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Document C2005/132/10

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 12. April 2005 in der Rechtssache C-145/03 (Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social n° 20 Madrid [Spanien]): Erben der Annette Keller gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) u. a. (Soziale Sicherheit — Artikel 3 und 22 der Verordnung Nr. 1408/71 — Artikel 22 der Verordnung Nr. 574/72 — Krankenhausaufenthalt in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat — Erforderlichkeit dringender lebensnotwendiger Behandlung — Verlegung des Versicherten in ein Krankenhaus eines Drittstaats — Bedeutung der Formblätter E 111 und E 112)

ABl. C 132 vom 28.5.2005, p. 5–6 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

28.5.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/5


URTEIL DES GERICHTSHOFES

(Große Kammer)

vom 12. April 2005

in der Rechtssache C-145/03 (Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social no 20 Madrid [Spanien]): Erben der Annette Keller gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) u. a. (1)

(Soziale Sicherheit - Artikel 3 und 22 der Verordnung Nr. 1408/71 - Artikel 22 der Verordnung Nr. 574/72 - Krankenhausaufenthalt in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat - Erforderlichkeit dringender lebensnotwendiger Behandlung - Verlegung des Versicherten in ein Krankenhaus eines Drittstaats - Bedeutung der Formblätter E 111 und E 112)

(2005/C 132/10)

Verfahrenssprache: Spanisch

In der Rechtssache C-145/03 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Juzgado de lo Social no 20 Madrid (Spanien) mit Entscheidung vom 6. November 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 31. März 2003, in dem Verfahren Erben der Annette Keller gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), Instituto Nacional de Gestión Sanitaria (Ingesa), vormals Instituto Nacional de la Salud (Insalud), hat der Gerichtshof (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter) und A. Borg Barthet sowie der Richterin N. Colneric und der Richter S. von Bahr, J. N. Cunha Rodrigues, E. Juhász, G. Arestis und M. Ilešič — Generalanwalt: L. A. Geelhoed; Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler — am 12. April 2005 ein Urteil mit folgendem Tenor erlassen:

1.

Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i und Buchstabe c Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und Artikel 22 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung sind dahin auszulegen, dass der zuständige Träger, der mit der Ausstellung eines Formblatts E 111 oder E 112 darin eingewilligt hat, dass einer seiner Sozialversicherten eine medizinische Behandlung in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat erhält, an die während der Gültigkeitsdauer des Formblatts von vom Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats autorisierten Ärzten getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Erforderlichkeit einer dringenden lebensnotwendigen Behandlung sowie an die während desselben Zeitraums auf der Grundlage dieser Feststellungen und der augenblicklichen medizinischen Erkenntnisse getroffene Entscheidung dieser Ärzte, den Betreffenden in ein Krankenhaus eines anderen Staates zu verlegen, auch wenn es sich um einen Drittstaat handelt, gebunden ist. Jedoch ist in einem solchen Fall nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i und Buchstabe c Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 der Anspruch des Versicherten auf die für Rechnung des zuständigen Trägers erbrachten Sachleistungen von der Voraussetzung abhängig, dass der Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften gehalten ist, einer bei ihm versicherten Person die einer solchen Behandlung entsprechenden Sachleistungen zu erbringen.

Unter derartigen Umständen ist der zuständige Träger nicht berechtigt, von dem Betreffenden die Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat zu verlangen, um ihn dort einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen, oder ihn im Aufenthaltsmitgliedstaat untersuchen zu lassen oder die oben erwähnten Feststellungen und Entscheidungen von seiner Zustimmung abhängig zu machen.

2.

Haben sich vom Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats autorisierte Ärzte aus Gründen einer lebensbedrohlichen Notsituation und in Anbetracht der augenblicklichen medizinischen Erkenntnisse für eine Verlegung des Versicherten in ein Krankenhaus eines Drittstaats entschieden, so ist Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i und Buchstabe c Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass die Kosten der in diesem letztgenannten Staat vorgenommenen Behandlung vom Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften unter gleichen Bedingungen, wie sie für die Sozialversicherten bestehen, die unter diese Rechtsvorschriften fallen, zu übernehmen sind. Was Behandlungen angeht, die zu den in den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats vorgesehenen Leistungen gehören, so hat sodann der Träger dieses Staates die Kosten der erbrachten Leistungen zu übernehmen, indem er dem Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats unter den Bedingungen des Artikels 36 der Verordnung Nr. 1408/71 Erstattung leistet.

Sind die Kosten einer Behandlung in einer Einrichtung eines Drittstaats nicht vom Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats übernommen worden, ist aber erwiesen, dass die betreffende Person Anspruch auf eine solche Übernahme hatte und dass diese Behandlung zu den in den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats vorgesehenen Leistungen gehört, so hat der zuständige Träger die Kosten dieser Behandlung unmittelbar dieser Person oder ihren Rechtsnachfolgern zu erstatten, um so ein Kostenübernahmeniveau zu garantieren, das dem gleichwertig ist, das für diese Person gegolten hätte, wenn Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 angewandt worden wäre.


(1)  ABl. C 146 vom 21.6.2003.


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