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Document 52010AE0646

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft für die Aquakultur — Neuer Schwung für die Strategie für die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur“ KOM(2009) 162 endg.

ABl. C 18 vom 19.1.2011, p. 59–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

19.1.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 18/59


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft für die Aquakultur — Neuer Schwung für die Strategie für die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur“

KOM(2009) 162 endg.

2011/C 18/10

Berichterstatter: José María ESPUNY MOYANO

Die Europäische Kommission beschloss 8. April 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft für die Aquakultur - Neuer Schwung für die Strategie für die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur“

KOM(2009) 162 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 25. März 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 462. Plenartagung am 28./29. April 2010 (Sitzung vom 28. April) mit 150 gegen 1 Stimme bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der EWSA bringt erneut die bereits in seiner Stellungnahme zur Aquakultur-Strategie von 2003 (1) vorgetragene Sorge zum Ausdruck, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Aquakultur von einem unangemessenen Rechtsrahmen eingeschränkt wird. Sie ist von diversen Regelungen unnötig betroffen, was die Entwicklung der Branche zusätzlich erschwert.

1.2   Daher begrüßt der EWSA die Mitteilung der Kommission, deren Veröffentlichung zum richtigen Zeitpunkt kommt.

1.3   Die europäische Aquakultur muss zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren, um der Nachfrage nach nahrhaften, gesunden und sicheren aquatischen Erzeugnissen entsprechen zu können. Eine gut entwickelte Aquakultur wird die sozioökonomische Entwicklung der Gebiete, in denen sie betrieben wird, fördern, die Zahl langfristiger und hochwertiger Arbeitsplätze erhöhen und zum Verbleib der Bevölkerung in dem Gebiet beitragen.

1.4   Der EWSA bekräftigt seine Überzeugung, dass der Binnenmarkt zu den wichtigsten Errungenschaften der EU zählt. Daher zeigt er sich besorgt hinsichtlich der uneinheitlichen und widersprüchlichen Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, u.a. in Bezug auf die Kennzeichnung aquatischer Erzeugnisse und die Auslegung der europäischen Rechtsvorschriften im Bereich des Umweltschutzes, wie z.B. des Natura-2000-Netzes oder der Wasserrahmenrichtlinie.

1.5   Angesichts der zunehmenden Verdichtung der Küstengebiete sollte nach Synergieeffekten zwischen miteinander kompatiblen Aktivitäten einschließlich des Umweltschutzes gesucht werden. Die gegenwärtige Stagnation der Aquakultur in der EU ist u.a. der Tatsache geschuldet, dass nur eine geringe Fläche für Aquakulturnutzung ausgewiesen wird. Der EWSA empfiehlt, die Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen und Konzessionen für Aquakulturfarmen zu verbessern und zu erleichtern. Ebenso sollten die Bearbeitungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden, um die Wartezeiten zu verkürzen.

1.6   Der EWSA bemängelt, dass die derzeitige Kennzeichnung aquatischer Erzeugnisse im Einzelhandel unzureichend ist, wodurch die Verbraucher nicht in der Lage sind, verantwortliche und bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. So ist es für die Verbraucher z.B. schwierig, aus der EU stammende aquatische Erzeugnisse von Importware oder auch frische von aufgetauter Tiefkühlware zu unterscheiden.

1.7   Der EWSA sieht mit Sorge, dass die importierten aquatischen Erzeugnisse nicht den Gesundheitsstandards der EU entsprechen. Besonders besorgniserregend sind die unterschiedlichen Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, die für die Lebensmittelsicherheit von wesentlicher Bedeutung ist. Der EWSA fragt sich außerdem, unter welchen sozialen und arbeitsrechtlichen Bedingungen die Importware erzeugt wird, etwa durch Kinderarbeit oder unter sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen.

1.8   In der Aquakultur werden hochwertige Nahrungsmittel durch Aufzucht im Wasser erzeugt; unter schlechten Umweltbedingungen oder in verschmutztem Wasser gelingt dies nicht. Daher muss sichergestellt werden, dass die Gewässer in der EU in gutem Zustand sind.

1.8.1   Der Umweltschutz gehört zu den Prioritäten der EU. Er sollte jedoch nicht der Entfaltung von Wirtschaftsaktivitäten entgegenstehen, die sich sehr wohl mit ihm vereinbaren lassen. Die Europäische Kommission muss sich darum bemühen, die wesentlichen Umweltschutznormen - insbesondere das Natura-2000-Netz - so zu erklären, dass ihr wechselseitiger Zusammenhang und ihre Vereinbarkeit mit der Aquakultur deutlich werden.

1.8.2   Der EWSA empfiehlt, die Kennzeichnung der Erzeugnisse aus Aquakultur mit Umweltsiegeln voranzutreiben, um das hohe Maß an Umweltverträglichkeit der Erzeugnisse aus ordnungsgemäß verwalteten und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Zuchtbetrieben zu bescheinigen und zu fördern.

1.9   Da die europäische Aquakultur eine innovative Branche ist, hält der EWSA die Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung im Bereich der Aquakultur für notwendig. Die jüngst eingerichtete Technologie- und Innovationsplattform der europäischen Aquakultur wird hierfür ein hervorragendes Sprungbrett sein.

1.10   Im Bereich der Tiergesundheit nimmt der EWSA die begrenzte Zahl zugelassener Arzneimittel für die Aquakultur mit Sorge zur Kenntnis.

2.   Wesentlicher Inhalt der Mitteilung der Kommission

2.1   In dieser Mitteilung werden die Ursachen der Stagnation untersucht, die in der europäischen Aquakultur festzustellen ist, und Wege aufgezeigt, um dieser neuen Schwung zu geben. Dazu hat die Kommission einen Vorschlag ausgearbeitet, der auf drei Achsen ruht: Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, Schaffung der Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wachstum und Verbesserung des Images und der Verwaltung dieses Wirtschaftszweiges.

2.2   Die Kommission will die Wettbewerbsfähigkeit der Aquakulturproduktion in der EU fördern, indem sie die Entwicklung einer konkurrenzfähigen, diversifizierten und innovationsstarken Aquakulturbranche unterstützt.

2.2.1   Die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur soll sich auf stützen. Dazu will die Kommission FuEuI-Initiativen und die Entwicklung der Forschungsinfrastruktur fördern und entsprechende Mittel bereitstellen.

2.2.2   Die Kommission strebt einen gleichberechtigten Wettbewerb um für die Aquakultur gegenüber anderen Aktivitäten an und schlägt vor, Synergien zwischen den verschiedenen Wirtschaftsaktivitäten zu ermitteln.

2.2.3   Die europäische Aquakulturbranche soll imstande sein, auf die zu reagieren, sich den Markterfordernissen anzupassen und mit den anderen Akteuren der Vermarktungskette gleichgestellt zu interagieren. Dazu wird die Kommission die Erfordernisse der Branche im Hinblick auf Erzeugerorganisationen, brancheninterne Beziehungen, Verbraucherinformation und Vermarktungsinstrumente prüfen.

2.2.4   In Bezug auf die soll die Aquakultur den damit verknüpften Wirtschaftszweigen Möglichkeiten der Expansion und des Exports bieten. In dieser Hinsicht wird die Kommission die ökologisch nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in Drittländern fördern.

2.3   Die Kommission will die Grundlagen für ein nachhaltiges Wachstum der Aquakultur unter Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus der natürlichen Umwelt schaffen. Die in der EU hergestellten oder in die EU importierten Nahrungsmittel aus Aquakultur werden hohen Schutzanforderungen in Bezug auf Verbrauchergesundheit und -sicherheit unterliegen. Die Union wird ein hohes Maß an Gesundheitsschutz und Wohlergehen der Tiere anstreben.

2.3.1   Die muss gewährleistet sein. In dieser Hinsicht wird die Kommission weiter den Akzent auf eine ökologisch nachhaltige Entwicklung der Aquakultur legen.

2.3.2   Umgekehrt muss der Aquakultur eine und eine hohe Wasserqualität geboten werden, damit die Gesundheit der Tiere und die Sicherheit der Erzeugnisse sichergestellt werden können, was insbesondere für Weichtiere gilt.

2.3.3   Für eine möglichst hohe Produktionsleistung und ein optimales Wachstum muss eine entstehen, die einwandfreie Tierhaltungsbedingungen bietet. Die Kommission wird die uneingeschränkte Umsetzung der Richtlinie 2006/88/EG (2) mit Gesundheitsvorschriften für Tiere in Aquakultur sicherstellen.

2.3.4   Der ist ein gemeinsames Anliegen der Verbraucher, der Gesetzgeber und der Erzeuger. Die Kommission wird Rat über die artgerechte Haltung von Fischen einholen und für ein artbezogenes Vorgehen plädieren.

2.3.5   Eines der Hauptprobleme der Aquakultur ist die . Die Kommission wird sich daher für die Umsetzung der Empfehlungen einsetzen, die die Arbeitsgruppe über die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln in ihrem Bericht 2007 formuliert hat.

2.3.6   Auch die Verfügbarkeit von ist nach wie vor von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung der Aquakultur. Die Kommission wird sich um eine bessere Verfügbarkeit der notwendigen Zusatzstoffe für Fischfutter bemühen und die Verordnung über tierische Nebenprodukte überarbeiten.

2.3.7   Die Kommission muss den sicherstellen und den anerkennen. Die Kommission wird weiterhin darauf achten, dass die Unbedenklichkeit dieser Art von Nahrungsmitteln, seien es EU- oder Importerzeugnisse, für den Verbraucher gewährleistet ist. Sie wird dabei ihr Vorgehen weiter auf wissenschaftliche Erkenntnisse und das Vorsorgeprinzip stützen. Darüber hinaus wird sie den gesundheitlichen Nutzen des Verzehrs von Fisch berücksichtigen.

2.4   Das Image der Branche und die Art ihrer Verwaltung müssen durch die Schaffung gemeinsamer Regeln auf EU-Ebene verbessert werden.

2.4.1   Es kommt darauf an, bei für die Entwicklung der Aquakultur bedeutsamen Entscheidungen Gleichheit unter den Wirtschaftsakteuren zu schaffen. Dies setzt eine bessere voraus. In diesem Sinne wird die Kommission Schritte unternehmen, um die Bekanntheit und Umsetzung ihrer umweltpolitischen Instrumente zu verbessern, insbesondere des Netzes Natura 2000, und dafür Sorge tragen, dass die EU-Vorschriften über Tiergesundheit und Verbraucherschutz ordnungsgemäß umgesetzt werden. Im Hinblick auf Drittländer wird sie darauf achten, dass dort gleichwertige Anforderungen gelten wie im EU-Recht.

2.4.2   Für die weitere Entwicklung der Aquakultur ist es wichtig, dass der insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe reduziert wird. Die Kommission wird ihre Politik der Vereinfachung des Rechtsvorschriften und der Reduzierung des Verwaltungsaufwands in der EU fortführen.

2.4.3   Die Kommission wird die und die angemessene Unterrichtung der Öffentlichkeit durch umfassende Konsultationen und transparente Informationen fördern. Dadurch will sie zu einer besseren Regelung und Verwaltung der Aquakultur und zur Förderung ihres Images beitragen.

2.4.4   Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um eine zu ermöglichen, da sich die amtlichen Statistiken der EU über die Aquakultur gegenwärtig nur auf einen relativ begrenzten Bereich erstrecken. Außerdem wird sie ihre Informationsbasis über Preise erweitern, um ein System zur Beobachtung der gesamten Vermarktungskette zu schaffen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Gegenwärtig werden 47 % der weltweit verzehrten Fische und Meeresfrüchte in Aquakultur erzeugt. Da die Aquakultur außerdem ein beträchtliches Wachstumspotenzial besitzt, kann sie ein wichtiger Baustein einer strategischen Politik zur Sicherung der Lebensmittelversorgung im Hinblick auf die künftige Nahrungsnachfrage sein.

3.2   In den vergangenen zehn Jahren ist die Weltbevölkerung um 12 % gewachsen, gleichzeitig nahm der Verzehr von Fisch um 27 % zu, was u.a. auf die gesundheitsfördernde Wirkung von Omega-3-Fettsäuren zurückzuführen ist, für die Fisch eine hervorragende Quelle ist. Die EU ist weltweit der größte Markt für Fisch und Meeresfrüchte. Der Konsum liegt bei über 12 Mio. Tonnen jährlich bei eindeutig steigender Tendenz. Der Selbstversorgungsgrad liegt nur bei knapp 35 %, 65 % der Ware wird importiert, und dieser Anteil nimmt weiter zu.

3.3   Die europäische Aquakultur gehört in den Bereich der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP), deren Ziel die nachhaltige Nutzung der Bestände von Wassertieren unter ausgewogener Beachtung des ökologischen, des sozialen und des wirtschaftlichen Aspekts ist. In der GFP-Reform müssen die besonderen Eigenschaften der Aquakultur berücksichtigt und branchenspezifische Förderinstrumente sowie wirksame Marktinstrumente bereitgestellt werden. Die GFP sollte in Gemeinsame Fischerei- und Aquakulturpolitik (GFAP) umbenannt werden.

3.4   In bestimmten Küsten- und Binnengebieten der EU ist die Aquakultur heute ein wichtiger Wirtschaftszweig, der die Züchtung von Weichtieren sowie von Fischen in Süß- und Salzwasser umfasst.

3.5   Von einer handwerklich und in kleinem Umfang betriebenen Tätigkeit hat sich die Aquakultur in der EU seit den 1970er Jahren zu einer modernen, dynamischen, innovativen, technisch anspruchsvollen Industrie mit Unternehmen entwickelt, die in vielen Fällen vertikal integriert sind.

3.6   Die Aquakultur in der EU schafft Arbeitsplätze in abgelegenen Küsten- und Flussregionen, die zumeist strukturschwach sind und in denen es kaum andere Arbeitsplatzangebote gibt. Sowohl für Familienbetriebe als auch für KMU gilt, dass die Aquakultur spezialisierte und dauerhafte Arbeitsplätze bietet, die eine fachliche Befähigung erfordern.

3.7   2002 legte die Kommission in ihrer Mitteilung KOM(2002) 511 eine Strategie für die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur mit folgenden Zielen vor:

a)

Schaffung sicherer Arbeitsplätze, insbesondere in Gebieten, die stark von der Fischerei abhängig sind;

b)

Sicherung der Versorgung mit gesunden, sicheren Fischereierzeugnissen in den vom Markt geforderten Mengen;

c)

Gewährleistung der Umweltverträglichkeit dieses Wirtschaftszweiges.

3.8   Die Kommission hat eingeräumt, dass sich die Aquakulturproduktion in der EU seit 2002 nicht im erwarteten Maße entwickelt hat und sogar sowohl bei Weichtieren als auch bei Fisch stagniert (Krebstiere und Algen werden in Europa praktisch nicht gezüchtet), ganz im Gegensatz zu den hohen Wachstumsraten in anderen Teilen der Welt. Sie hält es daher für geboten, ihre Strategie zu überprüfen und eine Bilanz der gegenwärtigen Lage der europäischen Aquakultur zu ziehen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Die europäische Aquakultur hat ihr Potenzial für die Schaffung von Wohlstand und Beschäftigung noch nicht ausgeschöpft. Die Gesamtproduktion stagniert seit 2002 und kann den Fangrückgang der Fischereiflotte nicht wettmachen, sodass sich die Außenhandelsbilanz verschlechtert. Dabei kann Europa geeignete Standort- und Umweltbedingungen, moderne Technologie und investitionsbereite Unternehmen vorweisen. Außerdem hat die Aquakulturwirtschaft bewiesen, dass sie über das Know-how und die Mittel verfügt, um ihre Tätigkeit aus Umweltsicht nachhaltig zu betreiben und gesunde, sichere und hochwertige Erzeugnisse anzubieten.

4.2   Das komplizierte EU-Recht, langwierige bürokratische Verfahren, der begrenzte Zugang zu Gebieten in öffentlichem Besitz und übermäßig hohe Verwaltungsauflagen machen Investitionen unattraktiv und hemmen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Aquakulturproduktion.

4.3   Viele Probleme, die die Entwicklungsmöglichkeiten der europäischen Aquakultur beschränken, hängen direkt mit der Politik und den Maßnahmen der nationalen oder regionalen Ebene zusammen. Die nationalen und regionalen Behörden müssen sich dessen bewusst werden und einen entsprechend geeigneten Rahmen schaffen. Es gibt Mitgliedstaaten, in denen in den letzten 15 Jahren keine neuen Zulassungen für Aquakulturen mehr erteilt wurden. Manchmal ist es die Auslegung des EU-Rechts durch die nationalen und regionalen Behörden, die für Verzerrungen sorgt, wie im Fall des Natura-2000-Netzes, aus dem einige Verwaltungen die Aquakultur zu Unrecht ausklammern. Andererseits müssen sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Regionen mit Regelungsbefugnissen ihre Rechtsvorschriften aufeinander abstimmen, um den Freihandel innerhalb der EU nicht durch künstliche Barrieren zu hemmen.

4.4   Die Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur, die eigentlich die Märkte stabilisieren und der Einkommenssicherung der Aquakulturbetreiber dienen sollte, bedarf dringend einer Überarbeitung im Sinne einer Unterstützung der Erzeugerorganisationen.

4.5   In der früheren Mitteilung KOM(2002) 511 standen die Umweltaspekte der Aquakultur zu sehr im Vordergrund, während die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit erst an zweiter Stelle kam. In der aktuellen Mitteilung KOM(2009) 162 ist das Verhältnis zwischen den drei Pfeilern der Nachhaltigkeit - dem ökologischen, dem sozialen und dem ökonomischen - ausgewogener. So wird etwa anerkannt, dass die ökologische Nachhaltigkeit nur mit konkurrenzfähigen, rentabel arbeitenden Unternehmen möglich ist.

4.6   Die meisten Aquakulturbetriebe in der EU arbeiten effizient und könnten voll wettbewerbsfähig sein, wenn Chancengleichheit mit Importprodukten bestünde. Gegenwärtig sind die Voraussetzungen für diese Chancengleichheit aber weder in der Produktion noch in der Vermarktung gegeben. In der Produktion müssen sich die europäischen Erzeuger an strikte Normen für Futterinhaltsstoffe, Beschränkungen bei der Verabreichung von Tierarzneimitteln, Umweltauflagen und andere gesellschaftliche Anforderungen halten, die von Aquakulturbetreibern in Drittländern nicht verlangt werden, die aber dennoch ihre Produkte frei auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr bringen dürfen (auch Produkte, die durch Kinderarbeit oder unter anderen Verstößen gegen das Recht auf menschenwürdige Arbeit und angemessene Entlohnung erzeugt wurden). Und bezüglich der Vermarktung gibt es Länder, die ihre Aquakulturproduktion mit regelwidrigen Anreizen fördern, deren Erzeugnisse dann in der EU vermarktet werden.

4.7   Der Verbraucher wird zu wenig über die Eigenschaften der Fische und Meeresfrüchte, die er kauft, informiert und kann daher die Unterschiede bei Qualität und Preis nicht richtig einschätzen. Dies ist ein erheblicher Nachteil für die europäischen Erzeuger, deren Produkte im Allgemeinen höherwertiger als Importware sind. Zu dieser Desinformation gehört zum Beispiel eine nicht korrekte Angabe des Herkunftslandes oder der gebräuchlichen Bezeichnung eines Produktes. Besonders gravierend ist dies jedoch im Fall von Fischfilet, das aufgetaut zum Verkauf angeboten wird, eigentlich aber aus weit entfernten (zumeist asiatischen) Ländern stammt. Solches Fischfilet liegt in der gleichen Ladentheke zum Verkauf aus wie wirklich frisches Filet, der Verbraucher wird aber nicht eindeutig über die Erzeugungsbedingungen beider Sorten informiert, sodass der Preis zum alleinigen Kaufkriterium wird. Dies kann bei erneutem Einfrieren überdies zu Problemen für die Gesundheit der Bevölkerung führen.

4.8   Der EWSA empfiehlt daher sowohl eine Vereinfachung der Kennzeichnung insbesondere durch die genaue Angabe des Herkunftslandes bzw. der -region als auch eine Intensivierung der Inspektion und Kontrolle an den Grenzen.

4.9   Die korrekten Produktangaben müssen durch Schulungs- und Informationsaktionen in der gesamten Vertriebs- und Vermarktungskette bis hin zu den Verbrauchern ergänzt werden. So sollte insbesondere auf den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren (und zwar EPA und DHA) hingewiesen werden.

4.10   Der EWSA empfiehlt Kampagnen zur Verbesserung des Images der Aquakultur, ihrer Erzeugnisse und ihrer Produktionsmethoden. Welche Aussagen dabei zu vermitteln sind, sollte von einer spezifischen Studiengruppe festgelegt werden mit dem Auftrag, unter Einbeziehung der Branche entsprechende Initiativen vorzuschlagen. Diese sollten länderübergreifend durchgeführt und daher notwendigerweise von der Europäischen Kommission koordiniert werden.

4.11   Die europäische Aquakultur ist eine Wirtschaftsaktivität mit hoher Technologie- und Innovationsausrichtung, die auf kontinuierliche wissenschaftliche Forschung angewiesen ist. Das aktuelle Siebte Rahmenprogramm, das die gesamte Forschungsförderung der EU bündelt, enthält weniger Möglichkeiten für die Aquakulturforschung als die Vorgängerprogramme. Dies erschwert die Verbesserung der Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Aquakultur. Verschiedene Unternehmen und Organisationen der europäischen Aquakultur haben unlängst die Technologie- und Innovationsplattform der europäischen Aquakultur (EATIP) gegründet, die die Prioritäten dieser Branche in Bezug auf FuEuI und eine Strategie zu ihrer Umsetzung formulieren soll.

4.11.1   Es muss weiterhin nach alternativen, sicheren und nachhaltigen Zutaten geforscht werden, die dem ernährungsphysiologisch-biologischen Bedarf der Fische gerecht werden und dabei einen gleichbleibenden Nährwert des Endprodukts sicherstellen.

4.11.2   Die derzeitigen Produktionssysteme müssen weiter optimiert werden, insbesondere diejenigen, die eindeutig über Expansionspotenzial verfügen, etwa die Offshore-Aquakultur und Aquakultur in Wasserkreislaufsystemen.

4.12   Die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln ist ein ernstes Hemmnis für die Entwicklung der Aquakultur. Zurzeit verfügt die europäische Aquakultur nicht in ausreichendem Maße über tierärztliche Mittel, wie z.B. Anästhetika, Impfstoffe oder Antibiotika. Hierdurch wird die Lebensfähigkeit der Branche bedroht und sowohl die Gesundheit der Tiere und ihr Wohlergehen als auch die Lebensmittelsicherheit und der Schutz der Umwelt beeinträchtigt.

4.13   Die Kommission schlägt in ihrer Mitteilung die Unterstützung des Exports von Aquakultur-Produktionstechnologien in Drittländer vor. Diese Initiative basiert auf dem Gedanken der Solidarität, die zweifellos unterstützenswert ist, doch ist dabei zu bedenken, dass die künftigen Aquakulturerzeugnisse, die das Ergebnis dieses Technologieexports sein werden, letztlich wohl in die EU exportiert werden, wo sie in Konkurrenz zu EU-Erzeugnissen treten.

4.14   Die Kommission beschreibt in ihrer Mitteilung zutreffend die Ursachen der gegenwärtigen Stagnation der Aquakultur in der EU. Damit darf die Arbeit jedoch nicht als erledigt angesehen werden, sondern dies muss der Ausgangspunkt für die Konzipierung und Entwicklung konkreter Maßnahmen sein, die der nachhaltigen Entwicklung der europäischen Aquakultur neuen Schwung geben.

Brüssel, den 28. April 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 208 vom 3.9.2003, S. 89–93.

(2)  ABl. L 328 vom 24.11.2006, S. 14.


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