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Document 52005AE0137

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt“(KOM(2004) 2 endg. — 2004/0001 (COD))

ABl. C 221 vom 8.9.2005, p. 113–125 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/113


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt“

(KOM(2004) 2 endg. — 2004/0001 (COD))

(2005/C 221/20)

Der Rat beschloss am 20. Februar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem obenerwähnten Vorschlag.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 11. Januar 2005 an. Berichterstatter war Herr METZLER, Mitberichterstatter Herr EHNMARK.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 10. Februar) mit 145 gegen 69 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Vorbemerkung

1.1

Dem Ausschuss lagen auch das Erläuterungspapier der Europäischen Kommission an den Rat vom 25. Juni 2004 (Dokument 10865/04 und Dokument 11153/04 vom 5. Juli 2004 zu Artikel 24) sowie die Arbeitsdokumente des Europäischen Parlaments vom 25. März 2004 (Ausschuss für Recht und Binnenmarkt — Berichterstatterin: Evelyne Gebhard) und 26. März 2004 (Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten — Berichterstatterin: Anne E.M. Van Lancker) vor.

1.2

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmark, Produktion und Verbrauch führte anhand eines vorab übersandten Fragenkatalogs am 24. Mai 2004 eine öffentliche Anhörung unter Teilnahme von Vertretern der Dienstleistungsgesellschaft durch und verwertete über 100 zusätzliche mündliche und schriftliche Eingaben.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Dienstleistungssektor nimmt nach der Lissabon-Vereinbarung bei der Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts eine Schlüsselrolle ein und ist von grundlegender Bedeutung für das Wirtschaftswachstum in der EU. Die Kommission legt den Richtlinienvorschlag über Dienstleistungen im Binnenmarkt mit Erläuterungen als Teil des europäischen Wirtschaftsreformprozesses vor, dank dessen die EU bis zum Jahre 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden soll — einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Der Richtlinienvorschlag soll hierzu einen wesentlichen Baustein liefern und einen verlässlichen Rechtsrahmen für den grenzüberschreitenden Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten für die Bereiche Industrie, Handel, Gewerbe und Freie Berufe, für Voll-, Zeit- und Leiharbeit bieten. Der neue horizontale Ansatz sieht vornehmlich Verfahrenserleichterungen, eine einheitliche Qualitätssicherung sowie eine erhöhte Transparenz der zu beachtenden Vorschriften gegenüber dem Verbraucher vor. Die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen ist wesentliches Element des Binnenmarktes, und der Abbau von Hindernissen ist für die Wirtschaftsentwicklung dieses Sektors und insbesondere für die Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Die Richtlinie kann hier zu mehr Anbietern und stärkerer Konkurrenz führen, was für die Verbraucher sowohl günstigere Preise als auch eine größere Auswahl zur Folge hätte. Die allgemeinen Ziele des Richtlinienvorschlags werden daher seitens des Ausschusses ausdrücklich begrüßt.

2.1.1

Ein funktionierender Binnenmarkt benötigt neben dem Abbau von Hindernissen aber auch eine angemessene Regulierung. Um gleichzeitig die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, sind nationale und EU-weite Regelungen und somit harmonisierte Standards notwendig.

2.2

Dem Ausschuss ist bewusst, dass die Vollendung des Binnenmarkts für Dienstleistungen angesichts der Verschiedenheiten, die in der Rechtsordnung und der Kultur der einzelnen Mitgliedstaaten begründet sind, eine komplexe Angelegenheit ist. Dies hat der Ausschuss auch bereits in seiner Stellungnahme INT/105 vom 28. November 2001 (1) zur Mitteilung der Kommission über eine „Binnenmarktstrategie für den Dienstleistungssektor“ gewürdigt und die Bestrebungen der Europäischen Kommission, eine Beschleunigung der Verwirklichung des Binnenmarktes zu erreichen, ausdrücklich begrüßt. Das Ziel des Richtlinienvorschlags, für den Binnenmarkt unmittelbar einen branchenübergreifenden Rahmen zu schaffen, sollte daher unbürokratische und flexible Lösungen unter Einbeziehung bewährter Selbstregulierungssysteme in der Europäischen Union anbieten. Der Integrationsprozess wird — nicht zuletzt durch den weiteren Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen — weiter optimiert werden müssen und darf nicht bewährte (Sicherheits-)Standards sozialer, ökologischer und verbraucherschutzrechtlicher Art außer Acht lassen.

2.3

Der Richtlinienvorschlag steht in enger Verbindung zum Entwurf für eine Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und zur Mitteilung über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, der aktuellen Debatte über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und der laufenden Konsultation zu den Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie zu dem Übereinkommen von Rom I und dem Vorschlag für die Rom-II-Verordnung. Alle diese Vorschläge zielen auf ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes ab. Eine besondere und verbesserte Koordinierung innerhalb der Kommission für die notwendige Verzahnung der Arbeiten und Vorschriften wäre daher wünschenswert.

2.4

Im Mittelpunkt des Richtlinienvorschlags stehen zwei Arten der grenzüberschreitenden Verkehrsfreiheit bei Dienstleistungen und Niederlassungen: Ein Dienstleistungserbringer aus einem Mitgliedstaat möchte sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen, um dort Dienstleistungen zu erbringen; und ein Dienstleistungserbringer möchte von seinem Herkunftsmitgliedstaat aus Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringen, insbesondere indem er sich vorübergehend in den anderen Mitgliedstaat begibt. Zur Beseitigung der von der Europäischen Kommission bislang hier vermuteten Hindernisse werden vier grundlegende Maßnahmen angeregt:

Anwendung des Herkunftslandprinzips,

eine Aufgabenteilung zwischen Herkunftsmitgliedstaat und Entsendemitgliedstaat bei der Entsendung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen,

die Entwicklung eines wechselseitigen Vertrauens und

die Intensivierung der gegenseitigen Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten — bei gleichzeitiger Einschränkung der Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, eigene Überwachungs-, Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen einzusetzen.

3.   Die einzelnen Punkte des Richtlinienvorschlags

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat den Richtlinienvorschlag im Lichte der Anforderungen, die an eine derart breit angelegte Richtlinie gestellt werden müssen, eingehend analysiert und ist zu der Überzeugung gelangt, dass zahlreiche Klarstellungen und Änderungen erforderlich sind, um offene Fragen ausreichend zu beantworten und diesen neuen Vorschlag zur Förderung der Dienstleistungen im Binnenmarkt zu einem echten Schritt nach vorne zu machen. Dieser Eindruck lässt sich auch anhand der unzureichenden Analysen, die vor Veröffentlichung des Richtlinienvorschlags durchgeführt wurden, nachvollziehen. Die zahlreichen Bedenken breiter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Kreise, die in der Anhörung vom 24. Mai 2004 vorgebracht worden sind, konnten bislang auch nicht durch das am 25. Juni dem Rat der Europäischen Union vorgelegte Papier der Europäischen Kommission (Ratsdokument 10865/04) vollständig ausgeräumt werden. Eine erweiterte Folgenabschätzung durch die Kommission wäre für alle Beteiligten hilfreich.

3.2   Empirie

3.2.1

Dem Ausschuss fällt auf, dass in der Begründung zum Richtlinienvorschlag keine verlässlichen statistischen Grundlagen zur Quantifizierung des grenzüberschreitenden Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehrs genannt werden. Daher sollte der Bewertungsbericht der Kommission um diese Daten ergänzt werden. Sollen in Zukunft die Bedeutung des Dienstleistungssektors sowie die — positive oder gar negative — Wirkung der im Richtlinienvorschlag angedachten Regelungsvereinfachungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts verlässlich abgebildet werden, scheinen genauere empirische Grundlagen von erheblicher Bedeutung zu sein. Der Ausschuss erachtet die möglichst genaue Erfassung der wahren Verhältnisse im grenzüberschreitenden Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehrs als tragendes Element für die Verwirklichung des Binnenmarktes.

3.2.2

Vorhandene statistische Materialien in der öffentlichen Verwaltung, bei Forschungsinstituten, Versicherungen und Selbstverwaltungsstrukturen der verschiedenen Mitgliedstaaten sollten verstärkt Berücksichtigung finden.

3.2.3

Zudem erscheint es dem Ausschuss bei bestehenden Lücken unerlässlich, neue Wege bei der Erschließung empirischer Daten zu beschreiten, die insbesondere weitere Bürokratie vermeiden. Hier wäre gegebenenfalls an die Verschränkung von Einzelerhebungen in Ergänzung zu amtlichen Statistiken zu denken.

3.3   Anwendungsbereich: Definitionen — Kollisionsnormen — Abgrenzungen

3.3.1

Der Ausschuss regt an, Anwendungsbereich und Ausnahmeregelungen im Richtlinienentwurf deutlicher herauszuarbeiten und schärfer gegeneinander abzugrenzen. In Ermangelung klarer definitorischer Abgrenzungen bleiben in der praktischen Anwendung Unklarheiten über die betroffenen Dienstleistungsbereiche, die Art und Weise, wie sie betroffen sind, und den Geltungsbereich.

3.3.2

Der Ausschuss befürwortet eine definitorische Abgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Dienstleistungen. Eine definitorische Abgrenzung wird auch vor dem Hintergrund der seitens des Ausschusses während einer Übergangszeit vorgeschlagenen Verstärkung der Harmonisierungen in bestimmten Bereichen (freie Berufe, andere besonders sensible Bereiche) erforderlich. Dies insbesondere, um die in Kapitel IV des Richtlinienvorschlags herausgearbeiteten Qualitätssicherungsmechanismen verbraucherschutzfreundlich ausrichten zu können. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 11.10.2001 (Rs. C-267/99) beispielsweise wesentliche Elemente des freien Berufs herausgearbeitet, die als Basis für eine Definition auf europäischer Ebene dienen können.

3.3.3

Die Kommission hat zum Thema Daseinsvorsorge 2003 ein Grünbuch und am 12. Mai 2004 ein Weißbuch vorgelegt, so dass es wünschenswert erscheint, die Auswirkungen des Richtlinienvorschlags auf diesen sensiblen Bereich in den Mitgliedstaaten genauer herauszuarbeiten und gegeneinander abzugrenzen. Da sich die Kommission verpflichtet hat, bis Ende 2005 einen Bericht über die Machbarkeit und Notwendigkeit eines Rahmengesetzes — wie im Übrigen in Artikel III-122 des Verfassungsvertrags ausdrücklich vorgesehen — vorzulegen, hält es der Ausschuss für sinnvoll, den gesamten Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Natur) vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie auszunehmen, bis die Grundsätze und Bedingungen — insbesondere in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht –, die es den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ermöglichen, ihrem Auftrag nachzukommen, in einem gemeinschaftlichen Rahmen festgelegt sind.

3.3.4

Die Ausnahmeregelung zum Herkunftslandprinzip in Artikel 17 Ziffer 8 für die — ihrerseits noch im Entstehen befindliche — Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen ist nicht auf einzelne Artikel oder Titel begrenzbar. Die Anwendung des Herkunftslandprinzips muss mit der Umsetzung des Richtlinienvorschlags über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen koordiniert werden. Die Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen wird ein in sich geschlossenes System der Qualitätssicherung darstellen. Würde man die Ausnahmeregelung des § 17 Ziffer 8 lediglich auf Titel II des Entwurfs über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen beschränken, fragt sich, wie beispielsweise die Aufgabenverteilung zwischen den sogenannten „innerstaatlichen Kontaktstellen“ (Artikel 53 Entwurf Berufsanerkennungsrichtlinie) zu den hier vorgesehenen „One-Stop-Shops“ (Artikel 6 RL-E) aussehen soll. Wenn es sich um Stellen handeln soll, die ein und dieselbe Funktion wahrnehmen, sollte bereits in der Entstehungsphase der beiden Richtlinienvorschläge auf eine einheitliche Bezeichnung geachtet werden.

3.3.5

Zu klären ist, ob und wie der Anwendungsbereich der Richtlinie — insbesondere mit Blick auf das Herkunftslandprinzip — genauer gegenüber innerstaatlich „kollidierenden“ Bereichen der nationalen Gesetzgebung im Steuer- und Strafrechtssystem abzugrenzen ist, um Kollisionen zu vermeiden. So gelten in einigen Mitgliedstaaten beispielsweise für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte strafbewehrte Verschwiegenheitspflichten und –rechte gegenüber Ermittlungsbehörden, wohingegen in anderen Mitgliedstaaten eine — wenngleich beschränkte — Verpflichtung zur Auskunftserteilung oder gar Meldepflichten für diese Berufsangehörigen bestehen. Darf sich der betroffene Dienstleister, der in einem Staat Auskunft geben muss, nach dem Herkunftslandprinzip aber berechtigt und verpflichtet wäre, dies zu unterlassen, über das nationale Strafrechtssystem hinwegsetzen? Straf- und Steuerrecht gehören zum Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten — nicht zu dem der EU, so dass eine rechtlich eindeutige Abgrenzung zur Vermeidung unerwünschter Folgen für die Anwender notwendig ist.

3.3.6

Desgleichen sollte genau geprüft werden, ob eine Verzahnung sozialer Systeme mit Budgetverpflichtungen bei Geltung des Herkunftslandprinzips möglich ist. Wo die Geltung des Herkunftslandprinzips die Gefahr birgt, nationale Systeme der sozialen und gesundheitlichen Sicherung insgesamt aufzubrechen, muss gegebenenfalls insgesamt eine Ausnahmeregelung gefunden werden.

3.3.7

Der Ausschuss gibt zu bedenken, dass man im Gesundheitsbereich die Frage der Einbeziehung des Krankenhaussektors überprüfen sollte. Möglicherweise lässt sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, auch bei grenzüberschreitenden Behandlungen Kostenersatz zu erlangen, durch eine Ad-hoc-Regelung für die gesetzlichen Versicherungssysteme verträglicher gestalten, jedoch außerhalb des Richtlinienvorschlags.

3.3.7.1

Der Ausschuss empfiehlt, für den Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste zunächst die für 2005 angekündigte Kommissionsmitteilung abzuwarten und eine entsprechende Koordination sicherzustellen. Er weist darauf hin, das sich viele Stimmen tendenziell für eine Herausnahme dieses Bereichs ausgesprochen haben.

3.3.8

Desgleichen sollte eine kohärente Abgrenzung zum Anwendungsbereich der derzeit im Reformprozess befindlichen 8. Richtlinie des Rates über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungsunterlagen beauftragten Personen (Artikel 17 Ziffer 15) klargestellt werden. Nicht in allen Übersetzungen des Kommissionsvorschlags hat sich dies bislang mit der erforderlichen Deutlichkeit niedergeschlagen.

3.3.9

Die in der Begründung des Richtlinienvorschlags bereits erfolgte Klarstellung der Nichtanwendung der Bestimmungen über den Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr auf Tätigkeiten in Ausübung öffentlicher Gewalt (Artikel 45 und 55 EG-Vertrag) sollte in den verbindlichen Richtlinientext selbst aufgenommen werden.

3.3.10

Bei der Leiharbeit handelt es sich um einen besonders sensiblen Bereich, der ausdrücklich vom gesamten Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden sollte. Für die in diesem Sektor notwendigen nationalen Bestimmungen ist eine europaweite Harmonisierung anzustrengen. Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang auf den angekündigten Richtlinienvorschlag über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern hin. Ebenso muss das Übereinkommen der IAO Nr. 181 über private Arbeitsvermittler Berücksichtigung finden, das in Artikel 3 Absatz 2 ausdrücklich ein Bewilligungs- und Zulassungssystem vorsieht, um die Arbeitnehmer zu schützen und eine qualitative hochwertige Arbeit dieser Vermittler zu fördern.

3.3.11

In einigen Mitgliedstaaten bestehen außergewöhnlich strikte gesetzliche Regelungen zur Achtung der Pressefreiheit. Auch hier erscheint es dem Ausschuss notwendig, den jeweiligen Anwendungsbereich in Abgrenzung zum Richtlinienvorschlag fest zu umreißen.

3.3.12

Die Kommission muss außerdem unmissverständlich klarstellen, ob dieser Vorschlag auch für Fernsehübertragungsdienste gilt, und falls ja, wie sie den Vorschlag mit den Bestimmungen der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ in Einklang zu bringen gedenkt. Desgleichen besteht Klärungsbedarf hinsichtlich seiner Geltung für audiovisuelle Dienste im Allgemeinen und im Besonderen für die auf individuelle Nachfrage („service on demand“) erbrachten audiovisuellen Dienstleistungen, die bereits Gegenstand spezifischer Gemeinschaftsvorschriften über bestimmte rechtliche Aspekte sind (Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr).

3.3.13

Nach Auffassung des EWSA müssten diese Dienstleistungen jedoch im gegenwärtigen Stadium ausdrücklich vom Geltungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie ausgeklammert werden, insbesondere was die Bestimmungen über das Herkunftslandprinzip und den Begriff der „Niederlassung“ als wesentlicher Anknüpfungspunkt und Hauptkriterium für die Festlegung des zuständigen Mitgliedstaats angeht.

3.4   Einheitliche Ansprechpartner („One-Stop-Shops“)

3.4.1

Der Gedanke der Verfahrensvereinfachung durch Schaffung einer einzigen (ersten) Anlaufstelle für den Dienstleister ist zu begrüßen. Der Ausschuss sieht jedoch mit Sorge, dass der Richtlinienvorschlag für die Niederlassungsfreiheit in Artikel 6 formuliert, dass bestimmte Verfahren — so insbesondere bei Aufnahme einer Tätigkeit — bei einer einzigen Stelle abgewickelt werden sollen. Hier sieht der Ausschuss das Problem, dass dies in Bezug auf gesetzliche Eintragungspflichten in öffentliche Register (bspw. Handelsregister) bereits dazu führen müsste, dass der einheitliche Ansprechpartner an die zuständigen Registerstellen weiter verweist. Diesen Bereich werden die sogenannten „One-Stop-Shops“ nicht selbst „abwickeln“ können. Es ist klarzustellen, wie der einheitliche Ansprechpartner mit den bereits bestehenden registerführenden Behörden in der Praxis zusammenarbeiten soll.

3.4.2

In Artikel 53 des Richtlinienentwurfs über die Anerkennung von Berufsqualifikationen wird von „Kontaktstellen“ gesprochen, die als zentrale Informationsstelle fungieren sollen. Nach Artikel 6 des hier gegenständlichen Richtlinienentwurfs sind sogenannte „one-stop-shops“ als zentrale Anlaufstelle zu schaffen. Hier ist auf eine Koordinierung zu achten, um nicht neue, verschiedene Stellen zu schaffen, die das übergeordnete Ziel, das Recht der Bürger auf einfach zugängliche Informationen innerhalb der Europäischen Union und über ihre Arbeit zu gewährleisten, konterkarieren. Während der Mandatsperiode der neuen Kommission sollte die Vereinfachung bürokratischer Hindernisse besonders im Vordergrund stehen. Der Aufbau neuer bürokratischer Hürden in den einzelnen Mitgliedstaaten muss vermieden werden.

3.4.3

Darüber hinaus sind Fragen der Haftung für die „einheitlichen Ansprechpartner“ bei unvollständigen oder gar falschen Auskünften zu klären. Diese können u.U. negative Konsequenzen für den Dienstleister haben, wenn eine bestimmte Genehmigung vergessen worden ist und deshalb Gesetzesverstöße vorliegen. Es kann aber auch zu negativen Folgen für den Verbraucher kommen, wenn etwa das Vorliegen eines ausreichenden Haftpflichtschutzes nicht geprüft wird.

3.5   Herkunftslandprinzip

3.5.1

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass für eine flächendeckende Geltung des Herkunftslandprinzips erst die Voraussetzungen geschaffen werden müssen, indem ein differenzierter Ansatz mit dem Vorrang auf Harmonisierung mit hohen Arbeitnehmer-, Verbraucher- und Umweltstandards in den einzelnen Sektoren verfolgt werden sollte, um den Binnenmarkt auf einem angemessenen Qualitätsniveau zu verwirklichen.

3.5.2

Die in Artikel 16 RL-E vorgesehene grundsätzliche Geltung des Herkunftslandprinzips stellt in Verbindung mit den in Artikel 17 RL-E aufgeführten Ausnahmen das Herzstück des Entwurfs dar. Sie passt jedoch nur dort, wo Dienstleistungen wie Waren standardisiert werden können oder die Harmonisierung der Regeln soweit vorangeschritten ist, dass keine Wettbewerbsverzerrungen, kein Sozialdumping und kein Misstrauen der Verbraucher entstehen. Da, wo Standards nicht bestehen oder gar nicht erarbeitet werden könnten (sogenannte nicht-beschreibbare Leistungen), müsste diesen Besonderheiten Rechnung getragen werden.

3.5.3

Der Ausschuss hält daher die grundsätzliche Anwendung des Herkunftslandprinzips im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistung für verfrüht. Das Herkunftslandprinzip setzt voraus, dass von einem vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Niveau ausgegangen werden kann. Nach der Überzeugung des Ausschusses verspricht die Anwendung des Herkunftslandprinzips nur dann Erfolge, wenn Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich seines Anwendungsbereichs bestehen. Die Geltung des Herkunftslandprinzips ohne angemessene Übergangsfrist wird daher als problematisch angesehen, zumal die zur Verfügung stehenden Instrumentarien der sektoralen Harmonisierung dem Ausschuss noch nicht ausreichend ausgeschöpft erscheinen. Bislang birgt es die Gefahr eines Systemwettbewerbs und eine damit einhergehende Nivellierung von Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltstandards, da nach wie vor unterschiedliche Rechts-, Sozial- und Gesundheitssysteme in der EU bestehen. Durch den sektoralen Ansatz im Wege der Harmonisierung kann, speziell in besonders sensiblen Bereichen eine optimalere Anpassung an die Herausforderungen des Binnenmarktes erreicht werden, als durch einen verfrüht gesetzten rein horizontalen Ansatz. Hierbei ist jeder Sektor unter Einbeziehung aller betroffener Gruppen — insbesondere den Konsumentenschützern, Sozialpartnern u.a. — im Rahmen einer umfassenden Folgeabschätzung, auch was die sozialen und umweltrelevanten Aspekte betrifft, auf seine Eignung für die Einführung des Herkunftslandprinzips zu prüfen. Da Maßnahmen der Harmonisierung zumindest gleichwertige Instrumente zur Verwirklichung des Binnenmarkts darstellen, sollte im Rahmen angemessener Zeitschienen eine Angleichung der verschiedenen Vorschriften in den Bereichen erreicht werden, in denen besondere gesundheitsrechtliche, sozialrechtliche und berufsrechtliche Vorgaben der Mitgliedstaaten bestehen. In einem Zwischenstadium sollte durch Europäische Kommission, Europäisches Parlament und Rat positiv darüber befunden werden, ob Harmonisierungen in den vorgenannten Bereichen in ausreichender Weise ergriffen und realisiert wurden. Je nach Stand der Rechtsangleichung sollte letztmalig Gelegenheit zur Annäherung im Harmonisierungswege gegeben werden. Diese Methode bringt — zusammen mit einer genauen definitorischen Abgrenzung dieser besonderen Dienstleistungen (beispielsweise der freien Berufe) — nach der Überzeugung des Ausschusses den Vorteil, dass stufenweise eine optimale Vorbereitung auf das im Anschluss an die Übergangszeit geltende Herkunftslandprinzip für die beteiligten Kreise erfolgen kann und muss, um den Binnenmarkt zu verwirklichen. Dies gilt auch für Mechanismen der Ko- und Selbstregulierung.

3.5.4

Der Ausschuss hält es für sinnvoll zu prüfen, ob ein zentrales, selbstverwaltetes Register für Verstöße und Fehlverhalten in regulierten Berufen im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, dessen Inhalt zeitnah abgefragt werden kann, hilfreich wäre. In das Register sollen die zuständigen Stellen Berufsverstöße eintragen. Das Register soll eine möglichst unbürokratische und schnelle Kommunikation zwischen den zuständigen nationalen Stellen ermöglichen. Es soll aber auch eine erfolgreiche Überwachung und Disziplinierung der Marktteilnehmer sichern.

3.5.5

In dem Richtlinienvorschlag ist festgelegt, dass der Herkunftsmitgliedstaat zur Kontrolle der Dienstleister und der von diesen erbrachten Dienstleistungen verpflichtet ist, auch wenn diese Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringen. Diese Bestimmung bedeutet eine schwerwiegende Verantwortung — und Arbeitsbelastung — für das Herkunftsland und seine zuständigen Stellen. In Artikel 6 b) des Richtlinienvorschlags über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen wird jedoch bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistung bereits die Notwendigkeit der Meldung der Tätigkeit mit einer bestimmten Berufsqualifikation im Aufnahmemitgliedstaat unterstrichen. Darüber hinaus kann es zu unerwarteten Wettbewerbsverzerrungen kommen, wenn ein Dienstleister sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, in dem strengere Vorschriften gelten. Solche Wettbewerbsverzerrungen könnten nach der Überzeugung des Ausschusses durch eine schrittweise Annäherung der nationalen Gesetzgebungen hin zu Mindestqualitätsstandards auf einem angemessenen Schutzniveau für Verbraucher, Arbeitnehmer und Umwelt vermieden werden. Die Voraussetzungen und Regeln für die Kontrolle von Dienstleistern, die in einem anderen Mitgliedstaat ihre Leistungen erbringen, müssen genau bestimmt werden, damit der Verbraucher Gewissheit hat, dass die angebotenen Leistungen im Einklang mit geltendem Recht erbracht werden.

3.5.6

Das Herkunftslandprinzip kann nur greifen, wenn die einzelstaatlichen Behörden sehr gut organisiert sind, auch auf regionaler und lokaler Ebene. Die derzeitigen Kontroll- und Kooperationsnetze auf elektronischer Basis sind ungenügend vernetzt. Die vorgesehene Berufsaufsicht des Herkunftsstaates würde — so wie sie jetzt in Artikel 36 und 37 des Richtlinienvorschlags durch eine „Kooperation“ von Herkunfts- und Aufnahmestaat vorgesehen ist — keine Effizienz versprechen.

3.5.7

Im Übrigen ist der Ausschuss der Überzeugung, dass Zeitverzögerungen durch Sprachbarrieren und längere Kommunikationswege keinen zeitnahen Effekt zugunsten des von einer schlechten Dienstleistung betroffenen oder geschädigten Verbrauchers zeigen können. Es muss gewährleistet werden, dass der Verbraucher eine schlecht erbrachte Dienstleistung wirksam und problemlos beanstanden und seine diesbezüglichen Rechte geltend machen kann. Nach dem Richtlinienvorschlag könnten die zuständigen Stellen im Aufnahmestaat zudem nicht einmal selbst tätig werden, da sie regelmäßig nicht einmal darüber unterrichtet sind, unter welcher Bezeichnung, mit welcher Haftpflichtversicherung etc. der fremde Dienstleister mit den Verbrauchern im Aufnahmestaat in Kontakt tritt. Mitteilungspflichten an und Disziplinarbefugnisse für die zuständigen Stellen des Aufnahmestaates werden daher zumindest ergänzend vorgesehen werden müssen und könnten über das vorgeschlagene Zentralregister erfüllt werden. Diesbezügliche Änderungsvorschläge sind auch bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Richtlinienvorschlag über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen vom Europäischen Parlament in 1. Lesung aufgegriffen worden.

3.5.8

Schließlich befürchtet der Ausschuss, dass trotz der punktuellen Ausnahmeregelungen in Artikel 17 Nr. 20 bis 23 RL-E die erfolgreiche Schaffung eines einheitlichen Rechtsinstruments für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse, wie sie durch die Verordnung Rom I und den Verordnungsentwurf Rom II erfolgt, gefährdet würde. Beide Verordnungen verfolgen einen universellen Ansatz: Sie regeln das Internationale Privatrecht sowohl für EU-interne als auch für Drittstaatensachverhalte einheitlich und sorgen damit für Rechtsklarheit für alle Vertragsparteien.

3.6   Entsendung von Arbeitnehmern

3.6.1

Zweck der „Entsenderichtlinie“ 96/71 EG vom 16.12.1996 ist es, eine Ausweitung der Möglichkeiten für Unternehmen, Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen, mit der Durchsetzung sozialer Mindeststandards für die Arbeitnehmer in Einklang zu bringen. Die Entsenderichtlinie regelt die praktische Koordinierung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer. Die Kommission hat daher in Artikel 17 Absatz 5 des Richtlinienentwurfs eine Ausnahme für die Geltung des Herkunftslandprinzips für die Entsenderichtlinie vorgesehen und damit gezeigt, dass eine saubere Abgrenzung der jeweiligen Anwendungsbereiche gewollt ist. Dem Ausschuss erscheint jedoch bei näherer Betrachtung von Artikel 24 und 25 des hier gegenständlichen Richtlinienentwurfs zweifelhaft, ob die beabsichtigte Ausnahmeregelung ausreichend deutlich und umfassend formuliert ist.

3.6.1.1

Das Verhältnis zwischen der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsrichtlinie hat zu vielen Fragen geführt. Diese Fragen sind entsprechend dem jeweiligen Arbeitsmarktsystem von Land zu Land unterschiedlich. Wenn eine Dienstleistungsrichtlinie annehmbar sein soll, müssen die Ansichten der Sozialpartner sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sorgfältig beachtet werden.

3.6.1.2

Die Dienstleistungsrichtlinie darf die gewerkschaftlichen Rechte, das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, einschließlich des Rechts der Sozialpartner, Kollektivvereinbarungen einzugehen, oder das Streikrecht nicht unterlaufen. Wir schlagen vor, dass dies in Artikel 3 deutlich gemacht wird. Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat müssen genau so behandelt werden wie Arbeitnehmer des Landes, in dem die Arbeit ausgeführt wird. Aus dem Blickwinkel des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, auf den sich die EU-Verträge stützen, ist dies ganz eindeutig. Alle wesentlichen Aspekte der Entlohnung und der Arbeitsbedingungen müssen daher den in dem Land, in dem die Arbeit ausgeführt wird, geltenden Regeln entsprechen. Wenn die Kontrolle der Einhaltung dieser Regeln in allen wesentlichen Aspekten wirkungsvoll sein soll, muss sie am Arbeitsplatz stattfinden. Aus der Dienstleistungsrichtlinie muss daher eindeutig hervorgehen, dass das Ziel der Entsenderichtlinie der Schutz der Arbeitnehmer ist und dass die Richtlinie bessere Regelungen als die vorgeschriebenen Mindestanforderungen für Arbeitnehmer in einem bestimmten Land durchaus zulässt.

3.6.2

Nach der Überzeugung des Ausschusses führt das in Artikel 24 und 25 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Verbot von Kontrollverfahren diese Ausnahmeregelung des Artikels 17 Absatz 5 ad absurdum. Denn es bleibt offen, auf welchem Wege der Herkunftsmitgliedstaat von etwaigen Verstößen im Entsendestaat, der seinerseits keine Kontrollen mehr durchführen und ahnden darf, Kenntnis erlangen soll. Selbst unterstellt, dies würde möglich sein, bleibt weiterhin offen, wie der Herkunftsstaat in einem fremden Staat, in dem er keine eigenen Hoheitsbefugnisse hat, tätig werden soll. Die Entsenderichtlinie ermöglicht es den Mitgliedstaaten hingegen festzulegen, welche Erklärungen von Firmen (z.B. im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe) im Aufnahmestaat verlangt werden können, wer innerstaatlich Zustellungsbevollmächtigter für Bußgelder und Klagen ist und wie qualifiziert Tätigkeitsanzeigen ausfallen sollten. Dabei sollte es bleiben.

3.6.3

Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden des Herkunfts- und Entsendestaates ist in Zukunft sicher wünschens- und fördernswert — allein: die Erfahrungen aus der Praxis zeichnen hier noch ein anderes Bild, dem der Richtlinienvorschlag nach Ansicht des Ausschusses noch nicht ausreichend Rechnung trägt. Der Ausschuss kommt daher zu dem Schluss, dass die Richtlinie über Dienstleistungen hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Entsendestaat spezifischer und eindeutiger formuliert werden muss.

3.6.4

Bei der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten muss es, laut Richtlinienvorschlag, Aufgabe des Herkunftsmitgliedstaates sein sicherzustellen, dass der Dienstleistungserbringer nur Arbeitnehmer, gleich ob Unionsbürger oder nicht, entsendet, die im Herkunftsmitgliedstaat vorgeschriebenen Anforderungen hinsichtlich des Aufenthalts und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung erfüllen. Der Aufnahmemitgliedstaat darf weder den Arbeitnehmer noch den Dienstleister Präventivkontrollen unterwerfen. Die Auswirkungen dieses Vorschlags dürften vergleichbare Problematiken, wie oben dargestellt, nach sich ziehen. Auch insoweit sollte die Richtlinie daher klarstellen, dass es bei der bisherigen Rechtslage verbleibt.

3.7   Verbraucherschutz durch Pflichtversicherung

3.7.1

Der Ausschuss erkennt an, dass für Dienstleister, deren Dienstleistungen ein Gesundheits-, Sicherheits- oder finanzielles Risiko für den Empfänger darstellen, eine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ein Instrument darstellen kann, das Verbrauchervertrauen zu fördern. Auch zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen unter den Dienstleistern kann eine EU-weit einheitliche Regelung zur Berufshaftpflichtversicherung angezeigt sein. Vor dem Hintergrund der für- und widerstrebenden Argumente ist eine Pflichtversicherung aber nur dann gerechtfertigt, wenn ein überragendes Dritt- oder Verbraucherschutzinteresse existiert. Die Definition der insoweit relevanten Berufsgruppen und Branchen muss bereits in der Richtlinie erfolgen. Erforderlich ist ferner eine Regelung, die ausreichend flexibel genug ist, um die individuelle Risikosituation und Absicherungsbedürftigkeit der Vielzahl potenziell erfasster Versicherungsnehmer berücksichtigen zu können.

3.8   Qualitätssicherung durch Zertifizierungen

3.8.1

Der Ausschuss ist sich sicher, dass eine wissensbasierte Dienstleistung die Wettbewerber bereits zu beständiger Fortbildung zwingt. Nur auf dem neuesten wissenschaftlichen und technischen Standard können sie bestehen. Gütesiegel und Zertifikate werden nur dort die erhoffte Qualitätssicherung erreichen, wo der Verbraucher nachvollziehen kann, welche Standards sich hinter diesen Zertifikaten verbergen. Zur allgemeinen Anerkennung muss ein bestimmter Bekanntheitsgrad erreicht werden. Anderenfalls fehlt die für den Verbraucher notwendige Transparenz. Den Verbrauchern sollten ferner verständliche und transparente Informationen über die Qualitätssiegel für die angebotenen Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Durch eine inflationäre Verwendung von Qualitätssiegeln, die der Verbraucher nicht wiedererkennt, können diese ihren eigentlichen Sinn verlieren, wodurch die für den Verbraucher erforderliche Information nicht gewährleistet wäre.

3.9   Preistransparenz

3.9.1

Transparenz sollte — wie bereits in Artikel 26 Absatz 3 des Richtlinienvorschlags angedacht — auch im Bereich der Preisdarstellung und -berechnung herrschen. Hier hält der Ausschuss es für erwägenswert, die Preistransparenz nicht nur auf Anfrage gegenüber dem Verbraucher (business to consumer) herzustellen, sondern über eine unaufgeforderte Mitteilung bei Auftragserteilung nachzudenken. Diese Transparenz könnte für den Verbraucher beispielsweise durch EU-verträgliche Gebühren- und Kostenordnungen erreicht werden. Entbehrlich kann solches allenfalls für den Kontakt „business to business“ sein.

3.10   Nutzung elektronischer Medien

3.10.1

Der Ausschuss begrüßt, dass sämtliche Verfahrensabläufe grundsätzlich elektronisch abgewickelt werden sollen. Dies ist ein zukunftsgerichtetes Petitum, das grundsätzlich begrüßenswert ist. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden — und dies lässt sich auch bereits der Einschränkung in Artikel 5 des Richtlinienvorschlags entnehmen –, dass Originalbelege oder beglaubigte Übersetzungen von derartigen Originalbelegen bei bedeutenden Dokumenten wie Zeugnissen, Registerauszügen etc. höchstens dann elektronisch vorgelegt werden können, wenn ihre Authentizität anhand einer anerkannten Signatur o.ä. nachprüfbar wird. Dies ist im einfachen elektronischen Kommunikationswege noch nicht der Fall und bedarf der Schaffung entsprechender technischer Voraussetzungen in allen Mitgliedstaaten (siehe Arbeiten des Ausschusses zu modernen Medien und Kommunikation).

3.11   Interdisziplinäre Zusammenarbeit

3.11.1

Der Ausschuss legt Wert darauf, dass für den Verbraucher umfassende Lösungspakete bei interprofessionellen Dienstleistungskooperationen möglich sind. Wegen der Sonderstellung einiger Dienstleister in den Rechtsordnungen ihrer Länder ist jedoch zu beachten, dass gesetzliche Vorgaben für die Zusammenarbeit wichtig sind: Im Falle von Verschwiegenheitsrechten und -pflichten bestimmter Dienstleister wird eine Kooperation nur dort möglich sein, wo diese für die jeweils verschiedenen Berufsangehörigen in einem Büro einheitlich sind. Anderenfalls droht die Verletzung von durch die Europäische Charta der Menschenrechte garantierten Rechten des einzelnen Verbrauchers.

3.12   Verhaltenskodizes

3.12.1

Der Vorschlag zur Einführung von Verhaltenskodizes auf europäischer Ebene wird befürwortet. Vor dem Hintergrund der verschiedenen nationalen Regelungen zur Berufsordnung und beruflichem Verhalten, stellen Verhaltenskodizes eine von mehreren Möglichkeit zur Gewährleistung der Qualität der erbrachten Dienstleistung dar. Von Dienstleistern aufgestellte Qualitätssicherungssysteme sind freiwillige Vereinbarungen ohne Rechtsverbindlichkeit. Dies bedeutet keineswegs, dass sie wirkungslos sind, stellt aber eine gewisse Einschränkung in Bezug auf die Durchsetzbarkeit dar. Die in manchen Mitgliedstaaten bestehenden Gesetzesvorbehalte erschweren die Umsetzung solcher Vereinbarungen.

3.13   Soziale Sicherung

3.13.1

Die erweiterte Europäische Union ist ein Mosaik aus vielen unterschiedlichen Sozialversicherungssystemen, die in langen Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern aufgebaut wurden. Der Austausch bewährter Verfahren war das wichtigste Instrument zur Förderung der Weiterentwicklung der Sozialversicherungssysteme. Dies wirkt sich auch auf den Richtlinienvorschlag über Dienstleistungen im Binnenmarkt aus. Es muss sichergestellt werden, dass gemeinsame sozialpolitische Errungenschaften nicht unterlaufen werden.

3.13.2

Den Sozialpartnern kommt bei der Entwicklung des Dienstleistungssektors naturgemäß eine starke Rolle zu — eine Tatsache, die keiner ausdrücklichen Erwähnung bedarf. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Gewerkschaften bei der in dem Richtlinienvorschlag enthaltenen Konsultierung der „betroffenen Interessengruppen“ nicht explizit genannt werden. Der Ausschuss verweist mit Nachdruck darauf, dass die Sozialpartner und die organisierte Zivilgesellschaft bei der Entwicklung des Dienstleistungssektors konsultiert werden müssen, wo immer dies angebracht scheint. Auch eigene Initiativen der Beteiligten sind immer willkommen.

3.13.3

Ein besonders wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in dem Richtlinienvorschlag nicht berücksichtigt wird, dass Kollektivvereinbarungen in einigen Mitgliedstaaten an die Stelle von Rechtsvorschriften getreten sind. Das heißt in der Praxis, dass sie in gleichem Maße wie herkömmliche Rechtvorschriften rechtsverbindlich sind. Insbesondere in den nordischen Ländern kommt Kollektivvereinbarungen häufig diese spezifische Rolle zu, wo vorherrschend ist, dass unabhängige Sozialpartner Löhne und Arbeitsbedingungen mit kollektiver Wirkung vereinbaren. Daher muss der Richtlinienvorschlag dahingehend abgeändert werden, dass Kollektivvereinbarungen ausdrücklich als Instrument zur Erfüllung der aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen anerkannt werden.

3.14   Genehmigungssystem

3.14.1

Die für den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten vorgesehenen Einschränkungen in Bezug auf die Einführung oder Beibehaltung ihres eigenen Genehmigungssystems sind sehr strikt und werden sich auf zahlreiche Mitgliedstaaten verändernd auswirken. Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob dies nicht die Mitgliedstaaten in ihrer Möglichkeit, die Anwendung ihrer einzelstaatlichen Regelungen, beispielsweise im Sozial-, Gesundheits- und Umweltbereich, zu fordern, beeinträchtigt. Die Gestaltungsfreiheit des Staates und die Entscheidungsspielräume vor Ort, sei es national, regional oder lokal, sind wesentliche Elemente der Einflussnahme auf Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Sozial- und Gesundheitssektor. Gerade die sozialpolitische Gestaltungsmacht hängt auch mit der Möglichkeit zusammen, einzelne Auflagen und Anforderungen an die Dienstleister vor Ort zu richten.

3.15   Steuerwesen

3.15.1

Der Richtlinienvorschlag sieht in Artikel 2 Ausnahmen im Bereich des Steuerwesens für den Anwendungsbereich der Richtlinie vor. Der Ausschuss weist darauf hin, dass eines der Haupthindernisse bei der Verwirklichung des Binnenmarkts nach wie vor darin besteht, dass in den Mitgliedstaaten die Handhabung der Steuervorschriften nicht einheitlich erfolgt. Harmonisierte Vorschriften auf Gemeinschaftsebene können hier punktuell für Anpassungen sorgen. Aber auch in diesem Bereich wird das Herkunftslandprinzip nicht durchgängig für anwendbar gehalten: So schlägt die Europäische Kommission bei der Reform der 6. (Mehrwertsteuer-)Richtlinie vor, dass von unter Steuerpflichtigen erbrachte Dienstleistungen im Empfangsstaat — und nicht im Herkunftsland — besteuert werden. Eine Kohärenz bei der Vereinfachung grenzüberschreitender Dienstleistungen ist hier nicht erkennbar, wäre aber hilfreich bis notwendig.

4.   Zusammenfassung der Vorschläge des Ausschusses

4.1

Der Ausschuss begrüßt die mit dem Entwurf einer Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt verfolgte Zielsetzung der Europäischen Kommission, den Binnenmarkt zu verwirklichen und einen weiteren Schritt zur Entstehung des wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraums der Welt — eines Wirtschaftsraums, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen — in der EU zu vollziehen (Lissabon-Strategie). Der Dienstleistungsmarkt ist ein bedeutsamer Multiplikator für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum in der gesamten EU. Außerdem kann die Verwirklichung des Binnenmarkts für Dienstleistungen durch günstigere Preise und eine größere Auswahl ein großer Gewinn für die Verbraucher sein. Der Ausschuss ist im Übrigen der Auffassung, dass der Richtlinienentwurf die hier vorgeschlagenen Änderungen und Spezifizierungen aufgreifen sollte, um dieses Ziel auch wirklich erreichen zu können.

4.2

Zu den zentralen Eckpunkten der Stellungnahme gehören:

4.2.1

Harmonisierung in zweistufiger Übergangsphase für bestimmte Dienstleistungen: Der Ausschuss hält daher die grundsätzliche Anwendung des Herkunftslandprinzips im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistung für verfrüht. Der Ausschuss empfiehlt ganz generell, die Einführung des Herkunftslandprinzip in den verschiedenen Sektoren (bspw. Gesundheits- und Sozialdienstleistungsbereich) auf seine Umsetzbarkeit zu überprüfen. Wo eine Einführung grundsätzlich möglich scheint, sollte Folgendes Beachtung finden: Harmonisierung und Herkunftslandprinzip stehen als Instrumente zur Schaffung des Binnenmarktes mindestens gleichberechtigt nebeneinander. Für gesondert zu definierende Tätigkeiten in den nationalen Gesundheitssystemen, in den freien Berufen und anderen sensiblen Bereichen sollte zumindest für eine Übergangszeit der Harmonisierung der Vorzug gegeben werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hegt der Ausschuss die Besorgnis, dass die sofortige Einführung des Herkunftslandprinzips eine Nivellierung „nach unten“ bewirken würde. Die neuen Bestimmungen müssen so anwendungsfreundlich und klar strukturiert wie möglich sein, um ihre Durchführung einfach und reibungslos zu gestalten. Dies gilt auch für Mechanismen der Ko- und Selbstregulierung.

4.2.2

Problematik der sozialen Dimension: Der Richtlinienvorschlag darf nicht zu einer Absenkung bestehender Sozial-, Lohn und Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz führen, insbesondere nicht bei der Entsenderichtlinie. Nationale Systeme für Tarifverhandlungen und Tarifverträge einschließlich der damit zusammenhängenden nationalen Umsetzungen der Entsende-Richtlinie (Richtlinie 96/71/EG) sollen nicht beeinträchtigt werden. Die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein, die Begriffe Arbeitnehmer, Selbständiger und Scheinselbständiger verbindlich zu definieren, um so für den Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie unter Einschränkung des Herkunftslandprinzips eindeutige Anwendungsgrundlagen zu schaffen. Darüber hinaus ist den Mitgliedstaaten aufzugeben, allgemein geltende Arbeitsbedingungen, die in ihrem Land für einschlägige Arbeitnehmer gelten, auch gegenüber Zureisenden/Entsandten durchzusetzen. Ggf. sollte vor Ort ein Mitarbeiter als Zustellungsbevollmächtigter eingesetzt werden, der die dort notwendigen Arbeitsdokumente bereitzuhalten hat.

4.2.3

Geltungsbereich und Kollisionsnormen: Geltungsbereich, Ausnahmereglungen und Kollisionen bei der Anwendung des Herkunftslandprinzips sind beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr noch genauer herauszuarbeiten und schärfer gegeneinander abzugrenzen. Das betrifft die Abgrenzung zum Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen ebenso wie die Klärung, ob und wie beispielsweise Kollisionen zwischen der — nach dem Richtlinienentwurf jeweils vorrangig geltenden — Herkunftslandnorm und sozial-, steuer- und strafrechtlichen Normen des Aufnahmestaates vermieden werden können. Insgesamt ist eine rechtliche Inkohärenz für andere Rechtsakte auf alle Fälle zu vermeiden. Insbesondere die Übereinkommen von Rom I und II sollen unberührt bleiben. Das Internationale Privatrecht böte aber in vielen Konstellationen eine klarere Regelung für die Lösung von Streitfragen. Der gesamte Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse soll vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen werden, bis ein gemeinschaftlicher Rahmen festgelegt ist.

4.2.4

Zentrales Register zur Erfassung grenzüberschreitender Aktivitäten: Für die Ausführung der in der Richtlinie angelegten Überwachung der Tätigkeit bestimmter Leistungserbringer, namentlich solcher der Freien Berufe, sollte nach Ansicht des Ausschusses geprüft werden, ob die Errichtung eines zentralen, unionsweiten Registers für Auflagen und Verstöße im Rahmen des Vollzugs der Aufsicht effizienzsteigernd und hilfreich sein könnte.

4.2.5

Verbesserung der empirischen Erfassung: Die Instrumente zur Erfassung von Binnenmarktströmen bei Dienstleistungen müssen überprüft und verbessert werden, um Maßnahmen in Ursache und Auswirkung besser platzieren und einschätzen zu können.

4.2.6

Qualitätssicherung und Preistransparenz: Der Verbraucherschutz ist durch Qualitätssicherungssysteme und — gegebenenfalls — auch durch die Einführung von Versicherungspflichten hochzuhalten. Im Bereich des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs ist dafür Sorge zu tragen, dass der Verbraucher im Bereich „business to consumer“ auch ohne konkrete Nachfrage eine Vorstellung davon erhält, zu welchen Konditionen und Kosten diese Leistung erbracht wird. Gebühren und Kostenordnungen — soweit EU-rechtsverträglich — könnten ein Weg sein.

4.2.7

Angleichung der Steuervorschriften: Neben vielen kleinen tatsächlichen und empfundenen Hindernissen halten die Mitgliedstaaten und die Kommunen das Haupthindernis der Verwirklichung des Binnenmarktes selbst in Händen: die Vielfalt und uneinheitliche Anwendung des Rechts der Abgaben und Steuern. Sie werden vom Ausschuss aufgerufen, diesem Umstand auch künftig höchste Aufmerksamkeit zuzuwenden.

5.

Insgesamt sind die positiven Aspekte des Binnenmarktes, insbesondere gegenüber KMU und Selbstständigen, unter Einschluss des Projekts „PRISM“ des Ausschusses intensiver zu bewerben. Ohne eine breit angelegte Überzeugung von Dienstleister und Verbraucher über die Vorteile des Binnenmarkts werden Wachstumspotenziale im Dienstleistungssektor nach Überzeugung des Ausschusses nicht zu aktivieren sein.

Brüssel, den 10. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. Nr. C 48 vom 21. Februar 2002.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende Änderungsanträge wurden im Verlauf der Debatte abgelehnt, hatten jedoch jeweils mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigt:

Ziffer 2.2.1

Ziffer wie folgt ändern:

„Ein funktionierender Binnenmarkt benötigt neben dem Abbau von Hindernissen aber auch eine angemessene Regulierung. Um gleichzeitig die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, sind nationale und EU-weite Regelungen und somit harmonisierte Standards ist eine Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und -formalitäten für den Zugang zu und die Versorgung mit Dienstleistungen notwendig.“

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 48

Nein-Stimmen: 113

Stimmenthaltungen: 6

Ziffer 3.3.3

Ziffer ersatzlos streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 52

Nein-Stimmen: 130

Stimmenthaltungen: 6

Ziffer 3.5

Die ganze Ziffer streichen und durch folgenden Text ersetzen:

3.5.1

Trotz der schon gegenwärtig im Vertrag verankerten und vom Gerichtshof bestätigten Rechte zur freien Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen herrscht bei den Unternehmen in der Praxis häufig eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf ihre Rechte. In der Dienstleistungsrichtlinie werden diese Rechte festgelegt und konkretisiert. Insbesondere das Herkunftslandprinzip ist hier ein ganz zentrales Element, das vor allem kleine und mittlere Unternehmen über ihre Rechte und Pflichten bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen aufklären kann, ohne dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird niedergelassen sind. Zwar werden in der Richtlinie auch eine ganze Reihe von Ausnahmen zum Herkunftslandprinzip aufgeführt, doch ist der Ausschuss der Ansicht, dass das Herkunftslandprinzip (unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Ausnahmen hinzukommen) zu einem wichtigen Werkzeug für die Weiterentwicklung des Binnenmarkts für Dienstleistungen zum Nutzen sowohl der Verbraucher, der Arbeitnehmer als auch der europäischen Wettbewerbsfähigkeit werden kann.

3.5.2

Das Herkunftslandprinzip kann nach Auffassung des Ausschusses zum Katalysator für eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sowie für eine eventuelle spätere Harmonisierung im Bereich des Verbraucher- und Umweltschutzes werden.

3.5.3

Nach Ansicht des Ausschusses ist eine wirksame Anwendung des Herkunftslandprinzips nur dann möglich, wenn Rechtssicherheit und Klarheit über seinen Anwendungsbereich bestehen. Das Prinzip muss so konkretisiert werden, dass es weder die bestehenden Rechte der Verbraucher und Arbeitnehmer einschränkt noch das derzeitige Umweltschutzniveau senkt. Gleichzeitig muss versucht werden, Zweifelsfragen hinsichtlich der Vereinbarkeit des Herkunftslandprinzip mit dem internationalem Recht, Rom I und II sowie möglichen weiteren rechtlichen Problemen zu klären, ohne hierdurch die mit dem Herkunftslandprinzip verfolgte Absicht, die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen für Dienstleistungsunternehmen zu erleichtern, zu beeinträchtigen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 68

Nein-Stimmen: 127

Stimmenthaltungen: 5

Ziffern 3.5.1, 3.5.2, 3.5.3 streichen und ersetzen durch neue Ziffer (3.5.1):

Die in Artikel 16 RL-E vorgesehene grundsätzliche Geltung des Herkunftslandprinzips stellt in Verbindung mit den in Artikel 17 RL-E genannten Ausnahmen das Herzstück des Entwurfs dar. Nur auf diesem Weg kann der Einstieg in die Öffnung der Dienstleistungsmärkte ohne weitere Verzögerungen gelingen. Der grenzüberschreitende Wettbewerb von Dienstleistern wird den Verbrauchern zugute kommen und kann neue Arbeitsplätze schaffen. Nach Überzeugung des Ausschusses verspricht die Anwendung des Herkunftslandprinzips aber nur dann Erfolg, wenn Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich seines Anwendungsbereichs bestehen. Die Geltung des Herkunftslandprinzips sollte daher mit einer Prüfung einhergehen, für welche Dienstleistungen eine weitere Angleichung der Rechtsgrundlagen sinnvoll sein könnte. Zugleich ist darauf zu achten, dass mit der Dienstleistungsfreiheit die Rechte der Arbeitnehmer und Verbraucher sowie der Schutz der Umwelt nicht eingeschränkt werden. In diesen Bereichen setzt die EU im weltweiten Vergleich bereits jetzt hohe Standards, die gesichert werden müssen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 83

Nein-Stimmen: 122

Stimmenthaltungen: 5

Ziffer 3.5.1

Streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 73

Nein-Stimmen: 141

Stimmenthaltungen: 7

Ziffer 3.5.2

Wortlaut wie folgt ändern:

„Die in Artikel 16 RL-E vorgesehene grundsätzliche Geltung des Herkunftslandprinzips stellt in Verbindung mit den in Artikel 17 RL-E aufgeführten Ausnahmen das Herzstück des Entwurfs dar. Das Herkunftslandprinzip, das bislang für Waren angewandt wird, wird eins zu eins auf die Dienstleistungen übertragen. Das passt jedoch nur dort ist dort besonders gut anwendbar, wo diese Dienstleistungen wie Waren standardisiert werden können oder die Harmonisierung der Regeln soweit vorangeschritten ist, dass keine Friktionen entstehen. Da, wo Standards nicht bestehen oder gar nicht erarbeitet werden könnten (sogenannte nicht-beschreibbare Leistungen), müsste diesen Besonderheiten Rechnung getragen werden.“

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 76

Nein-Stimmen: 134

Stimmenthaltungen: 6

Ziffer 3.5.3

Wortlaut wie folgt ändern:

Der Ausschuss hält daher die grundsätzliche Anwendung des Herkunftslandprinzips im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistung für verfrüht. Das Herkunftslandprinzip setzt voraus, dass von einem vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Niveau ausgegangen werden kann. Nach der Überzeugung des Ausschusses verspricht die Anwendung des Herkunftslandprinzips nur dann Erfolge, wenn Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich seines Anwendungsbereichs bestehen. Die Geltung des Herkunftslandprinzips ohne angemessene Übergangsfrist wird daher als problematisch angesehen, zumal die zur Verfügung stehenden Instrumentarien der sektoralen Harmonisierung dem Ausschuss noch nicht ausreichend ausgeschöpft erscheinen. Bislang birgt es die Gefahr eines Systemwettbewerbs und eine damit einhergehende Nivellierung von Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltstandards, da nach wie vor unterschiedliche Rechts-, Sozial- und Gesundheitssysteme in der EU bestehen. Durch den sektoralen Ansatz im Wege der Harmonisierung kann, speziell in besonders sensiblen Bereichen eine optimalere Anpassung an die Herausforderungen des Binnenmarktes erreicht werden, als durch einen verfrüht gesetzten rein horizontalen Ansatz. Hierbei ist jeder Sektor im Rahmen einer umfassenden Folgeabschätzung, auch was die sozialen und umweltrelevanten Aspekte betrifft, auf seine Eignung für die Einführung des Herkunftslandprinzips zu prüfen. Da Maßnahmen der Harmonisierung gemeinsam mit dem Herkunftslandprinzip einander ergänzende zumindest gleichwertige Instrumente zur Verwirklichung des Binnenmarkts darstellen, sollte im Rahmen angemessener Zeitschienen eine Angleichung der verschiedenen Vorschriften in den Bereichen erreicht werden, in denen besondere gesundheitsrechtliche, sozialrechtliche und berufsrechtliche Vorgaben der Mitgliedstaaten bestehen, sofern dies von der. In einem Zwischenstadium sollte durch Europäischen Kommission, dem Europäischens Parlament und dem Rat als notwendig erachtet wird. positiv darüber befunden werden, ob Harmonisierungen in den vorgenannten Bereichen in ausreichender Weise ergriffen und realisiert wurden. Je nach Stand der Rechtsangleichung sollte letztmalig Gelegenheit zur Annäherung im Harmonisierungswege gegeben werden. Diese Methode bringt — zusammen mit einer genauen definitorischen Abgrenzung dieser besonderen Dienstleistungen (beispielsweise der freien Berufe) — nach der Überzeugung des Ausschusses den Vorteil, dass stufenweise eine optimale Vorbereitung auf das im Anschluss an die Übergangszeit geltende Herkunftslandprinzip für die beteiligten Kreise erfolgen kann und muss, um den Binnenmarkt zu verwirklichen. Dies gilt auch für Mechanismen der Ko- und Selbstregulierung.“

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 79

Nein-Stimmen: 139

Stimmenthaltungen: 7

Ziffer 3.5.4

Streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 65

Nein-Stimmen: 150

Stimmenthaltungen: 4

Ziffer 3.6.2

Streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 74

Nein-Stimmen: 140

Stimmenthaltungen: 3

Ziffer 3.9

Streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 73

Nein-Stimmen: 134

Stimmenthaltungen: 5

Ziffer 3.15

Streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 90

Nein-Stimmen: 135

Stimmenthaltungen: 2

Ziffer 4.2.1 ersetzen durch:

Der Ansatz der Kommission, dass abgesehen von den im RL-E genannten Ausnahmen grundsätzlich das Herkunftslandprinzip gelten soll, ist richtig. Nur so kann der Einstieg in die Öffnung der Dienstleistungsmärkte ohne weitere Verzögerungen gelingen. Zugleich sollte sichergestellt sein, dass bei der Anwendung des Herkunftslandprinzips Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herrscht. Die Geltung des Herkunftslandprinzips sollte mit einer Prüfung einhergehen, für welche Dienstleistungen eine weitere Angleichung der Rechtsgrundlage sinnvoll sein könnte. Es ist darauf zu achten, dass mit der Dienstleistungsfreiheit die Rechte der Arbeitnehmer, der Verbraucher sowie der Schutz der Umwelt nicht eingeschränkt werden. Die neuen Bestimmungen müssen so anwendungsfreundlich und klar strukturiert wie möglich sein, um ihre Durchführung einfach und reibungslos zu gestalten. Dies gilt auch für Mechanismen der Ko- und Selbstregulierung.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 66

Nein-Stimmen: 146

Stimmenthaltungen: 4

Ziffer 4.2.1

Text streichen und durch folgenden Wortlaut ersetzen:

Sowohl das Herkunftslandprinzip als auch die Harmonisierung sind wichtige Instrumente zur Sicherung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs. Zugleich kann das Herkunftslandprinzip als ein Katalysator für die Annäherung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und eine eventuelle spätere Harmonisierung regelungsbedürftiger Gebiete betrachtet werden. Für sich genommen dürfte das Herkunftslandprinzip einen Beitrag dazu leisten, den Unternehmen zu einem weitaus besseren Überblick bei der Aufnahme der Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu verhelfen, wobei sich das Unternehmen im Land der Dienstleistungserbringung nicht niederlassen muss. Dies wäre ein zentraler Hebel zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes für Dienstleistungen, was sowohl den Verbrauchern als auch den Arbeitnehmern und der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zugute käme. Gleichwohl ist die Klärung aller eventuell offenen rechtlichen Fragen unumgänglich, bevor auf eine effiziente Nutzung des Herkunftslandprinzips gehofft werden darf.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 75

Nein-Stimmen: 135

Stimmenthaltungen: 3

Ziffer 4.2.2

Text wie folgt ändern:

„Problematik der sozialen Dimension: Der Richtlinienvorschlag darf nicht zu einer Absenkung bestehender Sozial-, Lohn und Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz führen, insbesondere nicht bei der Entsenderichtlinie. Nationale Systeme für Tarifverhandlungen und Tarifverträge einschließlich der damit zusammenhängenden nationalen Umsetzungen der Entsende-Richtlinie (Richtlinie 96/71/EG) sollen nicht beeinträchtigt werden. Die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein, die Begriffe Arbeitnehmer, Selbständiger und Scheinselbständiger verbindlich zu definieren, um so für den Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie unter Einschränkung des Herkunftslandprinzips eindeutige Anwendungsgrundlagen zu schaffen. Darüber hinaus ist den Mitgliedstaaten aufzugeben, allgemein geltende Arbeitsbedingungen, die in ihrem Land für einschlägige Arbeitnehmer gelten, auch gegenüber Zureisenden/Entsandten durchzusetzen. Dabei könnte als ein Mittel der Durchsetzung die Erklärung des Unternehmers, generell so zu verfahren, als genügend erachtet werden. Ggf. sollte vor Ort ein Mitarbeiter als Zustellungsbevollmächtigter eingesetzt werden, der die dort notwendigen Arbeitsdokumente bereitzuhalten hat.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 84

Nein-Stimmen: 132

Stimmenthaltungen: 1

Ziffer 4.2.4

Ziffer streichen und durch folgenden Text ersetzen:

Der Gedanke, die Verfahren zu vereinfachen und eine einheitliche Anlaufstelle für Dienstleister zu schaffen, ist zu begrüßen. Doch es fehlen konkretere Vorschläge zu den Verfahren. Der Bekämpfung von Bürokratie und Verwaltungshemmnissen sollte hier besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 74

Nein-Stimmen: 141

Stimmenthaltungen: 3

Ziffer 4.2.6

Streichen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 76

Nein-Stimmen: 140

Stimmenthaltungen: 1


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