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Document 52013AE8066

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (COM(2013) 813 final — 2013/0402 (COD))

ABl. C 226 vom 16.7.2014, p. 48–53 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.7.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 226/48


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung

(COM(2013) 813 final — 2013/0402 (COD))

2014/C 226/09

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 9. Dezember 2013 bzw. am 13. Dezember 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung

COM(2013) 813 final — 2013/0402 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 11. März 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 497. Plenartagung am 25./26. März 2014 (Sitzung vom 25. März) mit 138 gegen 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Unter Geschäftsgeheimnisse fallen faktisch alle Informationen (Technologien, Formeln, Marketingdaten usw.) von wirtschaftlichem Wert, deren Vertraulichkeit geschützt werden sollte. Sie sind somit Teil der immateriellen Vermögenswerte der Unternehmen.

1.2

Der Schutz dieser immateriellen Vermögenswerte ist sowohl für die Unternehmen — insbesondere KMU — als auch für nicht kommerzielle Forschungseinrichtungen von entscheidender Bedeutung und für die Wettbewerbsfähigkeit der Union notwendig, schon allein, um die Innovation und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle wie auch die kooperative Forschung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern.

1.3

Geschäftsgeheimnisse sind in der EU weder einheitlich definiert, noch ist ihr rechtlicher Schutz harmonisiert.

1.4

Der Ausschuss unterstützt das Ziel der Kommission, den rechtlichen Schutz von Know-how und Geschäftsgeheimnissen zu harmonisieren, da diese für die Förderung der Innovationsleistung und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Allgemeinen und der KMU im Besonderen strategisch wichtig sind.

1.5

Der Ausschuss unterstreicht, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb bzw. rechtswidriger Nutzung gemäß dem Richtlinienvorschlag dem mit der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum eingeführten Schutz für beispielsweise Urheberrechte, Marken, Muster und Patente sehr ähnlich ist, insbesondere insofern, als die Mitgliedstaaten für den rechtmäßigen Inhaber des Geschäftsgeheimnisses wirksame zivilrechtliche Rechtsbehelfe vorzusehen haben.

1.6

Der Ausschuss begrüßt die Ausgewogenheit des Richtlinienvorschlags: Es soll mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, und der Wert der als Geschäftsgeheimnisse geschützten Innovationen soll durch eine verstärkte Konvergenz der Rechtsvorschriften erhöht werden, die mit dem internationalen Recht, insbesondere dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen), vereinbar ist.

1.7

Die Definition des Geschäftsgeheimnisses entspricht zwar dem TRIPS-Abkommen, ist aber nicht detailliert genug, um alle Kategorien von Informationen zu erfassen, die in diesem Rahmen geschützt werden sollten.

1.8

Nach Ansicht des Ausschusses könnte die Kommission in einem Erwägungsgrund präzisieren, dass auch Informationen von potenziellem kommerziellem Wert als Geschäftsgeheimnisse geschützt werden können.

1.9

Der EWSA fordert die Kommission auf, unverzüglich in dieser Sache tätig zu werden.

2.   Einleitung

2.1

Der Schutz von Know-how und Geschäftsgeheimnissen (vertraulichen Geschäftsinformationen) ist für die Förderung der Innovationsleistung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen von entscheidender Bedeutung.

2.2

Als Geschäftsgeheimnisse gelten faktisch alle Informationen (Technologien, Formeln, Marketingdaten usw.) von wirtschaftlichem Wert, deren Vertraulichkeit geschützt werden sollte.

2.3

Zwar sind dies keine ausschließlichen Rechte am geistigen Eigentum, aber oft die Grundlage für solche Rechte. So bildet häufig ein aus Forschung und Entwicklung unter Einsatz erheblicher finanzieller und personeller Ressourcen hervorgegangenes Know-how oder Geschäftsgeheimnis die Grundlage für ein Patent.

2.4

Bereits der Begriff des Geschäftsgeheimnisses ist in der Europäischen Union nicht einheitlich definiert. Die einzige harmonisierte Definition des Geschäftsgeheimnisses findet sich im TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation, wonach drei kumulative Bedingungen erfüllt sein müssen:

die Informationen sind geheim, d. h. sie sind den interessierten Kreisen weder allgemein bekannt noch ohne weiteres zugänglich;

sie sind von kommerziellem Wert, wobei sich der kommerzielle Wert daraus ergibt, dass die Informationen vertraulich sind;

und schließlich muss der rechtmäßige Inhaber angemessene Maßnahmen ergriffen haben, um die Vertraulichkeit des Geschäftsgeheimnisses zu gewährleisten.

2.5

Mangels einer einheitlichen Besetzung des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses in der Union ist der rechtliche Schutz in den verschiedenen Rechtssystemen der Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt.

2.6

Dabei ist ein einheitlicher EU-weiter rechtlicher Schutz von Geschäftsgeheimnissen gerade in Zeiten wie diesen besonders sinnvoll, in denen die Wirtschaftsspionage und die Gefahren von Hackerangriffen besorgniserregende Ausmaße annehmen; dies gilt insbesondere für denjenigen Branchen, in denen Forschung und Entwicklung sowie finanzielle Investitionen eine große Rolle spielen (Kraftfahrzeuge, Telekommunikation, Arzneimittel usw.).

2.7

Der Ausschuss hatte im Übrigen die Maßnahmen der Kommission gegen die Produktpiraterie unterstützt und seine diesbezüglichen Überlegungen dargelegt (1).

3.   Der Vorschlag der Kommission

3.1

Der Kommissionsvorschlag ist das Ergebnis einer Konsultation, bei der die Kommission feststellen konnte, dass die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten weit auseinandergehen, insbesondere was die Definition von Geschäftsgeheimnissen sowie die dem Inhaber von Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe angeht.

3.2

Der Vorschlag beruht auf den beiden Annahmen, dass die Unterschiede in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ein Hemmnis für die grenzüberschreitende Forschungszusammenarbeit und außerdem schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen seien, deren Geschäftsgeheimnisse in den Mitgliedstaaten mit dem niedrigsten Schutzniveau gestohlen werden könnten.

3.3

Mit dem Vorschlag soll daher der Schutz dieser nicht als Rechte des geistigen Eigentums eingestuften immateriellen Vermögenswerte harmonisiert werden.

3.4   Definition des Geschäftsgeheimnisses

3.4.1

Die Kommission orientiert sich an der in den TRIPS-Abkommen enthaltenen Definition des Geschäftsgeheimnisses und schlägt vor, dass drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Information als „schutzfähiges“ Geschäftsgeheimnis einzustufen ist:

sie muss geheim sein, d. h. sie darf den Kreisen, die üblicherweise mit derartigen Informationen umgehen, weder bekannt noch ohne weiteres zugänglich sein;

sie muss aufgrund der Tatsache, dass sie geheim ist, von kommerziellem Wert sein;

der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses muss angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen haben.

3.5   Begriff der rechtswidrigen Aneignung

3.5.1

Neben dem unbefugten Zugang zu einem Datenträger, der das Geschäftsgeheimnis enthält, sowie Diebstahl, Bestechung, Betrug und Verletzung einer Vertraulichkeitsvereinbarung umfasst Artikel 3 des Vorschlags zusätzlich den Passus „jedes sonstige Verhalten, das [...] als mit einer seriösen Geschäftspraxis nicht vereinbar gilt“.

3.5.2

Außerdem ist laut Vorschlag die anschließende Nutzung oder Offenlegung auch dann als rechtwidrig anzusehen, wenn eine Person zum Zeitpunkt der Nutzung oder Offenlegung wissen musste, dass ihre Informationsquelle auf rechtswidrige Weise in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist.

3.6   Rechtmäßiger Erwerb, rechtmäßige Nutzung und rechtmäßige Offenlegung

3.6.1

In Artikel 4 des Richtlinienvorschlags wird eine Reihe von Fällen ausgenommen, nämlich:

unabhängige Entdeckung oder Schaffung;

„Reverse Engineering“ — ein Geschäftsgeheimnis ist nicht mehr geschützt, wenn es anhand des Produkts, in dem es Verwendung findet, aufgedeckt werden kann;

Wahrnehmung des Rechts von Arbeitnehmervertretern auf Information und Anhörung, einschließlich der Information der besagten Vertreter durch die Arbeitnehmer;

Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit;

Aufdeckung durch „Whistleblower“, sofern zusätzliche Bedingungen dahingehend erfüllt sind, dass die Nutzung oder Offenlegung erforderlich war und im öffentlichen Interesse erfolgte;

Übereinstimmung mit einer seriösen Geschäftspraxis, Erfüllung einer nichtvertraglichen Verpflichtung, Schutz eines legitimen Interesses.

3.6.2

Dieser Artikel sichert die Innovation, da ausdrücklich klargestellt wird, dass die unabhängige Entdeckung und „Reverse Engineering“ legitime Mittel der Informationsbeschaffung sind.

3.7   Dem Inhaber von Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung stehende Rechtsbehelfe

3.7.1

Es obliegt den Mitgliedstaaten, wirksame zivilrechtliche Rechtsbehelfe gegen den rechtswidrigen Erwerb von Geschäftsgeheimnissen vorzusehen.

3.7.2

Vor dem Hintergrund der immer wiederkehrenden Debatten über den Missbrauch des Verfahrens der Beschlagnahme von Nachahmungen und Fälschungen zur Beweissicherung („saisie-contrefaçon“) sollen die Mitgliedstaaten gemäß dem Richtlinienvorschlag außerdem die missbräuchliche Inanspruchnahme dieses Rechtsbehelfs unter Strafe stellen, wenn damit der Marktzugang des Beklagten in unbilliger Weise verzögert oder beschränkt oder der Beklagte auf andere Weise eingeschüchtert oder unter Druck gesetzt werden soll.

3.7.3

Artikel 8 des Richtlinienvorschlags orientiert sich auch am Wettbewerbsrecht, indem eine Reihe von Schutzmaßnahmen aufgeführt wird, mit denen die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren verhindert werden soll: vollständige oder teilweise Beschränkung des Zugangs zu Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Dokumenten, Beschränkung des Zugangs zu Anhörungen, Löschung der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Passagen in der nicht vertraulichen Fassung gerichtlicher Entscheidungen.

3.7.4

Im Rahmen der vorläufigen Maßnahmen muss der geschädigte Inhaber des Geschäftsgeheimnisses die Möglichkeit haben, das Verbot der Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses, das Verbot des Herstellens, Vermarktens oder der Nutzung rechtsverletzender Produkte sowie die Beschlagnahme oder Herausgabe der besagten Produkte zu erwirken.

3.7.5

Der Vorschlag sieht zahlreiche weitere Verfahrensgarantien vor; so muss das Gericht ergänzend die Hinterlegung von Sicherheiten durch den Beklagten anordnen können, um die Entschädigung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses zu ermöglichen.

4.   Allgemeine Bemerkungen zu dem Richtlinienvorschlag

4.1

Die Definition des Geschäftsgeheimnisses ist im Richtlinienvorschlag weit genug gefasst, um insbesondere Formeln, Forschungen und Studien zu erfassen, die noch nicht durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützt sind.

4.2

Mit dem Vorschlag soll die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen europäischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen gestärkt werden, die auf Know-how und Geschäftsgeheimnissen gründen, die nicht durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt werden können, da der Inhaber kein ausschließliches Recht an den betreffenden Informationen erwirken kann.

4.3

Bei den traditionellen gewerblichen Schutzrechten wie Patenten, Marken, Mustern und Modellen bleibt ein großer Teil der Kenntnisse und Informationen unberücksichtigt, die trotzdem für das wirtschaftliche Wachstum der Unternehmen notwendig sind.

4.4

Die KMU nutzen überdies häufig das Geschäftsgeheimnis, um solche wichtigen Informationen zu schützen, da es ihnen an Fachleuten und finanziellen Möglichkeiten fehlt, um gewerbliche Schutzrechte anzumelden, zu verwalten, verteidigen und durchzusetzen.

4.5

Um dem Abhilfe zu schaffen, sehen die Unternehmen in den Verträgen mit ihren Angestellten und Subunternehmern häufig Geheimhaltungsvereinbarungen vor. Die Vorschriften zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen dürfen nicht dazu führen, dass die Meinungsfreiheit und die Möglichkeit des Whistleblowing bei Missständen eingeschränkt werden oder dass die Möglichkeit der Arbeitnehmer beschränkt wird, den Arbeitsplatz zu wechseln und aus den erworbenen allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen Nutzen zu ziehen.

4.6

Der Vorschlag ist daher sehr sinnvoll, zumal im heutigen Wirtschaftsleben der Trend immer häufiger zur Vergabe von Unteraufträgen geht, was bedeutet, dass die Dienstleistungserbringer vorübergehend Zugang zu allen Arten von sensiblen Informationen haben können.

4.7

Außerdem werden Hacking wie auch die Entwendung und Verbreitung von Geschäftsgeheimnissen durch immer perfektere Computer- und Kommunikationssysteme erleichtert; dadurch steigt das Risiko, dass gestohlene Geschäftsgeheimnisse in Drittländern für die Herstellung von Produkten genutzt werden, die dann auf dem europäischen Markt mit den Produkten des bestohlenen Unternehmens konkurrieren.

4.8

Der EWSA weist darauf hin, dass die zunehmende Verschärfung der Berichterstattungsanforderungen insbesondere für börsennotierte Unternehmen das Geschäftsgeheimnis gefährdet. Die in den entsprechenden Berichten enthaltenen Informationen werden de facto allgemein bekannt und für jeden Investoren zugänglich, der sich als Konkurrent erweisen bzw. ein solcher werden könnte.

4.9

Der EWSA ist der Auffassung, dass in Artikel 4 des Richtlinienvorschlags auch die Gefahr der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Berichtspflichten der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats börsennotierter Gesellschaften berücksichtigt werden müsste.

5.   Besondere Bemerkungen zum Richtlinienvorschlag

5.1

Der Vorschlag sieht zahlreiche Verfahrensgarantien vor, und zwar insbesondere vorläufige und vorbeugende Maßnahmen, aber auch Abhilfe- und Entschädigungsmaßnahmen im Anschluss an eine Gerichtsentscheidung, in der eine Verletzung des Geschäftsgeheimnisses gerichtlich festgestellt wird, z. B. die Vernichtung der im Besitz des Rechtsverletzers befindlichen Informationen, der Rückruf und die Vernichtung der betreffenden Produkte, die Bemessung des Schadenersatzes unter Berücksichtigung eventuell entstandener immaterieller Schäden sowie die Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung.

5.2

Die auf Antrag des Geschädigten zugesprochene Entschädigung muss dem tatsächlich erlittenen Schaden unter Berücksichtigung der materiellen und immateriellen Aspekte entsprechen.

5.3

Der Richter kann „in geeigneten Fällen“ den Schadenersatz jedoch auch als Pauschalbetrag festsetzen, beispielsweise auf der Grundlage des Betrags der Vergütungen oder Gebühren, die im Falle einer genehmigten Nutzung hätten entrichtet werden müssen.

5.4

Der Ausschuss betont, dass strafrechtlichen Begriffe „Diebstahl“, „Bestechung“ und „Betrug“ in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags der Verdeutlichung des Begriffs „Rechtswidriger Erwerb, rechtwidrige Nutzung und rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen“ dienen.

5.5

Die Kommission strebt nämlich eine Harmonisierung der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe an, damit innovative Unternehmen ihre Geschäftsgeheimnisse EU-weit wirksamer schützen können. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang Artikel 5 „Allgemeine Verpflichtung“, wonach die Mitgliedstaaten die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vorsehen müssen, die erforderlich sind, um einen zivilrechtlichen Schutz zu gewährleisten (wobei der Ausschuss die Betonung auf „zivilrechtlich“ legt).

5.6

Im Übrigen scheint das Geschäftsgeheimnis im Vorschlag einer Form des geistigen Eigentums gleichgestellt zu werden, allerdings nicht als ausschließliches Recht. Der vorgesehene Schutz entspricht tatsächlich weitgehend den Verfahren gemäß der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum wie beispielsweise Urheberrechte und verwandte Schutzrechte, Marken, Muster und Patente vom April 2004, deren Überarbeitung derzeit geprüft wird. Bezüglich Artikel 4 hält es der EWSA für sehr wichtig, dass Arbeitnehmer bei der Aufdeckung eines Missstandes oder eines anderen Vorkommnisses am Arbeitsplatz eine Vertrauensperson einer Gewerkschaft konsultieren können, ohne sich damit eines diesbezüglichen Verstoßes schuldig zu machen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Richtlinie eine Bestimmung enthalten sollte zum Schutz von Arbeitnehmern, die auf die in Artikel 4 genannten Möglichkeiten zurückgreifen.

5.7

Angesichts der immer wiederkehrenden Debatten über den Missbrauch des Verfahrens der Beschlagnahme von Nachahmungen und Fälschungen zur Beweissicherung („saisie-contrefaçon“, ein Verfahren ohne Anhörung der Gegenpartei) (2) begrüßt der Ausschuss, dass der Vorschlag insofern von der Richtlinie 2004/48/EG abweicht, als in Artikel 10 Absatz 2 die Justizbehörden der Mitgliedstaaten ausdrücklich zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der vorläufigen und vorbeugenden Maßnahmen verpflichtet werden.

5.8

Diese Gleichstellung des Geschäftsgeheimnisses mit einer Form des geistigen Eigentums geht so weit, dass der Begriff der „seriösen Geschäftspraxis“ in den Richtlinienvorschlag aufgenommen wird. Dieser Begriff wird bereits im TRIPS-Übereinkommen verwendet.

5.9

Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte seinerseits Gelegenheit zur Auslegung des Begriffs der „anständigen Gepflogenheiten“ (3) aus der Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken.

5.10

Obwohl im Vorschlag deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind, wird die Verabschiedung der Richtlinie die Unternehmen nicht davon entbinden, alle erforderlichen Vorbeugemaßnahmen technischer, organisatorischer und vertraglicher Art zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse zu treffen.

5.11

Die Informationen, die als Geschäftsgeheimnisse einzustufen sind, auf die Informationen von unmittelbarem kommerziellem Wert zu beschränken, greift zu kurz, da bestimmte Informationen wirtschaftlicher, industrieller, technischer oder wissenschaftlicher Art möglicherweise keinen direkten, aber einen potenziellen kommerziellen Wert haben, insbesondere wenn sich diese Informationen auf Daten aus der technischen oder wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung beziehen.

5.12

Der EWSA schlägt vor, die Aufzählung in Artikel 4 Absatz 1 dahingehend zu ergänzen, dass der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses als rechtmäßig gilt, wenn er auf eine der folgenden Weisen erfolgt:

e)

Wahrnehmung der Berichtspflichten der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats börsennotierter Unternehmen.

5.13

Desgleichen schlägt der EWSA die Ergänzung der Aufzählung in Artikel 4 Absatz 2 dahingehend vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass kein Anspruch auf Inanspruchnahme der in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe besteht, wenn der angebliche Erwerb bzw. die angebliche Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses in einer der folgenden Situationen erfolgt ist:

f)

das Geschäftsgeheimnis wurde im Rahmen der Wahrnehmung der Berichtspflichten der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats börsennotierter Unternehmen offengelegt.

Brüssel, den 25. März 2014

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 7; ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105.

(2)  Cour de cassation civile, Chambre commerciale, 12. Februar 2013, 11-26.361 „Société Vetrotech Saint-Gobain international“; Dritte Kammer des Tribunal de Grande Instance von Paris, 15. November 2011, „Sociétés JCB“, kommentiert von Laurent Labatte, Marks & Clerk France, Patentanwälte.

(3)  Siehe insbesondere die Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Begriffs der „anständigen Gepflogenheiten“ vom 15. März 2005 in der Rechtssache C 228/03, Gillette Company/Gillette Group Finland Oy gegen LA-Laboratories Ltd Oy.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgende Ziffer der Stellungnahme der Fachgruppe wurde gemäß dem vom Plenum angenommenen Änderungsantrag geändert, obwohl ihre Beibehaltung in der ursprünglichen Fassung mit mehr als einem Viertel der abgegebenen Stimmen unterstützt wurde (Artikel 54 Absatz 4 der Geschäftsordnung):

Ziffer 4.5:

 

4.5

Um dem Abhilfe zu schaffen, sehen die Unternehmen in den Verträgen mit ihren Angestellten und Subunternehmern häufig Geheimhaltungsvereinbarungen vor.

Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag:

Ja-Stimmen

:

80

Nein-Stimmen

:

46

Enthaltungen

:

10


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