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Document 52008AE1003
Opinion of the European Economic and Social Committee on EU-Serbia relations: the role of civil society
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Beziehungen EU/Serbien: die Rolle der Zivilgesellschaft
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Beziehungen EU/Serbien: die Rolle der Zivilgesellschaft
ABl. C 224 vom 30.8.2008, p. 130–136
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
30.8.2008 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 224/130 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beziehungen EU/Serbien: die Rolle der Zivilgesellschaft“
(2008/C 224/29)
Mit Schreiben vom 18. Juli 2007 ersuchten die Kommissionsmitglieder WALLSTRÖM und REHN den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zum Thema
„Beziehungen EU/Serbien: die Rolle der Zivilgesellschaft“.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 5. Mai 2008 an. Berichterstatter war Herr KALLIO.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 445. Plenartagung am 28./29. Mai 2008 (Sitzung vom 29. Mai) mit 74 gegen 9 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen der Stellungnahme
1.1 |
Empfehlungen an die Organe und Einrichtungen der EU
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1.2 |
Empfehlungen an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
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1.3 |
Empfehlungen an den serbischen Staat
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1.4 |
Empfehlungen an die Organisationen der Zivilgesellschaft in Serbien
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1.5 |
Empfehlungen an die Organisationen der serbischen und kosovarischen (3) Zivilgesellschaft
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2. Hintergrund der Stellungnahme
2.1 Die Ziele der EU im Westbalkan und in Serbien
Der Westbalkan ist ein wichtiges außenpolitisches Schwerpunktgebiet der EU. Das Hauptanliegen der EU im Westbalkan ist die Verbesserung von Stabilität und Wohlstand in der Region. Die Vorbereitung der Westbalkanländer auf die EU-Mitgliedschaft ist gleichermaßen ein wichtiges Ziel. Um es zu erreichen, wird das spezifische Instrument für Heranführungshilfe eingesetzt.
Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) wurde ins Leben gerufen, um den Ländern der Region auf dem Weg in die EU zu helfen. Die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) gilt als ein Meilenstein auf dem Weg zur EU-Vollmitgliedschaft. Bis Mai 2008 hatten fünf von sechs Ländern des Westbalkans ein SAA unterzeichnet. Während Kroatien bereits mit der EU Beitrittsverhandlungen führt, hat das Kandidatenland Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien noch keine Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Serbien hat sein SAA am 29. April 2008 in Luxemburg unterzeichnet. Die Verhandlungen mit Bosnien-Herzegowina sind abgeschlossen, das Abkommen wurde paraphiert, jedoch noch nicht unterzeichnet.
2.2 Die Lage und Rolle der organisierten Zivilgesellschaft in Serbien
2.2.1 Die besondere Rolle der NGO
Die Organisationen der Zivilgesellschaft und insbesondere die NGO haben eine wichtige Rolle beim Sturz des Milošević-Regimes gespielt, gelang es ihnen doch, einen bedeutenden Teil der Bevölkerung für den demokratischen Wandel zu mobilisieren. Seit 2000 vollzieht sich in den NGO ein Wandel: Programme, Ziele und Prioritäten dieser Organisationen werden neu definiert. Da sich die Republik Serbien in einer schwierigen Phase des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs befindet, kommt den NGO, insbesondere jenen, die sich mit der Demokratisierung und den Menschenrechten beschäftigen, im Prozess der Demokratisierung der serbischen Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu. Einen grundlegenden Beitrag leisteten einige NGO insbesondere während der vergangenen Präsidentschaftswahlen im Januar und Februar 2008. Darüber hinaus waren die NGO in bedeutendem Maße daran beteiligt, die europäischen Werte zu verbreiten und Serbien der EU näher zu bringen.
2.2.2 Die Notwendigkeit eines Dialogs mit der Zivilgesellschaft
Vor diesem Hintergrund sollte besonders auf die Notwendigkeit eines intensiven Dialogs zwischen den zivilgesellschaftlichen Organisationen und der serbischen Regierung hingewiesen werden. Es wurden zwar verschiedene Formen der Konsultation (4) zwischen der Regierung und zivilgesellschaftlichen Organisationen eingeführt, doch von einem systematischen zivilgesellschaftlichen Dialog kann in Serbien noch nicht die Rede sein. Der Aufbau eines solchen Dialogs läge indes im Interesse der gesamten serbischen Gesellschaft und der zivilgesellschaftlichen Organisationen im Besonderen, und auch im Interesse der EU, da eine lebensfähige und starke Zivilgesellschaft eine Voraussetzung für die erfolgreiche Integration in die EU ist.
3. Politische Entwicklungen in Serbien
3.1 Die gegenwärtige politische Lage
Seit dem Jahr 2000, als eine demokratische und proeuropäische Regierung das Regime des früheren Präsidenten Slobodan Milošević ablöste, musste Serbien den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbruch verkraften. Der schwierige wirtschaftliche Wandel, die Frage des endgültigen Status Kosovos (5) sowie die populistische Verwertung nationaler Vorurteile und Klischees durch bestimmte führende Politiker hat zur Radikalisierung der politischen Landschaft Serbiens beigetragen. Dies traf nicht nur auf die Opposition, sondern in gewissem Umfang auch auf die scheidende Regierung unter Premierminister Vojislav Koštunica zu. Der Anteil der Medien an diesem Prozess darf nicht vergessen werden, da die meisten Journalisten und Moderatoren bei weitem nicht unabhängig berichten. Bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen wurde der amtierende Präsident Boris Tadić wiedergewählt, der den gemäßigten Flügel der serbischen Politik vertritt. Dennoch führten die andauernde Instabilität der Regierungskoalition und Spannungen zwischen der Demokratischen Partei Serbiens von Vojislav Koštunica und der Demokratischen Partei von Boris Tadić, die nach der Erklärung der Unabhängigkeit Kosovos (5) im Februar 2008 eskalierten, zum Rücktritt von Ministerpräsident Koštunica. Am 11. Mai 2008 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt.
3.2 Die politischen Beziehungen zur EU, Russland und den Nachbarstaaten
Für die EU-Integration ist die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien, der Bedingungen für die Teilnahme am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) und der anderen von der EU festgelegten Bedingungen und Voraussetzungen erforderlich. Serbien hat zwar nicht alle diese Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt, bei den Verhandlungen mit der EU über das SAA und bei der Umsetzung der erforderlichen Reformen allerdings gute Verwaltungskapazitäten unter Beweis gestellt. Im November 2007 hat die EU das SAA mit Serbien paraphiert. Die Unterzeichnung des SAA wurde allerdings durch die fehlende Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) torpediert. Um Möglichkeiten schnellerer Fortschritte zu auszuloten, beschloss die EU, eine Task-Force einzusetzen. Des Weiteren forderte die Europäische Kommission Serbien auf, sein Engagement für engere Beziehungen zur EU zu bekräftigen (6). Die Zusammenarbeit mit dem IStGHJ ist nach wie vor — auch nach der Unterzeichnung des SAA — eine der wichtigsten Vorbedingungen für den Ausbau der Beziehungen EU-Serbien. Ein weiterer wichtiger Faktor für die künftige Gestaltung dieser Beziehungen ist die Frage, inwieweit es der serbischen Regierung gelingen wird, das Thema des endgültigen Status Kosovos (5) vom Prozess der europäischen Integration zu trennen.
Die Beziehungen zwischen Serbien und Russland werden immer enger. Grund dafür ist zum Teil die Kosovo (5) -Frage, in der die Russische Föderation die Position Serbiens kontinuierlich unterstützt hat. Auf der anderen Seite ist auch in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein Aufschwung festzustellen — der bemerkenswerteste Ausdruck dieser Entwicklung ist das zunehmende Interesse russischer Investoren an der serbischen Wirtschaft.
Die Beziehungen Serbiens zu seinen Nachbarstaaten können nicht als durchweg befriedigend bezeichnet werden, obwohl in den letzten Jahren gewisse Verbesserungen erzielt werden konnten. Die Beziehungen Serbiens zu den benachbarten EU-Staaten Bulgarien, Ungarn und Rumänien sind hingegen ausgezeichnet. Gleiches gilt für die Beziehungen zu Montenegro und zu der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien. Mit Kroatien verbindet Serbien ein gutes Verhältnis, wenngleich es immer noch ungelöste Fragen gibt, beispielsweise die Frage der Rückkehr von Flüchtlingen nach Kroatien. Die Beziehungen zu Bosnien und Herzegowina werden weitgehend durch die Sonderbeziehungen zwischen Serbien und der Republika Srpska bestimmt. Die größten Spannungen treten natürlich in den Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo (5) auf, insbesondere seit dessen Unabhängigkeitserklärung.
3.3 Die Rolle Serbiens bei der Stabilisierung und der Entwicklung im Balkanraum
Serbien ist ein bedeutendes Land auf dem Westbalkan und ein wichtiger Partner der EU in der Region. Aufgrund der Beteiligung der serbischen Führung und der serbischen Armee an allen Balkankriegen der 90er Jahre hat Serbien in der Region einen relativ schlechten Ruf. Der einzige Weg zur Verbesserung des Ansehens in der Region besteht in der Verbesserung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu allen Nachbarn und der aktiven Beteiligung an verschiedenen regionalen Initiativen mit der Unterstützung der EU.
4. Die wirtschaftliche Entwicklung in Serbien
4.1 Die gegenwärtige Lage der Wirtschaft in Serbien
Infolge der politischen und wirtschaftlichen Isolation — eine ursächliche Folge der Politik des Milošević-Regimes — verlangsamte sich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes über weite Strecken der 90er Jahre. Seit dem Jahr 2000 kann die Wirtschaft Serbiens jedoch als typische Wirtschaft im Übergang bezeichnet werden, die nachhaltig wächst (5,7 % im Jahr 2006 verglichen mit 6,2 % 2005). Der Anstieg des BIP wird durch einen Rückgang der Teuerungsrate begleitet, die 2007 auf 10 % fiel (7). Die unbestreitbaren wirtschaftlichen Vorzüge Serbiens sind das große Marktpotenzial des Landes, seine günstige geographische Lage, der zollfreie Zugang zu den Märkten Südosteuropas, der EU, Russlands und der USA sowie qualifizierte und geschulte Arbeitnehmer.
4.2 Der Privatisierungsprozess
Im Vergleich zum EU-Durchschnitt fällt der relativ kleine Anteil der Privatwirtschaft ins Auge. Auf sie entfallen nur 55 % der Gesamtproduktion und 60 % aller Arbeitsplätze (8). Dieser relativ kleine Anteil der Privatwirtschaft beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der serbischen Wirtschaft, und zwar insbesondere in der Produktion und bei den Dienstleistungen. Eine weitere Privatisierung und Umstrukturierung staatlicher Betriebe und öffentlicher Unternehmen ist daher für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Serbiens unabdingbar.
4.3 Die wichtigsten Wirtschaftszweige Serbiens
Die Hauptwirtschaftszweige Serbiens sind (in absteigender Bedeutung) der Dienstleistungssektor, die Industrie, die Landwirtschaft und die Bauwirtschaft. Den Angaben der Serbischen Investitions- und Exportförderungsagentur (SIEPA) zufolge sind die dynamischsten Wirtschaftszweige die Landwirtschaft, die IT-Branche, die Holzverarbeitungsindustrie, die Möbelherstellung, Energie, die Automobilindustrie, die Textilindustrie, Elektronik und die pharmazeutische Industrie (9).
4.4 Außenhandel
Die Europäische Union ist der größte Handelspartner Serbiens. Zu den zehn wichtigsten Exportpartnern Serbiens gehören sechs EU-Mitgliedstaaten. Der wichtigste Handelspartner Serbiens ist jedoch die benachbarte Republik Bosnien und Herzegowina. Größter Importpartner Serbiens ist Russland (10).
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit Serbiens mit seinen Nachbarn und die Handelsbeziehungen dürften von der Umsetzung des neuen Mitteleuropäischen Freihandelsabkommens profitieren, das von den Ländern des Westbalkans und der Republik Moldau 2006 unterzeichnet wurde. Die Schaffung einer Freihandelszone im Westbalkan war eine der Prioritäten im Heranführungsprozess.
4.5 Ausländische Direktinvestitionen und die größten Investoren in der serbischen Wirtschaft
Die investitionsfreundliche serbische Politik hat die Aufmerksamkeit zahlreicher ausländischer Investoren auf sich gezogen. 2006 verzeichnete Serbien das größte Gesamtvolumen ausländischer Direktinvestitionen in der Region (3,4 Mrd. EUR) (11). Die meisten Investitionen flossen in Finanzdienstleistungen, Handel, herstellendes Gewerbe, Immobilien, öffentliche Verwaltung und Verkehr. Unter den größten Investoren rangieren hauptsächlich die EU-Staaten, wobei Griechenland den ersten Platz belegt (12).
Trotz der Zunahme der Investitionen hat der serbische Markt immer noch ein großes Potenzial für eine weitere Entwicklung auf diesem Gebiet.
5. Die gegenwärtige Lage und die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft
5.1 Gemeinsame Probleme und Herausforderungen
Es können drei Hauptprobleme ausgemacht werden: steuerlicher Status, Stadt-Land-Gefälle sowie zunehmende Konkurrenz statt Kooperation.
Ein großes Problem ist die Tatsache, dass das serbische Steuerrecht nicht zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und gewinnorientierten Organisationen unterscheidet. Dementsprechend werden die Organisationen der Zivilgesellschaft wie Kleinunternehmen behandelt und müssen Spendengelder versteuern. Nur wenige von ihnen sind von MwSt-Pflichten befreit. Zudem bietet die derzeitige Steuerpolitik des serbischen Staates keinerlei Anreize oder Vergünstigungen für Spenden an zivilgesellschaftliche Organisationen.
Ein weiteres Problem liegt in der fortbestehenden Kluft zwischen Stadt und Land. Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen sind entweder in Belgrad oder zwei bis drei anderen Großstädten angesiedelt, während es auf dem Lande wenig Erfahrung mit ihnen gibt. Das führt dazu, dass die Zivilgesellschaft und die Tätigkeit ihrer Organisationen kaum in das Bewusstsein der Bevölkerung dringen.
Das dritte Problem besteht darin, dass zivilgesellschaftliche Organisationen zunehmend miteinander konkurrieren anstatt zu kooperieren, was zu Spannungen und zu einer Schwächung ihrer Position gegenüber den serbischen Behörden führt.
5.2 Zusammenarbeit mit serbischen Behörden: fehlender zivilgesellschaftlicher Dialog
Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen werden von der serbischen Regierung immer noch nicht als Partner gesehen, was insbesondere für diejenigen gilt, die sich vor allem mit bestimmten heiklen Fragen (z.B. Kriegsverbrechen, Massengräbern usw.) beschäftigen. Die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen mit der serbischen Regierung und mit Gebietskörperschaften wird ad hoc geregelt, da die Regierung offenbar kein Interesse an einer festen Partnerschaft mit diesen Organisationen hat. Das ist einerseits auf das Fehlen von Rechtsvorschriften zurückzuführen, welche das Verhältnis zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Regierung regeln, und anderseits auf den fehlenden politischen Willen, die Organisationen der Zivilgesellschaft enger in Konsultationen und in die Ausarbeitung ausgewählter Strategiedokumente einzubeziehen. Weiterhin muss betont werden, dass die serbische Regierung im Umgang mit zivilgesellschaftlichen Organisationen ziemlich selektiv vorgeht.
5.3 Die Sozialpartner
5.3.1 Der soziale Dialog
Obwohl ein wirksamer sozialer Dialog eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Umgestaltung der Wirtschaft bildet, ist die Rolle der Sozialpartner in der serbischen Gesellschaft nach wie vor relativ schwach ausgeprägt. Mit Inkrafttreten der neuen Arbeitsgesetzgebung im Jahre 2005 erlosch der allgemein gültige Tarifvertrag. Das trifft auch auf alle vor 2001 geschlossenen Branchentarifverträge zu. Eine weitere Umwälzung in Zusammenhang mit den neuen Rechtsbestimmungen ist, dass die Regierung nicht mehr am Abschluss des neuen allgemein gültigen Tarifvertrags beteiligt ist; sie spielt jedoch weiterhin eine aktive Rolle beim Abschluss gewisser branchenspezifischer und spezieller Tarifverträge. Die repräsentativen Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbände, die nun für die Aushandlung des neuen allgemeinen Tarifvertrags verantwortlich sind, konnten bislang noch zu keiner Einigung gelangen. Der Abschluss dieses neuen allgemein gültigen Tarifvertrags ist daher eine der wichtigsten Vorbedingungen für die Verbesserung des sozialen Dialogs in der serbischen Gesellschaft.
Der Wirtschafts- und Sozialrat der Republik Serbien wurde 2005 durch ein entsprechendes Gesetz ins Leben gerufen und ist die institutionelle Plattform für die trilateralen Verhandlungen. Allerdings hat dieser WSR mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen, was sich negativ auf seine Tätigkeiten ausgewirkt hat. An erster Stelle ist der Mangel an Mitteln zu nennen. Trotz der zunehmenden finanziellen Förderung aus dem Staatshaushalt wirkt sich der Finanzmangel negativ auf die Arbeit des Sekretariats aus und hindert den Rat daran, eine geeignete Anzahl von Arbeitsgruppen einzurichten und regelmäßig Veranstaltungen zu organisieren. Ein weiteres Problem ist die unregelmäßige Teilnahme der Vertreter der Sozialpartner an den Sitzungen des WSR, mit dem Ergebnis, dass Gesetzesentwürfe im Parlament ohne Beratung im WSR verabschiedet werden.
5.3.2 Die serbischen Arbeitgeberorganisationen
Der Serbische Arbeitgeberverband (UPS) ist die wichtigste nationale Interessenvertretung der Arbeitgeber. Im Gegensatz zu den Gewerkschaften pflegt der serbische Arbeitgeberverband eine gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Beschäftigung und Sozialpolitik. Er wirkt regelmäßig an den Aktivitäten des serbischen Wirtschafts- und Sozialrats mit. Ungeachtet dessen schwächt die Tatsache, dass die größten in Serbien tätigen Unternehmen keine Mitglieder im UPS sind, die Legitimität dieser Organisation im sozialen Dialog. Der UPS nimmt an der Arbeit des Arbeitgeberforums Südosteuropas und des Internationalen Arbeitgeberverbandes teil. Die internationale Dimension der Tätigkeit des UPS wird sich verstärken, da er einen Beobachterstatus bei BusinessEurope erhalten hat. Im Juni 2008 soll der UPS auch in den Unternehmerdachverband des Mittelmeerraums aufgenommen werden.
5.3.3 Die gegenwärtige Lage und die Rolle der Gewerkschaften
Der Gewerkschaftssektor ist sehr heterogen. Es gibt in Serbien alles in allem über 20 000 Gewerkschaften, und zwar auf allen Ebenen, vom Einzelunternehmen bis zur landesweiten Organisation. Die meisten gehören den beiden größten Gewerkschaftsverbänden Serbiens an, der Vereinigten unabhängigen Branchengewerkschaft Nezavisnost („Unabhängigkeit“) und der Gemeinschaft der unabhängigen Gewerkschaften Serbiens (SSSS). Es mangelt oft an gemeinsamen Aktionen. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die mangelnde Zusammenarbeit der einzelnen Gewerkschaften. Obwohl die Rolle der Gewerkschaften in Serbien als relativ schwach zu bezeichnen ist, zeigt ihre Teilnahme an Tarifverhandlungen im öffentlichen Sektor und in den öffentlichen Unternehmen, dass ihre Bedeutung für die Stärkung des sozialen Dialogs nicht übersehen werden darf. Was die internationalen Aktivitäten der serbischen Gewerkschaften anbelangt, sind sowohl Nezavisnost als auch SSSS Mitglieder im Internationalen Bund freier Gewerkschaften und nehmen am Balkanforum des Europäischen Gewerkschaftsbunds teil.
5.4 Die Situation innerhalb der Interessengruppen
5.4.1 Unbefriedigende rechtliche Rahmenbedingungen
Ungeachtet der Erklärungen, welche die verschiedenen serbischen Regierungen seit 2000 abgegeben haben, und ihrer Verpflichtungen, ein neues Gesetz über bürgerschaftliche Vereinigungen zu verabschieden, sind die Arbeit von gemeinnützigen Organisationen sowie deren Beziehungen zum serbischen Staat nach wie vor nicht gesetzlich geregelt. Der rechtliche Status zivilgesellschaftlicher Organisationen wird durch das Staatsgesetz über Vereinigungen der Bürgerschaft, soziale und politische Organisationen bestimmt, das bereits zur Zeit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien erlassen wurde, und durch das Gesetz der Republik (Serbien) über soziale Organisationen und bürgerschaftliche Vereinigungen aus dem Jahr 1982, das 1989 überarbeitet wurde (13).
Im Jahr 2006 nahm die serbische Regierung einen Gesetzesentwurf über zivilgesellschaftliche Vereinigungen an. Dieser Gesetzesentwurf, der mit den Standpunkten der Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisationen abgestimmt wurde, wartet noch auf seine Verabschiedung im Parlament. Er enthält Vereinfachungen im Hinblick auf das Verfahren zur behördlichen Eintragung zivilgesellschaftlicher Vereinigungen und sieht vor, dass zivilgesellschaftliche Organisationen Immobilien und andere Vermögenswerte erwerben und dazu Mitgliedsbeiträge, freiwillige Beiträge, Spenden und Schenkungen verwenden können. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass die zentralstaatliche Regierung und die Gebietskörperschaften den zivilgesellschaftlichen Organisationen Zuschüsse und Zuwendungen gewähren können. Das Gesetz über zivilgesellschaftliche Vereinigungen würde jedoch nicht alle Probleme hinsichtlich des rechtlichen und wirtschaftlichen Status zivilgesellschaftlicher Vereinigungen lösen. Dafür ist eine ganze Palette von zusätzlichen Gesetzesvorschriften notwendig.
5.4.2 Die Rolle und der Einfluss der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Bauern- und Verbraucherverbände
Die Vertreter der KMU und Bauernverbände leiden unter den gleichen Problemen wie die Gewerkschaften: kontraproduktive Zersplitterung und Konkurrenz untereinander. Dadurch können sie keine einflussreichen und starken Interessengruppen bilden. Aufgrund der weit verbreiteten Korruption haben einige Organisationen einen besseren Zugang zu den staatlichen Behörden als andere. Ein weiterer Faktor, der diese Interessengruppen teilt, ist ihre politische Affinität und ihr geografischer Standort. Verbraucherorganisationen gibt es zwar in geringerer Anzahl als KMU- oder Bauernverbände, sie haben jedoch im Großen und Ganzen ähnliche Probleme.
5.4.3 Die NGO in der serbischen Gesellschaft
Die regierungsunabhängigen Organisationen in Serbien erstarkten in der zweiten Hälfte der 90er Jahre nach dem Ende des Bosnien-Kriegs. Die NGO spielten beim Sturz des Milošević-Regimes im Jahr 2000 eine entscheidende Rolle, als sie die Bürger mobilisierten und an den Verhandlungen mit der Opposition gegen Milošević teilnahmen. Mit der Kampagne „Izlaz 2000“ (Exit 2000) setzten sich mehrere NGO erfolgreich für Wahlen ein und demonstrierten so die Bedeutung des NGO-Sektors für den Prozess des demokratischen Wandels.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die Stellung der NGO in der serbischen Gesellschaft geändert. Der NGO-Sektor durchläuft derzeit einen Prozess der Umgestaltung. Darüber hinaus legen einige NGO wegen des schleppenden Reformtempos, das hinter den im Jahr 2000 geweckten Erwartungen zurückbleibt, nur ein geringes Engagement an den Tag. Ein weiteres Problem ist die Uneinigkeit der NGO im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit der Regierung. Während einige Organisationen weiter in stetiger Opposition zur Regierung stehen, suchen andere nach Wegen für eine Zusammenarbeit mit ihr. Die Schwächung des NGO-Sektors hängt in gewissem Maße auch mit der Tatsache zusammen, dass einige führende Köpfe dieser Organisationen nach 2000 in die Politik gegangen sind. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass einige NGO ihre Tätigkeit zwar verstärkt haben, ein wesentlicher Teil von ihnen jedoch die Kriterien hinsichtlich einer größere Professionalität und Spezialisierung nicht erfüllt hat und mit großen Problemen zu kämpfen hatte. Als Beispiele für die positive Entwicklung können insbesondere die Umweltschutzorganisationen genannt werden.
Die wirtschaftlichen Probleme sind ausschlaggebend, da sie die grundsätzliche Lebensfähigkeit der NGO betreffen. Die Organisationen erhalten nur für eine begrenzte Zahl von Projekten und für einen beschränkten Zeitraum Finanzmittel, die zumeist von ausländischen Gebern stammen. Folglich können sich viele von ihnen nicht spezialisieren und müssen sich verschiedenster Projekte mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten annehmen. Das beeinträchtigt nicht nur ihre wahrgenommene Professionalität, sondern erschwert ihnen auch, die grundlegenden, ihre Existenz bedrohenden Probleme zu überwinden.
6. Die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisation im EU-Integrationsprozess
6.1 Die Organisationen der Zivilgesellschaft und der Prozess der europäischen Integration
Eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen in Serbien engagiert sich bereits an vorderster Front, um das öffentliche Bewusstsein für die Fragen der EU und die europäische Integration zu sensibilisieren. Durch öffentliche Informationsveranstaltungen und Seminare, die Verteilung von Informationsblättern und sonstigen Materialien über die EU und damit verbundene Themen leisten die Organisationen der Zivilgesellschaft insbesondere in ländlichen und weniger entwickelten Gebieten einen Beitrag zu der Informationskampagne über die EU. Obwohl die Ansichten der Organisationen der Zivilgesellschaft zuweilen auseinander gingen — etwa bezüglich der Hervorhebung der vollen Zusammenarbeit Serbiens mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien als eine der Vorbedingungen für die Wiederaufnahme der SAA-Verhandlungen im Frühjahr 2007 — vertraten sie doch während der Präsidentschaftswahlen im Januar und Februar 2008 einen gemeinsamen Standpunkt. Die überwiegende Mehrheit der zivilgesellschaftlichen Organisationen stimmte für die europäische Perspektive Serbiens und sorgte so für eine höhere Wahlbeteiligung.
Die engere Zusammenarbeit zwischen der Regierung und den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und anderen Interessengruppen würde daher zu einer besseren Vorbereitung der serbischen Bevölkerung auf einen EU-Beitritt führen. Ein stärkeres Engagement der zivilgesellschaftlichen Organisationen für einen substanziellen Dialog mit der Regierung setzt allerdings mehr Transparenz und die regelmäßige Übermittlung von relevanten Dokumenten und Informationen voraus.
6.2 Die Organisationen der Zivilgesellschaft in der regionalen Zusammenarbeit
Die Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit und gute Beziehungen mit den Nachbarländern sind eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in die EU. Die Organisationen der Zivilgesellschaft spielen bereits eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Beziehungen und der Überbrückung der Kluft zwischen den Ländern der Region. In diesem Zusammenhang kann die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Organisationen der serbischen und kroatischen Zivilgesellschaft als äußerst positives Beispiel angeführt werden. Durch die Verbesserung der Zusammenarbeit untereinander und durch gemeinsame Vorhaben werden die Organisationen der Zivilgesellschaft besser vorbereitet sein, um sich den regionalen Problemen zu stellen und diese zu bewältigen. Außerdem könnte eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Organisationen der Zivilgesellschaft auf Regionalebene ein Beispiel für die Politiker in der Region sein. Obwohl sich die Kontakte der Organisationen der Zivilgesellschaft von Jahr zu Jahr weiterentwickeln, ist die gegenwärtige Lage alles andere als befriedigend, was vor allem mit den fortbestehenden politischen Hindernissen und den knappen Finanzmitteln — und auch mit den spärlich fließenden EU-Geldern — zusammenhängt. Hier könnte die Unterstützung von regionalen Basisinitiativen eine Möglichkeit für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den zivilgesellschaftlichen Organisationen in dieser Region sein.
6.3 Die internationalen Tätigkeiten und Beziehungen der serbischen Zivilgesellschaft
Durch die Einbeziehung der Organisationen der serbischen Zivilgesellschaft in gemeinsame Projekte mit Partnerorganisation aus der Region und aus anderen Teilen der Welt können die persönlichen Kontakte verbessert und die während des Krieges unterbrochenen Beziehungen neu geknüpft werden. Im Hinblick auf dieses Ziel konnten auf vielen Gebieten gewisse Fortschritte verzeichnet werden. Zusammenarbeit und Vernetzung wurden insbesondere von den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich mit den Menschenrechten, dem Umweltschutz beschäftigen, sowie von Frauenverbänden entwickelt. Für eine stärkere Entwicklung der Zivilgesellschaft und ihrer Organisationen wird insbesondere auch auf die positiven Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen serbischen Vereinigungen und ihren Partnerorganisation aus den neuen EU-Mitgliedstaaten verwiesen.
Die Einbindung der Organisationen der Zivilgesellschaft in außenpolitische Aktivitäten darf nicht unterschätzt werden. Die intensivere Zusammenarbeit zwischen der offiziellen und der öffentlichen Diplomatie kann zur Aufwertung der serbischen Außenpolitik beitragen und den Prozess der europäischen Integration positiv beeinflussen.
Brüssel, den 29. Mai 2008
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Nach der Definition des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses umfasst der Begriff „Zivilgesellschaft“ Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie weitere Nichtregierungsorganisationen und Interessengruppen.
(2) Kosovo im Sinne der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats.
(3) Kosovo im Sinne der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats.
(4) Regelmäßige Konsultationen mit Organisationen der Zivilgesellschaft fanden in mehreren Bereichen — europäische Integration, Armutsbekämpfung oder Jugendpolitik — und seitens verschiedener Regierungsstellen und Behörden — Präsidialamt Serbiens, Serbisches Büro für Europäische Integration, Ministerium für Soziales und Beschäftigung, Serbische Handelskammer, Ständige Konferenz der Städte und Gemeinden — statt.
(5) Kosovo im Sinne der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats.
(6) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Westlicher Balkan: Stärkung der europäischen Perspektive, 5.3.2008, KOM(2008) 127 endg.
(7) Serbische Nationalbank, www.nbs.yu.
(8) Serbien/Fortschrittsbericht 2007 (englisch), Europäische Kommission, Brüssel, 6.11.2007, .SEK (2007) 1435.
(9) Serbische Investitions- und Exportförderungsagentur (SIEPA), www.siepa.sr.gov.yu.
(10) Statistisches Jahrbuch Serbiens 2006, www.webzrs.statserb.sr.gov.yu; Angaben der Europäischen Kommission www.ec.europa.eu/trade/issues/bilateral/data.htm.
(11) www.wiiw.at/e/serbia.html.
(12) Southeast Europe Investment Guide 2007, www.seeurope.net/files2/pdf/ig2007/Serbia-pdf.
(13) Zdenka Milivojević: „Civil Society in Serbia. Suppressed during the 1990s — gaining legitimacy and recognition after 2000. Civicus Civil Society Index Report for Serbia“, Belgrad, 2006.