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Document 52010AE0645

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch — Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik“ KOM(2009) 163 endg.

ABl. C 18 vom 19.1.2011, p. 53–58 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

19.1.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 18/53


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch — Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik“

KOM(2009) 163 endg.

2011/C 18/09

Berichterstatterin: María Candelas SÁNCHEZ MIGUEL

Die Europäische Kommission beschloss am 22. April 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Grünbuch – Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik

KOM(2009) 163 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 25. März 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 462. Plenartagung am 28./29. April 2010 (Sitzung vom 28. April) mit 141 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die wichtigste Schlussfolgerung aus dem Grünbuch der Europäischen Kommission zur Reform der gemeinsamen Fischereipolitik lautet, dass es nicht gelungen ist, die bei der letzten GFP-Reform 2002 festgestellten Probleme in diesem Bereich zu lösen. Die vorgenommenen Änderungen haben in den Problembereichen Überkapazität der Fangflotten, Überfischung der Bestände und Rückgang der Fangmengen keine sichtbaren Auswirkungen gehabt. Die Kommission weist nachdrücklich darauf hin, dass durch den neuen Vorschlag das „Stückwerk und die kleinen Schritte“ der früheren Reformen nachgebessert werden soll.

1.2

Der EWSA empfiehlt, dass die jeweils getroffenen Maßnahmen der Sicherung der Beschäftigung und des territorialen Zusammenhalts dienen und dass die strategischen Ziele ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Säule wahren, wobei auf allen Stufen der Fischversorgungskette ein verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Verhalten garantiert und gefördert werden muss.

1.3

Zu den Aspekten, die bei der künftigen Reform der GFP stärkere Beachtung finden sollten und die in den Besonderen Bemerkungen dargelegt werden, gehören u.a.:

die Einführung einer differenzierten Fischereiregelung zum Schutz der handwerklichen Fischerei;

die Einführung von sozialen Maßnahmen, durch die die Arbeitsbedingungen der Fischer harmonisiert werden;

die Verbesserung der Bedingungen auf dem Markt und der Praktiken im Handel;

die Komplementarität mit der EU-Meeresschutzpolitik, wodurch auch die für die Fischereipolitik nutzbare Forschung ausgebaut und verbessert wird;

die vollständige Einbindung der GFP in die internationalen Organisationen (UNO, FAO).

2.   Rechtliche Rahmenbedingungen

2.1

Laut Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d AEUV hat „die Union ausschließliche Zuständigkeit […] [für die] Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik“. Bei der Festlegung der politischen Strategien, die sich aus der Konsultation mittels des Grünbuchs ergeben, sollten die Standpunkte der Mitgliedstaaten und der betroffenen Kreise berücksichtigt werden, denn so kann wirksam sichergestellt werden, dass alle Akteure an einem Strang ziehen und die festgelegten Vorschriften einhalten.

2.2

Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 hat die Kommission durch Aufstellung von Wiederauffüllungs- und Bewirtschaftungsplänen und Erlass von Verordnungen zur Kontrolle und Umsetzung schrittweise die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen in einigen Punkten verbessert. Sie hat des Weiteren Mitteilungen von großer Bedeutung vorgelegt, insbesondere die Mitteilung KOM(2007) 73 endg., die die Bewirtschaftungsinstrumente in der Fischerei, die auf Nutzungsrechten basieren, zum Gegenstand hat und in der versucht wird, die bestehenden nationalen Systeme zu analysieren und die Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Effizienz durch den Austausch bewährter Praktiken zu prüfen.

3.   Analyse und mögliche Antworten auf die im Grünbuch aufgeworfenen Fragen

3.1   Bewältigung der strukturellen Herausforderungen für die GFP

3.1.1   Überkapazitäten der Fangflotte: Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Wirtschaftlichkeit und nachhaltiger Bewirtschaftung

3.1.1.1

Der EWSA teilt bis zu einem gewissen Punkt die von der Kommission vorgenommene Beurteilung und erkennt an, dass es immer noch eine (insbesondere in Anbetracht des technischen Fortschritts) starke Tendenz zur Überkapazität der Fangflotten in Europa gibt, die bislang nicht umgekehrt werden konnte. Dennoch darf die zu negativ ausfallende Bilanz der Kommission nicht verallgemeinert und sollte dahingehend relativiert werden, dass einige Mitgliedstaaten ihre Fangflottenkapazität in unterschiedlichem Maße verringert haben. Auf jeden Fall sollten die vorliegenden Daten über die derzeitigen Fangflotten der Mitgliedstaaten erneut aktualisiert werden.

3.1.1.2

Der EWSA befürwortet die Einschränkung der Flottenkapazität durch Rechtsvorschriften und hält es für dringend erforderlich, die Bewirtschaftungs- und Kontrollmaßnahmen verbindlich vorzuschreiben und zu diesem Zweck Anpassungspläne aufzustellen, die von den Mitgliedstaaten und der EU kofinanziert werden. Dabei sollte einem Kapazitätsabbau Vorrang eingeräumt werden, der für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fangmöglichkeiten und ökologischen und sozialen Kriterien sorgt. Im Hinblick auf diese Ausgewogenheit sollten Anpassungen nach ökologischen und sozialen Kriterien Vorrang erhalten. Dabei ist vor allem an Schiffe zu denken, die nichtselektive oder umweltschädigende Fanggeräte verwenden, viel Energie verbrauchen oder trotz hoher Fangmengen nur wenige Arbeitsplätze bieten. Im Übrigen sollte der Gedanke eines einmaligen Verschrottungsfonds sorgfältig erwogen werden. Das Abwracken von Schiffen hat soziale Auswirkungen, die berücksichtigt werden müssen. Die Verschrottung von Schiffen endet häufig mit Arbeitsplatzverlusten, ohne dass den angestellten Fischern eine Alternative geboten würde. Der EWSA spricht sich nicht gegen den von der Kommission vorgeschlagenen befristeten Verschrottungsfonds aus, der durchaus sinnvoll wäre, soweit nicht nur die Schiffseigner, sondern auch die angestellten Fischer, deren Arbeitsplätze bedroht sind, davon profitieren würden. Der gemeinschaftliche Fonds sollte auch soziale Maßnahmen wie beispielsweise Beihilfen zur Ausbildung und Umschulung umfassen, um Beschäftigungseinbrüche zu vermeiden. Der EWSA unterstützt daher den Gedanken, dass der Sektor langfristig wirtschaftlich lebensfähig und von öffentlichen Subventionen unabhängig werden muss, die lediglich vorübergehend gewährt werden sollten, solange die strukturellen Schwierigkeiten des Sektors nicht behoben wurden.

3.1.1.3

Der EWSA anerkennt, dass der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente - wie beispielsweise übertragbarer Fangrechte - sinnvoll sein kann, um das Problem der Überkapazitäten der Fangflotten abzumildern. Der Ausschuss räumt zwar ein, dass durch diese Vorgehensweise die Kapazitäten in einigen Mitgliedstaaten und für bestimmte Fischereien reduziert werden konnten, fordert jedoch die Kommission auf zu belegen, dass eine derartige Maßnahme wirklich begründet ist, und angesichts der Gefahr einer Konzentration der Fangrechte bei einer kleinen Zahl von großen Unternehmen zum Nachteil kleinerer Fischereibetriebe ausführlicher darzulegen, welche Schutzmechanismen unerwünschte Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und die Raumordnung verhindern sollen.

3.1.2   Präzisierung der langfristigen Ziele

3.1.2.1

Der EWSA warnt davor, die strategischen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Fischerei unterschiedlich stark zu gewichten. Stattdessen sollte ein ausgewogener Ansatz gewählt werden, der auf lange Sicht dazu führt, dass dem wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Pfeiler der gleiche Stellenwert beigemessen wird. Der EWSA weist darauf hin, dass in dem Grünbuch, wie es bereits bei der Reform des Jahres 2002 der Fall war, der sozialen Dimension der künftigen GFP nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sie findet sich nicht ausdrücklich unter den grundlegenden strategischen Zielen.

3.1.2.2

Die stetige Erholung der Bestände und ihre Stabilisierung auf einem Niveau, das eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen zulässt, muss mit sozioökonomischen Folgenabschätzungen einhergehen, um eine finanzielle Unterstützung des Sektors zu ermöglichen, die auf Beschäftigung, Investitionen der Unternehmen in Innovation und Entwicklung sowie Berufsbildungsmaßnahmen gerichtet ist. Darüber hinaus muss den Fischern für die Zeit, in der sich die Fischbestände erholen sollen, ein angemessenes Einkommen zugesichert werden.

3.1.3   Neuausrichtung der Beschlussfassung

3.1.3.1

Der EWSA befürwortet vorbehaltlos die angestrebte Reform des Beschlussfassungsprozesses, um die Politik transparenter, effizienter und kostengünstiger zu machen. Es sollte unterschieden werden zwischen den grundlegenden Prinzipien und Zielen, die der Rat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament festlegt, und ihrer Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, die Kommission oder gegebenenfalls durch neue, dezentrale Beschlussfassungsorgane, die alle Beteiligte auf lokaler Ebene vertreten. Die Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durch eine dezentralisierte Beschlussfassung über technische Fragestellungen (Mikromanagement) scheint ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Da sich die gemeinsam genutzten Fischbestände und Ökosysteme über weite geografische Gebiete erstrecken, begrüßt der EWSA den Vorschlag, dass die Mitgliedstaaten durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Meeresregionen gemeinsam für die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze und Normen der GFP Sorge tragen.

3.1.3.2

Im Zuge des Beschlussfassungsprozesses muss darüber hinaus aus den Stellungnahmen der sich in ihrer Arbeit ergänzenden beratenden Organe, das heißt des Beratenden Ausschusses für Fischerei und Aquakultur (BAFA) und der beratenden Ausschüsse auf regionaler Ebene, optimaler Nutzen gezogen werden. Die Initiativen und Stellungnahmen des Ausschusses für den sektoralen Dialog im Bereich Seefischerei sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

3.1.4   Mehr Verantwortung für die Fischereiwirtschaft

3.1.4.1

Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Akteure in der Fischereiwirtschaft mehr Verantwortung übernehmen müssen, was in der Praxis darin zum Ausdruck kommen könnte, dass bei der Bewirtschaftung der Fischbestände übertragbare Fangrechte - je nach den örtlichen Gegebenheiten können dies individuelle oder kollektive Fangrechte sein - zugrunde gelegt werden, allerdings auch hier unter Berücksichtigung der Darlegungen in Ziffer 3.1.1.3.

3.1.5   Die Kultur der Rechtstreue stärken

3.1.5.1

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass die Datenerhebungssysteme zu Durchsetzungszwecken verbessert und finanziell unterstützt werden müssen. Der Fangsektor könnte in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle übernehmen (siehe Ziffer 3.1.4 weiter oben). Des Weiteren sollte die Anwendung der Kontrollmechanismen im Sinne der Effizienz durch die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Europäische Fischereiaufsichtsbehörde gemeinsam erfolgen, wobei möglichst viele Interessenträger einzubeziehen sind. Der Ausschuss spricht sich im Übrigen für eine Regelung aus, bei der der Zugang zu Gemeinschaftsmitteln an die tatsächliche Wahrnehmung von Kontrollaufgaben gekoppelt wird, wie bereits in einer früheren Stellungnahme dargelegt wurde (1).

3.2   Weitere Verbesserung des Fischereimanagements in der EU

3.2.1

Der EWSA nimmt die im Grünbuch angestellten Überlegungen zur weiteren Verbesserung des Fischereimanagements in der EU zur Kenntnis und möchte dazu folgende allgemeine Bemerkungen machen:

3.2.1.1

Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Fischbestände nur dann optimal genutzt werden können, wenn das Fischereimanagement bis 2015 mit dem Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags in Einklang gebracht wird. Danach sollte ein stärker auf die Erhaltung ausgerichtetes Bewirtschaftungsziel verfolgt werden, um die Gefahr eines Zusammenbruchs der Fischbestände zu verringern und eine höhere Rentabilität der Fischerei zu erzielen. Dies gilt auch für gemischte Fischereien, wo flexiblere Maßnahmen wirtschaftliche oder soziale Schäden verhindern sollen. Darüber hinaus spricht sich der Ausschuss dafür aus, die Praxis der Rückwürfe schrittweise völlig abzuschaffen.

3.2.1.2

Der EWSA möchte verhindern, dass die auf der Festsetzung von zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) und Fangquoten beruhende Bewirtschaftung der Fischbestände noch ein Mal übereilt in Frage gestellt wird. Trotz aller Schwächen ist dieses System nicht ohne Weiteres zu ersetzen. Alternativen wie eine auf der Kontrolle des Fischereiaufwandes oder der Einführung von Fangrechten basierende Bewirtschaftung können erst nach einer sorgfältigen sozioökonomischen Folgenabschätzung eingeführt werden, durch die nachgewiesen werden muss, dass die Änderung der Grundlagen für die Bewirtschaftung der Fischbestände gerechtfertigt ist.

3.2.1.3

Sollte die Reduzierung des Fischereiaufwandes darüber hinaus bedeuten, dass die Zahl der Tage, während derer ein Schiff auf See Fangtätigkeiten ausüben darf, beschränkt wird, so gibt der EWSA zu bedenken, dass die Einführung eines derartigen Systems inakzeptable Nachteile mit sich brächte. Die Fischer würden nämlich dann zeitweise einem zu hohen Arbeitsdruck ausgesetzt sein, der zu Übermüdung und in der Folge zu einem erhöhten Unfallrisiko führt.

3.2.1.4

Andererseits hegt der EWSA auch Bedenken hinsichtlich der Einführung von Fangrechten, wenn diese zu kommerziellen Zwecken verwendet werden, sind doch die Fischbestände grundsätzlich Eigentum der Gesellschaft als Ganzes. Die Übertragbarkeit der Fangrechte für ein oder mehrere Jahre könnte ins Auge gefasst werden, sofern das Prinzip der Quotenverwaltung durch die Behörden nicht erneut in Frage gestellt wird. Der Zugang zu den Ressourcen könnte je nach örtlichen Gegebenheiten nach ökologischen und sozialen Kriterien geregelt werden. Auf jeden Fall sollte die Übertragung von übertragbaren - individuellen oder kollektiven - Fangrechten weder unbefristet noch Gegenstand spekulativer Handelsgeschäfte sein.

3.2.1.5

So könnten die Fänge, die über die festgelegten Quoten hinausgehen, von den Quoten des folgenden Jahres abgezogen werden, und die Erlöse aus dem Verkauf dieser Fänge sollten anderen Fischern zugute kommen, die bereit sind, einen Teil ihrer eigenen Quoten abzutreten, damit auch der zuviel gefangene Fisch in die Berechnungen mit einfließt.

3.2.1.6

Der Grundsatz der relativen Stabilität muss nach Ansicht des EWSA eine der Grundfesten der GFP bleiben. Er müsste allerdings nach Ansicht des Ausschusses erneut aktualisiert werden, um den seit 1983 eingetretenen Veränderungen Rechnung zu tragen. In jedem Falle sollten mögliche Änderungen an diesem System stets Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten sein. Anhand sozialer oder ökologischer Kriterien könnte den lokalen und regionalen Fischern ein vorrangiger Zugang gewährt werden.

3.2.1.7

Die Integration der GFP in die integrierte Meerespolitik (IMP) sollte vorangetrieben werden. Der EWSA schlägt vor, dem Fischerei- und Aquakultursektor offiziell ein Anhörungsrecht bei der Meeresraumplanung einzuräumen und in der künftigen GFP Ausgleichsmaßnahmen für die Fischereiunternehmen und ihre Beschäftigten vorzusehen, die dabei Fangmöglichkeiten einbüßen. In erster Linie geht es darum, die Berufsausbildung, d.h. die Einrichtung integrierter Ausbildungsgänge, sowie die umfassende Kenntnis der Meeresumwelt zu fördern, um die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze voranzutreiben und Umschulungen innerhalb der maritimen Cluster möglich zu machen.

3.2.1.8

Es müssen mehr Mittel für die Forschung zur Verfügung gestellt werden, um die Kenntnisse über die Meeresumwelt zu verbessern. Gleichzeitig muss dem Wissen der Fischer ein höherer Stellenwert beigemessen werden.

3.2.1.9

In Bezug auf die finanzielle Unterstützung stellt der EWSA fest, dass die Ziele der GFP nicht erreicht wurden. Das Ziel der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit muss weiterverfolgt werden, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Organisation des Marktes grundlegend reformiert wird. Darüber hinaus sollten die öffentlichen Beihilfen dazu genutzt werden, um den Übergang zu einer nachhaltigen Fischfang- und Fischverarbeitungsindustrie in der EU zu fördern, wobei auch die sozioökonomischen Auswirkungen des Umstrukturierungsprozesses zu berücksichtigen sind. Schließlich befürwortet der EWSA auch eine enge Verzahnung zwischen der Gewährung von Gemeinschaftsmitteln und dem Erreichen der strategischen Zielsetzungen durch die Mitgliedstaaten.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Eine andere Fischereiregelung zum Schutz der handwerklichen Küstenfischerei?

4.1.1

Durch die handwerkliche Küstenfischerei entstehen sowohl direkt als auch indirekt zahlreiche Arbeitsplätze, und sie ist ein wichtiger Faktor für die planmäßige Gestaltung und Stärkung des sozialen und wirtschaftlichen Gefüges der Küstenregionen. Unter günstigen Bedingungen kann die Küstenfischerei zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der strukturellen Krise auf die von der Fischerei abhängigen Gemeinden beitragen. Daher befürwortet der EWSA den Vorschlag, für diesen Sektor einen differenzierten Ansatz zu verfolgen, wobei der Wettbewerb nicht verzerrt werden darf und die besonderen Gegebenheiten des Sektors zu berücksichtigen sind. Für die handwerkliche Küstenfischerei müssen der Zugang zu den Fanggründen, die Zwölfmeilenzone und weitere Rechte in angemessener Weise festgelegt und verteidigt werden. So sollte ihr ein bestimmter Anteil an den nationalen Fangquoten zustehen. Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass die Kriterien für die Definition dieser sehr heterogenen Art des Fischfangs (beispielsweise Fangmenge, Zeiten auf See, Abstand zur Küste, lokale Verbundenheit usw.) vorher festgelegt werden müssen, was auf geeigneter, d.h. lokaler, regionaler oder nationaler Ebene erfolgen sollte. Eine Definition der handwerklichen Küstenfischerei auf nationaler oder lokaler Ebene wäre nach Ansicht des Ausschusses geeigneter als eine einheitliche Definition auf Gemeinschaftsebene.

4.2   Keine Erneuerung der GFP ohne soziale Dimension

4.2.1

Der EWSA ist der Ansicht, dass die sozialen Aspekte der GFP im Grünbuch insgesamt gesehen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Kommission begnügt sich damit, ihrer tiefen Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass der Verlust von Arbeitsplätzen insbesondere im Fangsektor unvermeidbar ist. Es sei daran erinnert, dass die Zahl der Arbeitsplätze im Fangsektor in den letzten zehn Jahren um 30 % gesunken ist. Da jeder Arbeitsplatzverlust in diesem Teilsektor unweigerlich negative Folgen für die Beschäftigungslage an Land hat (in der verarbeitenden Industrie und in allen Branchen, die ihr vor- oder nachgelagert sind), ist die soziale Bilanz zwangsläufig besorgniserregend.

4.2.2

Eine Reform der GFP muss nach Ansicht des EWSA mit der Erarbeitung einer auf lange Sicht angelegten kohärenten Strategie einhergehen, durch die dem Sektor eine soziale Nachhaltigkeit garantiert wird. Der soziale Aspekt soll auf diese Weise fester Bestandteil aller Teilbereiche der GFP werden. Der EWSA stellt im Folgenden einige Lösungsansätze für die sozialen Probleme des Sektors vor:

Bis auf den heutigen Tag kann von einer systematischen gegenseitigen Anerkennung der Berufsqualifikationen in den EU-Mitgliedstaaten nicht die Rede sein. Die Kommission sollte darüber nachdenken, eine gemeinsame Basis für die Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen zu schaffen, wodurch die Mobilität der Arbeitnehmer erhöht und der Arbeitsschutz (Unfallrisiken) verstärkt werden könnten.

Die Fischerei gehört zu den weltweit gefährlichsten Berufen. Um eine echte Kultur der Risikoprävention zu schaffen, schlägt der EWSA vor, harmonisierte statistische Daten über Unfälle und deren Ursachen zu erheben, was bislang auf Gemeinschaftsebene nicht geschieht. Diese Datenbank würde als Grundlage für die Festlegung geeigneter rechtlicher Regelungen dienen, insbesondere für Schiffe mit einer Länge von weniger als 15 Metern, die von den geltenden Bestimmungen nicht erfasst werden. Darüber hinaus bedauert der EWSA, dass die Mitgliedstaaten kaum dazu angehalten werden, das Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-F) sowie das Protokoll zum Übereinkommen von Torremolinos über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen zu ratifizieren.

Was die Arbeitsbedingungen anbelangt, so weist der EWSA darauf hin, dass der Sektor unbedingt die nötige Aufwertung erfahren muss, indem für die Zahlung angemessener Löhne Sorge getragen wird. Das in einigen EU-Mitgliedstaaten bestehende System der Entlohnung mit Erfolgsbeteiligung (direkte Beteiligung der Fischer am Ertrag) hat sich bewährt. In der Tradition der Fischer ist dieses System ohnehin tief verwurzelt. Es bietet jedoch keine Garantie für regelmäßige Einkünfte in angemessener Höhe. Da ein Teil ihres Einkommens variabel ist, werden die Fischer in einigen EU-Mitgliedstaaten darüber hinaus als selbstständige Erwerbstätige betrachtet und von den Systemen der sozialen Sicherheit ausgeschlossen. Der EWSA fordert die Kommission daher auf, die Grundlagen für eine gemeinschaftliche Rahmenregelung zu schaffen, in der das Recht der Fischer auf eine angemessene und regelmäßige Entlohnung und auf einen wirksamen Sozialschutz festgeschrieben wird.

4.3   Die erforderliche Verbesserung des Marktes und der Geschäftspraktiken

4.3.1

Wie im Grünbuch unterstrichen wird, geht nur ein kleiner Teil des im Handel gezahlten Verbraucherpreises für Fisch an den Fangsektor. Die Organisation des Markes ist zum gegebenen Zeitpunkt nicht zufriedenstellend, und die Rentabilität des Sektors dementsprechend gering. Nach Ansicht des EWSA sollte in dieser Lage, die durch eine Fragmentierung des Sektors gekennzeichnet ist, Abhilfe geschaffen werden, denn einer zu großen Zahl an Fischereiunternehmen auf der einen Seite stehen einige wenige Einkaufszentralen gegenüber, die den Erzeugern die Preise diktieren können. Zusätzlich zu den erwähnten Funktionsstörungen mangelt es an politischem Willen, um die Transparenz und Rückverfolgbarkeit im Handel mit Fischereierzeugnissen zu verbessern. Der EWSA betont, wie wichtig die Einhaltung der Rechtsvorschriften und die Kontrolle der korrekten Kennzeichnung sämtlicher Fischerei- und Aquakulturprodukte aus der EU wie aus Drittstaaten ist, denn dadurch kann Verwirrung bei den Verbrauchern vermieden und gewährleistet werden, dass diese die für verantwortungsvolles Einkaufen nötigen Informationen erhalten. Schließlich fordert der EWSA, dass mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, um auf dem Land-, See- oder Luftweg eingeführte Tiefkühlprodukte sowie die Einhaltung der Kennzeichnungsvorschriften (gemäß der entsprechenden Verordnung) zu kontrollieren.

4.4   Umwelt und Forschung

4.4.1

Die GFP ist von anderen Politikbereichen abhängig, die einen bedeutenden Einfluss auf den Fischereisektor ausüben und in denen die angestrebten Ergebnisse ebenfalls nicht erreicht wurden. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 2008/56/EG, die in erster Linie darauf abzielt, einen gemeinschaftlichen Aktionsrahmen für die europäische Politik im Bereich der Meeresumwelt zu schaffen. Nicht nur die katastrophalen Ölverschmutzungen infolge von Tankerunglücken wie im Falle der Erika oder der Prestige machen ein gemeinsames Handeln erforderlich, sondern auch das Einleiten von Abwässern, die immer massivere Bebauung und weitere Eingriffe in den Küstenraum.

4.4.2

Auch der Klimawandel hat einen Einfluss auf die Meeresumwelt und kann eine Erwärmung oder Verschmutzung des Wassers oder die Änderung von Meeresströmungen verursachen. Dies wirkt sich auf die Erholung der Fischbestände aus und kann dazu führen, dass die Schonzeiten nicht die beabsichtigte Wirkung haben.

4.4.3

Die Umweltpolitik muss als gemeinschaftliche Querschnittspolitik in die GFP eingegliedert werden. Der EWSA hat wiederholt darauf hingewiesen, dass alle europäischen Politikbereiche integriert werden müssen. In dieser Hinsicht kann die GFP natürlich einen Beitrag zur Umsetzung eines integrierten Ansatzes zum Schutz der Meeresumwelt leisten.

4.4.4

Es ist sinnvoll, Indikatoren zur Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt festzulegen (2). Ihre Überwachung sollte auf internationaler Ebene erfolgen, und zwar durch die wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Europäischen Umweltagentur oder im Internationalen Rat für Meeresforschung.

4.4.5

Informationen sind für einen erfolgreichen Schutz der Meeresumwelt von ausschlaggebender Bedeutung. Daher ist es so wichtig, die auf nationaler Ebene erhobenen Daten zu analysieren. Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Forschung auf diesem Gebiet intensiviert werden muss, und unterstützt die Schaffung der notwendigen Instrumente, um die Beziehungen zwischen Wissenschaftlern, Fischern, zuständigen Behörden und der Union auszubauen. Von großer Bedeutung ist seines Erachtens auch die Mitteilung „Eine europäische Strategie für die Meeresforschung und die maritime Forschung (3), zu deren Umsetzung eine finanzielle Unterstützung erforderlich ist, da der Einsatz von Mitteln des Rahmenprogramms allein nicht ausreicht.

4.4.6

Darüber hinaus ist es wichtig, jungen Forschern Anreize für eine Tätigkeit auf diesem Gebiet zu bieten und einen Mechanismus zu schaffen, durch den bewährten Verfahrensweisen gebündelt werden. Diese können dann den zuständigen Behörden und vor allem den regionalen Fischereiorganisationen als Richtschnur dienen und von den einzelnen Meeresregionen je nach Nutzen für sie übernommen werden. Gegenwärtig werden von einigen Mitgliedstaaten große Anstrengungen unternommen, um nachhaltige Fischereipraktiken und Prozesse der Wiederherstellung der Meeresumwelt zu fördern.

4.5   Für eine verantwortungsvolle internationale Dimension der GFP

4.5.1

Die erneuerte GFP muss eine verantwortungsvolle und nachhaltige Fischerei fördern, auch über die Grenzen der Gemeinschaftsgewässer hinaus. Durch ihre aktive Beteiligung an den Beschlüssen der internationalen Organisationen (UNO, FAO) und der regionalen Fischereiorganisationen kommt der EU hier eine wichtige Rolle zu. Sie muss vor allem für eine wirksamere Kontrolle der Hochseefischerei und eine effizientere Bekämpfung der illegalen, unregulierten und ungemeldeten Fischerei (IUU-Fischerei) Sorge tragen.

4.5.2

Im Hinblick auf die regionalen Fischereiorganisationen hält es der EWSA für erforderlich, dass durch die GFP eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischerei im Bereich all dieser regionalen Organisationen gefördert wird, wobei der Einhaltung der Rechtsvorschriften, der Bewirtschaftung der Kapazitäten mit den verfügbaren Ressourcen und der Stärkung der Verwaltung und Kontrolle durch Aufstellung langfristiger Bewirtschaftungspläne und Strategien zur Erhaltung der Ökosysteme besondere Beachtung zu schenken ist.

4.5.3

Bezüglich der partnerschaftlichen Fischereiabkommen (PFA) spricht sich der EWSA dafür aus, die Partnerländer durch Finanzhilfen und technische Unterstützung in die Lage zu versetzen, eine nachhaltige Fischereipolitik zu gestalten und gleichzeitig die Überwachung und Kontrolle in den Gewässern der betroffenen Regionen auszubauen. Die Behörden der Partnerländer außerhalb der EU müssen in diesem Zusammenhang durch die wirksame Kontrolle der in den PFA festgelegten Zielsetzungen für die ordnungsgemäße Verwendung der vom europäischen Steuerzahler aufgebrachten Gelder verantwortlich gemacht werden. Der EWSA schlägt im Sinne einer korrekteren Verwendung der gewährten Gelder eine Zweckbindung der Hilfen vor, so dass sichergestellt wird, dass die Mittel auch tatsächlich zu dem Zweck, zu dem sie gewährt wurden, verwendet werden. Das würde dazu beitragen, die sozialen und Beschäftigungsbedingungen in den Partnerländern zu verbessern.

4.5.4

Der EWSA fordert eine Unterscheidung zwischen dem für den Zugang der Hochseeflotte gezahlten Preis, der von den Schiffseignern getragen wird und einen angemessenen Anteil am Wert des Fanges ausmacht, und der im Rahmen der partnerschaftlichen Fischereiabkommen gezahlten finanziellen Gegenleistung, die für die Entwicklungshilfe bestimmt ist. Letztere sollte der Bedeutung des Fischereisektors für die Linderung der Armut Rechnung tragen.

4.5.5

Der EWSA erhofft sich eine neue Struktur für die GFP, in der die soziale Dimension gebührend Berücksichtigung findet. Langfristig geht es darum, im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Entlohnung und den Zugang zur Aus- und Weiterbildung die Gleichstellung der Arbeitnehmer aus Drittstaaten mit jenen aus der EU zu erreichen. Des Weiteren spricht sich der EWSA dafür aus, dass bei der Anheuerung von Fischern aus Drittstaaten die gängigen Praktiken des sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungen zum Tragen kommen, um den Mannschaften auf diese Weise faire Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord europäischer Schiffe zu garantieren. Diese Forderung ist für den EWSA umso wichtiger, als es keine Mindestnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für die Entlohnung von Fischern gibt.

4.5.6

Der EWSA weist darauf hin, dass die Sozialklausel, die von den europäischen Sozialpartnern ausgehandelt wurde und Eingang in die PFA gefunden hat, einen Fortschritt für die Anerkennung der Rechte der örtlichen Arbeitnehmer und des tatsächlichen Wertes ihrer Arbeit darstellt, es allerdings ungewiss ist, ob sie auch wirklich greift. Auch sollte ihre Umsetzung überprüft werden. Daher spricht sich der EWSA dafür aus, die Rechtsgültigkeit dieser Klausel genauer zu definieren und zu stärken.

4.6   Die Entwicklung einer nachhaltigen Aquakultur

4.6.1

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass die Aquakultur als vollwertiger Pfeiler in die erneuerte GFP integriert werden sollte, damit ihre Produktion auf europäischer Ebene nicht länger stagniert. Erforderlich sind Maßnahmen zugunsten ihrer Wettbewerbsfähigkeit, damit sie wieder zu einem Bereich wird, der wirtschaftlich rentabel ist, gute Arbeitsplätze bietet und in dem die Bestimmungen zum Schutz der Meeresumwelt eingehalten werden, sei es im Hinblick auf die Wasserqualität, das Entweichen exotischer Arten oder die Nachhaltigkeit der Fischerei zur Produktion von Fischmehl und -öl usw. Darüber hinaus muss der Qualität der Aquakulturprodukte besondere Aufmerksamkeit gelten, wobei diese der Marktaufsicht unterliegen sollte. In jedem Fall sollte die Stellungnahme des EWSA zu diesem Thema berücksichtigt werden, die derzeit erarbeitet wird (NAT/445).

4.6.2

Nach Ansicht des EWSA muss das Ansehen der Aquakultur und der Fischerei sowie ihrer Verarbeitungserzeugnisse verbessert werden, weshalb der Ausschuss empfiehlt, Informations-, Bildungs- und Kommunikationskampagnen durchzuführen und diese in erster Linie auf die europäischen Verbraucher auszurichten.

Brüssel, den 28. April 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 277 vom 17.11.2009, S. 56.

(2)  ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 87-97.

(3)  KOM(2008) 534.


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