden bedingt durch Geschichte und Kultur eigenständige Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, des Interessenausgleiches und der Konfliktlösung entwickelt. In einer Reihe europäischer Länder wurde über viele Jahre erfolgreich versucht, politische und persönliche Freiheit, wirtschaftliche Dynamik und sozialer Zusammenhalt miteinander zu verbinden. Eine wesentliche Grundlage dafür ist die soziale Marktwirtschaft, die in den vergangenen Jahren zunehmend durch umweltbezogene Elemente ergänzt wird. Mit Recht wird von einem "Europäischen Modell" gesprochen. 1.2. Als ein Teil dieses eigenständigen Weges in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ist auch das Europäische Agrarmodell zu sehen, so wie das für das Europäische Sozialmodell gilt. Das Europäische Agrarmodell ist als ein politisches Leitbild zu verstehen und berührt wichtige Grundfragen der gesamten Gesellschaft. Auf Grundlage dieses Leitbildes soll weiterhin gewährleistet werden, daß die Landwirte auch bei sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die multifunktionalen Leistungen nachhaltig erbringen können. Das bedeutet einerseits eine große Herausforderung an die Landwirte, andererseits auch an die Verantwortlichen für die Agrarpolitik. 1.3. Die Bedingungen für die landwirtschaftliche Produktion sind in der EU aufgrund der natürlichen und strukturellen Voraussetzungen äußerst unterschiedlich. Trotzdem bestehen eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die sich aus der Situation des begrenzten Raumes, den Ansprüchen der Bevölkerung, sowie der geschichtlichen und kulturellen Entwicklung ergeben. Das Europäische Agrarmodell leitet sich davon ab und stützt sich auf folgende Grundfunktionen und Eigenschaften: - eine Landwirtschaft, die im wesentlichen durch Betriebe im Eigentum bzw. in der Verfügungsgewalt bäuerlicher Familien und durch Zusammenarbeit beispielsweise in Form von Genossenschaften geprägt ist; - eine Landwirtschaft, die stark auf die Initiative und unternehmerische Leistung der Produzenten ausgerichtet ist, d. h. auch wettbewerbsfähig ist; - eine Landwirtschaft, die sich in der Produktion am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert, d. h. Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, der biologischen Vielfalt und Vermeidung von Bewirtschaftungsmethoden, die auf Kosten der Zukunft gehen; - eine Landwirtschaft, die neben der Produktionsfunktion verschiedene Leistungen, wie z. B. für die Erhaltung der Landschaft, des Siedlungsraumes, Beschäftigung und Umwelt, erbringt, d. h. multifunktional ist. Das Europäische Agrarmodell beruht somit auf mehreren, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehenden Grundfunktionen, die von den Landwirten erfuellt werden sollen: Es ist eine wirtschaftliche, räumliche, umweltpolitische und soziale Funktion. 1.4. Der Agrarministerrat der EU hat in seiner Sitzung vom 18. November 1997 den festen Willen unterstrichen, "das bestehende europäische Landwirtschaftsmodell weiter zu entwickeln und für die Behauptung der Identität der europäischen Landwirtschaft innerhalb wie außerhalb der Europäischen Union einzutreten". Weiters heißt es dazu in den Schlußfolgerungen des Rates: "Nach Ansicht des Rates muß die europäische Landwirtschaft als Wirtschaftsbereich multifunktional, nachhaltig und wettbewerbsfähig sein und sich über den gesamten europäischen Raum (einschließlich der benachteiligten Regionen und der Berggebiete) verteilen. Sie muß in der Lage sein, die Landschaft zu pflegen, die Naturräume zu erhalten, einen wesentlichen Beitrag zur Vitalität des ländlichen Raumes zu leisten und den Anliegen und Anforderungen der Verbraucher in bezug auf die Qualität und die Sicherheit der Lebensmittel, den Umweltschutz und den Tierschutz gerecht zu werden." 1.5. Die Staats- und Regierungschefs haben sich beim Europäischen Rat in Luxemburg im Dezember 1997 ebenfalls zum Europäischen Agrarmodell bekannt und den Willen ausgedrückt, "das derzeitige europäische Landwirtschaftsmodell weiter zu entwickeln und sich dabei um eine bessere interne und externe Wettbewerbsfähigkeit zu bemühen". Weiters haben sie festgestellt, daß "die europäische Landwirtschaft ein multifunktionaler, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger Wirtschaftssektor sein muß, der sich auf das gesamte Gebiet der Union, einschließlich der Regionen mit spezifischen Problemen, erstreckt"(1). 1.6. Beim "Kongreß der Europäischen Landwirtschaft" im Oktober 1998 in Ljubljana war der Begriff "Europäisches Modell der Landwirtschaft" das Leitthema dieser Tagung. Sowohl die großen berufsständischen Organisationen der europäischen Landwirte, wie auch die Vertreter des EU-Agrarministerrates und der Europäischen Kommission bekannten sich bei diesem Kongreß nicht nur ausdrücklich zum Europäischen Modell der Landwirtschaft, sondern erklärten ihren festen Willen dieses Modell zu fördern und zu verteidigen(2). 2. Große Unterschiede in der Betriebsstruktur und in den Produktionsbedingungen 2.1. Innerhalb der 15 EU-Mitgliedstaaten bestehen zwischen den Produktions- und Wirtschaftsbedingungen, den Produktionsformen und -strukturen, aber vor allem bei den Betriebsstrukturen große Unterschiede. Große Teile der Union (insgesamt 56 %) zählen zu den wirtschaftlich benachteiligten Gebieten mit zum Teil erheblichen Standortnachteilen, etwa in den Bergregionen, in den arktischen Gebieten und in bestimmten Küstenregionen. 2.2. Der Ausschuß weist auf die Tatsache hin, daß während der vergangenen 50 Jahre in der Landwirtschaft der EU ein in diesem Ausmaß einmaliger Prozeß der Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen erfolgt ist. Technischer Fortschritt und steigende Arbeitskosten führten zu einer beispiellosen Substitution der menschlichen Arbeit durch Kapital(3). Gleichzeitig erfolgte in der Landwirtschaft eine Ertrags- und Produktivitätssteigerung in bisher ungekanntem Ausmaß. Diese ermöglichte es, daß die Preise für Agrarprodukte in den letzten 40 Jahren nicht einmal halb so stark gestiegen sind wie der Verbraucherpreisindex. Statt ein Drittel muß der Konsument in der EU nur mehr durchschnittlich knapp 14 % seines Einkommens für die Ernährung ausgeben.(4) 2.3. Anpassungen und der Strukturwandel sind notwendige Begleiterscheinungen sich verändernder und wachsender Volkswirtschaften. Für die Landwirtschaft und ihre nachgelagerten Bereiche gilt diese Gesetzmäßigkeit ebenso. Es gibt jedoch auch Grenzen für den Strukturwandel der Landwirtschaft in der EU, die nicht außer Acht bleiben dürfen, wenn Vergleiche etwa mit Nord- und Südamerika oder auch Australien gemacht werden, wie z. B. - durchwegs wesentlich dichtere Besiedelung in Europa, was mit anderen Ansprüchen an die Landwirtschaft, Landschaft, Natur und Umwelt verbunden ist; - vielfach eine Agrarstruktur, die in einem Zeitraum von vielen hunderten Jahren entstanden ist; - die Landwirtschaft in Berggebieten ermöglicht vielfach meist keine großflächige Bewirtschaftung; - keine gesellschaftliche Akzeptanz für eine Landbewirtschaftung ohne ausreichende Berücksichtigung von Natur-, Umwelt- und Landschaftsschutz; - andere ethische Werthaltungen, die den Tierhaltungsformen engere Grenzen vorgeben; - strenge Auflagen für die Produktion; - teilweise strenge Regelungen für die Übertragung von Grund und Boden bzw. Beschränkungen durch Maßnahmen der Raumordnung. 2.4. Das Bekenntnis zum Europäischen Agrarmodell impliziert, daß auch eine sich weiter ändernde Agrarstruktur die Multifunktionalität der Landwirtschaft gewährleisten muß. Allfällige kurzfristige Vorteile durch die Möglichkeit einer immer kostengünstigeren Produktion dürfen nicht um den Preis sektoraler, gesamtwirtschaftlicher sowie längerfristiger gesellschaftlicher Nachteile erkauft werden. 2.5. So wie die übrige Wirtschaft, ist die Landwirtschaft in der EU ebenfalls mit höheren Kosten auch deshalb konfrontiert, da - insgesamt die Löhne und Gehälter höher sind; - teilweise für Betriebsmittel mehr bezahlt werden muß; - die Energie teurer ist; - nicht alle Möglichkeiten neuer Produktionstechniken und -verfahren (z. B. Gentechnik) oder beim Einsatz von Produktionsmitteln (etwa Hormone in der Tierfütterung) genutzt werden können; - höhere Umwelt-, Hygiene-, Tier- und Naturschutzauflagen zusätzliche Kosten verursachen. Der Ausschuß weist darauf hin, daß sich dieses Problem in sämtlichen Bereichen stellt, jedoch folgendes zu beachten ist: In einem höheren Ausmaß, als das zumindest für hochwertige Industrieprodukte zutrifft, gelten für Agrarprodukte auf der Erzeugerstufe die jeweils günstigsten Wettbewerbspreise. Da mit der Bodengebundenheit der landwirtschaftlichen Produktion auch die von der Gesellschaft erwünschte Multifunktionalität der Landwirtschaft verknüpft ist, wäre eine Auslagerung der Produktion bzw. von Teilen der Produktion in Länder mit Billiglöhnen oder niedrigen Umwelt- und Sozialstandards für die EU mit weitreichenden Konsequenzen verbunden. 3. Multifunktionalität der Europäischen Landwirtschaft 3.1. Der Ausschuß weist darauf hin, daß in diesem Kapitel der Initiativstellungnahme auf die Multifunktionalität der Europäischen Landwirtschaft nur soweit eingegangen wird, als dies unbedingt notwendig ist, da sich der Ausschuß in einer eigenen Stellungnahme "Die vorrangigen agrar- und umweltpolitischen Ziele für die in der Agenda 2000 vorgesehene multifunktionale Landwirtschaft" schwerpunktmäßig mit der Multifunktionalität befaßt. Die Multifunktionalität und das Europäische Agrarmodell bedingen einander. Er verweist auch auf seine Stellungnahme "Entwicklung des ländlichen Raumes"(5). 3.2. Nach Meinung des Ausschusses hat sich die Rolle der Landwirtschaft in der Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten in den europäischen Ländern stark gewandelt. Die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, der Wunsch nach einer gepflegten Kulturlandschaft und die qualitative Ernährungssicherheit (gesunde Nahrung) haben gegenüber der Produktionsfunktion und der quantitativen Versorgungssicherheit an Bedeutung gewonnen. 3.3. Im Gegensatz zur Situation in den großen überseeischen Agrarexportländern erfuellt die Landwirtschaft in den EU-Mitgliedstaaten auf ein und derselben Fläche mehrere Funktionen gleichzeitig, die von der Gesellschaft auch erwartet werden. In den Erwägungsgründen für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik(6) stellt die Europäische Kommission u. a. fest: "Der wesentliche Unterschied zwischen dem europäischen Modell und dem unserer wichtigsten Mitbewerber liegt in der Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft und der Rolle, die sie für die Wirtschaft, die Umwelt, die Gesellschaft und die Landschaftspflege spielt, weshalb es gilt, die Landwirtschaft in Europa zu erhalten und die Einkommen der Landwirte zu sichern". 3.4. Der Ausschuß wertet es positiv, daß sich der OECD-Landwirtschaftsausschuß auf Ministerebene nach einer längeren Diskussionsphase am 6. März 1998 auf die Zielsetzung der Förderung einer multifunktionalen Landwirtschaft einigen konnte.(7) Es bestand "breiter Konsens darüber, daß die Regierungen der OECD-Mitgliedsländer den geeigneten Rahmen zur Verfügung stellen sollen, daß die Land- und Ernährungswirtschaft" u. a. - den Konsumenten Zugang zu einem angemessenen und verläßlichen Nahrungsmittelangebot bietet; - zur nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen sowie zur Umweltqualität beiträgt; - die sozioökonomische Entwicklung ländlicher Gebiete fördert; - zur Ernährungssicherheit auf nationaler und globaler Ebene beiträgt. 3.5. Was heute als Multifunktionalität der Landwirtschaft erwartet wird, wurde früher über den Preis der Produkte mehr oder weniger ausreichend abgegolten. Mit der Liberalisierung der Agrarmärkte und den sinkenden Erzeugerpreisen für Agrarprodukte ist das immer weniger möglich. Der Ausschuß spricht sich dafür aus, daß die Abgeltung der vom Markt nicht honorierten gemeinwirtschaftlichen Leistungen grundsätzlich in Form von funktionsorientierten Direktzahlungen erfolgen und diese in Zukunft ein integraler Bestandteil der GAP sein müssen. In Ergänzung dazu sollten Lösungen angestrebt werden, bei denen unmittelbare Nutznießer wie beispielsweise die Tourismuswirtschaft einen Beitrag leisten. 4. Erwartungen der Gesellschaft/Verbraucher an die landwirtschaftliche Produktion und die GAP 4.1. Mit wachsendem Umweltbewußtsein, den höheren Ansprüchen an eine gesunde Ernährung und dem sich ändernden Freizeitverhalten der Bevölkerung werden in Zukunft auch die Ansprüche, Wünsche und Erwartungen wachsen, denen sich die Landwirte gegenübersehen. Das bedeutet aber auch eine zunehmende Nachfrage nach Dienstleistungen, die jedoch nur erfuellt werden kann, wenn dafür das notwendige Leistungsentgelt gewährleistet ist. 4.2. Von der europäischen Landwirtschaft wird aber auch erwartet, daß sie ihre Wettbewerbsfähigkeit sowohl auf dem Binnenmarkt wie auf den Weltmärkten verbessert. Eine verstärkte Orientierung der Erzeugerpreise an den Weltmarktpreisen wird von der Verarbeitungsindustrie, dem Lebensmittelhandel und den Verbrauchern erwartet. Diese Erwartungshaltung steht jedoch in einem sich verschärfenden Zielkonflikt zu den strenger werdenden Anforderungen an die Art und Weise der Landbewirtschaftung, der Tierhaltung und Lebensmittelerzeugung. 4.3. Der Ausschuß spricht sich dafür aus, den landwirtschaftlichen Betrieben die faire Chance zu geben, den steigenden Ansprüchen der Gesellschaft entsprechen bzw. strenger werdende Auflagen für die Produktion auch erfuellen zu können. Angesprochen sind die Verantwortlichen für die Agrarpolitik, die Verarbeitungsindustrie bzw. der Lebensmittelhandel, die nicht für höchste Qualität die jeweils niedrigsten Wettbewerbspreise abverlangen können und vor allem auch die Verbraucher, die mit ihrem Kaufverhalten bestimmte Produktionsformen entsprechend fördern können. 4.4. Eine intakte Landschaft, eine lebenswerte Umwelt und die Erhaltung von Siedlungsräumen werden zunehmend als wichtige Ressource des ländlichen Raumes verstanden. Nicht immer erfolgt die Inanspruchnahme dieser Leistungen der Landwirte konfliktfrei, vor allem dann nicht, wenn damit Einschränkungen in der landwirtschaftlichen Produktion erfolgen. 4.5. Dem Ausschuß ist bewußt, daß verschiedene Erwartungen an die Landwirtschaft bzw. GAP teilweise in einem Widerspruch zueinander stehen, der nur schwer auflösbar ist. Einerseits werden - durchaus verständlich - aus Gründen des Umwelt- und Tierschutzes, der Qualität bzw. der Gesundheit immer höhere Anforderungen an die Produktion gestellt. Andererseits ist die Forderung in Richtung verstärkten Wettbewerb auf den Agrarmärkten und Reduktion der finanziellen Aufwendungen für die GAP ebenso stark. Der Ausschuß erachtet es als dringend notwendig, daß durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit der Gesellschaft bewußt gemacht wird, daß höhere Kosten nicht in jedem Fall durch Rationalisierung aufgefangen werden können, sondern in den Produktionspreisen Berücksichtigung finden oder in anderer Form abgegolten werden müssen. Ebenso gilt es darzustellen, daß Leistungen im Interesse der Allgemeinheit nicht kostenlos sein können. 5. Die Europäische Landwirtschaft unter steigendem Wettbewerbsdruck 5.1. Der Ausschuß ist sich der Tatsache bewußt, daß der internationale Waren- und Dienstleistungsverkehr und die freie Marktwirtschaft eine wesentliche Funktion für die Wohlstandsmehrung haben und für Industriestaaten unverzichtbar sind. Was allgemein Gültigkeit hat, gilt auch für die Agrarwirtschaft. Entscheidend ist, daß der Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern und auch zwischen den Kontinenten unter fairen Bedingungen erfolgt. Eine zusätzliche Öffnung der Märkte mit dem Ziel einer Intensivierung des Warenaustausches muß mit der Schaffung verbindlicher Regeln (wie z. B. für Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards) für faire Wettbewerbsbedingungen für den Agrarhandel verbunden sein. 5.1.1. Die EU ist mit Abstand weltweit der größte Importeur von Agrarprodukten und der zweitwichtigste Exporteur von Agrarprodukten. 1996 hatte die EU an den Weltexporten von Agrarprodukten (bereinigt um den innergemeinschaftlichen Handel) einen Anteil von 14,6 %(8) und bei den Importen einen Anteil von 19,8 %. In absoluten Zahlen ausgedrückt, importierte die EU 1996 Agrarprodukte im Wert von 83,9 Mrd. USD und exportierte Agrarprodukte im Wert von 62,2 Mrd. USD in Drittstaaten. Nach Auffassung des Ausschusses bedeutet das, daß sich die EU-Landwirtschaft wesentlich intensiver auch dem internationalen Wettbewerb stellt, als das vielfach wahrgenommen wird und von einer Abschottung der EU-Märkte nicht geredet werden kann. Der Ausschuß hat in seiner Stellungnahme "Die landwirtschaftlichen Aspekte der Mitteilung der Kommission, Agenda 2000"(9) darauf verwiesen, daß die EU "bereits den weltweit offensten Markt hat". 5.1.2. Die Agrarmärkte zählen zweifellos zu jenen, in denen der Wettbewerb bereits seit vielen Jahren, insbesondere seit Verwirklichung des Binnenmarktes, mehr oder weniger uneingeschränkt stattfindet. Das heißt vielfach ständiger Druck auf die Erzeugerpreise, bedeutet aber auch verstärkte Marktorientierung und damit eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. 5.2. Mit der GATT-Uruguay-Runde ist ein Quantensprung in der Liberalisierung des internationalen Handels mit Agrarprodukten erfolgt. Gleichzeitig wurde auch der Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten der Agrarpolitik stark eingeengt. Das gilt nicht nur für den Außenschutz, sondern auch für die klassische Exportförderung, aber auch für den Bereich interner Maßnahmen. Der Ausschuß ist sich der Tatsache bewußt, daß als Folge der kommenden WTO-Handelsrunde und der Osterweiterung sich die Wettbewerbsbedingungen für die EU-Landwirtschaft zusätzlich verschärfen werden. 6. Neue Herausforderungen für die Landwirtschaft in der EU 6.1. Die WTO-Mitglieder sind in Artikel 20(10) des Agrarabkommens im Rahmen der GATT-Uruguay-Runde übereingekommen, den Prozeß der schrittweisen Senkung von Stützungen und Schutzmaßnahmen ein Jahr vor Ende des Durchführungszeitraumes (Umsetzung der in der GATT-Uruguay-Runde eingegangenen Verpflichtung) fortzusetzen. Aus Artikel 20 des WTO-Agrarabkommens ist jedoch nicht zwingend abzuleiten, welche Schritte und in welchem Ausmaß zur weiteren Liberalisierung bei der kommenden WTO-Runde zu setzen sind. 6.1.1. Die EU gehört zu den energischen Befürwortern einer neuen umfassenden WTO-Handelsrunde. Das bedeutet, daß nach Auffassung der EU u. a. der Dienstleistungsverkehr, Regeln für Investitionen, eine multilaterale Rahmenregelung über die Anwendung von wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, Handel und Umwelt, technische Handelshemmnisse ebenso Gegenstand der Milleniumsrunde sein müssen wie die Landwirtschaft. Die Interessenlage ist äußerst unterschiedlich. Es ist zu erwarten, daß sich auch deshalb die Landwirtschaftsverhandlungen besonders schwierig gestalten werden. Erschwerend wird sein, daß sich die Auffassungsunterschiede zwischen den Ländern der Cairns-Gruppe bzw. den USA und den europäischen Ländern bzw. Japan und Korea in grundsätzlichen Fragen der Agrarpolitik eher verschärft haben. Der Konflikt wird zwischen zwei Denkrichtungen stattfinden. Die erste Gruppe will einen rigorosen Stützungsabbau und die völlige Liberalisierung des Agrarhandels erreichen. Die zweite Gruppe von Staaten tritt für die Sicherung von Nachhaltigkeit und Multifunktionalität der Landwirtschaft ein und damit auch für die Aufrechterhaltung eines notwendigen Außenschutzes bzw. bestimmter agrarpolitischer Maßnahmen. Angesichts dieser Ausgangssituation werden von der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten große Anstrengungen notwendig sein, legitime Interessen der europäischen Landwirtschaft zu verteidigen und jene Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu sichern, die ihr auch in Zukunft ermöglichen, die multifunktionalen Leistungen zu erbringen. 6.1.2. Nach der Beschlußfassung über die GAP-Reform gab der Europäische Rat in Berlin folgende Erklärung ab: "Die unternommenen Anstrengungen - insbesondere im Hinblick auf die Senkung der Stützungspreise - stellen einen wesentlichen Beitrag der Europäischen Gemeinschaft zur Stabilisierung der Weltagrarmärkte dar. Der Europäische Rat geht davon aus, daß die im Rahmen der Agenda 2000 gefaßten Beschlüsse zur Reform der GAP wesentliche Elemente für die Festlegung des Verhandlungsmandats der Kommission für die künftigen multilateralen WTO-Handelsverhandlungen darstellen werden." Der Ausschuß verweist auf die Stellungnahmen des WSA zur Reform der GAP, in welchen auch auf Aspekte der WTO-Handelsrunde eingegangen wurde. In der Stellungnahme "Die landwirtschaftlichen Aspekte der Mitteilung der Kommission Agenda 2000"(11) hat sich der Ausschuß dafür ausgesprochen, bei den anstehenden WTO-Verhandlungen "nicht auf einen Außenschutz im notwendigen Ausmaß zu verzichten" und die Notwendigkeit betont, "weltweit Umwelt- und Sozialstandards einzuführen". 6.2. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt der Ausschuß die Initiativen der Union bezüglich der Vereinbarung von bilateralen oder regionalen Abkommen zur Schaffung von Freihandelsabkommen. Der Druck ist enorm, die Landwirtschaft in derartige Freihandelszonenregelungen einzubeziehen. In diesem Zusammenhang ist jedoch kritisch die Frage zu stellen, inwieweit Freihandelszonenregelungen unter Einbeziehung der Landwirtschaft mit der Zielsetzung der Sicherung des Europäischen Agrarmodells in Einklang zu bringen sind. Es ist zu beachten, daß bei einer weiteren Liberalisierung des internationalen Agrarhandels im Rahmen der WTO oder durch Freihandelsabkommen die bäuerliche Landwirtschaft auch in einer Reihe von Entwicklungsländern unter enormen Druck gerät. 6.3. Die Erweiterung um die MOEL stellt die EU vor enorme politische und institutionelle Herausforderungen. Auch für die Landwirtschaft der EU ist die Osterweiterung eine Herausforderung in besonderem Ausmaß. Der Ausschuß hat sich in mehreren Stellungnahmen ausführlich dazu geäußert, insbesondere auch in der Stellungnahme "Konsequenzen des Beitritts der MOEL für die GAP".(12) 6.3.1. Die Landwirtschaft ist neben den Fragen Umwelt, des freien Personenverkehrs, der Dienstleistungen sowie der nuklearen Sicherheit einer der schwierigen Bereiche bei der EU-Erweiterung um die MOEL. Die Auswirkungen werden auf beiden Seiten weitreichend sein. Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Agrarmärkte in der EU und die WTO-Verpflichtung bzw. der Gemeinsame Haushalt werden maßgeblich u. a. davon abhängen, - wann die ersten Beitritte erfolgen; - in welcher Form und für welchen Zeitraum Übergangsregelungen (etwa für die Gewährung von Marktordnungsprämien) festgelegt werden; - in welcher Form bzw. in welchem Ausmaß die Mengenregulative (Quoten, Referenzbestände usw.) zur Anwendung kommen; - ob und in welchem Umfang Produktionsalternativen im Bereich erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe für industrielle Zwecke erschlossen werden. 6.4. Die UNO schätzt, daß die Bevölkerung auf der Welt von derzeit rund 6 Milliarden Menschen auf etwa 8 Milliarden Menschen in den nächsten 20 Jahren steigen wird. Damit ist zwangsläufig ein stark steigender Bedarf an Nahrungsmitteln verbunden, wobei das Problem der unzureichenden Kaufkraft in einer Reihe von Ländern zu berücksichtigen ist. Für die europäische Landwirtschaft gilt es, die Möglichkeiten einer weltweit steigenden Nachfrage ebenfalls zu nutzen, wobei das nicht um jeden Preis erfolgen darf. 7. Politik für eine Konsolidierung des Europäischen Agrarmodells 7.1. Das Festhalten am Europäischen Agrarmodell und die Notwendigkeit der Anpassung der europäischen Landwirtschaft an die sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist nach Auffassung des Ausschusses kein Gegensatz. Es bedeutet aber, daß nicht nur die Landwirte selbst in einem hohen Maß gefordert sind, sondern auch an die Gemeinsame Agrarpolitik besondere Ansprüche zu stellen sind. Der Ausschuß sieht in einer "Politik für eine Konsolidierung des Europäischen Agrarmodells" die Notwendigkeit einer Festigung des allgemein gewünschten agrarpolitischen Leitbildes und eine Weiterentwicklung durch konkrete politische Maßnahmen. Das setzt aber auch voraus, daß über die kommende WTO-Handelsrunde hinaus der erforderliche agrarpolitische Spielraum für die EU und die Mitgliedstaaten gewährleistet bleibt. 7.2. Um die richtigen Schlußfolgerungen für die Zukunft ziehen zu können, ist zunächst die Frage zu beantworten, inwieweit die GAP bisher dem Ziel der Sicherung des Europäischen Landwirtschaftsmodells entsprochen hat bzw. in welchem Ausmaß die nun neuerlich reformierte GAP diesem Anspruch gerecht wird. Es stellt sich vor allem auch die Frage wie bei einem zunehmenden Wettbewerbsdruck die verschiedenen Leistungen der multifunktionalen Landwirtschaft auch in Zukunft gewährleistet werden können. 7.3. GAP-Reform 1992 7.3.1. Die GAP wurde im Laufe ihrer Geschichte immer wieder an geänderte Situationen angepaßt. Die erste umfassende Reform erfolgte 1992. Ziele dieser Reform waren u. a.: - Bindung einer ausreichend großen Zahl von Landwirten, um die Umwelt und das Modell des bäuerlichen Familienbetriebes zu erhalten; - Eindämmung der Erzeugung in einem Maße, das für die Wiederherstellung des Marktgleichgewichtes erforderlich ist; - Einführung extensiver Produktionsmethoden; - Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz des Sektors, damit die europäische Landwirtschaft ihre Rolle auf dem Weltmarkt wahren kann. 7.3.2. Der Ausschuß hat sich in einer Initiativstellungnahme(13) mit den Auswirkungen der GAP-Reform 1992 befaßt. Er stellte u. a. fest, daß ein Teil der Ziele, wie der Abbau der Überschüsse, eine stärkere Ausrichtung der Produktion nach ökologischen Erfordernissen und die Stabilisierung der Einkommen in einem gewissen Ausmaß erreicht werden konnten. Kritisch wird jedoch angemerkt, daß die Tendenz zur weiteren Konzentration in der landwirtschaftlichen Produktion nicht gestoppt werden konnte, womit auch laufend Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren gehen. Was bereits zu Beginn 1997 in der Initiativstellungnahme festgestellt wurde, hat sich in der weiteren Entwicklung bestätigt. Sowohl die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, als auch die Zahl der Arbeitskräfte hat etwa im selben Umfang (durchschnittlich 3,7 % pro Jahr) abgenommen, wie vor der Reform. 7.3.3. Grundsätzlich ist positiv zu werten, daß die Einkommensentwicklung nach der Reform wieder günstiger verlaufen ist, als in den Jahren vor der Reform. Es darf jedoch dabei nicht übersehen werden, daß die Verbesserung der Nettowertschöpfung(14) je Arbeitskraft trotz reformbedingter starker Erhöhung der Direktzahlungen im wesentlichen eine Folge der Abwanderung war. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der Abstand zwischen den landwirtschaftlichen und den nicht-landwirtschaftlichen Einkommen im Durchschnitt nach wie vor groß ist. 7.3.4. Mit dem Europäischen Agrarmodell ist eine Funktionsvielfalt verbunden. Angesichts bestehender Probleme, wie teilweise Beeinträchtigung der Multifunktionalität durch Überalterung der Betriebsführer, flächenhafte Aufgabe der Bewirtschaftung einzelner Regionen oder auch Umweltbeeinträchtigungen durch die landwirtschaftliche Produktion kann nicht davon gesprochen werden, daß die derzeit geltenden agrarpolitischen Rahmenbedingungen dem Anspruch einer Sicherung des Europäischen Agrarmodells im notwendigen Ausmaß gerecht werden. Der Ausschuß macht jedoch darauf aufmerksam, daß dabei nicht allein die GAP zu beurteilen ist, sondern ebenso die Politik der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Marktordnungsmaßnahmen und von Förderungsprogrammen. 7.4. GAP-Reform 1999 7.4.1. Beginnend mit dem nächsten Jahr werden die in Berlin vereinbarten Reformmaßnahmen wirksam. Auch wenn die Reformen weniger weitreichend sind, als sie von der Kommission vorgeschlagen wurden, werden die Auswirkungen dieser Reform bereits mittelfristig deutlich spürbar sein. 7.4.2. Die beschlossenen Preisreduktionen stärken einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft gegenüber den Mitbewerbern aus Drittstaaten, bedeuten aber, daß die Einkommensbildung aus den Markterlösen für die Beschäftigten in der Landwirtschaft noch weiter zurückgehen wird. Die Funktion der Direktzahlungen für die bäuerlichen Einkommen bekommt noch mehr an Bedeutung, wobei die Ausgleichsfunktion der Direktzahlungen vielfach nicht zur Gänze erfuellt werden wird. Für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Landwirtschaftsbetriebe ist jedoch eine entsprechende Kostendeckung unverzichtbar. 7.4.3. Die Gewährung von Direktzahlungen wird bzw. kann an zusätzliche Bedingungen geknüpft werden. Das führt einerseits zu mehr bürokratischen Aufwand und kann andererseits dazu führen, daß nur ein Teil der möglichen Direktzahlungen in Anspruch genommen werden kann. 7.4.4. Der in Berlin gefaßte Beschluß, die Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik auf dem Niveau von 1999 bis 2006 real zu stabilisieren, bedeutet, daß der finanzielle Spielraum für die Aufgabenerfuellung sehr begrenzt ist. Nach Meinung des Ausschusses hat diese Tatsache insbesondere Auswirkungen auf die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Er befürchtet, daß der zu begrüßenden Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes letztlich nicht entsprochen werden kann, wie das in der Stellungnahme des Ausschusses "Reform/Finanzierung der GAP (Agenda 2000)"(15) bereits zum Ausdruck gebracht wurde. 7.4.5. Der Agrarministerrat, aber auch die Staats- und Regierungschefs, waren darum bemüht, mit den Reformmaßnahmen einerseits den neuen Herausforderungen für die europäische Landwirtschaft zu entsprechen, andererseits auch den Grundsätzen, wie sie beim Gipfel in Luxemburg festgelegt wurden. Der Ausschuß befürchtet jedoch, daß sich der Einkommensdruck auf die Landwirte erheblich verstärken und der Druck zur weiteren Konzentration zunehmen wird. 7.5. Die GAP muß Eigeninitiative unterstützen und Wettbewerbsfähigkeit fördern 7.5.1. Mit der Einigung der Staats- und Regierungschefs über die Reform der GAP werden zumindest für die nächsten Jahre die Bedingungen für die landwirtschaftliche Produktion festgeschrieben. Mit der kommenden WTO-Handelsrunde, dem zu erwartenden Druck in Richtung weiterer Liberalisierungsschritte und in Zusammenhang mit der Osterweiterung werden die GAP bzw. wichtige Elemente davon weiter in Diskussion bleiben. Entscheidend ist jedoch, daß über folgenden Sachverhalt ein Grundkonsens hergestellt wird: Das Ziel der Sicherung des Europäischen Agrarmodells bzw. der Multifunktionalität der Landwirtschaft bedingt eine Reihe von bestimmten agrarpolitischen Maßnahmen. 7.5.2. Mit dem Europäischen Agrarmodell werden, wie in der Einleitung dargestellt, bestimmte Leistungen verbunden, die von den Beschäftigten in der Landwirtschaft erbracht werden. Da die Multifunktionalität der Landwirtschaft ein unbestrittenes Anliegen der Gesellschaft in den EU-Mitgliedstaaten ist, muß es auch als unbestritten gelten, daß die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards der in der Landwirtschaft tätigen Menschen entsprechend Artikel 33 des Rom-Vertrages gewährleistet werden muß. 7.5.3. Der Ausschuß geht davon aus, daß die Landwirte in Zukunft noch mehr als in den zurückliegenden Jahrzehnten gefordert sein werden, - auf Veränderungen des Marktes rechtzeitig zu reagieren und neue Absatzchancen zu nutzen; - die Möglichkeiten des technischen Fortschrittes in dem Ausmaß zu nutzen als dies zur Optimierung der Produktion zweckmäßig ist und in Einklang mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit bzw. ökologischen Erfordernissen steht; - durch überbetriebliche Zusammenarbeit etwa in Form von Genossenschaften einerseits die Produktionskosten zu senken und andererseits die Marktposition zu verbessern; - durch Produktdiversifizierung, Qualitätsproduktion und gezielte Nutzung von Marktchancen die Wertschöpfung zu erhöhen; - auch zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten aufzugreifen, wenn solche sich anbieten und sinnvoll genutzt werden können. Ziel agrarpolitischer Maßnahmen auf EU-Ebene bzw. durch die Mitgliedstaaten muß auch sein, die Eigeninitiative zu unterstützen. 7.5.4. Die von der europäischen Landwirtschaft erwarteten multifunktionalen Leistungen erfordern daher neben neuen Instrumenten der GAP, wie z. B. Ernte- bzw. Erlösausfallversicherungen, eine Preis- und Marktpolitik, die weiterhin grundsätzlich auf den drei wichtigen Elementen der GAP basieren: Einheitlicher Markt, Gemeinschaftspräferenz und finanzielle Solidarität. 7.5.5. Ein wichtiges Element des Europäischen Agrarmodells ist - wie bereits wiederholt festgehalten - eine wettbewerbs- und leistungsfähige Landwirtschaft. Die Landwirte sind gefordert, selbst bestehende Möglichkeiten zu nutzen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch nicht nur eine Frage, zu welchen Preisen Produkte angeboten werden können, sondern ebenfalls eine Frage der Qualität der Agrarprodukte, des Image oder auch der Herkunft. Die Verbraucher erwarten verstärkt Informationen über die Art der Produktion, die Herkunft und die Qualität. Die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit der Nahrungsmittel gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wer diesen Erwartungen entspricht, hat auch die Chance, den wachsenden Preiswettbewerb (vor allem auch verursacht durch die Konzentration im Lebensmittelhandel) etwas auszuweichen und für die Produkte mehr zu erlösen. Ebenso gilt es die Möglichkeiten einer positiven Produktabgrenzung im Rahmen der EU-Regelungen über den Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen(16) und der Bescheinigung besonderer Merkmale(17) zu nutzen, wobei entscheidend ist, daß administrative Hürden und finanzielle Lasten für die Antragsteller - wenn vorhanden - abgebaut werden. 7.5.6. Große Fortschritte in der Wissenschaft und auch der Agrartechnik haben enorme Leistungssteigerungen in der landwirtschaftlichen Produktion ermöglicht, wie sie vor Jahrzehnten nicht für möglich gehalten wurden. Nutznießer dieser Entwicklung waren nicht nur die Landwirte selbst, sondern im besonderen die Verbraucher, aber auch die Gesellschaft insgesamt, weil das eine wichtige Voraussetzung für die Wohlstandsentwicklung war. Der Ausschuß erachtet es als notwendig, daß die europäische Landwirtschaft auch in Zukunft neue Entwicklungen im technischen Fortschritt, insbesondere durch die Biotechnologie, nutzen kann. Es ist jedoch darauf zu achten, daß dabei den ökologischen Erfordernissen und den Erwartungen der Gesellschaft an die landwirtschaftliche Produktion entsprochen wird, aber auch durch Einschränkungen bedingte Wettbewerbsnachteile vermieden bzw. honoriert und ausgeglichen werden. Jedenfalls ist es notwendig, daß Europa verstärkt Anstrengungen in der Agrarforschung für die Entwicklung zukunftsträchtiger Technologien unternimmt. Diese Anstrengungen sind auch im Interesse einer größeren Eigenständigkeit notwendig. 7.5.7. Um den Anforderungen des Naturschutzes der Umwelt und des Tierschutzes, der Qualität der Produkte und der Gesundheit zu entsprechen, sind entsprechende Regelungen notwendig, die, wenn es erforderlich ist, etwa an neue Erkenntnisse jeweils angepaßt werden müssen. Wie unter Punkt 2.5 ausgeführt, können die meist strengeren EU-Regeln bzw. -Auflagen für die Produktion zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die Landwirte in der EU führen. Mit zunehmender Internationalisierung des Agrarhandels ist das im besonderen Maß zu beachten. Damit auch innerhalb des Binnenmarktes faire Wettbewerbsbedingungen gewährleistet sind, müssen in allen Mitgliedstaaten vergleichbare Anforderungen bezüglich Qualitäts-, Umwelt- und Tierschutznormen angewendet werden. Der Ausschuß vertritt daher die Auffassung, daß - wie bereits wiederholt in Stellungnahmen des Ausschusses verlangt - wichtige Standards für die landwirtschaftliche Produktion auch durch international verbindliche Regeln abgesichert werden, um sonst unbewältigbare Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Außerdem ist bei der Festlegung neuer Regeln für die Produktion bzw. Anpassung an neue Erkenntnisse oder Bedingungen nach dem Grundsatz vorzugehen, nur das umzusetzen, was notwendig ist, das zu unterlassen, was sachlich nicht begründbar ist. 7.6. Grundfunktionen der Marktordnung müssen erhalten bleiben 7.6.1. Der Ausschuß geht davon aus, daß für die Landwirte auch in Zukunft die Produktion von Agrargütern für den Markt die wesentliche Einkommensquelle sein muß und damit auch ein unverzichtbares Element des Europäischen Modells ist. Die Agrarmärkte sind in besonderem Ausmaß für Preisschwankungen anfällig. Große Preisschwankungen bedingen häufig falsche Marktsignale, führen phasenweise zu großen Verlusten und sind auch für die Verbraucher längerfristig nicht von Vorteil(18). Marktordnungen stellen daher in diesem Zusammenhang ein Sicherheitsnetz dar. Sie sollen jedoch nicht dazu führen, daß Märkte verzerrt werden. Die Agrarproduktion muß sich langfristig nach den Bedingungen des Marktes richten. 7.6.2. Es muß jedoch darüber Klarheit bestehen, daß so wie in der Vergangenheit Marktordnungen von Zeit zu Zeit an sich verändernde Markt- und Wettbewerbsbedingungen anzupassen sind. Das darf jedoch nicht dazu führen, daß auf integrale Bestandteile einer Marktordnung, z. B. Einfuhr- bzw. Interventionsregelungen oder bewährte Instrumente zur Angebotssteuerung, verzichtet wird. 7.6.3. Es ist davon auszugehen, daß die Landwirtschaftsbetriebe in den EU-Mitgliedstaaten, abgesehen von Ausnahmen und besonders günstigen Marktsituationen, auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, nachhaltig zu Weltmarktpreisen zu produzieren (siehe die Ausführungen in den Abschnitten 2 und 4). Demgegenüber wird die Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft in Zukunft noch mehr an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung gewinnen. Da auch in Zukunft die bereits dargestellten Unterschiede in den Produktionsbedingungen im wesentlichen aufrecht bleiben, andere bzw. strengere Anforderungen in der EU an die landwirtschaftliche Produktion gestellt werden, hält der Ausschuß einen angemessenen Außenschutz auch in Zukunft für notwendig. In dem Ausmaß der Außenschutz reduziert wird, ist zwingend erforderlich, daß im Sinne der Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft insbesondere die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe durch eine entsprechende Erhöhung der Direktzahlungen ausreichend abgegolten und letztere aufrechterhalten werden. Dieser Sachverhalt ist nicht nur bei der WTO-Handelsrunde zu beachten, sondern auch bei Verhandlungen der EU mit Drittstaaten bzw. Staatengruppen über die Schaffung von Freihandelsabkommen. 7.6.4. Der Ausschuß fordert die Kommission auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, daß bei der kommenden WTO-Handelsrunde nicht nur über eine weitere Reduktion beim Außenschutz, sondern auch im Sinne der Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen über die Verbindlichkeit von Mindeststandards für Umwelt- und Sozialnormen für alle WTO-Mitgliedstaaten verhandelt wird, wie das u. a. auch in der Initiativstellungnahme des Ausschusses "Welthandelsorganisation (WTO)"(19) verlangt wurde. In jenem Ausmaß, in dem Fortschritte über verbindliche Regeln für einen fairen Agrarhandel im Rahmen der WTO erzielt werden, ist auch eine weitere Liberalisierung des internationalen Handels vertretbar. 7.6.5. Die Sicherheit und Qualität von Nahrungsmitteln, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, aber auch die artgerechte Haltung von Tieren, sind Forderungen der Bevölkerung, denen die Landwirtschaft in der EU in immer intensiverer Form Rechnung tragen muß, und die im EU-Recht durch entsprechende Vorschriften zunehmend verankert werden. Der Ausschuß begrüßt die Absicht der Kommission diese Fragen als wichtiges Anliegen der Kommission in die Verhandlungen einzubringen. Ziel muß sein, Regelungen zu erreichen, die verhindern, daß strenge EU-Vorschriften durch wettbewerbsverzerrende Einfuhren aus Drittstaaten ohne vergleichbar strenge Regelungen ad absurdum geführt bzw. ganze Produktionsbereiche in ihrer Existenz gefährdet werden. Es muß jedem Staat gestattet sein, wichtigen Anliegen seiner Verbraucher zu entsprechen. Die Anwendungen des "Vorsorgeprinzips" (Artikel 5.7 des SPS-Abkommens) auf Basis einer in der WTO einheitlichen Risikobewertung, entsprechend dem von der Kommission gemachten Vorschlag, wird vom Ausschuß als zielführend angesehen. 7.6.6. Der Ausschuß tritt dafür ein, daß bei weiteren Liberalisierungsschritten entsprechend der unterschiedlichen Situation und den Erfordernissen der jeweiligen Produktionsbereiche differenziert vorgegangen wird. Außerdem sind Mechanismen vorzusehen, mit denen Währungsschwankungen begegnet werden kann. Als unbedingt notwendig erachtet der Ausschuß die Verlängerung der Friedensklausel über das Jahr 2003 hinaus. Dasselbe gilt für die in Artikel 5 des WTO-Agrarabkommens vorgesehene besondere Schutzklausel. 7.6.7. In einer arbeitsteiligen Welt haben die Exporte eine unverzichtbare Funktion. Aus den in mehreren Punkten dieser Stellungnahme angeführten Gründen spielt auch in Zukunft die "Exporterstattung" als Instrument der Marktordnung eine bestimmte Rolle. Ziel ist jedoch, internationale Abkommen zur größtmöglichen Reduzierung jeglicher Exportstützung abzuschließen, damit faire Wettbewerbsbedingungen auf den internationalen Märkten geschaffen werden. Der Ausschuß spricht sich jedoch dafür aus, daß - die europäische Landwirtschaft alle Anstrengungen unternimmt, um den vorhandenen Standortvorteil auf den eigenen Märkten auch in der Form zu nutzen, daß den Erwartungen der Verbraucher von Lebensmitteln voll entsprochen wird (Verminderung der Exportabhängigkeit); - die Exportmöglichkeiten vor allem bei jenen Produkten genutzt werden, wo die europäische Landwirtschaft bzw. die Verarbeitungsindustrie über komparative Vorteile verfügt, für die weltweit eine kaufkräftige Nachfrage besteht und Exporte teilweise auch ohne Erstattungen möglich sind; - durch Nutzung von Instrumenten zur Steuerung des Angebotes nicht nur die Einhaltung bestehender WTO-Verpflichtungen gewährleistet werden kann, sondern Exporte um "jeden Preis" verhindert werden. - in der EU-Exportpolitik für Agrarprodukte auch auf die unterschiedlichen Situationen der Landwirtschaft in den Abnehmerländern, insbesondere in den Entwicklungsländern, geachtet wird. 7.6.8. In der Frage der Exportstützungen sind in der kommenden WTO-Handelsrunde besonders große Differenzen zu erwarten. Das WTO-Agrarabkommen hat Exportkredite und -garantien zwar wohl in Artikel 10 (2) eindeutig als Exportsubventionen deklariert, jedoch keine Disziplinen festgelegt. Eine Vereinbarung darüber war für die Umsetzungsphase der Uruguay-Runde vorgesehen, blieb aber ohne Ergebnis. In der kommenden Handelsrunde darf es nicht wieder zu neuen Restriktionen bei den Exportstützungen kommen, ohne daß gleichzeitig Disziplinen für die Exportkredite und -garantien vereinbart werden. Da auch in Zukunft die Weltmarktpreise in der Regel unter den EU-internen Preisen liegen werden, dürfen keine Vereinbarungen über das Auslaufen von Exportstützungen getroffen werden. 7.7. Funktionsorientierte Direktzahlungen 7.7.1. Mit der Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft sind Leistungen verbunden, die früher über Markterlöse einigermaßen zufriedenstellend abgegolten wurden. Das trifft immer weniger zu, so daß für die Einkommensbildung der Landwirte Direktzahlungen an Bedeutung gewinnen. Diese haben zwar eine wichtige Funktion, können aber nur eine ergänzende sein, da der Landwirt ein Unternehmer ist, der für den Markt produziert und daher sein Einkommen in einem wesentlichen Ausmaß aus den Markterlösen erzielen soll. 7.7.2. Mit der Reform der GAP im Jahre 1992 wurde ein wesentlicher Schritt in Richtung Ausbau der Direktzahlungen gesetzt, der nun verstärkt fortgesetzt wird. Für die Landwirte ist entscheidend, nicht zuletzt auch für ihr Selbstverständnis, daß diese Zahlungen nicht permanent Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sind und Klarheit darüber besteht, wofür die Direktzahlungen geleistet werden und daß sie längerfristig gesichert sind. 7.7.3. Der Ausschuß bekennt sich ausdrücklich zum Prinzip einer funktionsorientierten Konzeption der Direktzahlungen und einer nachhaltigen Absicherung dieses immer wichtiger werdenden Instruments der GAP. Es muß daher differenziert werden zwischen - Direktzahlungen als Abgeltung für gemeinwirtschaftliche Leistungen, die keinen Marktpreis haben, - Direktzahlungen als Ausgleich für Preissenkungen in dem Ausmaß, wie dies begründbar ist, - Direktzahlungen als Ausgleich für ständige nicht veränderbare natürliche Erschwernisse. Da dieses Prinzip bei der Reform im Rahmen der "Agenda 2000" teilweise nicht mehr eingehalten wird, sind nach Auffassung des Ausschusses zumindest längerfristig negative Auswirkungen zu befürchten. 7.7.4. Im Interesse einer allgemeinen Akzeptanz unterstreicht der Ausschuß die Notwendigkeit einer ausreichenden Begründung von Direktzahlungen. Wenn jedoch die Bedingungen für eine mögliche Inanspruchnahme ständig verschärft werden, die Zahl der Landwirte kleiner wird, die die Bedingungen erfuellen können, ist die Frage zu stellen, ob den ursprünglichen Zielen noch entsprochen werden kann. Es wäre sicher kein zielführender Ansatz, wenn durch zu strenge Auflagen einerseits eine Bewältigung von Anpassungsschwierigkeiten erschwert wird, andererseits die Stärkung in Richtung einer verbesserten internationalen Wettbewerbsfähigkeit behindert würde. Es ist außerdem darauf zu achten, daß die Administration von Direktzahlungen, wie auch bei anderen Förderungsmaßnahmen, so effizient wie möglich erfolgt und bürokratische Überfrachtungen vermieden werden. 7.7.5. Eine Nagelprobe für die Gemeinschaft wird sein, in welchem Ausmaß es ihr im Rahmen der kommenden WTO-Handelsrunde gelingt, die erfolgte Reform der GAP zu verteidigen. Die Kommission hat wiederholt versichert, daß die veränderten bzw. neuen Marktordnungsprämien in Einklang mit den Anforderungen der "Blue box" stehen und auch im Sinne einer längerfristigen Absicherung mit allem Nachdruck verteidigt werden. Der Ausschuß erachtet diese Absicherung als unbedingt notwendig, da sich der mit den "blauen Maßnahmen" beschrittene Weg einer Angebotssteuerung bewährt hat. Ebenso bedarf es einer Absicherung der "Green box", da die "grünen Maßnahmen" an Bedeutung gewonnen haben, geringen Einfluß auf den Handel haben und als Instrument zur Abgeltung bestimmter Leistungen der Landwirtschaft unverzichtbar sind. 7.7.6. Die seit 1992 verstärkte Ausrichtung der GAP, die Ausgaben für Preisstützungsmaßnahmen der GAP zu reduzieren, im Ausgleich die Direktzahlungen auszubauen, macht die Einkommen der Landwirte in zunehmendem Ausmaß von Budgets abhängig. Der Ausschuß betont, daß die finanzielle Grundlage für die Direktzahlungen längerfristig gewährleistet sein muß, um den Landwirten die notwendige Sicherheit zu geben. 7.8. Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes 7.8.1. Den Maßnahmen im Rahmen einer integrierten Entwicklungspolitik für den ländlichen Raum, der zweiten Säule der GAP, wird große Bedeutung beigemessen. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Zusammenführung der bisherigen flankierenden Maßnahmen (Umweltprogramm und Forstwirtschaft), Maßnahmen der Agrarstrukturpolitik (bisheriges Ziel 5a), sowie der bisher auf Zielgebiete beschränkte Förderungsprogramme. 7.8.2. Der Ausschuß hält die Zusammenführung für sinnvoll, weil damit dem programmatischen Ziel einer Verstärkung der integrierten Politik für die ländlichen Gebiete unter besonderer Berücksichtigung der Landwirtschaft mehr Rechnung getragen werden kann. Die Politik für die ländliche Entwicklung hat eine unverzichtbare Funktion, kann aber nicht die klassischen Instrumente der GAP ersetzen. Der Ausschuß bedauert, daß das vorgesehene Budgetvolumen lediglich den bisherigen Ausgaben entspricht. Um den tatsächlichen Anforderungen gerecht zu werden, insbesondere im Sinne der Sicherung der Multifunktionalität der Landwirtschaft in sämtlichen Regionen der EU, ist ein höherer Budgetrahmen notwendig. 7.8.3. Der sich verschärfende Wettbewerbsdruck erfordert eine Stärkung der Marktposition der Landwirte vor allem auch durch wettbewerbsfähige Vermarktungs- und Verarbeitungsunternehmungen, wobei den Genossenschaften eine entscheidende Funktion zukommt. Die in der Verordnung "Ländliche Entwicklung" vorgesehenen diesbezüglichen Förderungsmaßnahmen haben eine wichtige Funktion. Der Ausschuß erwartet eine zielorientierte und wirksame Umsetzung und sieht darüber hinaus in gezielten Marketingmaßnahmen einen wichtigen Ansatz für eine Festigung der Marktposition auf dem Binnenmarkt und auf Drittmärkten. Ein wesentliches Ziel muß darin bestehen, den Bauern eine höhere Wertschöpfung zu ermöglichen und die Nutzung endogener Ressourcen in den Regionen zu stärken und damit die ökonomische Tragfähigkeit der ländlichen Regionen dauerhaft zu verbessern. 7.8.4. Mit der GAP-Reform ist eine Weiterentwicklung der für die Landwirte in den benachteiligten Gebieten wichtigen Ausgleichszulage vorgesehen. Es ist das ein Instrument, das wesentlich zur Sicherung der Bewirtschaftung in diesen Regionen beiträgt. Diese bewährte und grundsätzliche außer Streit stehende Direktzahlung hat die Funktion, einen Ausgleich für ständige natürliche Nachteile zu gewähren. Der Ausschuß spricht sich dafür aus, daß dieses Prinzip aufrecht bleibt und keine Vermischung mit anderen Zielen der GAP erfolgt. 7.8.5. Im Sinne der Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Bewirtschaftung in benachteiligten Regionen, der Sicherung der Multifunktionalität der landwirtschaftlichen Betriebe in diesen Gebieten, ist nach Auffassung des Ausschusses auch die Produktionsfunktion notwendig. Er spricht sich daher für spezifische Maßnahmen aus, die geeignet sind, die Produktion auch unter erschwerten Bedingungen aufrecht zu erhalten. Das gilt insbesondere für jene Produkte, für die es kaum eine Alternative gibt, wie das für die Erzeugung von Milch oder Rinder- und Schafhaltung in bestimmten Regionen zutrifft. 7.9. Ergänzende oder alternative Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Landwirte 7.9.1. Es ist kein neues Phänomen, daß Landwirte durch eine Diversifizierung ihrer Tätigkeiten aus verschiedenen Bereichen Einkommen erzielen. In einzelnen Mitgliedstaaten ist das auf Grund bestehender Strukturen und Standortbedingungen besonders ausgeprägt. Der Rückgang der Einkommen aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit in einer großen Zahl von Betrieben, aber auch persönliche Einkommenserwartungen, sind häufig Gründe für Landwirte, zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten zu suchen. 7.9.2. Zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten können einen Beitrag zur wirtschaftlichen Festigung landwirtschaftlicher Betriebe leisten. Die Programme im Rahmen der ländlichen Entwicklung sollen einen wesentlichen Schwerpunkt in Richtung Beschäftigung im allgemeinen und Schaffung zusätzlicher Erwerbs- und Einkommensmöglichkeiten für Landwirte und deren Familien enthalten. Der Ausschuß unterstützt diese Strategie, verlangt aber im Sinne einer wirkungsvollen Umsetzung die Beseitigung von rechtlichen Beschränkungen und Erschwernissen, da mit der finanziellen Förderung allein die gesteckten Ziele nicht erreicht werden können. 7.10. Herausforderung nachwachsende Rohstoffe 7.10.1. Neben der Versorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln ist die Bereitstellung von Energie und Rohstoffen seit Menschengedenken eine wichtige Funktion der Land- und Forstwirtschaft. Biomasse als erneuerbarer Rohstoff bekommt wiederum eine immer größer werdende Bedeutung. Die Landwirte sind in der Lage, Biomasse als Rohstoff in einem wesentlich größeren Umfang zur Verfügung zu stellen. Die Möglichkeit einer verstärkten Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht nur als ein Teil der Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft zu sehen, sondern ist ein wichtiger Beitrag für die Umwelt, die Beschäftigung und vor allem für die Festigung des europäischen Agrarmodells. 7.10.2. Biomasse wird zunehmend in einigen Industriebereichen als alternativer Rohstoff eingesetzt. Dazu gehören verschiedene Grundstoffe auf pflanzlicher Basis, die in der chemischen Industrie eingesetzt werden, z. B. als Ersatzstoffe bei Waschmitteln bzw. Druckfarben oder Pflanzenfasern im Fahrzeugbau. Besondere Bedeutung kommt aufgrund der bestehenden Probleme in der Abfallbeseitigung dem verstärkten Einsatz von Pflanzenstärke als Rohstoff für die Verpackungsindustrie zu. Der Ausschuß wertet diese Entwicklung sehr positiv und spricht sich daher für eine zielgerichtete Förderung unter Beachtung ökologischer Aspekte aus. 7.10.3. Im Kyoto-Protokoll(20) hat die EU die Verpflichtung übernommen, die Treibhausgase im Zeitraum von 2008 bis 2012 um 8 % gegenüber dem Stand 1990 zu reduzieren. Im Sinne dieser Vorgabe wird im Weißbuch der Europäischen Kommission "Energie für die Zukunft: erneuerbare Energieträger"(21) eine Verdopplung des Anteils des Einsatzes erneuerbarer Energieträger von 6 % auf 12 % bis zum Jahr 2010 vorgesehen. Biomasse hat dabei eine wichtige Funktion. 7.10.4. Neben der wichtigen Funktion für die Umwelt hat der vermehrte Einsatz von Biomasse in der Energieversorgung einen großen Beschäftigungseffekt. Im Weißbuch der Kommission (bzw. in der TERES-II-Studie)(22) wird davon ausgegangen, daß mittelfristig bis 2010 500000 Arbeitsplätze (netto) geschaffen werden können. 7.10.5. Der Ausschuß spricht sich dafür aus, daß neben einer ausreichenden finanziellen Förderung von Biomasse als erneuerbaren Rohstoff auch geeignete ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt werden, um die Verwendung von Biomasse - etwa im Energiebereich und der stofflichen Nutzung - zu erleichtern, wie z. B.: - Verbesserung der Wettbewerbsposition erneuerbarer gegenüber fossilen Energieträgern, wie das einzelne Mitgliedstaaten durch steuerpolitische Maßnahmen tun; - EU-weite Regelung bezüglich des Einsatzes von Biokraftstoffen, unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Aspekte. - Förderung eines verstärkten Einsatzes von Strom und Wärme aus dem erneuerbaren Energieträger-Biomasse; - Beseitigung der Begrenzungen für Ölsaaten auf Grund des Blair-House-Abkommens; - Beseitigung von administrativen Hemmnissen bei Anbau von Ackerfrüchten für den Non-Food-Bereich. Der Ausschuß spricht sich darüber hinaus dafür aus, die Forschung mit dem Ziel zu intensivieren, Biomasse gegenüber fossilen Rohstoffen wettbewerbsfähiger zu machen und neue Verwertungsmöglichkeiten etwa in der chemischen Industrie oder im Fahrzeugbau zu entwickeln. 8. Schlußfolgerungen 8.1. Das Europäische Agrarmodell ist als Teil eines eigenständigen Weges in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik zu sehen, das nun bereits seit Jahrzehnten für die europäischen Länder prägend ist. Es ist als politisches Leitbild für eine Landwirtschaft zu verstehen, die von bäuerlichen Familien geprägt ist, sich am Prinzip der Nachhaltigkeit in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht orientiert und in der Lage ist, die von der Gesellschaft verlangten verschiedenen Leistungen zu erbringen, also multifunktional ist. 8.2. Der Ausschuß ist sich der Bedeutung bewußt, daß sich die Europäische Kommission, die Regierungen der Mitgliedstaaten und die berufsständischen Organisationen der europäischen Landwirte ausdrücklich zum Europäischen Agrarmodell bekennen. So positiv diese Bekenntnisse zu werten sind, darf nicht außer Acht bleiben, daß letztlich entscheidend ist, in welchem Ausmaß die konkrete Politik damit in Einklang steht. 8.3. Das Festhalten am Europäischen Agrarmodell darf nicht als Gegensatz zur Notwendigkeit gesehen werden, daß sich die Landwirte an die sich laufend verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen, die landwirtschaftlichen Betriebe wettbewerbsfähig sind und sich die Produktion an den Erfordernissen des Marktes orientiert. 8.4. Es sollte jedoch außer Streit stehen: Das Europäische Agrarmodell ist die entscheidende Voraussetzung dafür, daß die Multifunktionalität der Landwirtschaft, wie sie von der Gesellschaft erwartet wird, auch in Zukunft gesichert bleibt. Eine einseitig auf internationale Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Landwirtschaft wird diesen Anforderungen nicht gerecht werden können. 8.5. Der Ausschuß sieht in einer "Politik für eine Konsolidierung des Europäischen Agrarmodells" die Notwendigkeit einer Festigung des allgemein gewünschten agrarpolitischen Leitbildes durch konkrete politische Maßnahmen. Verschiedene Leistungen der multifunktionalen Landwirtschaft sollen auch bei einem immer stärker werdenden Wettbewerbsdruck in Zukunft gewährleistet werden können. 8.6. Ein wichtiges Element des Europäischen Agrarmodells ist eine wettbewerbs- und leistungsfähige Landwirtschaft. Der Ausschuß geht davon aus, daß in Zukunft die Landwirte noch mehr als in der Vergangenheit gefordert sind, bestehende Möglichkeiten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Wahrnehmung von Marktchancen und von zusätzlichen Erwerbs- bzw. Einkommensmöglichkeiten zu nutzen, wobei die Eigeninitiative ausreichend unterstützt werden muß. Zur Effizienzverbesserung ist aber auch der technische Fortschritt notwendig. Der Ausschuß erachtet einen Ausgleich in geeigneter Form jedoch dann für gerechtfertigt und notwendig, wenn durch Beschränkungen aus ökologischen oder ethischen Gründen bzw. aufgrund von Forderungen der Gesellschaft für die landwirtschaftlichen Betriebe Wettbewerbsnachteile eintreten und diese auch nicht in höheren Preisen wettgemacht werden können. 8.7. Die Multifunktionalität der Landwirtschaft ist bei den gegebenen Produktionsvoraussetzungen in den EU-Mitgliedstaaten zu Weltmarktbedingungen nicht möglich. Marktordnungen, funktionsorientierte Direktzahlungen, Maßnahmen für die Agrarstrukturpolitik und Förderungsprogramme für den ländlichen Raum haben eine unverzichtbare Funktion. Erbrachte Leistungen müssen entsprechende Gegenleistungen finden. 8.8. Die europäische Landwirtschaft muß produktionsorientiert bleiben, muß gute und qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel anbieten können, bekommt wieder eine immer wichtigere Rolle als Rohstofflieferant für den Non-Food-Bereich, muß umweltfreundlich und nachhaltig wirtschaften und muß auch in der Lage sein, die gewünschten gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu erbringen. Sie muß sich anderen Ansprüchen stellen, als etwa die Landwirtschaft am amerikanischen Kontinent, und sie muß sich in einem relativ teuren Umfeld behaupten. Das bedeutet, daß auch in Zukunft ein angemessener Außenschutz notwendig ist, aber auch auf andere wichtige Elemente von Marktordnungen nicht verzichtet werden kann. Ein "Ja" zum "Europäischen Agrarmodell" erfordert daher auch, daß bei der kommenden WTO-Handelsrunde die wichtigen Elemente der GAP nicht in Frage gestellt werden. Als wichtiger Grundsatz sollte gelten: Nur in jenem Ausmaß, in dem Fortschritte über verbindliche Regeln für faire Wettbewerbsbedingungen im internationalen Agrarhandel erzielt werden, ist auch eine weitere Liberalisierung des internationalen Handels vertretbar. Brüssel, den 21. Oktober 1999. Die Präsidentin des Wirtschafts- und Sozialausschusses Beatrice RANGONI MACHIAVELLI (1) Schlußfolgerungen des Vorsitzes; SN 400/97, S. 14, 13.12.1997. (2) Bericht über den Kongreß der Europäischen Landwirtschaft 1998, veröffentlicht von der CEA (Verband der Europäischen Landwirtschaft), Brüssel. (3) Von über 30 % Anfang der 60er Jahre in einzelnen EU-Ländern sind derzeit im EU-Durchschnitt nur mehr knapp 3 % der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Quelle: Eurostat. (4) Quelle: Eurostat. (5) ABl. C 407 vom 28.12.1998. (6) KOM(1998) 158 endg.- ABl. C 170 vom 4.6.1998, S. 93. (7) Kommuniqué der Tagung des OECD-Landwirtschaftsausschusses, 6.3.1998. (8) Quelle: Die Lage der Landwirtschaft in der Europäischen Union, Bericht 1997. (9) ABl. C 73 vom 9.3.1998, S. 71. (10) WTO-Agrarabkommen 1994; in Artikel 20. ist u. a. eine Überprüfung der Auswirkungen der GATT-Uruguay-Runde und die Zielsetzung, "ein gerechtes und marktorientiertes System für den Handel mit landwirtschaftlichen Waren einzuführen", vorgesehen. (11) ABl. C 73 vom 9.3.1998, S. 71. (12) ABl. C 75 vom 10.3.1997, S. 4. (13) "Bilanz GAP-Reform". ABl. C 89 vom 19.3.1997, S. 39. (14) Nettowertschöpfungen zu Faktorkosten = Bruttowertschöpfung zu Marktpreisen minus Abschreibungen minus Steuern + Subventionen. (15) ABl. C 407 vom 28.12.1998, S. 221-224. (16) Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14.7.1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 208 vom 24.7.1992, S. 1). (17) Verordnung (EWG) Nr. 2082/92 des Rates vom 14.7.1992 über die Bescheinigung besonderer Merkmale von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln (ABl. L 208 vom 24.7.1992, S. 9). (18) In der Studie der Europäischen Kommission "Towards a common agricultural and rural policy for Europe" (European Economy Nr. 5/97), die von maßgeblichen Agrarökonomen erarbeitet wurde, wird die Begründung für Maßnahmen der öffentlichen Hand zur Marktstabilisierung im Agrarbereich in folgenden Besonderheiten gesehen: - hohes Risiko durch die Abhängigkeit von der Witterung und das Auftreten von Schädlingen und Krankheiten (vor allem kleinräumig); - hohes Kapital- und Wechselkursrisiko (was den ganzen Sektor betrifft - mit Inkrafttreten einer Wirtschafts- und Währungsunion entfällt das letztgenannte Risiko im Bereich des Binnenmarktes); - die räumlich stark disperse Verteilung vieler kleiner Betriebe, die mit einem umfangreichen, nicht mobilen Anlagekapital und Grundbesitz bei stark eingeschränkten Dispositionsmöglichkeiten belastet sind; - eine ziemlich starre Bindung an jahreszeitlich und biologisch vorgegebene Entwicklungs- bzw. Wachstumsprozesse; - Produzenten, die als einzelne nur über unzulängliche Ressourcen und Informationen zur Risikosteuerung verfügen; - die Verpflichtung zum regelmäßigen Produktangebot bei Gütern des täglichen Bedarfs. (19) ABl. C 101 vom 12.4.1999, S. 43. (20) Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11.12.1997. (21) KOM(97) 599 endg. vom 26.11.1997, "Energie für die Zukunft: erneuerbare Energieträger", Weißbuch für eine Gemeinschaftsstrategie und Aktionsplan. (22) TERES II, Europäische Kommission, 1997.