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Document 52005AE0131

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zertifizierung von mit dem Führen von Triebfahrzeugen und Lokomotiven im Eisenbahnnetz der Gemeinschaft betrautem Zugpersonal“(KOM(2004) 142 endg. — 2004/0048 (COD))

ABl. C 221 vom 8.9.2005, p. 64–70 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/64


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zertifizierung von mit dem Führen von Triebfahrzeugen und Lokomotiven im Eisenbahnnetz der Gemeinschaft betrautem Zugpersonal“

(KOM(2004) 142 endg. — 2004/0048 (COD))

(2005/C 221/14)

Der Rat beschloss am 28. April 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem obenerwähnten Vorslag.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 17. Januar 2005 an. Berichterstatter war Herr CHAGAS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 9. Februar) mit 127 gegen 25 Stimmen bei 26 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der vorliegende Vorschlag für eine Richtlinie zur Zertifizierung des Zugpersonals ist Bestandteil des so genannten Dritten Eisenbahnpakets, das von der Europäischen Kommission am 3. März 2004 verabschiedet wurde. Die weiteren Elemente sind:

Änderung der Richtlinie 91/440/EWG: Liberalisierung des internationalen Eisenbahnpersonenverkehrs (KOM(2004)139 endg.);

Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Verkehr (KOM(2004) 143 endg.);

Vorschlag einer Verordnung zu Entschädigungen und Qualitätsanforderungen im Schienengüterverkehr (KOM(2004)144 endg.);

sowie

Mitteilung der Kommission zur Fortsetzung der Integration des europäischen Eisenbahnsystems (KOM(2004) 140);

Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission zur schrittweisen Öffnung des Marktes für den internationalen Eisenbahnpersonenverkehr (SEK(2004) 236).

1.2

Das so genannte Erste Eisenbahnpaket (auch Infrastrukturpaket genannt) trat am 15. März 2001 in Kraft und musste bis zum 15. März 2003 in nationales Recht umgesetzt werden. Es enthält die folgenden Elemente:

Änderung der Richtlinie 91/440/EWG: u.a. freier Markzugang für den internationalen Schienengüterverkehr auf dem Transeuropäischen Eisenbahngüternetz bis 15. März 2003 und Liberalisierung des gesamten internationalen Schienengüterverkehrs bis 15. März 2008 (1);

Ausweitung des Geltungsbereichs für eine Europäische Lizenz für Eisenbahnunternehmen (Änderung der Richtlinie 95/18/EG) (2);

Harmonisierung der Bestimmungen zur Zuteilung von Infrastrukturkapazitäten und zur Berechnung der Infrastrukturgebühren, Regelungen für ein Sicherheitszertifikat (ersetzt Richtlinie 95/19/EG) (3).

1.3

Im Oktober 2003 hat die Europäische Kommission wegen fehlender Notifizierung der Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets in nationales Recht Klage gegen 9 Mitgliedstaaten beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Im Mai 2004 fehlte die Notifizierung von fünf Ländern, und zwei Mitgliedstaaten hatten die Bestimmungen nur teilweise in nationales Recht umgesetzt.

1.4

Das so genannte Zweite Eisenbahnpaket wurde am 30. April 2004 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht und muss bis zum 30. April 2006 in nationales Recht umgesetzt werden. Es enthält die folgenden Elemente:

Änderung der Richtlinie 91/440/EWG: Vorverlagerung des freien Marktzugangs für den internationalen Eisenbahngüterverkehr auf den 1. Januar 2006 und Liberalisierung des nationalen Eisenbahngüterverkehrs einschließlich Kabotage ab dem 1. Januar 2007 (4);

Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (5);

Verordnung zur Schaffung einer Europäischen Eisenbahnagentur (6);

Änderung der Richtlinien zur Interoperabilität des Hochgeschwindigkeitssystems (Richtlinie 96/48/EG) und des konventionellen Eisenbahnsystems (Richtlinie 2001/16/EG) (7).

1.5

Mit dem 1. und 2. Eisenbahnpaket wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, einen Binnenmarkt für den Eisenbahngüterverkehr herzustellen. Die Maßnahmen umfassen den Marktzugang, die Lizenzierung und Sicherheitszertifizierung von Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), den Zugang zur Infrastruktur und die Berechnung der Nutzungsgebühren, die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Eisenbahnsicherheit sowie Maßnahmen zur Herstellung einer technischen Interoperabilität des Eisenbahnsystems.

1.6

Dieser neu geschaffene Rechtsrahmen erfordert, wie der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zum 2. Eisenbahnpaket (8) angemerkt hat, eine völlige organisatorische Umstrukturierung des Sektors mit der Schaffung neuer Behörden und Zuständigkeiten.

1.7

In diesem geschaffenen Rechtsrahmen sind die Sozialbestimmungen hinsichtlich der Qualifikationssicherung des sicherheitsrelevanten Personals und der Einsatzbedingungen dieses Personals unzureichend bzw. nicht geregelt.

1.8

Die Europäischen Sozialpartner im Eisenbahnsektor, die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER) und die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) haben am 17. Januar 2004 zwei europäische Abkommen unterzeichnet:

1)

Einführung einer europäischen Lokführerlizenz für Lokführer im grenzüberschreitenden Verkehr;

2)

Abkommen über bestimmte Aspekte der Einsatzbedingungen des mobilen Eisenbahnpersonals im grenzüberschreitenden Verkehr.

1.9

Der vorliegende Vorschlag einer Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal greift das Abkommen der Sozialpartner zur Einführung einer europäischen Lokführerlizenz zum Teil auf.

1.10

Der EWSA wurde von der Europäischen Kommission darüber unterrichtet, dass die Europäischen Sozialpartner für das Abkommen über Einsatzbedingungen (Ruhe- und Fahrzeiten) einen formalen Antrag zur Implementierung des Abkommens in Form einer Ratsentscheidung gestellt haben. Dieser Antrag wird gegenwärtig von der Kommission geprüft.

2.   Vorschlag der Europäischen Kommission

2.1

Die Kommission begründet die Vorlage des Richtlinienentwurfs mit der Notwendigkeit, die Interoperabilität und Verwaltung des Personals zu verbessern. Die Zulassung von Eisenbahnunternehmen soll unter Wahrung eines hohen Sicherheitsniveaus und unter Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtert werden.

2.2

Sie zitiert ebenfalls die Zielsetzungen der Europäischen Sozialpartner wie u.a.:

die Gewährleistung eines hohen Qualifikationsniveaus des Zugpersonals zur Wahrung und Steigerung des Sicherheitsniveaus;

die Verringerung der Gefahr von Sozialdumping.

2.3

Die Kommission schlägt die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern auf Basis einheitlicher europäischer Mindeststandards vor. Dabei sollen zunächst Triebfahrzeugführer im grenzüberschreitenden Verkehr bis 2010 zertifiziert werden und alle übrigen Triebfahrzeugführer im nationalen Verkehr bis 2015.

2.4

Nach Angaben der Kommission werden im ersten Schritt etwa 10 000 Lokführer und im zweiten Schritt etwa 200 000 Lokführer in der Gemeinschaft betroffen sein.

2.5

Darüber hinaus schlägt die Kommission eine Zertifizierung von Zugpersonal vor, das indirekt an der Führung des Triebfahrzeuges beteiligt ist. Der Richtlinienvorschlag enthält jedoch keine spezifischen Bestimmungen, insbesondere keine Bestimmungen über das Qualifikationsniveau des Zugbegleitpersonals. Es sollen die Prinzipien der Richtlinie berücksichtigt werden. Die Definition der Qualifikationsstandards soll über die Europäische Eisenbahnagentur oder innerhalb der Technischen Spezifikationen Interoperabilität zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

2.6

Der Richtlinienentwurf sieht eine Zertifizierung in zwei Teilen vor:

1)

Europäische Fahrerlaubnis, die von den zuständigen Behörden erteilt wird, gemeinschaftsweit anerkannt ist, Eigentum des Triebfahrzeugführers ist und die Grundqualifikationen und Grundvoraussetzungen bescheinigt;

2)

Harmonisierte Zusatzbescheinigung, die von dem Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) ausgestellt wird, im Eigentum des Unternehmens verbleibt und spezifische unternehmensbezogene Qualifikationen bzw. infrastrukturbezogene Qualifikationen bescheinigt.

2.7

Es müssen bei den zuständigen Behörden sowie bei den EVU zwei Register geführt werden, in denen die jeweiligen Qualifikationen und ihre Erneuerung sowie der Entzug und die Änderungen der Fahrerlaubnis und der harmonisierten Zusatzbescheinigungen eingetragen werden.

2.8

Drei Kategorien von Triebfahrzeugführern werden vorgeschlagen: (A) Rangierlokomotiven und Bauzüge, (B) Triebfahrzeugführer für den Personenverkehr und (C) Triebfahrzeugführer für den Güterverkehr.

2.9

Das Mindestalter wird auf 20 Jahre festgesetzt mit der Möglichkeit, auf nationalem Territorium ein Mindestalter von 18 Jahren vorzuschreiben.

2.10

Der Entwurf beinhaltet Bestimmungen zur Änderung und Erneuerung der Fahrerlaubnis und der harmonisierten Zusatzbescheinigungen sowie der regelmäßigen Überprüfung der Voraussetzungen für ihre Aufrechterhaltung oder ihren Entzug einschließlich Einspruchsmöglichkeiten. Er enthält außerdem Bestimmungen über Kontrollen und Sanktionen.

2.11

Ferner umfasst der Vorschlag Bestimmungen zum Zugang zur Ausbildung, den Prüfungen und die Beurteilung der Qualität der Ausbildungssysteme und des Verfahrens.

2.12

Anhang I beschreibt das Gemeinschaftsmodell der Fahrerlaubnis sowie der Zusatzbescheinigung. In den Anhängen II bis VII werden die Aufgaben, medizinisch-psychologischen Voraussetzungen und beruflichen Qualifikationen der Triebfahrzeugführer definiert.

2.13

Die Europäische Eisenbahnagentur wird damit beauftragt, Ende 2010 eine Bilanz vorzulegen und in diesem Bericht ebenfalls die Möglichkeit zur Einführung einer Chipkarte zu prüfen.

3.   Bewertung des Vorschlags der Kommission

3.1   Grundsätzliche Bemerkungen

3.1.1

Der EWSA begrüßt grundsätzlich den Vorschlag für eine Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal.

3.1.2

Triebfahrzeugführer und Zugbegleitpersonal mit sicherheitsrelevanten Funktionen tragen erhebliche Verantwortung für die Sicherheit des Verkehrs, des Personals, der Fahrgäste sowie der Güter. In einem liberalisierten Eisenbahnmarkt muss ein hohes Qualifikationsniveau durch gemeinsame Vorschriften gesichert sein.

3.1.3

Harmonisierte Mindestvorschriften erleichtern darüber hinaus den grenzüberschreitenden Einsatz des Personals (9). Es sollte jedoch betont werden, dass unterschiedliche Betriebssysteme und Sicherheitsvorschriften in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft das größere Hindernis für den grenzüberschreitenden Einsatz der Lokführer darstellen, die auch noch viele Jahre bestehen bleiben werden. Diese unterschiedlichen Systeme sowie die unterschiedlichen Sprachen stellen erhebliche Mehranforderungen an die Qualifizierung des Personals.

3.1.4

Der EWSA weist ferner darauf hin, dass ein hohes Qualifikationsniveau und eine entsprechende Zertifizierung dazu dienen, die Anerkennung und Attraktivität des Berufes aufrechtzuerhalten. Dies ist relevant in einem Beruf mit unattraktiven Arbeitszeiten einerseits und einem zunehmenden Verlust an Arbeitsplatzsicherheit bei gleichzeitigem Entstehen von Zeitagenturen andererseits. In den Sektoren Straßenverkehr und Binnenschifffahrt beklagen sich die Unternehmen bereits über erhebliche Schwierigkeiten, Personal zu finden. Es kann nicht Ziel dieser Richtlinie sein, Ausbildungszeiten zu reduzieren.

3.1.5

Die traditionellen selbst-regulierten Eisenbahnunternehmen haben für die Ausbildung und das Qualifikationsniveau des Zugpersonals sowie die sichere Durchführung des Verkehrs die volle Verantwortung getragen. Dies hat zu einem hohen Qualifikationsniveau geführt und die Eisenbahnen zu einem der sichersten Verkehrsträger gemacht.

3.1.6

Es muss dafür Sorge getragen werden, dass die mit der Richtlinie verbundene Zielsetzung einer höheren Mobilität von Lokführern und einem diskriminierungsfreien Zugang zu Ausbildungseinrichtungen nicht zu Entwicklungen führt, bei denen sich die Qualität der Ausbildung insgesamt verschlechtert und die Kosten der Ausbildung auf die Arbeitnehmer übertragen werden.

3.2   Einzelbestimmungen

3.2.1   Geltungsbereich und Einführung der Zertifizierung

3.2.1.1

Der EWSA unterstützt die stufenweise Einführung der Zertifizierung für den internationalen und den nationalen Verkehr. Dies ermöglicht den Unternehmen eine zeitliche Entzerrung.

3.2.1.2

Verwunderlich ist dennoch der Zeithorizont 2008-2010 für den grenzüberschreitenden Verkehr und 2010-2015 für Lokführer im nationalen Verkehr (Artikel 34). Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Liberalisierung des internationalen Güterverkehrs seit 2003 bzw. 2006 und des nationalen Güterverkehrs ab 2007 sollte die Zertifizierung von Lokführern zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen.

3.2.1.3

Der EWSA begrüßt ebenfalls eine Zertifizierung des Zugbegleitpersonals. Das Personal mit Sicherheitsfunktionen spielt eine wichtige Rolle im Sicherheitssystem der Eisenbahn. Allerdings ist die vorgeschlagene Definition unverständlich: „Jeder in der Lokomotive oder im Zug anwesende andere Bedienstete als der Triebfahrzeugführer, der indirekt an der Führung des Triebfahrzeuges beteiligt ist ...“ (Artikel 25). Besser sollte von dem Zugbegleitpersonal gesprochen werden, das Sicherheitsaufgaben wahrnimmt. Der EWSA würde es bevorzugen, wenn die Aufgaben und erforderlichen Qualifikationen dieser Personalkategorie ebenfalls im Anhang der Richtlinie geregelt würden.

3.2.2   Klassen von Lokführern

3.2.2.1

Es werden drei „Führerscheinklassen“ vorgeschlagen, für die Rangierdienste, den Personenverkehr und den Güterverkehr (Artikel 4 Absatz 2). Eine Unterscheidung zwischen Personen- und Güterverkehr ist nicht praktisch, und es gibt keine inhaltliche Begründung für eine solche Unterscheidung. Die Ausbildung und die konkrete Berufsausübung unterscheiden sich nicht. Die Kenntnisse der entsprechenden Triebfahrzeuge werden gesondert zertifiziert und häufig werden die gleichen Triebfahrzeuge genutzt. Zwei Kategorien, orientiert an den Sicherheitsanforderungen, sind ausreichend: Triebfahrzeugbewegungen auf geschlossenen Strecken (Rangierbahnhöfe, Baustellen) und auf der offenen Strecke (Streckentriebfahrzeugführer).

3.2.2.2

Darüber hinaus hält es der EWSA für angemessener, die Lokführerklasse auf der Fahrerlaubnis einzutragen und nicht auf der harmonisierten Zusatzbescheinigung.

3.2.3   Mindestalter und Berufserfahrungen

3.2.3.1

Im Richtlinienvorschlag wird das Mindestalter auf 20 Jahre festgelegt. Die Mitgliedstaaten können allerdings gemäß Artikel 8 bereits ab dem Alter von 18 Jahren eine Fahrerlaubnis erteilen. In einer Reihe von Mitgliedstaaten (10) beträgt das Mindestalter 21 Jahre. Die Richtlinie würde eine Reduzierung des Mindestalters — zumindest für den grenzüberschreitenden Verkehr — zur Folge haben.

3.2.3.2

Der EWSA ist der Meinung, dass das Mindestalter auf 21 Jahre festgelegt werden sollte. Gerade für den grenzüberschreitenden Verkehr werden höhere Anforderungen gestellt und sind umfassendere Qualifikationen erforderlich. Dies ist vereinbar mit der Möglichkeit, für das nationale Gebiet ein niedrigeres Alter festzulegen.

3.2.3.3

Der EWSA würde es auch begrüßen, wenn für den Einsatz im grenzüberschreitenden Verkehr eine Berufserfahrung von drei Jahren als Streckenlokführer im nationalen Verkehr vorausgesetzt würde. Eine ähnliche Bestimmung für den nationalen Verkehr ist in Artikel 10 bereits vorgesehen. Im Falle von Eisenbahngesellschaften, die nur im grenzüberschreitenden Verkehr tätig sind, könnte die erforderliche Berufserfahrung der Lokführer in Zusammenarbeit mit anderen, im nationalen Verkehr tätigen Eisenbahngesellschaften erworben werden.

3.2.4   Struktur der Zertifizierung

3.2.4.1

Die Kommission schlägt eine Zertifizierung in zwei Teilen vor: eine von der zuständigen Behörde ausgestellte und europaweit anerkannte Europäische Fahrerlaubnis sowie eine von den Unternehmen ausgestellte harmonisierte Bescheinigung. Sie begründet diese Zweiteilung damit, dass die ursprünglich angedachte einheitliche Lizenz mit Chipkartensystem zu kompliziert und teuer in der Einführung sei.

3.2.4.2

Der EWSA stimmt grundsätzlich der von der Kommission vorgeschlagenen Struktur zu. Allerdings enthält die Aufteilung der zertifizierten Qualifikationen auf die beiden Dokumente Unschärfen. Dies betrifft insbesondere die Frage der Infrastrukturkenntnisse. Hier sollte klar unterschieden werden zwischen den Kenntnissen der Betriebs- und Sicherheitsvorschriften für eine bestimmte Infrastruktur einerseits und die Strecken- und Ortskenntnisse andererseits. Während die Kenntnisse der Betriebsvorschriften einer oder mehrerer Infrastrukturnetze auf der Fahrerlaubnis bescheinigt werden sollten, müssten die regelmäßig zu erneuernden Strecken- und Ortskenntnisse auf der harmonisierten Zusatzbescheinigung zertifiziert werden.

3.2.4.3

Die zweigeteilte Struktur der Zertifizierung ist für einen Übergangszeitraum möglich. Allerdings sollte das Ziel eines einheitlichen Dokuments mit Chip, das sowohl die Grundkenntnisse als auch die unternehmensspezifischen Kenntnisse bescheinigt, nicht aus dem Auge verloren werden.

3.2.5   Akkreditierung von Prüfern und Bildungseinrichtungen

3.2.5.1

Die Europäische Eisenbahnagentur hat die Aufgabe, Kriterien zur Akkreditierung von Ausbildern, Prüfern und Ausbildungseinrichtungen zu erarbeiten. Der EWSA hält dies für einen gangbaren Weg, sieht jedoch Unklarheiten in der Richtlinie. Es ist nicht eindeutig geregelt, welche Prüfungen von einem akkreditierten Prüfer abzulegen sind und welche Qualifikationen von dem EVU selbst, ohne akkreditierten Prüfer bescheinigt werden. Es ist nicht eindeutig geregelt, dass die Prüfung der Kenntnisse des Betriebs- und Sicherheitssystems einer bestimmten Infrastruktur von einem Prüfer durchzuführen ist, der von dem jeweiligen Mitgliedsland akkreditiert wurde.

3.2.6   Fachliche Qualifikationen und medizinisch-psychologische Voraussetzungen

3.2.6.1

Der Richtlinienvorschlag enthält in den Anhängen eine Aufstellung der Aufgaben von Lokführern, die Anforderungen an die allgemeinen und besonderen fachlichen Qualifikationen sowie die medizinisch-psychologischen Voraussetzungen. Die Kommission hat sich in ihrem Vorschlag weitgehend an das Abkommen der Europäischen Sozialpartner zur Einführung einer Europäischen Triebfahrzeugführerlizenz orientiert.

3.2.6.2

Der EWSA begrüßt diese Orientierung an den von den Sozialpartnern selbst definierten fachlichen und medizinisch-psychologischen Voraussetzungen. Er sieht hierin eine Garantie für ein hohes Qualifikationsniveau zugunsten der Sicherheit des Verkehrs. Der EWSA ist grundsätzlich der Meinung, dass die notwendigen Qualifikationen und Voraussetzungen für die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern innerhalb der Richtlinie zu regeln sind.

3.2.6.3

Eine Änderung der Anhänge erfolgt durch den Ausschuss von Vertretern der Mitgliedstaaten, der auch für die Verabschiedung der Technischen Spezifikationen Interoperabilität (TSI) zuständig ist. Im Rahmen der Interoperabilitäts-Richtlinien ist eine Konsultation der Sozialpartner zu Fragen der Qualifikationen und des Arbeits- und Gesundheitsschutzes vorgeschrieben. Da die Anhänge der Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal auf Definitionen der Europäischen Sozialpartner beruhen, sollte konsequenterweise eine Beteiligung dieser Sozialpartner bei Änderung der Anhänge erfolgen. Der EWSA fordert nachdrücklich die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in die Richtlinie.

3.2.7   Regelmäßige Überprüfungen

3.2.7.1

Bestimmte Kenntnisse müssen für die Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis oder der harmonisierten Zusatzbescheinigung regelmäßig überprüft werden.

3.2.7.2

Hinsichtlich der regelmäßigen medizinischen Untersuchungen hat sich die Kommission an dem Abkommen der Europäischen Sozialpartner orientiert.

3.2.7.3

Der EWSA verweist an dieser Stelle auf die Notwendigkeit einer psychologischen Betreuung nach Eisenbahnunfällen mit Personen (oft Selbstmorde auf der Schiene), was in der Richtlinie (Artikel 14 in Verbindung mit Anhang III) nicht beachtet wurde.

3.2.7.4

Hinsichtlich der regelmäßigen Erneuerung der Streckenkenntnisse bleibt der Vorschlag jedoch zu ungenau. Es sollte deutlich geregelt werden, dass bescheinigte Streckenkenntnisse verlöschen, wenn die entsprechende Strecke ein Jahr lang nicht befahren wurde.

3.2.7.5

Die Richtlinie enthält keine Bestimmungen zur regelmäßigen Weiterbildung der allgemeinen Kenntnisse der Lokführer, wie dies ebenfalls im Abkommen der Europäischen Sozialpartner geregelt ist. Der EWSA empfiehlt, entsprechend dem Abkommen der Europäischen Sozialpartner in der Richtlinie eine Weiterentwicklung und jährliche Auffrischung der Grundfertigkeiten von Lokführern vorzusehen.

3.2.8   Entzug der Lizenz

3.2.8.1

Die Richtlinie fordert, dass Lokführer den zuständigen Behörden mitteilen, wenn sie nicht mehr über die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs verfügen. Dies kommt einer Selbstanzeige gleich, die den Lokführer überfordert. Nur ein akkreditierter Arbeitsmediziner ist in der Lage, diese Entscheidung zu treffen und das Unternehmen darüber zu informieren. Das Unternehmen muss die Behörden informieren.

3.2.8.2

Die Richtlinie regelt nicht das Verfahren zur Wiedererlangung einer entzogenen Lizenz.

4.   Vorschlag einer Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal und das Abkommen der Europäischen Sozialpartner zur Einführung einer Europäischen Lokführerlizenz

4.1

Der EWSA begrüßt, dass die Europäischen Sozialpartner CER und ETF selbst initiativ geworden sind und für ihren Bereich bereits eine Lizenzierung von grenzüberschreitend tätigen Triebfahrzeugführern geregelt haben.

4.2

Das Abkommen hat den Vorteil, dass für die Beschäftigten der Unternehmen, die in der CER Mitglied sind, bereits frühzeitig ein hohes Qualifikationsniveau garantiert wird und nicht erst im Jahr 2010. Diese Unternehmen dürfen gegenüber den Unternehmen, die das Abkommen nicht anwenden, nicht benachteiligt werden.

4.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass das Abkommen der Europäischen Sozialpartner in den Bereichen, in denen es sich mit dem Geltungsbereich der Richtlinie überschneidet, voll berücksichtigt werden muss.

4.4

Das Abkommen der Europäischen Sozialpartner geht davon aus, dass die betroffenen Triebfahrzeugführer über eine nationale Zertifizierung welcher Art auch immer verfügen, und regelt diesen Bereich nicht. Dies basiert auf der jahrelangen Erfahrung der traditionellen Eisenbahnunternehmen mit Kooperationsverkehren.

4.5

Die Europäische Triebfahrzeugführerlizenz gemäß dem Abkommen der Sozialpartner ist eine zusätzliche Lizenz, die die zusätzlichen Kenntnisse bescheinigt, die notwendig sind, um auf der Infrastruktur eines anderen Landes zu fahren. Sie wird von den Unternehmen ausgestellt und ist Eigentum der Unternehmen.

4.6

Der Vorschlag einer harmonisierten Zusatzbescheinigung gemäß Richtlinie stimmt in groben Zügen mit dem System der europäischen Lokführerlizenz überein.

4.7

Der EWSA fordert die Kommission auf zu prüfen, inwieweit für eine Übergangszeit die Europäische Lokführerlizenz gemäß Abkommen der Sozialpartner als gleichberechtigt zur harmonisierten Zusatzbescheinigung anerkannt werden kann, um hier den bereits tätig gewordenen Unternehmen entgegenzukommen. Die Richtlinie sollte eine entsprechende Bestimmung enthalten.

4.8

Nach Ansicht des EWSA werden die Unternehmen, die sich dem Abkommen der Sozialpartner anschließen, in einer Hinsicht gegenüber den Unternehmen, die gemäß Richtlinie zertifizieren, benachteiligt: Das Abkommen sieht eine jährliche Weiterbildung in den allgemeinen fachlichen Kenntnissen vor. Diese Bestimmung wurde nicht in den Richtlinienentwurf übernommen, obwohl sie zur Aufrechterhaltung des Qualifikationsniveaus unverzichtbar ist.

5.   Schlussfolgerungen

5.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag einer Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal. Er bedauert, dass diese soziale Maßnahme als letztes Glied in einer Kette von europäischen Rechtsvorschriften zur Liberalisierung des Eisenbahngüterverkehrs vorgelegt wird.

5.2

Triebfahrzeugführer und Zugbegleitpersonal üben wichtige Sicherheitsfunktionen aus. Die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern und von Zugbegleitpersonal mit Sicherheitsaufgaben muss ein hohes Qualifikationsniveau garantieren.

5.3

Der EWSA betrachtet die große zeitliche Verschiebung zwischen dem Wirksamwerden der vollständigen Marktöffnung für den Eisenbahngüterverkehr und den Fristen zur Einführung der Zertifizierung mit Sorge und fordert die Kommission auf, alle möglichen Anstrengungen zur Verringerung dieses zeitlichen Abstands zu unternehmen.

5.4

Der EWSA fordert daher den Rat und das Europäische Parlament auf, den Entwurf einer Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal aus dem Dritten Paket herauszulösen und gesondert zu behandeln, um weitere Zeitverzögerungen zu vermeiden. Das Europäische Parlament und der Rat sollten diese Richtlinie bevorzugt und zügig verabschieden.

5.5

Die von dem EWSA vorgebrachte Stellungnahme einschließlich der vorgeschlagenen Änderungen sollte dabei umfassend berücksichtigt werden.

5.6

Der EWSA begrüßt das Abkommen der Europäischen Sozialpartner über „Bestimmte Aspekte der Einsatzbedingungen des mobilen Eisenbahnpersonals im grenzüberschreitenden Verkehr“ und fordert die Kommission auf, das Abkommen dem Rat zur Entscheidung vorzulegen, und empfiehlt dem Rat, den Vorschlag anzunehmen.

Brüssel, den 9. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Richtlinie 2001/12/EG – ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 1 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 209 vom 22.7.1999, S. 22.

(2)  Richtlinie 2001/13/EG – ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 26 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 209 vom 22.7.1999, S. 22.

(3)  Richtlinie 2001/14/EG – ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 209 vom 22.7.1999, S. 22.

(4)  Richtlinie 2004/51/EG – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 164 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(5)  Richtlinie 2004/49/EG – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 44 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(6)  Verordnung (EG) Nr. 881/2004 – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 1 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(7)  Richtlinie 2004/50/EG – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 114 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(8)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(9)  Allerdings sollte hier betont werden, dass der Austausch von Lokführern und Zugpersonal an der Grenze nur wenige Minuten in Anspruch nimmt (z.B. 8 Minuten am Brenner). Aufenthalte an der Grenze im Güterverkehr sind stärker durch andere Faktoren wie Überprüfung von Dokumenten, Wagenkontrolle u.a. begründet.

(10)  Zum Beispiel in Österreich, Dänemark, den Niederlanden, Deutschland und Norwegen.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (gemäß Artikel 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung)

Der nachstehende Änderungsantrag, auf den mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen entfielen, wurde abgelehnt.

Ziffer 3.2.3.3

Ziffer ersatzlos streichen.

Begründung

Der Richtlinienentwurf sieht eine Zertifizierung in zwei Teilen vor:

die Einführung einer gemeinschaftsweit anerkannten europäischen Fahrerlaubnis für Lokführer;

das Ausstellen einer harmonisierten Zusatzbescheinigung, in der spezifische unternehmensbezogene Qualifikationen bzw. infrastrukturbezogene Qualifikationen bescheinigt werden.

Der Entwurf beinhaltet Bestimmungen zur Änderung und Erneuerung der Fahrerlaubnis und der harmonisierten Zusatzbescheinigungen sowie der regelmäßigen Überprüfung der Voraussetzungen für ihre Aufrechterhaltung.

Ziel der harmonisierten Zusatzbescheinigung ist es, die Eignung eines Triebfahrzeugführers und seine betreffenden Strecken- und Ortskenntnisse zu überprüfen.

Deshalb sind die Gründe für eine zusätzliche dreijährige Probezeit für den internationalen Streckenverkehr nicht nachvollziehbar. Der gegenwärtigen Fassung der Ziffer zufolge würde sich die mitunter verlangte zweijährige Berufserfahrung, die für den Wechsel von der Kategorie der Triebfahrzeugführer für Rangierlokomotiven in die Kategorie der Triebfahrzeugführer für den Personen- und Güterverkehr erforderlich ist, um diese Probezeit verlängern.

Eine solche Bestimmung, mit der eine fünfjährige Probezeit geschaffen würde, würde die harmonisierte Zusatzbescheinigung entwerten und widerspräche der angestrebten Interoperabilität im grenzüberschreitenden Verkehr. Sie hätte die Wirkung oder das Ziel, den Ausbau und die Verbesserung des grenzüberscheitenden Eisenbahnbetriebs zu behindern.

Schließlich ist nicht verständlich, wieso für das Führen eines Zuges auf dem nationalen Streckennetz unterschiedliche Anforderungen als für das Führen auf dem internationalen Streckennetz gestellt werden, wenn doch bereits mit der harmonisierten Zusatzbescheinigung die erforderlichen Qualifikationen und Streckenkenntnisse gewährleistet werden.

Ziffer 3.2.3.3. ist deshalb nicht nachvollziehbar und sollte gestrichen werden.

Ergebnis der Abstimmung

Ja-Stimmen: 59

Nein-Stimmen: 100

Stimmenthaltungen: 11


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