This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 52012AE0480
Opinion of the European Economic and Social Committee on the ‘Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on establishing a Health for Growth Programme, the third multiannual programme of EU action in the field of health for the period 2014-20’ COM(2011) 709 final — 2011/0339 (COD)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm ‚Gesundheit für Wachstum‘ , das dritte mehrjährige EU-Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit, für den Zeitraum 2014-2020“ COM(2011) 709 final — 2011/0339 (COD)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm ‚Gesundheit für Wachstum‘ , das dritte mehrjährige EU-Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit, für den Zeitraum 2014-2020“ COM(2011) 709 final — 2011/0339 (COD)
ABl. C 143 vom 22.5.2012, p. 102–106
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
22.5.2012 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 143/102 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm ‚Gesundheit für Wachstum‘, das dritte mehrjährige EU-Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit, für den Zeitraum 2014-2020“
COM(2011) 709 final — 2011/0339 (COD)
2012/C 143/19
Hauptberichterstatterin: Béatrice OUIN
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 30. November 2011 bzw. am 12. Dezember 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
"Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm ‧Gesundheit für Wachstum‧, das dritte mehrjährige EU-Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit, für den Zeitraum 2014-2020"
COM(2011) 709 final – 2011/0339 (COD).
Das Präsidium beauftragte die Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft am 6. Dezember 2011 mit den Vorarbeiten zu diesem Thema. Hauptberichterstatterin war Béatrice OUIN.
Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 478. Plenartagung am 22./23. Februar 2012 (Sitzung vom 23. Februar) Béatrice OUIN zur Hauptberichterstatterin und verabschiedete mit 169 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Initiative der Kommission: Die Auflegung dieses dritten Programms ist in diesen Zeiten der Krise eine gute Nachricht für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger. Er nimmt erfreut zur Kenntnis, dass dem Bereich Gesundheit ein eigenes Programm gewidmet wird, dessen – wenn auch bescheidenes – Budget zudem aufgestockt wurde. |
1.2 |
Der EWSA befürwortet die Neuausrichtung auf eine begrenzte Anzahl von Prioritäten und die Erhöhung der Obergrenze der Finanzhilfen für die Länder, deren Bruttonationaleinkommen je Einwohner weniger als 90% des EU-Durchschnitts beträgt (1). |
1.3 |
Der EWSA teilt die Ansicht, dass eine bessere Verwendung der finanziellen und personellen Mittel angestrebt werden muss, warnt jedoch vor Bestrebungen, die Haushaltsmittel und die öffentlichen Gesundheitsdienste in Zeiten der Krise zu beschneiden. |
1.4 |
Der EWSA sieht den besonderen Nutzen eines Tätigwerdens der EU im Bereich der Gesundheit darin, dass sie den Austausch bewährter Praktiken und die grundsätzliche Berücksichtigung von Gesundheitsfragen in allen Politikbereichen fördern und zum Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten und der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung beitragen kann. |
1.5 |
Der EWSA betont nachdrücklich die Bedeutung der Prävention, um die Gesundheit der Bevölkerung zu bewahren: Gesundheitserziehung, Verbesserung der Arbeits-, Lebens- und Wohnbedingungen. Wer gesund alt werden will, muss sein Leben lang etwas dafür tun. |
1.6 |
Der EWSA erklärt, dass aufgrund des allgemeinen Arbeitskräftemangels in dieser Branche gemeinsame Lösungen gefunden werden müssen: berufliche Chancengleichheit, Neugewichtung der Kompetenzen und Gehälter, Anerkennung des hohen fachlichen Niveaus, Berücksichtigung der durch informelle Arbeit innerhalb der Familie erworbenen Fertigkeiten, Durchmischung der Arbeitsplätze, Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitgestaltung, lebensbegleitendes Lernen, Umgestaltung des Laufbahnendes unter Berücksichtigung der körperlichen und psychischen Belastungen der Gesundheitsfachkräfte. |
1.7 |
Der EWSA hält es für besser, Arbeitslose in diesen Berufen auszubilden, als bereits ausgebildete Arbeitnehmer aus Drittländern oder anderen EU-Mitgliedstaaten anzuwerben, um zu vermeiden, dass ihre Kompetenzen ihrem Herkunftsland fehlen. |
1.8 |
Der EWSA weist eindrücklich auf die Notwendigkeit hin, den Familien und dem Umfeld (Freunde, Nachbarn usw.) die Mittel an die Hand zu geben, um sich um Kranke und abhängige Personen kümmern zu können, was auch eine Andersverteilung der lebenslangen Arbeitszeit erfordert. |
1.9 |
Der EWSA ermutigt zum Austausch von Erfahrungen mit der Inanspruchnahme von Online-Gesundheitsdiensten sowohl durch Fachkräfte als auch durch Laien und fordert die Festlegung europäischer Rahmenbedingungen, um
|
1.10 |
Der EWSA ist der Ansicht, dass zu den Prioritäten (Rauchen, Alkohol, Fettleibigkeit und HIV) auch die neuen Risiken hinzugenommen werden sollten, die im Zusammenhang stehen mit
|
1.11 |
Der EWSA vertritt die Meinung, dass neue Technologien im Gesundheitswesen weiter gefördert werden sollten, um die Arbeitsbelastung der dort Beschäftigten zu verringern, die Qualität der Versorgung und Betreuung der Patienten zu verbessern und die Mobilität älterer Menschen zu erhalten und zu erhöhen. |
2. Hintergrund
2.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in den letzten zwei Jahren zahlreiche Stellungnahmen zu Gesundheitsfragen verabschiedet – von der Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheiten und Alkoholismus über Alzheimer und Krebs bis hin zum Kampf gegen das Rauchen und die Sicherheit von Patienten (2). |
2.2 |
Obgleich das Gesundheitswesen einen wertvollen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten kann, lässt sich Gesundheit nicht auf diesen Aspekt reduzieren. Um die Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme zu verbessern, die dann in Aktion treten, wenn die Krankheit ausgebrochen ist, gilt es zunächst, die Gesundheit der Bevölkerung durch Prävention und volksgesundheitliche Maßnahmen zu bewahren und Gesundheitsfragen in alle Politikbereiche einzubetten. Auch wäre es zweckdienlich, über mehr Statistiken zu den Tätigkeiten der Gesundheitssysteme zu verfügen. |
2.3 |
Die Wirtschaftskrise hat zu herben Haushaltseinschnitten geführt, die die Qualität der öffentlichen Gesundheitsdienste und den Zugang aller zu den Versorgungsleistungen gefährden. Um die Gesundheit der Bevölkerung in einem Kontext der demografischen Veränderungen und des Klimawandels zu bewahren, ist eine angemessene Mittelausstattung erforderlich. |
2.4 |
Um gesund zu bleiben, bedarf es einer schon im Kindesalter beginnenden Gesundheitserziehung (durch Familie, Bildungseinrichtungen und Medien), einer gesunden Ernährung für alle Altersgruppen, einer Begrenzung des Kontakts mit gefährlichen Produkten, menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen usw. Besonderes Augenmerk muss auf dem gesunden Altwerden liegen, da die größten Nutzer der Versorgungssysteme – abgesehen von Neugeborenen – ältere Menschen sind. Die Grundlagen für ein gesundes Altwerden müssen früh gelegt werden. |
2.5 |
Bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen und Prävention sind die besten Mittel, um die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und somit Fehlzeiten am Arbeitsplatz und Gesundheitskosten zu verringern. |
2.6 |
Die wichtigsten Geißeln, die es zu bekämpfen gilt, sind Armut und soziale Ausgrenzung: Kälte, Hunger, unausgewogene Ernährung, mangelnde Hygiene, schlechte Wohnverhältnisse, häufig in Kombination mit Einsamkeit, fehlende Vorsorgemedizin usw. leisten der Entwicklung von Krankheiten und insbesondere chronischen Krankheiten Vorschub, was mit sehr hohen Kosten für die Sozialschutzsysteme, d.h. für alle Beitragszahler, verbunden ist. |
2.7 |
Der EWSA teilt das Ziel, zu innovativen und nachhaltigen Gesundheitssystemen beizutragen, die gemeinsame Instrumente und Mechanismen zur Behebung des Mangels an Personal und Finanzmitteln entwickeln müssen. Es ist erforderlich, mehr Mittel in die häusliche Pflege und in die Versorgung von Leichtpflegefällen zu investieren und dazu für die Krankenhauspflege vorgesehene Gelder umzuschichten. Dadurch würde die wichtige Rolle anerkannt, die Familien bei der Gesunderhaltung der Bevölkerung und Stärkung der Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems spielen. |
2.8 |
Die Gesundheitserziehung beginnt schon von frühester Kindheit an in der Familie, wo Konzepte wie Hygiene, ausgewogene Ernährung, Verhalten, aber auch ein stabiles affektives Umfeld geprägt werden. Die Familie ist der Ort, an dem man die Regeln lernt, um gesund zu bleiben. Sie ist es auch, die die Kranken pflegt – zum einen, weil für viele Krankheiten kein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist und die Menschen zu Hause im familiären Umfeld bleiben können, und zum anderen, weil für einen Kranken die Besuche der nächsten Familienangehörigen und Verwandten eine psychologische und materielle Stütze sind, ergänzend zum Krankenhauspersonal. Diese wesentliche Funktion der Familie und des sozialen Umfelds muss erhalten werden, denn wenn ein Mensch krankheitsbedingt in seinen Fähigkeiten eingeschränkt ist, hat er zuallererst das Bedürfnis, von seinen engsten Angehörigen umgeben und unterstützt zu werden. |
2.9 |
Die Veränderungen in der Familienstruktur sind für die geistige und körperliche Gesundheit nicht folgenlos, und es muss im Vorfeld dafür gesorgt werden, dass die Familie ein Umfeld bleibt, das Geborgenheit vermittelt. |
2.10 |
Dass die "häusliche Pflege durch Familienangehörige immer seltener möglich ist", ist keine unumstößliche Tatsache. Kranke wollen nicht in erster Linie von Gesundheitsfachkräften behandelt werden. Für Behandlungen, die eine spezielle Fachkompetenz verlangen, ist die Familie kein Ersatz für Fachkräfte. Doch für alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Begleitung der häuslichen Pflege müssen die Kranken und ihre Familie die Wahl haben. Daher sollte, wenn ein Familienmitglied gepflegt werden muss, allen Erwerbstätigen ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz ermöglicht werden. |
2.11 |
Zu einer Zeit, in der alle Rentensysteme überarbeitet werden müssen, sollte die Gelegenheit ergriffen werden, die Lebensarbeitszeit neu auszutarieren. Wenn es die höhere Lebenserwartung möglich macht, länger zu arbeiten, so müssen Frauen und Männer während ihres Berufslebens Anspruch auf lange, nach dem Vorbild des Altersruhestands finanzierte Auszeiten (in Voll- oder Teilzeit) haben, um sich um kranke Verwandte oder hilfsbedürftige alte Menschen zu kümmern. Es sollte eine größere Wahlfreiheit eingeführt werden, damit abhängig Beschäftigte ihren Bedürfnissen entsprechend über ein durch ihre Arbeit finanziertes Zeitguthaben verfügen können, und dies nicht nur im Ruhestand. Die europäischen Sozialpartner, die bereits den Elternurlaub ausgehandelt haben, könnten daran anknüpfend nun über Urlaub und Zeitkonten verhandeln, die notwendig sind, um Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. |
2.12 |
Damit die Familie weiterhin der vorrangige Ort der Solidarität bleibt, müssen ihr auch die nötigen Mittel dazu zur Verfügung stehen. Schon heute muss bei der Berechnung der Sozialversicherungs- und Rentenansprüche die Zeit berücksichtigt werden, die Menschen für die Begleitung eines kranken oder hilfsbedürftigen Familienangehörigen aufwenden. |
2.13 |
Es müssen ferner Dienste entwickelt werden, um hilfsbedürftigen Personen bei der Bewältigung von Situationen des täglichen Lebens unter die Arme zu greifen: Hilfe bei der Körperpflege, im Haushalt, bei der Essenszubereitung oder Nachtwache. Diese Sparte der Beschäftigungen im Bereich der Familienhilfe erlebt einen starken Aufschwung: Hier entstehen Arbeitsplätze. In zu vielen Ländern ist die häusliche Pflege noch immer eine informelle, nicht angemeldete, ungeschützte Beschäftigung ohne anerkannte Berufsqualifikation, die häufig von Migrantinnen ausgeübt wird. Sie ist ein wichtiger Bereich für die Gleichstellung von Frauen und Männern, in dem die Stereotypen schwer wiegen, das fachliche Niveau nicht anerkannt wird, die Verträge prekär sind oder gänzlich fehlen und sehr niedrige Gehälter gezahlt werden – und das, obwohl diese Beschäftigungen unverzichtbar sind, um das Rad der Wirtschaft am Laufen zu halten. Das jüngst von der ILO angenommene Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte dürfte zu besseren moralischen Anforderungen und mehr Professionalität in diesem Sektor führen, vorausgesetzt, es werden Finanzierungsbedingungen geschaffen, die nicht ausschließlich zu Lasten der bedürftigen Kranken oder ihrer Familie gehen. |
3. Ziele des Programms
3.1 |
In dem Programm wird vorgeschlagen, innovative Lösungen zu verbreiten, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. In dieser Zeit der massiven Arbeitslosigkeit in Europa muss die Frage gestellt werden, weshalb es mit der Anwerbung von Arbeitskräften im Gesundheitswesen hapert. Diese Berufssparte mit hohem Frauenanteil lockt weder genügend junge Menschen noch ausreichend Männer an. Gründe hierfür sind die mangelnde Anerkennung der Qualifikationen und Kompetenzen, schwierige Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen und niedrige Gehälter. Die berufliche Gleichstellung muss über die Verbesserung der Gehaltssituation, eine stärkere Anerkennung der fachlichen Kompetenzen sowie den Zugang zu lebensbegleitenden Fortbildungsmaßnahmen gehen. |
3.2 |
Eine wichtige Neuerung bestünde darin, die Präsenz von Männern in diesem Sektor zu stärken, wofür entsprechende Maßnahmen erforderlich sind. Die Sozialpartner sollten Maßnahmen fördern, um mehr unterrepräsentierte Gruppen mit ins Boot zu holen. Es ist Wachsamkeit geboten, wenn Pflegekräfte aufgrund ihres Selbstständigenstatus Pausenzeiten vernachlässigen und bis zur Erschöpfung durcharbeiten. Ein weiterer Fokus müssen sämtliche technische Innovationen sein, die es ermöglichen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Arbeit weniger beschwerlich zu machen. |
3.3 |
Im Gesundheitswesen, in dem die Belastungen hoch sind, bedürfen die Kranken rund um die Uhr sieben Tage pro Woche der Pflege. Zudem sind Nachtschichten und wenig familienverträgliche Arbeitszeiten erforderlich. Um zufriedenstellende Arbeitsbedingungen zu erreichen, muss das Personal eng in die Entscheidungen eingebunden werden. Die Sozialpartner müssen im Rahmen des sektorspezifischen sozialen Dialogs die Umsetzung innovativer Arbeitsplatzkonzepte vorsehen, wie die individuelle Dienstplanverwaltung ("Self-rostering"), die mithilfe von Telematikinstrumenten unterstützt werden kann. |
3.4 |
Die Sozialpartner müssen mit den Behörden zusammenarbeiten, um die Praxis des lebenslangen Lernens, die interne Arbeitsplatzmobilität und den Erwerb von Kompetenzen im Bereich Management und Organisation zu fördern. Um die Vereinbarkeit von Arbeit und Lernen zu erleichtern, müssen sie eine Reihe von Optionen berücksichtigen, darunter Abordnungen, arbeitsbegleitende Weiterbildung und Online-Lernen. Die Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten trägt wesentlich dazu bei, den Verbleib des Personals sicherzustellen. |
3.5 |
Dem Arbeitskräftemangel dadurch entgegenzuwirken, dass die Ausbildung von Arbeitslosen gefördert und ein angemessenes Gehalt gezahlt wird, ist eine bessere Lösung, als bereits ausgebildete Arbeitnehmer aus Drittländern anzuwerben: Diese Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten usw. aus Afrika, Asien oder Lateinerika werden den Ländern, die ihnen ihre Ausbildung finanziert haben, letztlich fehlen. Die europäischen Sozialpartner im Gesundheitsbereich haben einen Verhaltenskodex für die grenzübergreifende, ethisch vertretbare Einstellung und Weiterbeschäftigung von Krankenhauspersonal erarbeitet. Er muss angewandt und ausgeweitet werden. Für den Fall, dass sich Fachkräfte aus Drittländern doch in Europa niederlassen wollen, schlug der EWSA in einer Stellungnahme zu Gesundheit und Migration 2007 die Einrichtung eines Ausgleichsfonds vor, damit andere Fachkräfte in ihrem Land ausgebildet werden können (3). |
3.6 |
Das erste Ziel des Programms besteht darin, "die europäische Zusammenarbeit zur Technologiefolgenabschätzung (HTA) im Gesundheitswesen [zu] fördern und das Potenzial der Gesundheitstelematik und der IKT im Gesundheitswesen [zu] ermitteln […]". Es müssen europäische Rahmenbedingungen zum Schutz vertraulicher Daten (z.B. Krankenakten oder ärztliche Verschreibungen) beim grenzüberschreitenden Austausch festgelegt werden. |
3.7 |
Das zweite Ziel des Programms ist die "Verbesserung des Zugangs zu medizinischem Fachwissen und Informationen über spezifische Erkrankungen – auch grenzübergreifend – und Entwicklung gemeinsamer Lösungen und Leitlinien zur Verbesserung der Qualität der Gesundheitsversorgung und der Patientensicherheit, um den Bürgerinnen und Bürgern mehr Zugang zu besserer und sichererer Gesundheitsversorgung zu geben". Websites zu Gesundheitsfragen für die Allgemeinheit, die sehr hohe Besucherzahlen verzeichnen, verbreiten medizinische Informationen und tragen zur Gesundheitserziehung bei. Durch die Konsultation dieser Seiten kann sich für harmlose Beschwerden ein Arztbesuch vermeiden lassen. Indem sie über den Nutzen traditioneller oder alternativer Heilverfahren, Behandlungen auf pflanzlicher Basis, Thermalkuren, Massagen usw. informieren, tragen sie zur Erhaltung der Gesundheit bei. Eine bessere Kenntnis der eigenen Person, der eigenen psychischen und physiologischen Bedürfnisse zu propagieren, dient dazu, den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu verbessern und die Überinanspruchnahme von Pflegeleistungen und den Überkonsum von Arzneimitteln einzuschränken. Es sollten Austausche organisiert und europäische Rahmenbedingungen festgelegt werden, um die Richtigkeit der öffentlich verbreiteten Informationen zu gewährleisten (Akkreditierung). Damit soll eine Zunahme der Fälle verhindert werden, in denen es nur um Profitstreben geht und die Gutgläubigkeit der Kranken ausgenutzt wird. |
3.8 |
Der Austausch bewährter Praktiken für die in dieser oder jener Region umgesetzten Methoden muss angeregt werden, um den Zugang zu den Dienstleistungen zu verbessern und den Verbleib bzw. die Niederlassung von Ärzten und qualifiziertem Pflegepersonal in ländlichen Gebieten oder städtischen Problemvierteln bei der Planung der Gesundheitssysteme und -politiken und individueller Dienstleistungen zu ermöglichen. |
3.9 |
Mit dem dritten Ziel wird die "Ermittlung, Verbreitung und Förderung des Know-how-Transfers bezüglich validierter wirtschaftlicher Präventionsmaßnahmen durch Bekämpfung der Hauptrisikofaktoren, wie Rauchen, Alkoholmissbrauch und Adipositas sowie HIV/Aids" vorgeschlagen. In einem Programm, in dem es so viel um Innovation geht, muss auch ein Austausch über die neuen, für die Zukunft ebenso wichtigen Risikofaktoren gefördert werden. |
3.10 |
Mit dem Klimawandel, der zunehmenden Umweltverschmutzung, den veränderten Lebensgewohnheiten (Sesshaftigkeit, stundenlanges Sitzen vor dem Bildschirm usw.) und der Verbreitung zahlreicher chemischer Stoffe, deren Langzeiteffekte auf die Gesundheit unbekannt sind, treten neue Beschwerden und chronische Krankheiten auf, die zu den wichtigsten Problemen des 21. Jahrhunderts zählen werden. |
3.11 |
Asbest war seit seiner ersten Verwendung in Industrie und Baugewerbe Ende des 19. Jahrhunderts bis zu seinem Verbot Ende des 20. Jahrhunderts für den Tod Zehntausender Arbeitnehmer verantwortlich. |
3.12 |
In der Landwirtschaft kommen Pestizide und andere chemische Produkte zum Einsatz, deren schädliche Auswirkungen auf den Organismus erst langfristig zutage treten. In Studien werden Bedenken hinsichtlich der Krebsrate bei Landwirten laut. Diese Produkte verbreiten sich in der Luft, im Wasser und in den Nahrungsmitteln. Zur längeren Aufbewahrung und Geschmacksveränderung von Lebensmitteln setzt die Agrar- und Lebensmittelindustrie auch Zusatzstoffe ein. |
3.13 |
Hinzu kommen Reinigungsmittel für den Hausgebrauch und für Arbeitsstätten, die vielen in der Industrie eingesetzten Produkte sowie die Arzneimittel. Der Überkonsum von Arzneimitteln hat schon jetzt die Resistenz gegen Antibiotika zur Folge. Diese Antibiotika werden auch Mastvieh verabreicht und verbreiten sich im Wasser. Zusammen ergeben diese Produkte eine in der Umwelt vorhandene "Chemiesuppe", die u.a. zum raschen Anstieg von Allergien und Krebs geführt zu haben scheint. Auch Elektrosmog ist eine Quelle von Belastungen. |
3.14 |
Eine weitere besorgniserregende Frage ist die, welche Folgen eine Exposition gegenüber Produkten und Strahlungen sowie Veränderungen der Lebensweise auf die Fortpflanzungsfähigkeit der Menschen haben. Auch wenn die sinkenden Geburtenzahlen vor allem auf soziologische Ursachen zurückzuführen sind, dürfen die zunehmenden physiologischen Schwierigkeiten zahlreicher Paare mit Kinderwunsch nicht außer Acht gelassen werden. |
3.15 |
Unter den neuen Risiken ist der Stress am Arbeitsplatz eine der Ursachen von Depressionen, der sogar zu Suizid führen kann. Auch gegen den Stress unter Arbeitslosen und allgemein all denjenigen, die das Gefühl haben, für die Gesellschaft nutzlos zu sein, sollte etwas unternommen werden. Das psychische Wohlbefinden ist ein wesentlicher Bestandteil des Gesundheitszustands der Bevölkerung. |
3.16 |
Wer gesund alt werden will, muss sein Leben lang etwas dafür tun. Hierbei spielen die Arbeitsbedingungen eine wichtige Rolle: Die Lebenserwartung für Büroangestellte, Schichtarbeiter oder Landarbeiter ist nicht die gleiche. Zur Gesundheit im Alter trägt beispielsweise bei, die Beschwerlichkeit der Arbeit herabzusetzen, die Nachtarbeit zu begrenzen und die Stressbelastung zu verringern. |
3.17 |
Für Gesundheit im Alter ist es wesentlich, das Gefühl der gesellschaftlichen Nützlichkeit zu bewahren, weiterhin ein soziales Netz um sich herum zu haben, sich seine Neugier zu erhalten, weiterhin beruflich oder ehrenamtlich aktiv zu bleiben, sich körperlich zu betätigen und auf eine gesunde Lebensführung zu achten. |
3.18 |
Ein weiteres Thema, das des Lebensendes, hätte einen Meinungsaustausch auf europäischer Ebene verdient, weil es dabei um die Verantwortung des Einzelnen und sein Verhältnis zur Vorstellung von einem menschenwürdigen Leben geht. Heutzutage sterben die meisten Menschen im Krankenhaus; das Ende des Lebens ist somit ein wichtiges Thema. |
3.19 |
Die Entwicklung von Palliativdiensten, die dem Sterbenskranken die Leidenszeit ersparen, wenn eine Heilbehandlung nicht mehr anschlägt, ist unerlässlich. Diese Dienste werden nicht in allen Krankenhäusern angeboten, oder es können nicht alle aufgenommen werden, die sie benötigen. |
3.20 |
Das vierte Ziel des Programms lautet "Entwicklung gemeinsamer Konzepte und Nachweis ihres Werts für bessere Abwehrbereitschaft und Koordinierung in gesundheitlichen Krisenfällen, um die Bürgerinnen und Bürger vor grenzübergreifenden Gesundheitsbedrohungen zu schützen". Epidemien kennen keine Grenzen, die Zusammenarbeit in diesem Bereich ist daher wesentlich. Aus diesen Maßnahmen sollten Lehren gezogen werden, um in Zukunft eine Verschwendung der Ressourcen zu vermeiden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den unter die Gesundheitserziehung fallenden Präventivmaßnahmen, die dauerhaft festgelegt werden können, und Maßnahmen, die den Kauf von Produkten von begrenzter Haltbarkeit umfassen. Ein Austausch über die Kosten und Resultate könnte es ermöglichen, Methoden zu entwickeln, die den Zielsetzungen angemessen sind. |
Brüssel, den 23. Februar 2012
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) EE, HU, LV u.a.
(2) Siehe die Stellungnahmen des EWSA:
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
(3) EWSA-Stellungnahme, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 123.