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Document 52005IE1509
Opinion of the European Economic and Social Committee on Hygiene rules and artisanal food processors
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Hygienerechtliche Vorschriften und handwerkliche Verarbeitungsbetriebe
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Hygienerechtliche Vorschriften und handwerkliche Verarbeitungsbetriebe
ABl. C 65 vom 17.3.2006, p. 141–148
(ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
17.3.2006 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 65/141 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Hygienerechtliche Vorschriften und handwerkliche Verarbeitungsbetriebe“
(2006/C 65/25)
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 9./10. Februar 2005, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Hygienerechtliche Vorschriften und handwerkliche Verarbeitungsbetriebe“.
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 9. November 2005 an. Berichterstatter war Herr RIBBE.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 422. Plenartagung am 14./15. Dezember 2005 (Sitzung vom 15. Dezember 2005) mit 98 gegen 1 Stimme bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Einleitung
1.1 |
Das am 20. Mai 2004 in Kraft getretene neue EU-Hygienerecht (1) verfolgt das Ziel, durch einen die gesamte Lebensmittelkette („Vom Hof auf den Herd“) integrierenden Ansatz ein hohes Verbraucherschutzniveau hinsichtlich der Sicherheit von Lebensmitteln zu gewähren. Darüber hinaus sollen die einheitlichen Grundsätze ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes gewährleisten. |
1.2 |
Zentral ist der Grundsatz, dass die Betreiber von Lebensmittelunternehmen die volle Verantwortung für die gesundheitliche Unbedenklichkeit ihrer Erzeugnisse zu tragen haben. Dies soll durch die Einhaltung grundlegender und spezifischer Hygienenormen sowie durch die Anwendung der Grundsätze des Systems der Gefahrenanalyse (HACCP (2)) gewährleistet werden. |
1.3 |
Das neue Hygienerecht besteht aus mehreren Verordnungen:
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1.4 |
Damit die Anwendung der Verordnungen (EG) 852/2004 und 853/2004 möglichst einheitlich geschieht, wurden von der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz (SANCO) folgende Leitlinien (guidances) erarbeitet. Sie haben empfehlenden Charakter und richten sich an die Lebensmittelunternehmen selbst als auch an die Behörden vor Ort:
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1.5 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat im Rahmen der legislativen Verfahren u.a. am 28./29. März 2001 zu den Verordnungen 852/2004 bis 854/2004 Stellung genommen (3) und den neuen Verordnungen sowie ihren zu Grunde liegenden Prinzipien seine ausdrückliche Unterstützung zugesagt. |
1.6 |
Mit der vorliegenden Initiativstellungnahme will der Ausschuss eine Überprüfung anregen, ob die neuen Hygienevorschriften im Sinne einer Kohärenz der Ziele und Maßnahmen den bestmöglichen Beitrag zur politisch gewünschten nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume leisten. Für deren wirtschaftliche Entwicklung sind kleinstrukturierte, handwerkliche und/oder traditionelle Verarbeitungsbetriebe von besonderer Bedeutung. Die vielfach gemachten Erfahrungen zeigen allerdings, dass in den vergangenen Jahren ein radikaler Rückgang entsprechender Strukturen, besonders im Bereich der Fleisch- und Milchverarbeitung und –vermarktung, stattgefunden hat. Vielfach wurde von den Betroffenen wie auch von den zuständigen Behörden darauf hingewiesen, die „hohen EU-Hygienebestimmungen“ wären verantwortlich für diesen Strukturwandel. |
1.7 |
Vor diesem Hintergrund soll geprüft werden, ob die EU tatsächlich mittelbar oder unmittelbar verantwortlich für einen durch Hygieneauflagen begründeten Strukturwandel ist. Dabei wird die eigentliche Zielsetzung, Gesundheitsgefährdungen des Menschen zu vermeiden, natürlich in keiner Weise in Frage gestellt. Wohl wird hinterfragt, ob zur Erreichung aller von der EU formulierten Ziele (Hygiene wie Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen) differenzierte Vorgaben vonnöten sind und ob die notwendige Flexibilisierung gegeben ist. |
1.8 |
Im Rahmen dieser Stellungnahme soll überprüft werden, ob
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1.9 |
Da sich die speziellen Hygienevorschriften der Verordnungen 853/2004 und 854/2004 ausschließlich auf tierische Erzeugnisse beziehen, wird auf eine Überprüfung der Wirkungen auf Lebensmittelunternehmen tierischer Erzeugnisse fokussiert. Eine Betrachtung der Verarbeiter pflanzlicher Produkte (u.a. Bäckereien, Konditoreien etc.) und anderer tierischer Erzeugnisse (u.a. Fische), die ebenfalls den neuen Hygienevorschriften (Verordnung 852/2004) unterliegen, erfolgt daher nicht. |
1.10 |
Der EWSA verfolgt mit dieser Stellungnahme das Ziel, eine Debatte über Standards der Lebensmittelsicherheit und über die damit auch verbundene nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume anzuregen. Der Ausschuss vertritt dabei die Auffassung, dass die Ziele des Verbraucherschutzes, des Erhalts der kulturellen Vielfalt, der Sicherung des lauteren Wettbewerbs und des Erhalts und der Entwicklung von Arbeitsplätzen in ländlichen Räumen gleichrangig sind und in Einklang gebracht werden müssen. |
2. Inhalt der Verordnungen
2.1 |
Die Verordnung (EG) 178/2002 legt neben allgemeinen Grundsätzen und Anforderungen an das Lebensmittelrecht u.a. Verfahren zur Lebensmittelsicherheit fest, um das Funktionieren des Binnenmarktes und den freien Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln zu verbessern. Darüber hinaus soll durch die Angleichung der bis dato noch stark national geprägten Konzepte, Grundsätze und Verfahren des Lebensmittelrechts auf Gemeinschaftsebene ein hohes Maß an Verbraucherschutz gewährleistet werden. |
2.2 |
Die Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene konkretisiert die Ziele der Verordnung 178/2002 und gibt Grundregeln für die hygienische Herstellung aller Lebensmittel. Sie gilt für alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln. Die „Landwirtschaftliche Primärproduktion“ liegt ebenfalls im Geltungsbereich der Verordnung. Im Gegensatz zu den „Lebensmittelunternehmen“ müssen die landwirtschaftlichen Primärproduzenten (noch) keine Verfahren anwenden, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, allerdings müssen sie die in Anhang I niedergelegten Grundsätze beachten. Alle Lebensmittelunternehmen hingegen müssen sich registrieren lassen und die allgemeinen Hygienevorschriften des Anhangs II der Verordnung erfüllen. Die zur Registrierung vom Unternehmer einzuhaltenden Verfahren werden von den nationalen Behörden auf Basis der Verordnung 882/2004 Artikel 31 festgelegt. |
2.3 |
Alle Lebensmittelunternehmer haben gegebenenfalls folgende Hygienemaßnahmen zu treffen:
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2.4 |
Ausgenommen vom Geltungsbereich dieser Verordnung sind:
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2.5 |
Detailvorschriften der in Absatz 2.3 genannten Kriterien (z.B. über Art der mikrobiellen Kriterien, Umfang der Probenahmen und Art der Analysen) nimmt das neue Hygienerecht nicht vor. Gestützt auf Artikel 4 der Verordnung (EG) 852/2004 liegt jedoch bereits ein Entwurf einer eigenständigen Verordnung über mikrobielle Kriterien für Lebensmittel vor. |
2.6 |
Da von Lebensmitteln tierischen Ursprungs bestimmte besondere gesundheitliche Gefahren ausgehen können, gibt es hierfür zwei spezifische Verordnungen:
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2.7 |
Lebensmittelunternehmen, die mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs arbeiten, müssen
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2.8 |
Ausgenommen vom Geltungsbereich der Verordnung 853/2004 sind darüber hinaus:
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2.9 |
Die SANCO-Leitlinie 1514/2005 REV. 1, Punkt 3.5 präzisiert: Der Einzelhandel soll nur dann aus dem Geltungsbereich der Verordnung 853/2004 herausgenommen werden und unter die Regelungen der Verordnung 852/2004 fallen, wenn es sich (a) um Direktvermarktung bzw. (b) um eine geringfügige, regionale und begrenzte Belieferung anderer Einrichtungen mit Erzeugnissen tierischen Ursprungs handelt. Gleichwohl bleibt es den Nationalstaaten überlassen, generell für den Einzelhandel Regelungen zu treffen. |
2.10 |
Das neue Hygienerecht legt besonderen Wert auf Flexibilität:
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3. Kleine Lebensmittelunternehmen und die Entwicklung ländlicher Räume
Begriffe und Abgrenzungen
3.1 |
Das Spektrum der Lebensmittelunternehmen ist in vielen Mitgliedstaaten immer noch breit gefächert. Die Verarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe und die Herstellung von Lebensmitteln kann sowohl in großen, industriell organisierten und am internationalen Markt orientierten Unternehmen als auch in stärker (nicht ausschließlich!) an der Belieferung regionaler Märkte ausgerichteten kleinen Lebensmittelunternehmen sowie in Kleinstbetrieben stattfinden. Diese Kleinstbetriebe können organisatorisch und räumlich durchaus mit landwirtschaftlichen Betrieben verbunden sein. |
3.2 |
Mit der Struktur und dem Verarbeitungsvolumen der Lebensmittelunternehmen verbunden sind in der Regel spezifische Herstellungsverfahren. Auch ihr Spektrum ist breit und reicht von industriell/seriellen Verfahrensweisen bis hin zu handwerklichen und traditionellen Verfahren. Die Übergänge sind jeweils fließend. |
3.3 |
Der Schwerpunkt soll im Folgenden auf den kleinen Lebensmittelunternehmen und Kleinstbetrieben, die stärker mit handwerklichen und/oder traditionellen Verfahren arbeiten, liegen. |
3.4 |
Einen zweiten Schwerpunkt bilden Lebensmittelunternehmen der Verarbeitungsstufe in den Bereichen Fleisch (inkl. Geflügel und andere Kleintiere) und Milch, da für diese beiden, bezogen auf die landwirtschaftliche Wertschöpfung vieler Mitgliedstaaten wichtigen Bereiche spezifische Hygienevorschriften erlassen wurden (siehe auch Punkt 1.9). Konkret geht es vor allem um regionale Schlachthöfe, selbstschlachtende und –verarbeitende Metzger, regionale Molkereien, kleine gewerbliche Käsereien, Hofkäsereien und Sennereien. |
Kleine Lebensmittelunternehmen, ländlicher Raum, Arbeit und Qualität
3.5 |
Kleine Lebensmittelunternehmen bilden in den meisten EU-Staaten die Mehrheit und sie haben daher eine hohe Bedeutung bezüglich der Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Zu den kleinen Lebensmittelunternehmen zählen auch die handwerklichen Betriebe. Diese sind oft im innerstädtischen Bereich angesiedelt und erzeugen einen hohen Grad an Produktdiversität, kultureller Vielfalt und bieten — dies sollte nicht übersehen werden — vielfach auch ethnischen Minderheiten Arbeitsplätze. Unser besonderes Augenmerk gilt jedoch den Lebensmittelunternehmen der Produktions- und Verarbeitungsstufe, die in einem mehr oder weniger engen Bezug zur landwirtschaftlichen Primär- bzw. Rohstofferzeugung stehen. Viele dieser Betriebe sind im ländlichen Raum angesiedelt. Ihre Bedeutung für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Arbeit gerade in ländlichen, vielfach strukturschwachen Räumen ist von teilweise großer Bedeutung. |
3.5.1 |
Beispiele: In Europa wirtschaften über 150.000 selbstständige Metzger mit insgesamt rund 1 Mio. Beschäftigten. Allein in Deutschland gibt es derzeit rund 18.000 Unternehmen des Fleischerhandwerks (bzw. 29.000 Metzgereien inkl. Filialen) mit rund 168.000 beschäftigten Personen. Immer noch schlachten 15 Prozent dieser Unternehmen selbst, 10 Prozent lassen eigene Tiere am Schlachthof schlachten. Ein weiterer Schwerpunkt des Fleischerhandwerks liegt in Spanien mit rund 35.400 selbstständigen Metzgereien (inkl. Filialen) und rund 70.000 Beschäftigten sowie in Frankreich mit knapp 35.000 Metzgereien und über 55.000 Beschäftigten. |
3.5.2 |
In den letzten Jahren ist zwar ein Trend hin zum Kauf von Fleischwaren in großen Supermärkten und Discountern zu verzeichnen. Der EWSA betont aber ausdrücklich die Bedeutung und Wichtigkeit dieser eher kleinstrukturierten Betriebe, die sich nicht nur an den Verkaufszahlen ablesen lässt (4). |
3.5.3 |
Auch im Milchbereich gibt es zahlreiche kleine Unternehmen. So sind in Deutschland in den letzten Jahren in der Folge der Ausdehnung der ökologischen Milcherzeugung über 500 Hofkäsereien mit rund 1.500 Arbeitsplätzen neu entstanden. Hinzu kommen die neu entstandenen Arbeitsplätze in den Biomolkereien und gewerblichen Biokäsereien. Leider liegen hierfür keine europäischen Daten vor. |
3.6 |
Im Rahmen der Agenda 2000 wurde von der Kommission und den Mitgliedstaaten die Notwendigkeit betont, nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft auf dem Weltmarkt zu entwickeln, sondern auch eine Qualitätspolitik zu verfolgen. Dazu soll der multifunktionale Charakter der Landwirtschaft (sprich: das „Europäische Agrarmodell“) erhalten und gefördert werden. Gemeint ist damit eine Landwirtschaft, die u.a. qualitativ hochwertige Produkte liefert und auf diesem Wege Arbeitsplätze erhält und neue schafft. Diese Strategie der Erhöhung der Wertschöpfung in ländlichen Räumen ist unlösbar mit dem Erhalt und der Weiterentwicklung des nachgelagerten Sektors der Lebensmittelverarbeitung verbunden. Dieser Qualitätspolitik dienen auch die geschützten Herkunftsbezeichnungen. |
3.7 |
Die Qualitätspolitik soll in Zukunft u.a. durch die ELER-Verordnung mit der Achse „Diversifizierung und ...“ sowie mit dem Aktionsprogramm Ökologischer Landbau umgesetzt werden. |
3.8 |
Den kleinen Lebensmittelunternehmen und speziell den kleinen, handwerklich ausgerichteten Lebensmittelverarbeitern kommt im Rahmen dieser Qualitätspolitik eine strategische Bedeutung zu. Denn es sind diese kleinen Lebensmittelunternehmen, die zur Diversifizierung sprich zur Versorgung der Verbraucher mit einer hohen Produktvielfalt beitragen können. Eine zunehmende Nachfrage spricht dafür, dass Verbraucher eine solche Diversität verstärkt schätzen und gerade traditionelle und handwerkliche Herstellungsverfahren unlösbar mit einer hohen Produktqualität verbunden sind. Zugleich sind sie Teil unseres kulturellen Erbes. Seit Jahrzehnten beweisen diese Lebensmittelunternehmen, dass sie sichere Produkte herstellen können. |
Differenzierte Risiken benötigen differenzierte Sicherheitskonzepte
3.9 |
Der EWSA nimmt daher mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die neuen Verordnungen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen ein höheres Maß an Flexibilität enthalten. Diese Flexibilisierung bietet kleinen Lebensmittelunternehmen mit handwerklich-traditioneller Verarbeitung neue Chancen, da die einheitliche Zulassung ihnen künftig die Teilnahme am grenzüberschreitenden Verkehr ermöglicht. Diese Chancen müssen von den Mitgliedstaaten aber auch genutzt werden. |
3.10 |
Zugleich birgt die Flexibilisierung aber auch Risiken für die kleinen Lebensmittelunternehmen. Vormals lediglich „registrierte Betriebe“ müssen nun die höheren Standards des Zulassungsverfahrens erfüllen. Hinzu kommt, dass einige spezifische Hygienemaßnahmen der Verordnung 853/2004 deutlich höhere Anforderungen als bisher stellen. Dies betrifft insbesondere die damit verbundenen Auflagen der mikrobiellen Kontrollen. |
3.11 |
Die Vorgabe von Hygienezielen statt starrer Vorgaben und die damit verbundenen Flexibilisierungsklauseln ermöglichen es, sowohl die Ausgestaltung des HACCP-Konzeptes (gemäß Verordnung 852/2004) als auch die Zulassungsverfahren auf die spezifischen Risiken der unterschiedlichen Betriebsformen ihrer Produktionsverfahren hin abzustellen. |
3.12 |
Für den Erhalt einer vielfältigen Struktur an Lebensmittelunternehmen in Europa ist diese Flexibilisierung von zentraler Bedeutung, denn Hygienerisiken und entsprechende Hygieneerfordernisse sind teilweise eng verbunden mit spezifischen Erzeugungs-, Verarbeitungs- und Distributionssystemen. Kleine und handwerklich organisierte Lebensmittelunternehmen mit vorrangig lokal-regionaler Distribution haben bezogen auf die Lebensmittelsicherheit teilweise anders gelagerte Risiken als industriell organisierte Großunternehmen mit überregional-internationalen Distributionswegen. So ist es einsichtig, dass in Großbetrieben mit vielen Mitarbeitern, hohen Stückzahlen und abgegrenzten Verantwortungsbereichen Rückverfolgungs- und Qualitätsmanagementsysteme, Loskennzeichnungen und ausgefeilte Raumkonzepte sowie chargenbezogene mikrobielle Untersuchungen Sinn machen. In kleinen Lebensmittelunternehmen, in denen die Verantwortung bei wenigen Mitarbeitern liegt und oftmals nicht am innergemeinschaftlichen Verkehr teilgenommen wird, reichen meist einfache Konzepte wie stichprobenartige Kontrolle der Kühltemperaturen oder der Brühtemperatur bzw. Inaugenscheinnahme (Kochwürste, Brühwürste). Traditionelle und bewährte Kontrollverfahren haben hier ihren Platz. Höherer technischer oder organisatorischer Aufwand bringt hier kein Mehr an Hygiene, aber ein Mehr an finanziellem und zeitlichem Aufwand. |
3.13 |
Ein Beispiel für die Übertragung von Maßnahmen, die für den industriellen Bereich sinnvoll und notwendig sind, auf den handwerklichen Bereich ist die bereits in der Richtlinie 64/433/EG enthaltene Vorschrift der Einrichtung eines Sterilisierköchers. Bei der Bandschlachtung mit ihren, für die heutigen Unternehmen typischen hohen Bandgeschwindigkeiten, bleibt keine Zeit, um ein Messer zu reinigen, wenn mit diesem beispielsweise in einen Abszess gestochen wurde. Ein Sterilisierköcher an jedem Zerlegearbeitsplatz ermöglicht dem Arbeiter, bei laufendem Band sich jederzeit ein neues und steriles Messer nehmen zu können. Anders beim Metzgerhandwerk: Das einzelne Tier wird von einer Person zerlegt, es bleibt bei Bedarf immer ausreichend Zeit, um ein neues und steriles Messer zu nehmen. Um die Sterilität dieses Messers zu erreichen, genügt es, wenn ausreichend, am Vorabend sterilisierte Messer am Arbeitsplatz liegen. Ein Sterilisierköcher an jedem Arbeitsplatz ist nicht notwendig. Die Revision des SANCO-Papiers Nr.1514 vom 8. September 2005 reagiert bereits auf diesen vom ESWA vorgebrachten Einwand und schreibt unter Punkt 5.3 vor, dass bei kleinen Schlachtstätten eine ausreichende Anzahl vor dem Schlachtvorgang desinfizierter Messer ausreichend sei. |
3.14 |
Mit anderen Worten: Werden Hygienenormen und Sicherheitsanforderungen einseitig aus den Risiken der heutigen Mainstream-Erzeugung, d.h. der industriellen Verarbeitung und des globalisierten Handels abgeleitet und auf handwerkliche Strukturen übertragen, so ist damit stets die Gefahr verbunden, dass die handwerklich-traditionell hergestellten Produkte einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Sie werden dann teilweise direkt, teilweise indirekt (durch Kostenerhöhung) vom Marktzugang ausgeschlossen. |
3.15 |
Wenn im Folgenden auf die spezifischen Verfahren und Strukturen hin angepasste Hygienekonzepte gefordert werden, geht es nicht nur um die Sicherung gleicher Marktzugangschancen. Es geht vielmehr auch und insbesondere um den Erhalt und die Förderung von Innovationen im ländlichen Raum. So war eine der wichtigsten Innovationen der letzten Jahrzehnte die Entwicklung und Verbreiterung des ökologischen Landbaus. Ohne bestehende und neu erstrittene Freiräume hätte die damit verbundene neue Inwertsetzung traditioneller Verfahren der Lebensmittelverarbeitung nicht stattfinden können. Es gilt daher, auch künftig Freiräume für regionale Besonderheiten, handwerklich-traditionelle Verfahren, besondere Verarbeitungsformen, besondere Qualitäten und besondere Vermarktungswege offen zu halten und zugleich dem Verbraucher ein einheitliches und hohes Niveau an Lebensmittelsicherheit zu garantieren. |
4. Mögliche, durch den neuen hygienerechtlichen Rahmen bedingte Chancen und Hemmnisse für kleine handwerkliche Lebensmittelunternehmen des Fleisch- und Milchsektors
Verordnung 852/2004
4.1 |
Einige Mitgliedstaaten hatten die im „alten“ Recht vorgesehene Möglichkeit genutzt, bei Betrieben der Fleisch- und Milchverarbeitung zwischen „registrierten“ und „zugelassenen“ Betrieben zu unterscheiden. Registrierte Betriebe durften nicht am innergemeinschaftlichen Verkehr teilnehmen, ohne dass dafür eine Begründung durch unterschiedliche Hygienestandards vorlag. Die SANCO-Leitlinie 1513/2005 REV. 1 vom 8. September 2005 fordert in Punkt 3.4 die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu auf, den Direktvermarktern, die vom Geltungsbereich der Verordnungen 852/2004 und 853/2004 ausgenommen sind, in grenznahen Gebieten einen grenzüberschreitenden Verkehr zu erlauben. Damit werden den Betrieben in grenznahen Bereichen neue Marktchancen eingeräumt. |
4.2 |
Die Verordnung 852/2004 fordert die Anwendung des HACCP-Konzeptes auf Verfahren, die der Lebensmittelsicherheit dienen. Die verbindliche Einführung des HACCP-Konzeptes ist zu begrüßen, entspricht es doch eigentlich handwerklicher Tradition, mit wenigen, möglichst effektiven Kontrollen an den richtigen Stellen zu einer maximalen Produktsicherheit zu gelangen. Auch gibt die SANCO-Leitlinie 1955/2005 vom 30. August 2005 Vorgaben, wie die HACCP-Konzepte auf unterschiedliche Unternehmenstypen hin angepasst werden können. In den einzelnen Mitgliedstaaten wurden ebenfalls entsprechende Leitlinien einer guten hygienischen Praxis erarbeitet. Diese können die Anwendung von HACCP in kleinen Lebensmittelunternehmen erleichtern, da dann ggfs. auf die Durchführung einer eigenen Gefahren- und Risikoanalyse verzichtet werden kann. |
4.3 |
Ob HACCP-Konzepte in diesem Sinne auch handwerklichen Lebensmittelunternehmen helfen werden, wird davon abhängen, wie die nationalen HACCP-Leitlinien ausgestaltet werden. Wird zuviel Wert auf Dokumentation und umfangreiche Checklisten gelegt, kann dieses Instrument leicht die Kosten nach oben treiben, ohne den Sicherheitsstandard zu erhöhen. |
4.4 |
Mit dem HACCP-Konzept verbunden sind mikrobielle Kontrollen, deren Kriterien und Umfang erst noch festgelegt werden müssen (Artikel 4). Die Ausgestaltung der neuen Verordnung über mikrobielle Kriterien wird einen entscheidenden Einfluss auf die Kosten der Eigenkontrollen haben. Sie wird für die künftige Wettbewerbsfähigkeit kleiner Lebensmittelunternehmen mitentscheidend sein, da diese die Kosten auf beispielsweise weitaus geringere Verarbeitungs- und Verkaufsmengen umzulegen haben als große Lebensmittelunternehmen. Zu begrüßen ist daher die vorgesehene Regelung, dass die Kontrollfrequenz für Hackfleisch bei kleineren Schlacht- und Zerlegeunternehmen bzw. Metzgereien der erzeugten Menge angepasst werden kann. Alle anderen Unternehmen müssen einmal wöchentlich Proben nehmen. |
Verordnung 853/2004: Risiken der Flexibilisierung am Beispiel Milchverarbeitung:
4.5 |
Durch die Flexibilisierung erhalten nicht nur die Mitgliedstaaten selbst, sondern insbesondere die für die Zulassung von Lebensmittelunternehmen zuständigen regionalen Veterinärbehörden große Ermessensspielräume. Es gibt bereits heute große Unterschiede in der Umsetzung der Hygienevorschriften, insbesondere in von den Veterinären als riskant eingestuften Bereichen, wie z.B. der handwerklichen Schlachtung von Geflügel, Hofkäsereien und der Erzeugung von Rohmilchprodukten. |
4.6 |
In vielen Mitgliedstaaten der EU spielt mittlerweile die Weiterverarbeitung von Milch zu Käse in den landwirtschaftlichen Betrieben eine wichtige Rolle bei der Sicherung von Existenzen. Regionale Erfahrungen in Polen vor und nach dem Beitritt zur EU zeigen, dass die Veterinärbehörden den Aufbau von Hofkäsereien — mit dem Hinweis auf angebliche „Vorgaben der EU“ — zunächst verboten haben. Es zeigte sich, dass sie im Umgang mit diesen „neuen“ Ideen völlig ungeschult waren und zunächst auf „Nummer sicher“ gehen wollten: Was nicht existiert, kann auch keine (Hygiene-)Probleme bereiten. Klar ist allerdings, dass nicht die EU, sondern die nationalen und regionalen Behörden selbst entsprechende Verantwortung tragen. |
4.7 |
Viele in den alten EU-Rechtsvorschriften noch detailliert festgelegte Vorschriften für die Milchverarbeitung fallen jetzt weg. Die neue Verordnung bietet gerade kleinen und handwerklichen Lebensmittelunternehmen neue Chancen. Sie können sich sog. „alternative Verfahren“ anerkennen lassen. Allerdings werden diese von der Verordnung nicht konkret definiert. |
4.8 |
Es besteht daher die durchaus gerechtfertigte Befürchtung, dass einige Mitgliedstaaten auf dem Wege der nationalen Anwendung („application“) versuchen werden, eine wesentlich „engere“ und für kleine Lebensmittelunternehmen ungünstigere, als von der Gemeinschaft beabsichtigte, Auslegung der Verordnungen durchzusetzen. |
4.9 |
Beispiel 1: Für Deutschland liegen erste Entwürfe einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (Zulassungsverfahren gemäß Artikel 31 Verordnung 882/2004) vor. Diese fordert — wie bereits in der Vergangenheit — eine Typenprüfung für die Zulassung von Pasteurisierungsanlagen und Reinigungszentrifugen. Unternehmer, die andere Geräte oder Verfahren benützen, tragen die Beweislast und die Kosten für die Erstellung eigener Gutachten. |
4.10 |
Beispiel 2: In den osteuropäischen Mitgliedstaaten wie Tschechien, Polen, Slowenien und aus den baltischen Staaten sind im Zuge der Anpassung der nationalen Gesetze an den „aquis communautaire“ ähnliche Prozesse abgelaufen wie nach der deutschen Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern. Nicht allein ökonomische Probleme haben einen massiven Strukturwandel bei Molkereien und Schlachthöfen und einen entsprechenden Arbeitsplatzabbau erwirkt, auch die Interessen der großen Verarbeiter an einer Verbesserung der Auslastung ihrer Betriebe bestimmten oftmals die Zulassungspraxis mit. |
4.11 |
Die Gemeinschaft wird daher aufgefordert, auf die Einhaltung des lauteren Wettbewerbs in den einzelnen Mitgliedstaaten in dem Sinne zu achten, dass die für traditionelle und regionale Qualitätserzeugnisse eingeräumten Auslegungsspielräume von den Behörden auch für die örtlichen kleinen Lebensmittelunternehmen nutzbar gemacht werden. |
Verordnung 853/2004: Hemmnisse für kleine Lebensmittelunternehmen im Fleischbereich
4.12 |
Die Verordnung 853/2004 enthält einige klar definierte Vorgaben, die weit über die bisher gültigen Vorgaben für kleine Lebensmittelunternehmen im Fleischbereich hinausgehen und sich negativ auf die Kostenentwicklung und damit auf die kleinen Lebensmittelunternehmen auswirken werden. Die wichtigsten sind: |
4.13 |
Nach der neuen Verordnung müssen alle Schlachtunternehmen Stallungen vorweisen (5). Dies würde auch das Fleischerhandwerk betreffen, auch wenn in kleinen Schlachtunternehmen sich die Tiere nicht lange aufhalten und insgesamt nur wenige Tiere pro Woche geschlachtet werden. Diese Vorschrift zwingt im Prinzip kleine Unternehmen zu erheblichen Investitionen, ohne dass ein Hygienevorteil erkennbar wäre. Zu begrüßen ist daher, dass die revidierte Fassung der Leitlinien SANCO/1514/2005 dieses Problem nun aufgreift. Punkt 5.2. betont, dass kleine Schlachtunternehmen nicht dazu verpflichtet werden sollen, ausgefeilte Infrastrukturen (sophisticated or extensiv infrastructures) bzw. Tränk- und Fütterungseinrichtungen vorhalten zu müssen. |
4.14 |
Für Schlachtung und Zerlegung müssen getrennte Räume vorgehalten werden. Bei einer zeitlichen Trennung dieser Vorgänge könnten, ohne den Sicherheitsstatus zu beeinträchtigen, auch gleiche Räume für diese Tätigkeiten genommen werden. Hinzu kommt, dass bei einer zeitlichen Trennung die Räumlichkeiten ausreichend Zeit haben, abzutrocknen. Dies verbessert den Hygienestatus. Zugleich erspart es kleinen Lebensmittelunternehmen Investitionen. Der Verzicht auf einen zweiten Raum bei ausreichend zeitlicher Trennung von Schlachtung und Zerlegung und bei entsprechenden Reinigungsmaßnahmen sollte daher in eine überarbeitete Fassung der Leitlinien aufgenommen werden. |
4.15 |
Neu ist, dass künftig auch kleine handwerkliche Betriebe, die bisher den Status des „registrierten Betriebes“ hatten, nun in den Zerlegeräumen eine Temperatur von 12 Grad Celsius einhalten oder „alternative Verfahren“ eingesetzt werden müssen. Abgesehen davon, dass ein Arbeiten bei 12 Grad Celsius nicht unproblematisch ist, entstehen für kleine Unternehmen zusätzliche Investitions- und Kühlkosten (6). Dabei wäre es durchaus ausreichend, das zu zerlegende Fleisch portionsweise aus dem Kühlraum zu entnehmen. |
4.16 |
Besonders problematisch sind die neuen Temperatur- und Kontrollvorschriften für Hackfleisch der Verordnung (EG) 853/2004, da Hackfleisch auch für Kleinstbetriebe und kleine Fleischverarbeiter eine große ökonomische Bedeutung hat. Zumindest in Deutschland hatten diese Betriebe bisher den Status von „nur“„registrierten Betrieben“ und sie mussten daher die nationalen Hackfleischvorschriften mit einer geforderten Temperatur von 4 grad Celsius einhalten. Da es künftig nur noch EU-zugelassene Betriebe geben wird, müssen auch die handwerklichen Fleischverarbeitungsbetriebe die hohen Temperaturanforderungen (2 Grad Celsius) der neuen Verordnung einhalten (7). Solange Betriebe Hackfleisch frisch herstellen und nur am Tag der Herstellung verkaufen (das verlangten die alten Vorschriften), resultiert aus tieferen Temperaturen kein Hygienevorteil. Da die alten Anlagen nicht einfach auf geringere Temperaturen umgestellt werden können und zusätzlich Abtaueinrichtungen erforderlich sind, müssen die Betriebe in neue Kühlanlagen investieren. Problematisch für die Wettbewerbsstellung der handwerklichen Betriebe ist, dass die neue Verordnung die Herstellung von Hackfleisch aus gefrorenem Fleisch erlaubt. Dies begünstigt weiteres Preisdumping. |
4.17 |
Neu ist auch, dass handwerkliche Fleischunternehmen zu mikrobiellen Kontrollen bei Hackfleisch verpflichtet werden, auch wenn diese das Hackfleisch unmittelbar am Tag der Herstellung verkaufen oder schockfrosten (8). Dies führt zu einer erheblichen Kostenbelastung ohne erkennbaren Vorteil für die Hygiene. Offen ist, welche Kontrollfrequenz hier verlangt werden wird. Der Verordnungsentwurf sieht lediglich vor, dass bei kleinen Unternehmen auf eine wöchentliche Beprobung verzichtet werden kann (siehe nachfolgende Ziffern 4.18 — 4.20). |
Verordnung über mikrobielle Kriterien
4.18 |
Für die künftige Wettbewerbsstellung von kleinen Lebensmittelunternehmen wird die Ausgestaltung der in Arbeit befindlichen Verordnung über mikrobielle Kriterien von besonderer Bedeutung sein. Der Umfang der Probennahmen und des Probenumfangs sind in einen sinnvollen Bezug zum betrieblichen Produktionsumfang zu setzen und haben zugleich noch eine statistische Aussagekraft sicherzustellen. |
4.19 |
Bislang mussten die Schlachtunternehmen an Schlachtkörpern einmal jährlich mikrobielle Untersuchungen auf Gesamtkeimzahl und Verderbniserreger (Enterobacteriaceae) und 10 mal pro Jahr entsprechende Untersuchungen an Einrichtungsgegenständen sowie Wänden etc. vornehmen lassen. Die beabsichtigte Erhöhung der Probenahmefrequenz wird für kleine Unternehmen zu einer bedeutend höheren zusätzlichen Kostenbelastung führen. (zu Hackfleisch siehe Ziffer 4.16). |
4.20 |
Hinzu kommt, dass sich angesichts geringer Produktionsmengen nicht nur statistische, sondern auch bezüglich der für die Probe zu entnehmenden Menge, Probleme ergeben. Darauf hat die CGAD (Conféderation Générale de l'Alimentation en Détail), die französische Berufsorganisation des Nahrungsmittelhandwerks und der Einzelhändler, hingewiesen. Würde der vorgesehene Probeumfang beibehalten, so die CGAD, bliebe in bestimmten Fällen keine Ware mehr für den Verkauf übrig, von den dabei entstehenden Kosten ganz zu schweigen. |
5. Schlussfolgerungen
5.1 |
Der EWSA begrüßt die Flexibilität der neuen Verordnungen. Sie räumen traditionellen und/oder handwerklichen und regionalen Lebensmittelunternehmen neue Chancen ein. |
5.2 |
Der EWSA gibt jedoch zu bedenken, dass diese Spielräume zugleich mit Risiken für die handwerklichen Lebensmittelunternehmen verbunden sind, da sowohl die Nationalstaaten als auch die lokalen Behörden die Vorschriften möglicherweise zuungunsten dieser Unternehmen auslegen können. Erfahrungen mit der Umsetzung von EU-Richtlinien weisen in diese Richtung. Den Unternehmen sollte es grundsätzlich offen stehen, wie sie die formulierten Hygieneziele erreichen. Dies betonen auch die Leitlinien SANCO 1513/2005 REV 1 vom 8. September in Punkt 4. Die Kommission muss daher Sorge dafür tragen, dass die Leitlinien entsprechend in den Mitgliedsstaaten kommuniziert werden. |
5.3 |
In einigen Punkten sieht der EWSA konkreten Änderungsbedarf bei den Verordnungen: |
5.3.1 |
Handwerkliche Einzeltierschlachtung sollte eine grundsätzliche Anerkennung als „traditionelles Verfahren“ erhalten. Dies bezieht sich auf alle nationalen Änderungsanträge auf der Basis der Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EG) 852/2004, Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung (EG) 853/2004 und Artikel 17 Absatz 4 der Verordnung (EG) 854/2004. |
5.3.2 |
Die Räumlichkeiten des Einzelhandels, die zur Zubereitung und/oder Zerlegung großer Mengen von Lebensmitteln tierischen Ursprungs genutzt werden, um diese wiederum an andere Einzelhändler abzugeben, sollten ohne Ausnahme in den Geltungsbereich der Verordnung 853/2004 einbezogen werden (9). |
5.3.3 |
Bezüglich der baulichen Ausstattung (Anhang III der Verordnung (EG) 853/2004) sollten die Empfehlungen von SANCO 1514 Punkt 5.2 beachtet werden, dass selbstschlachtende, handwerkliche Betriebe nicht unbedingt Stallungen vorweisen müssen und Futter- und Tränkeinrichtungen auch einfacher Natur sein können. |
5.3.4 |
Bei einer nachweislich zeitlichen Trennung von Schlachtung und Zerlegung sollte auf den zweiten Arbeitsraum verzichtet werden dürfen (Kapitel II Absatz 2 c). |
5.3.5 |
Auf eine Temperaturfestlegung zur Kühlung der Zerlegeräume soll verzichtet werden, wenn das Fleisch, wie in handwerklichen Betrieben üblich, portionsweise aus dem Kühlhaus entnommen und zerlegt wird. |
5.3.6 |
Bezüglich der Temperaturvorschriften sollte für handwerkliche Fleischverarbeiter auf die Forderung nach einer Kühlung des Hackfleischs auf 2 Grad Celsius (Abschnitt V, Kapitel III, Absatz 2 c) verzichtet und die „alte deutsche Regelung für registrierte Betriebe“ übernommen werden (4 Grad Celsius bei täglich frischer Zubereitung und Verkauf nur am Tag der Zubereitung). Des Weiteren sollte die Frequenz mikrobieller Untersuchungen bei Hackfleisch in Betrieben, die dieses in geringem Umfang herstellen und auch entweder am Tag der Herstellung schockfrosten oder verkaufen, auf die Menge tatsächlich erzeugten Hackfleisches abgestellt werden (Verordnung (EG) 852/2004 Kapitel II, Artikel 4, Absatz 3 a). |
5.3.7 |
Der EWSA regt darüber hinaus die Erarbeitung einer vergleichenden Studie an, um die Umsetzung der Verordnung in verschiedenen, bezogen auf die handwerklichen Lebensmittelunternehmen strukturell unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu analysieren und darauf bezogene Vorschläge zur Verbesserung der Wettbewerbsstellung der handwerklichen Lebensmittelunternehmen zu entwickeln. Insbesondere sollte auch die Verfügbarkeit von Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen für kleine Lebensmittelunternehmen überprüft werden. Auch sollten die Verbreitungssysteme für die Leitfäden der Kommission überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Kleinunternehmen über die ihnen zugestandenen Flexibilisierungen ausreichend informiert werden. |
Brüssel, den 15. Dezember 2005
Die Präsidentin
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Anne-Marie SIGMUND
(2) HACCP = Hazard Analysis Critical Control Points.
(3) ABl. C 155 vom 29.5.2001, S. 39.
(4) In Deutschland wird immer noch 45 % des finanziellen Umsatzes mit Fleischwaren über das Fleischerhandwerk getätigt. Gemessen am Umsatz nach Gewicht ist die Bedeutung etwas geringer, da im Fleischerhandwerk ein etwas höheres Preisniveau zu verzeichnen ist, das u.a. durch höhere Rohstoff- und Lohnkosten verursacht wird.
(5) Anhang III, Abschnitt I, Kapitel II Absatz 1 a sowie Absatz 2 c.
(6) Anhang III, Abschnitt I, Kapitel V Absatz 2 a.
(7) Anhang III, Abschnitt V, Kapitel III Absatz 2 c.
(8) Verordnung (EG) 852/2004 Kapitel II, Artikel 4 Absatz 3 a.
(9) Siehe auch Stellungnahme des WSA vom 28. März 2001 (ABl. C 155/39).