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Document 52008IP0070

Timor-Leste
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Februar 2008 zu Timor-Leste

ABl. C 184E vom 6.8.2009, p. 101–104 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.8.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 184/101


Donnerstag, 21. Februar 2008
Timor-Leste

P6_TA(2008)0070

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Februar 2008 zu Timor-Leste

2009/C 184 E/16

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Timor-Leste,

unter Hinweis auf den Bericht des Sondergesandten des UN-Generalsekretärs an den Sicherheitsrat (5432. Sitzung),

unter Hinweis auf den Bericht der Wahlbeobachtungsdelegation des Europäischen Parlaments, die sich unter Leitung von Ana Gomes vom 27. Juni bis 2. Juli 2007 in der Demokratischen Republik Timor-Leste aufhielt,

unter Hinweis auf die Erklärung des portugiesischen Vorsitzes vom 5. Juli 2007 im Namen der Europäischen Union zu den Parlamentswahlen in Timor-Leste,

unter Hinweis auf die Erklärung vom 11. Februar 2008, in der der UN-Sicherheitsrat den Angriff auf den Präsidenten von Timor-Leste, José Ramos-Horta, verurteilt,

unter Hinweis auf die Erklärung von Javier Solana, Hoher Vertreter der Europäischen Union für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, vom 11. Februar 2008, in der die Mordversuche in Timor-Leste verurteilt werden,

gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die Entlassung von etwa 600 Soldaten in Timor-Leste im April 2006 als Reaktion auf ihre Beschwerden eine ernste Sicherheitskrise im Land heraufbeschworen hat, die durch eine bewaffnete Konfrontation zwischen den Streitkräften bzw. den Polizeikräften und den entlassenen Truppen gekennzeichnet war und in deren Verlauf die Polizeiarbeit unterbrochen wurde, Krawalle angezettelt und von Banden massenhaft Gewalttaten verübt wurden, bei denen Dutzende von Menschen getötet und viele weitere verwundet wurden und 150 000 Menschen aus ihren Häusern flohen, von denen die Hälfte immer noch in Flüchtlingslagern lebt,

B.

in der Erwägung, dass die Sicherheitskrise auch den Sturz der Regierung unter Premierminister Mari Alkatiri im Juni 2006 zur Folge hatte und zur Ernennung einer Übergangsregierung unter Führung von José Ramos Horta führte,

C.

in der Erwägung, dass der frühere Premierminister und Nobelpreisträger José Ramos Horta am 9. Mai 2007 zum Präsidenten von Timor-Leste gewählt wurde und der ehemalige Präsident Kay Rala Xanana Gusmão nach den Parlamentswahlen vom 30. Juni 2007 am 6. August 2007 Premierminister des Landes wurde, was die Hoffnung nährte, dass sich das Land endgültig stabilisieren würde und dass die demokratischen Institutionen gebührend geachtet würden,

D.

in der Erwägung, dass die politische Instabilität in Timor-Leste andauert, trotz der freien und friedlichen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen und eines stärkeren Engagements der internationalen Gemeinschaft unter Federführung der Vereinten Nationen, die auf die Appelle der Behörden von Timor-Leste reagierten,

E.

in der Erwägung, dass diese Instabilität zum Großteil darauf zurückzuführen ist, dass der Anführer der entlassenen Soldaten, Ex-Major Alfredo Reinado, der im Jahr 2006 aus dem Gefängnis ausbrach und seither flüchtig ist, den Rechtsstaat missachtete und gewaltbereite Jugendliche in der Hauptstadt zu Gewalttaten anstachelte,

F.

in der Erwägung, dass diese Rebellengruppen am 11. Februar 2008 den Präsidenten von Timor-Leste, José Ramos Horta, angeschossen und schwer verletzt haben, der sich in einem australischen Krankenhaus in kritischem Zustand befindet, und außerdem das Feuer auf den Premierminister Xanana Gusmão im Zuge separater, aber abgestimmter Angriffe gegen die Führung des Landes und die staatlichen Institutionen eröffneten,

G.

in der Erwägung, dass der vom Parlament des Landes ausgerufene Notstand noch in Kraft ist; in der Erwägung, dass die Regierung eine Verstärkung der 1600 Mann starken internationalen Friedenstruppe, die bereits in Timor-Leste stationiert ist, angefordert hat,

H.

in der Erwägung, dass diese gewalttätigen Angriffe gegen die staatlichen Institutionen und demokratisch gewählten Spitzenpolitiker von Timor-Leste eine Spätfolge der Krise vom April 2006 sind und deutlich machen, dass trotz der Bemühungen der nationalen Behörden, der Integrierten Mission der Vereinten Nationen in Timor-Leste (UNMIT) und der internationalen Truppen die nationale Sicherheit und die Rechtsstaatlichkeit in Timor-Leste immer noch nicht reibungslos funktionieren,

I.

in der Erwägung, dass glaubwürdige Beobachter darauf hingewiesen haben, dass die internationalen UN-Polizeikräfte oder andere internationale Truppen nicht rasch und angemessen auf die Angriffe vom 11. Februar 2008 reagiert haben, mit Ausnahme der wirksamen Intervention der republikanischen Nationalgarde Portugals, nachdem sie zum Handeln aufgefordert wurde,

J.

in der Erwägung, dass die Angriffe verübt wurden, nachdem Präsident Ramos Horta persönlich versucht hatte, eine Verhandlungslösung mit den Rebellen zu finden; in der Erwägung, dass die genaue Abfolge der Ereignisse immer noch unklar ist und dass die Rolle der nationalen und internationalen Sicherheitskräfte viele Fragen offen lässt,

K.

in der Erwägung, dass die Wirtschaft von Timor-Leste trotz der Öleinnahmen des Landes schwach ist und dass 40 % der Bevölkerung des Landes und 60 % der unter 18-Jährigen unterhalb der Armutsgrenze leben, dass die Arbeitslosigkeit mit etwa 80 % extrem hoch ist und auch die Analphabetenrate hoch ist, weshalb die sozialen Bedingungen instabil sind und es immer wahrscheinlicher wird, dass Unruhen ausbrechen,

L.

in der Erwägung, dass sowohl die Europäische Union als auch die Vereinten Nationen sich öffentlich verpflichtet haben, die Unabhängigkeit, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Timor-Leste zu unterstützen, was die Konsolidierung der staatlichen Institutionen, eine verantwortungsvolle Staatsführung, die ordnungsgemäße Verwendung staatlicher Mittel zur Bekämpfung der Armut und Arbeitslosigkeit und zur Förderung von Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit sowie ein beispielhaftes Verhalten seitens der Nachbarländer von Timor-Leste erfordert,

M.

in der Erwägung, dass Timor-Leste Vollmitglied der AKP-Staatengruppe ist und die Europäischen Union deshalb eine besondere Verantwortung trägt, zur Konsolidierung demokratischer Spielregeln beizutragen, indem sie seine Institutionen bei den umfassenden Bemühungen für den erforderlichen Kapazitätsaufbau unterstützt,

N.

in der Erwägung, dass den unveräußerlichen souveränen Rechten des Volks von Timor-Leste, insbesondere dem Recht auf Nutzung der natürlichen Ressourcen, Rechnung getragen werden muss,

1.

verurteilt aufs Schärfste die versuchte Ermordung von Präsident Ramos Horta und wünscht ihm vollständige Genesung und eine rasche Rückkehr ins Amt;

2.

verurteilt aufs Schärfste den gleichzeitig erfolgten Angriff auf Premierminister Xanana Gusmão, der zum Glück unverletzt entkam, und hofft, dass die Regierung es zusammen mit dem amtierenden Präsidenten der Republik und dem Parlament von Timor-Leste schafft, diese schwerwiegenden Bedrohungen für die Stabilität des Landes zu überwinden und zusammenzuarbeiten, um die Einhaltung von Recht und Ordnung und das normale Funktionieren demokratischer Institutionen gemäß der Verfassung zu gewährleisten;

3.

fordert alle Parteien in Timor-Leste eindringlich auf, auf Gewalt zu verzichten, in einen Dialog einzutreten und sich am demokratischen Prozess innerhalb des Rechts- und Verfassungsrahmens zu beteiligen und so zur Rückkehr zu sozialer und politischer Stabilität beizutragen;

4.

äußert seine Sorge angesichts der Tatsache, dass die Behörden von Timor-Leste, UNMIT und die internationalen Sicherheitskräfte in dem Bemühen, die nationale Aussöhnung zu fördern, eine zweideutige Haltung gegenüber denjenigen, die dafür zu Rechenschaft gezogen werden müssen, an den Tag gelegt haben, indem sie den Eindruck vermittelten, diese könnten womöglich straffrei ausgehen, was eine Missachtung der Rechtsstaatlichkeit darstellt;

5.

verurteilt alle, die in Timor-Leste die instabile Lage nach den Angriffen vom 11. Februar 2008 auszunutzen versuchen, und fordert alle Seiten eindringlich auf, die politischen Einrichtungen, die aus den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Jahr 2007 hervorgegangen sind, zu respektieren und umfassend mit ihnen zusammenzuarbeiten;

6.

fordert eine gründliche Untersuchung innerhalb des Verfassungs- und Rechtsrahmens der von Timor-Leste, mit Hilfe internationaler Zusammenarbeit und Unterstützung, durch die jedes Detail des versuchten Staatsstreichs und das Versagen des Sicherheitssystems dieses Landes in Bezug auf eine Anklage der Täter geklärt wird; begrüßt die Einleitung einer gemeinsamen Untersuchung der Angriffe durch die UN und die Polizeikräfte von Timor-Leste;

7.

fordert die wichtigsten politischen Kräfte in Timor-Leste, d. h. sowohl diejenigen, die an der Macht sind, als auch diejenigen in der Opposition auf, sich parteiübergreifend darum zu bemühen, dass eine nationale Einigung über wesentliche Fragen des Funktionierens staatlicher Stellen zustande kommt, beispielsweise was die Rolle der Streitkräfte und der Polizei und die Stärkung des Justizwesens betrifft; bietet den im Parlament von Timor-Leste vertretenen Parteien hierbei die Unterstützung des Europäischen Parlaments an;

8.

erinnert daran, dass die Rolle der internationalen Gemeinschaft, insbesondere der Vereinten Nationen und ihres Sicherheitsrats, für den Prozess der Konsolidierung des Staates Timor-Leste, für seine Unabhängigkeit und Souveränität sowie zur Stärkung der Demokratie in dieser jungen Nation von überragender Bedeutung ist;

9.

hält es für wichtig, dass die an Timor-Leste angrenzenden Länder stabile gesellschaftliche Verhältnisse und konsolidierte demokratische Institutionen im Land respektieren und unterstützen; erkennt an, dass Indonesien seit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Timor-Leste und der Beschlüsse Australiens und anderer, dem Land Hilfe zu leisten, eine positive Einstellung bewiesen hat;

10.

fordert den Rat und die Kommission auf, die Behörden von Timor-Leste und die UNMIT dringend aufzufordern, alle paramilitärischen Gruppen, bewaffneten Banden und bewaffneten Zivilisten zu verbieten, aufzulösen und zu entwaffnen, und bei allen offiziellen Treffen mit der UN und der Regierung von Timor-Leste — auf höchster Ebene — die Befürchtungen der Europäer zum Ausdruck zu bringen, was die Fähigkeit zur Gewährleistung der Sicherheit und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit betrifft;

11.

fordert die internationalen Institutionen auf, umfangreichere Mittel bereitzustellen, um die notwendige Reform des fragilen und politisierten Sicherheitssektors von Timor-Leste zu unterstützen, da dieser für einen uneingeschränkt funktionierenden demokratischen und sicheren Staat von wesentlicher Bedeutung ist, und zwar im Rahmen eines umfassenden Konsultationsprozesses und eines systematischen und umfassenden Ansatzes, wie in der Resolution 1704(2006) des UN-Sicherheitsrats und den darauf folgenden UN-Berichten empfohlen; fordert die Regierung von Timor-Leste auf, dieser Aufgabe hohe Priorität einzuräumen; fordert sie auf, auf die Sachkenntnis der UN-Abteilung Unterstützung des Sicherheitssektors zurückzugreifen, um nationale Konsultationen über die Reform des Sicherheitssektors durchzuführen; fordert den Rat, die Kommission und andere internationale Geberländer auf, einen Mechanismus zur besseren Koordinierung der Hilfe für den Sicherheitssektor einzurichten; fordert die UNMIT auf, die Abteilung Unterstützung des Sicherheitssektors personell und finanziell so auszustatten, dass sie beim Konsultationsprozess und bei der umfassenden Revision Hilfestellung leisten kann;

12.

empfiehlt, dass die Urteile und Anordnungen der Gerichte von den Behörden in Timor-Leste unverzüglich respektiert und umfassend durchgesetzt werden, erforderlichenfalls mit Hilfe der internationalen Truppen im Lande;

13.

fordert die staatlichen Institutionen von Timor-Leste und die UNMIT auf, der Rechtsstaatlichkeit Geltung zu verschaffen, die Straffreiheit bei Verbrechen zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass die internationalen Menschenrechtsstandards von allen in Timor-Leste eingehalten werden, besonders von der Polizei und den Streitkräften;

14.

bekräftigt erneut, dass Timor-Leste politische, technische und finanzielle Unterstützung beim Aufbau der Infrastruktur und der Verwaltungsstrukturen braucht, die wesentlich sind, wenn die Umsetzung seines Entwicklungsplans wieder aufgenommen werden soll, und dass die Wirtschaft des Landes angekurbelt werden muss und Arbeitsplätze geschaffen werden müssen; fordert die fortgesetzte Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft zur Bekämpfung der Armut in Timor-Leste und als Hilfestellung beim Wiederaufbau der physischen und administrativen Strukturen, die für seine wirtschaftliche Entwicklung notwendig sind;

15.

fordert die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Nachbarstaaten und die ASEAN-Länder auf, die für die Konsolidierung der Demokratie und einer demokratischen Kultur in Timor-Leste erforderliche Unterstützung aufzustocken, mit Schwerpunkt auf einem Mehrparteiensystem, Meinungsfreiheit und Aufbau von Institutionen — Parlament, Regierung, Rechtswesen, Sicherheits-, Verteidigungs- und Vollzugskräfte —, und Hilfestellung bei der dringend benötigten Ausweitung der Medienberichterstattung auf das gesamte Land sowie zur Stärkung der Bildungs- und Gesundheitsnetzwerke und der Infrastrukturen für Wohnungsbau, Abwasser und Wasserversorgung zu leisten;

16.

fordert die Kommission auf, die Einrichtung einer voll funktionsfähigen Delegation in Dili zu beschleunigen und zum Abschluss zu bringen;

17.

empfiehlt die Entsendung einer Ad-hoc-Delegation des Parlaments nach Timor-Leste zur Bewertung der politischen Situation, als Ausdruck der Solidarität mit den demokratischen Kräften und Institutionen und als neuerliches Angebot des EP, dem nationalen Parlament Hilfe für ein demokratisches Funktionieren zu leisten;

18.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament von Timor-Leste, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen der AKP-Staaten, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den Regierungen von Australien und Indonesien, dem Generalsekretär und dem Sekretariat von ASEAN, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für von Timor-Leste sowie dem UN-Sicherheitsrat zu übermitteln.


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