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Document 52001IE0236

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Halbzeitbewertung der drei Prozesse zur Förderung der europäischen Beschäftigungsstrategie"

ABl. C 139 vom 11.5.2001, p. 33–41 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52001IE0236

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Halbzeitbewertung der drei Prozesse zur Förderung der europäischen Beschäftigungsstrategie"

Amtsblatt Nr. C 139 vom 11/05/2001 S. 0033 - 0041


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Halbzeitbewertung der drei Prozesse zur Förderung der europäischen Beschäftigungsstrategie"

(2001/C 139/10)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 2. März 2000, gemäß Artikel 23 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung eine ergänzende stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Zur Vorbereitung seiner Arbeiten setzte der Ausschuss gemäß Artikel 11 Absatz 4 und Artikel 19 Absatz 1 der Geschäftsordnung einen Unterausschuss ein.

Der Unterausschuss nahm seine Stellungnahme am 14. Februar 2001 an. Berichterstatter war Herr Olsson, Mitberichterstatterin Frau Engelen-Kefer.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 379. Plenartagung am 28. Februar 2001 und 1. März 2001 (Sitzung vom 28. Februar) mit 93 gegen eine Stimme bei zwei Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Hintergrund für die Bewertung

1.1. Mit dieser Stellungnahme sollen

- die verschiedenen Prozesse (Luxemburg, Cardiff, Köln) im Rahmen eines globalen Ansatzes bewertet und

- ein Beitrag zu der Tagung des Europäischen Rates im Frühjahr 2001 in Stockholm geleistet werden, dem ersten Gipfeltreffen nach dem Lissabonner Gipfel, auf dem die Notwendigkeit, die drei Prozesse zu koordinieren und um neue Elemente zu bereichern, bekräftigt wurde.

Da der Ausschuss verschiedene Akteure der organisierten Zivilgesellschaft repräsentiert, gründet er seine Bewertung auf folgende Kriterien:

- Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an der Vorbereitung und Umsetzung der drei Prozesse und der Follow-up-Maßnahmen zur Lissabonner Strategie;

- Rolle und Verantwortung der verschiedenen Akteure im Hinblick auf das Erfordernis, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Gesetzgebung und anderen Maßnahmen herbeizuführen und gleichzeitig folgende Ziele zu erreichen: Entwicklung einer wissensbasierten Wirtschaft unter Wahrung des sozialen Zusammenhalts, Beschäftigungswachstum, nachhaltige Entwicklung sowie Gerechtigkeit und Chancengleichheit für alle.

Den Strukturindikatoren, die von der Kommission für das Follow-up zum Lissabonner Gipfel vorgelegt wurden, wird der Ausschuss eine eigene Stellungnahme widmen(1).

1.1.1. Der Luxemburg-Prozess

Der Luxemburg-Prozess (November 1997) soll für eine verstärkte Koordinierung der einzelstaatlichen Beschäftigungspolitiken sorgen. Im Wesentlichen geht bei diesem Prozess darum, die Mitgliedstaaten auf einen integrierten Katalog gemeinsamer, in die vier Säulen Beschäftigungsfähigkeit, Unternehmergeist, Anpassungsfähigkeit und Chancengleichheit untergliederter Ziele zu verpflichten. Ein Prozess der regelmäßigen Planung, Berichterstattung, gegenseitigen Überprüfung, Beurteilung und Anpassung der Ziele wurde eingeleitet. Seinen konkreten Ausdruck auf EU-Ebene findet er insbesondere in den beschäftigungspolitischen Leitlinien, die jährlich verabschiedet und anschließend in allen Mitgliedstaaten in Nationale Aktionspläne für Beschäftigung (NAP) umgesetzt werden.

Um dem Luxemburg-Prozess mehr Durchschlagskraft zu verleihen, forderte der Europäische Rat in Lissabon eine Halbzeitbewertung des Prozesses, deren Schlussfolgerungen ihren Niederschlag in den Beschäftigungsleitlinien für 2001 finden.

Gemäß dieser Zwischenbewertung(2) hat der Prozess dazu beigetragen, die Beschäftigung an die Spitze der politischen Agenden zu bringen und im Rahmen eines integrierten Ansatzes mehrere Akteure einzubeziehen. Gleichzeitig wird ein zunehmendes regionales Gefälle sowie ein wachsender Mangel an Arbeitskräften, vor allem an Fachkräften festgestellt. Außerdem sei die Umsetzung der verschiedenen Leitlinien, vor allem der Säule Beschäftigungsfähigkeit, unausgewogen. Auch das horizontale Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern sei nur teilweise umgesetzt worden. Für die Zukunft werden weniger Leitlinien, eine wirksamere Abstimmung mit anderen Prozessen, die Entwicklung von Indikatoren, eine bessere Überwachung und die Verbreitung nachahmenswerter Beispiele ("good practice") vorgeschlagen. Eine klarere Rollenverteilung sei erstrebenswert, bei der die Sozialpartner in höherem Maße beteiligt würden. Schließlich wird in der Zwischenbewertung gefordert, der Prozess müsse nach außen bekannter gemacht werden.

Der Ausschuss stimmt den Schlussfolgerungen der Zwischenbewertung zu und bekräftigt vor allem die Forderung nach einer schwerpunktmäßigen Behandlung der Kernfragen, nach klareren quantitativen und qualitativen Zielen, nach einer stärkeren Förderung des Unternehmertums und nach Vorhaben mit Beteiligung der Sozialpartner an den Leitlinien, die die Sozialpartner auf allen Ebenen am unmittelbarsten betreffen. Gleichzeitig betont er, dass der Luxemburg-Prozess in den nationalen und lokalen Wirtschaftsverbänden und sozialen Vereinigungen breiter verankert werden muss. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist sollte man daher eine einjährige Pause in Erwägung ziehen, um alle Betroffenen wirklich an der Arbeit beteiligen zu können. Außerdem wäre eine Vereinfachung des Prozesses zur Konzentration auf die Ziele und zu ihrer Verdeutlichung wünschenswert.

1.1.2. Der Cardiff-Prozess

Der Cardiff-Prozess (Juni 1998) zielt darauf ab, die Wirtschaft so zu reformieren, dass der Binnenmarkt zu einem Motor für die Schaffung neuer Arbeitsplätze wird und die unternehmerische Initiative und die Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden.

Die im Rahmen dieses Prozesses vorgesehenen Maßnahmen sollen Handelshemmnisse zwischen Mitgliedstaaten abbauen, die Leistungsfähigkeit des Dienstleistungssektors steigern, die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen wachstums- und beschäftigungsfreundlicher gestalten, effiziente Kapitalmärkte schaffen, für eine ausreichende Bereitstellung von Risikokapital sorgen, eine wirkungsvolle Wettbewerbspolitik fördern und die staatlichen Beihilfen reduzieren.

Entsprechend dem vom Europäischen Rat in Cardiff erteilten Auftrag erstellen die Mitgliedstaaten und die Kommission jährliche Berichte über Fragen, die die Reform der Waren- und Kapitalmärkte betreffen.

Im zweiten Cardiff-Bericht(3) forderte die Kommission die EU und die Mitgliedstaaten auf, wirtschaftliche Reformen durchzuführen, die mit dem Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts vereinbar sind, die Teilnahme aller betroffenen Kreise sicherzustellen und die staatlichen Stellen anzuhalten, für konkrete Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit und der Situation der Verbraucher zu sorgen und einfache, aber qualitativ hochwertige rechtliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten.

Der Ausschuss schließt sich dieser Aufforderung an, betont aber das Erfordernis einer systematischeren und einheitlicheren Fortführung des Cardiff-Prozesses unter breiterer Einbeziehung der Sozialpartner und der übrigen Wirtschaftsverbände und sozialen Vereinigungen.

1.1.3. Der Köln-Prozess

Der Köln-Prozess (Juni 1999) vervollständigt die in Luxemburg und Cardiff eingeleiteten Prozesse im Rahmen eines umfassenden Gesamtkonzepts - des Europäischen Beschäftigungspakts -, in dem sämtliche beschäftigungspolitischen Maßnahmen der Union zusammengefasst sind. Ziele des Prozesses sind die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und die Verbesserung des wechselseitigen Zusammenwirkens der Lohnentwicklung sowie der Geld-, Haushalts- und Finanzpolitik durch einen makroökonomischen Dialog, um ein nachhaltiges, nicht-inflationäres Wachstum und den dauerhaften Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion zu gewährleisten.

Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik sind ein zentraler Bestandteil des wirtschaftspolitischen Koordinationsprozesses. Sie bilden die Schnittstelle zwischen der Wirtschaftspolitik und den Prozessen von Luxemburg und Cardiff und werden vom Rat seit 2000 in anderen Zusammensetzungen als von den Finanzministern erörtert.

Teilnehmer am makroökonomischen Dialog sind der Rat, die Kommission, die EZB und die Sozialpartner. Ihre Treffen, die seit 1999 zweimal pro Jahr stattfinden, werden vom Vorsitzenden des Rates "Wirtschaft und Finanzen" geleitet.

Der Ausschuss stellt fest, dass der Köln-Prozess zwar in Gang gekommen ist, möchte aber auf die gemeinsame Auffassung der europäischen Verbände der Sozialpartner hinweisen, dass sich die Finanzminister wirklich beteiligen und auch die Beziehungen zwischen der makroökonomischen Politik und den Strukturreformen Gegenstand des Dialogs sein sollten(4).

2. Der Lissabonner Gipfel und die neue Methode der offenen Koordinierung

2.1. Der Schwerpunkt des Europäischen Rates von Lissabon, der die Arbeiten der Europäischen Räte von Köln und Helsinki fortsetzte, lag auf der Kohärenz zwischen den verschiedenen Koordinierungsprozessen und einer Verbesserung ihres Zusammenwirkens.

Zur Umsetzung der neuen strategischen Zielsetzung, die auf dem Lissabonner Gipfel vereinbart wurde, hat der Rat allerdings keinen neuen Prozess in Gang gesetzt, sondern eine neue politische Methode, die so genannte offene Koordinierung, eingeführt.

2.2. Bei dieser neuen Methode geht es darum, Leitlinien und spezifische Zeitpläne für das Erreichen der Ziele aufzustellen sowie durch eine internationale Betrachtung in dieser Hinsicht führender Länder quantitative und qualitative Indikatoren und Eckwerte für einen Vergleich vorbildlicher Verfahren zu ermitteln. Die europäischen Leitlinien sollen dergestalt in nationale und regionale Politik umgesetzt werden, dass spezifische Ziele aufgestellt und Maßnahmen vereinbart werden, die den nationalen und regionalen Unterschieden Rechnung tragen.

2.3. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz und einem dezentralen Ansatz folgend empfahl der Europäische Rat die aktive Teilnahme der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten, der Regional- und Kommunalbehörden sowie der "Sozialpartner und der Bürgergesellschaft". Getragen werden soll diese Strategie vornehmlich vom Privatsektor und von öffentlich-privaten Partnerschaften.

2.4. Der Ausschuss stellt fest, dass die neue Methode die Mitwirkung der gesamten organisierten Bürgergesellschaft an der Umsetzung der Strategie impliziert. Das Projekt "Europa" soll nicht durch einen "Top-down"-Ansatz, sondern eine "Bottom-up"-Koordinierung der Maßnahmen öffentlicher und privater Akteure vorangebracht werden.

2.5. Der Ausschuss hat bei verschiedenen Anlässen vorgeschlagen, die wirtschaftlichen und sozialen Organisationen auf Unions- und einzelstaatlicher Ebene in die Festlegung, Umsetzung und Beobachtung der EU-Politiken einzubeziehen. Dies betrifft unter anderem die Grundzüge der Wirtschaftspolitik, die beschäftigungspolitischen Leitlinien, die Unternehmenspolitik, den Binnenmarkt, den Bildungs- und Ausbildungsbereich, den Sozialschutz, das Aktionsprogramm gegen soziale Ausgrenzung und die Regulierung der Finanzmärkte. Der Ausschuss stellt fest, dass die Lissabonner Strategie die Tür für die Einführung neuer "Prozesse" in anderen Politikfeldern, wie beispielsweise dem Kampf gegen soziale Ausgrenzung und gegen Armut, geöffnet hat.

2.6. Als nächstes sollten die europäischen Politiken in den Bereichen Verkehr, Energie und Umwelt in die Lissabonner Strategie integriert werden.

2.7. Die neue Methode der offenen Koordinierung entspricht der in Europa gegebenen Vielfalt der Kulturen, der Lebensgewohnheiten sowie der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Diese Vielfalt, die im Laufe der Jahre stärkere Beachtung fand, erfordert den Einsatz einer breiten Palette von - gesetzgeberischen und anderen - Instrumenten und die Schaffung einer "Kultur" der Einbindung aller Akteure, der Unternehmen der "neuen" und der "alten" Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Sozialschutzeinrichtungen, weiterer sozialer und wirtschaftlicher Akteure, der schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen, einzelner Verbände und der staatlichen Stellen. Auch die gebietsbezogene Dimension der Politik, die auf möglichst umfassenden Partnerschaften beruht, ist für die Handhabung der vielfältigen Situationen von ganz entscheidender Bedeutung.

Der Ausschuss betont jedoch gleichzeitig die gemeinsamen Werte, die dem europäischen Modell zugrunde liegen. Die neue Koordinierungsmethode setzt voraus, dass die Weiterbehandlung und Beurteilung der Politik (die in jedem Mitgliedstaat auf eigene Weise vorgenommen werden kann) anhand gemeinsamer Maßstäbe alle Unionsländer erfassen muss.

2.8. Die Mitverantwortung des Privatsektors ist eine Herausforderung für die organisierte Zivilgesellschaft und damit auch für den Ausschuss als Vertretungsorgan eines breiten Spektrums repräsentativer Wirtschaftsverbände und sozialer Vereinigungen.

Der Ausschuss hat infolgedessen die Aufgabe, diese Akteure zu mobilisieren und damit einen zusätzlichen Nutzen für den Prozess zu erbringen.

2.9. Der Ausschuss betont, dass sich die Beitrittsländer umgehend auf ihre Teilnahme an der neuen Koordinierungsmethode vorbereiten müssen, weil es bei ihrem Beitritt nicht genügt, dass sie ihre Rechtsvorschriften mechanisch an das geltende Gemeinschaftsrecht (acquis communautaire) anpassen und Behörden für dessen Anwendung einrichten. Mindestens ebenso wichtig ist eine aktive Beteiligung der Wirtschaftsverbände und sozialen Organisationen, damit der Beitrittsprozess ein möglichst breites Fundament erhält. Im Rahmen seiner Arbeit wird der Ausschuss diese Entwicklung genau beobachten, um die Mitwirkung der Organisationen der Zivilgesellschaft sicherzustellen.

2.10. Darüber hinaus muss die neue Koordinierungsmethode im Zusammenhang mit dem anstehenden Weißbuch über neue Entscheidungsstrukturen für die Europäische Union, das nach der Tagung des Europäischen Rates in Stockholm veröffentlicht werden soll, gesehen werden.

3. Beteiligt sich die organisierte Zivilgesellschaft? - eine Erhebung

3.1. Den Mitgliedern des Ausschusses, den europäischen Organisationen sowie den nationalen Wirtschafts- und Sozialräten wurde ein Fragebogen zugesandt. Mit den Fragen sollte der Grad der Beteiligung an verschiedenen Politikbereichen (makroökonomischer Dialog, beschäftigungspolitische Leitlinien, Unternehmensprogramme, Binnenmarkt, Finanzdienstleistungen, soziale Sicherheit, Programm zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie regionale Entwicklungsprogramme) ermittelt werden.

Durch die Antworten von Ausschussmitgliedern werden 13 der 15 Mitgliedstaaten abgedeckt. Außerdem haben etwa 20 europäische Organisationen sowie acht nationale Wirtschafts- und Sozialräte geantwortet.

Trotz der relativ geringen Beteiligung an der Umfrage können folgende vorläufige Schlussfolgerungen gezogen werden: Die Sozialpartner sind sowohl auf der europäischen als auch auf der einzelstaatlichen und der regionalen/lokalen Ebene relativ stark beteiligt. Dies gilt besonders für die Sozialpartner in den Kernbereichen ihrer Tätigkeit. Auch Organisationen, die besondere Interessen vertreten (z. B. Finanzdienstleistungen oder soziale Ausgrenzung), geben einen hohen Aktivitätsgrad an. Für einige Mitgliedstaaten weisen die Antworten jedoch aus, dass die Sozialpartner beispielsweise an der Beschäftigungspolitik nicht beteiligt sind. Hinsichtlich der Binnenmarktfragen zeigen die Antworten einen relativ geringen Beteiligungsgrad. Die Beteiligung der "sonstigen Interessen" (Gruppe III) ist durchgängig niedriger als die der Organisationen der Arbeitnehmer und der Wirtschaft. Die Antworten zeigen, dass die nationalen Wirtschafts- und Sozialräte nicht einmal auf nationaler Ebene regelmäßig einbezogen werden (nur sechs der acht WSR, die sich an der Umfrage beteiligt haben, werden in einen der genannten Politikbereiche einbezogen).

3.2. Um die Beteiligung an dem Prozess zu steigern, ist es nach Ansicht des Ausschusses dringend erforderlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Organisationen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene engagieren und die Behörden dieser Ebenen öffentlich-private Partnerschaften auf der Grundlage von Offenheit, gegenseitigem Vertrauen und Gleichberechtigung ins Leben rufen.

Auf seiner Tagung in Stockholm sollte der Europäische Rat erneut die Bedeutung der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft unterstreichen und einen entsprechenden Appell an die Mitgliedstaaten richten.

Für den Ausschuss ist es wichtig, dass sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten die Sozialpartner ihre Arbeit tun lassen und nicht auf unangebrachte und überhastete Weise eingreifen, sondern dafür sorgen, dass sie ihrem Auftrag in den Bereichen, für die sie zuständig sind, voll und ganz gerecht werden.

4. Öffentlich-private Partnerschaften und Rolle des Staates

4.1. Im Rahmen der Verantwortungsteilung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, die das Fundament der Lissabonner Strategie bildet, sollte die Aufgabe staatlicher Stellen darin bestehen, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die der organisierten Zivilgesellschaft Raum für einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele bieten, die im Rahmen der Prozesse und in Lissabon gesteckt wurden. In diesem Sinne unterstützt der Ausschuss die im Cardiff-II-Bericht enthaltene Forderung nach einem einfachen, aber qualitativ hochwertigem Regelwerk(5).

4.2. Öffentlich-private Partnerschaften sollten intensiviert werden, und es sollte ein Leistungsvergleich zur Ermittlung vorbildlicher Verfahrensweisen bei der Verantwortungsteilung eingeleitet werden.

4.3. Die politischen Entscheidungsebenen müssen einen horizontalen Ansatz verfolgen, um die Segmentierung zu überwinden und sowohl die Effizienz zu steigern als auch dem Gesamtkonzept der organisierten Zivilgesellschaft gerecht zu werden. Dies stuende im Einklang mit der Verwaltungsreform, die auf dem Lissabonner Gipfeltreffen als Teil notwendiger Wirtschaftsreformen gefordert wurde. Zur Abstützung der Verwaltungsreform und zur Gewährleistung einer hohen Leistungsqualität müssen Maßnahmen zur Personalentwicklung, zur Förderung der Mitbestimmung und eines besseren Managements ergriffen werden. Erforderlich ist dafür auch eine aktive Politik mit dem Ziel, bessere Möglichkeiten für Frauen und benachteiligte Personengruppen zu schaffen und eine "interne Modernisierung", Innovationen und größere Leistungsfähigkeit zustande zu bringen, die mit dem Abbau starrer Hierarchien einhergeht. Außerdem müssen die regionalen Auswirkungen von Verwaltungsreformen beachtet werden.

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die öffentlichen Verwaltungen hinsichtlich ihrer Verwaltungsreformen zu einem länderübergreifenden Austausch von Erfahrungen ermuntert werden sollten, damit sie ebenso wie die organisierte Zivilgesellschaft davon profitieren können, was andere vorgemacht haben.

5. Aufrechterhaltung und Verbesserung der Daseinsvorsorge

5.1. Die Maßnahmen der EU zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit wirken sich zunehmend auf die Aktivitäten des öffentlichen Sektors aus. Viele Bereiche unterliegen nicht mehr der Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten, sondern den Gesetzen des freien Marktes.

Diese Entwicklung ist zu begrüßen, soweit sie die Gewähr für eine höhere Leistungsqualität und niedrigere Preise bietet und allen Anwendern die Möglichkeit gibt, zu vertretbaren Preisen in den Genuss dieser Dienstleistungen zu kommen.

5.2. Der Staat hat indes die Aufgabe, die Leistungen der Daseinsvorsorge, die ein Kernbestandteil des europäischen Sozialmodells sind, zu verbessern. Fehlt es an solchen Leistungen, so hat dies negative Folgen für die Bürger, für ihre Arbeitsplätze und die Qualität ihres lokalen Umfeldes.

5.3. Die Qualität der verfügbaren Leistungen der Daseinsvorsorge muss gewährleistet sein. Ziel muss ein produktiver, effizienter öffentlicher Sektor sein, der die drei Faktoren Einbeziehung der Nutzer, wirtschaftliche Rentabilität und gute Arbeitsbedingungen miteinander verbindet sowie den Bürgern qualitativ hochwertige Leistungen zu angemessenen Preisen bietet. Dieses Ziel muss unabhängig davon gelten, ob diese Dienstleistungen von öffentlichen oder privaten Betreibern erbracht werden.

5.4. Innovationen und Produktivitätssteigerungen, die das Leistungsangebot verbessern, die Auswahl vergrößern und die Kosten senken, sind eine Notwendigkeit. Gleichzeitig müssen Wege gefunden werden, die eine Deckung der wachsenden Nachfrage nach Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, vor allem nach neuen sozialen und umweltfreundlichen Leistungen ermöglichen. Das entspräche auch der Forderung in den beschäftigungspolitischen Leitlinien, das Beschäftigungspotential im Dienstleistungssektor besser auszuschöpfen.

6. Beschäftigungspolitik

6.1. Der Ausschuss stellt mit Befriedigung fest, dass die Vollbeschäftigung zu den Zielen gehört, die auf dem Lissabonner Gipfeltreffen festgelegt wurden.

6.2. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen die Koordinierung aller Prozesse und ihre Kohärenz im Rahmen der Lissabon-Strategie, die nun in den Brennpunkt der Politik gerückt ist, verstärkt werden. In diesem Zusammenhang betont der Ausschuss die Bedeutung vergleichbarer Indikatoren, die zur Beurteilung der Beschäftigungsentwicklung ausgearbeitet werden müssen.

Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Senkung der Arbeitslosigkeit reichen allein jedoch nicht aus. Sie müssen auch darauf abzielen, das Beschäftigungsniveau insgesamt zu erhöhen, um die in Ziffer 6.9 genannten durchschnittlichen Beschäftigungsraten zu erreichen.

6.3. Der Ausschuss plädiert für eine Koordinierung, die die Erzielung von Synergien zwischen unabhängigen Akteuren ermöglicht, wie dies die EZB bei der Geldpolitik und die Tarifpartner bei der Festlegung der Lohnpolitik sind. Diese Koordinierung ermöglicht ein besseres Verstehen der Ziele und der Sachzwänge der verschiedenen Parteien, die an der Wirtschaftspolitik beteiligt sind.

Nötig ist eine langfristig angelegte antizyklische Finanzpolitik, die keine mittelfristigen Risiken für das Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen birgt. Im Hinblick darauf betrachtet es der Ausschuss als unabdingbar, die Anstrengungen mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen im Rahmen des Wachstums- und Stabilitätspakts sicherzustellen, fortzusetzen und für eine optimale Aufteilung zwischen den öffentlichen Verbrauchsausgaben und den öffentlichen Investitionsausgaben Sorge zu tragen.

6.4. Der Ausschuss befürwortet einen regelmäßigen makroökonomischen Dialog unter Beteiligung der Finanzminister und der EZB-Direktoren, der dazu beitragen soll, die Forderungen nach sozialem Zusammenhalt und der Mitverantwortung der Sozialpartner für eine beschäftigungsorientierte und investitionsfördernde Lohnpolitik mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen. Dieser Dialog ist notwendig, um das Vertrauen der Bürger in den Euro zu stärken und unvorhergesehenen Risiken, die wirtschaftliche Instabilität und soziale Probleme hervorrufen können, zu begegnen. Während der makroökonomische Dialog und eine koordinierte Finanzpolitik benötigt werden, um das Wirtschaftswachstum zu fördern, sollte der nationalen Vielfalt Rechnung getragen werden, und die Wahl der konkreten wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen sollte im Rahmen einer kohärenten Gesamtstrategie den Mitgliedstaaten anheim gestellt werden.

6.5. Der Ausschuss macht auf die wichtigen Bezugspunkte aufmerksam, durch die die makroökonomische Politik und die Strukturpolitik eng miteinander verknüpft sind. Deshalb sollte ein "policy-mix" angestrebt werden, d. h. eine kohärente Mischung aus makroökonomischen und strukturellen Maßnahmen, die für die Erreichung der Zielvorgaben des Wachstums und der Beschäftigung optimal wäre.

Diese Abklärung des policy-mix sollte indes nicht nur zwischen den makroökonomischen Politiken einerseits und den Strukturpolitiken andererseits erfolgen. Eine permanente Feinabstimmung ist vielmehr auch innerhalb dieser beiden Politikfelder angezeigt. Mit anderen Worten, es muss ein optimales Gleichgewicht zwischen Geld-, Finanz- und Lohnpolitik gefunden werden, die zusammen die makroökonomische Politik ausmachen. Ebenso müssen sich die Reformen in den Bereichen technische Innovation, Forschung, Wettbewerb, Arbeitsmarkt, Infrastrukturen u. a. im Rahmen der Strukturpolitik gegenseitig unterstützen.

6.6. Der Ausschuss stellt fest, dass das im Juni 2000 veranstaltete Forum hochrangiger Vertreter nicht als Erfolg gewertet wurde. Dieses Forum müsste praxisbezogener gestaltet werden und zwischen der Veröffentlichung des Überblicksberichts und dem Gipfeltreffen im Frühjahr stattfinden, damit es allen Beteiligten größeren Nutzen bringen kann.

6.7. Der Ausschuss fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten eindringlich auf, mit den Sozialpartnern eine enge Zusammenarbeit aufzubauen, um die Beschäftigungsstrategie zu erörtern. Damit diese Strategie zum Erfolg führt, sollten die Sozialpartner den Regierungen ganz eigenständig konkrete Vorschläge für weitere Maßnahmen machen.

Die europäischen Staaten müssen mehr in Wissen und Ausbildung investieren, denn davon hängen Fortschritte in der Beschäftigungsstrategie in hohem Maße davon ab. Darauf hat der Ausschuss bereits in mehreren Stellungnahmen(6) hingewiesen.

Er stellt zustimmend fest, dass auch die Bildungsminister in die Debatten über die beschäftigungspolitischen Leitlinien einbezogen werden.

Er hofft, dass bei dem Gipfeltreffen in Stockholm weitere Weichen für einen allgemeinen, alle erfassenden "Wissensschub" gestellt werden.

6.8. Der Ausschuss empfiehlt, der beginnenden Überalterung der europäischen Bevölkerung und dem Bedarf an qualitativer Arbeit in den kommenden Jahren besondere Aufmerksamkeit im Rahmen der Beschäftigungsstrategie zu widmen. Er stellt in diesem Zusammenhang fest, dass infolge des demographischen Trends der Bevölkerungsalterung das Volumen der Ersparnisse steigen dürfte. Diese müssen in Investitionen in Humanressourcen, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie in neue Wissenstechnologien fließen, damit Qualifikationsengpässe, die unzureichende Teilnahme von bestimmten Altersgruppen bzw. Männern oder Frauen am Erwerbsleben sowie Disparitäten zwischen verschiedenen Gruppen und Regionen überwunden werden können.

6.9. Die Hauptaufgabe besteht darin, die durchschnittliche Erwerbsquote aller Mitgliedstaaten entsprechend der globalen Zielsetzung auf 60 % für Frauen und 70 % für Männer zu steigern. Dieses Bestreben muss mit geeigneten Maßnahmen zur Herstellung des sozialen Zusammenhalts einhergehen. Die Bewältigung dieser Aufgaben erfordert die Mitwirkung der gesamten organisierten Zivilgesellschaft.

6.10. Nach Ansicht des Ausschusses bedeutet dies, dass im Sinne eines beschäftigungsfreundlichen Steuerwesens und Sozialschutzes Maßnahmen mit folgenden Zielsetzungen ergriffen werden müssen:

- Steigerung der Teilnahme älterer Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt: Der Ausschuss wiederholt seinen Vorschlag(7), eine europaweite Aufklärungskampagne zu starten, um die Rolle, die ältere Arbeitnehmer übernehmen können, und einen sozialen Dialog, der die geltenden beschäftigungspolitischen Leitlinien untermauert, bekannter zu machen.

- Steigerung der Frauenerwerbsquote durch verbesserte Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Dafür müssen folgende Grundvoraussetzungen erfuellt sein: Organisation der Betreuung von Kindern und anderen nicht erwerbstätigen Haushaltsmitgliedern, ein erleichterter Wechsel der beruflichen Laufbahn, neue Formen der Arbeitsorganisation und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen.

- Integration besonders schutzbedürftiger Personen in den Arbeitsmarkt: Nötig sind flankierende Maßnahmen unter Einbeziehung der gesamten organisierten Zivilgesellschaft, um allen benachteiligten Personen einen Einstieg bieten zu können und das Absinken in die Armut zu verhindern.

- Förderung der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Personen, die nur eingeschränkt am Arbeitsmarkt teilnehmen können, in allen beschäftigungsrelevanten Bereichen (Binnenmarkt, Informationsgesellschaft usw.)

- Verbesserung der Situation der Staatsangehörigen von Drittländern und der Einwanderer mit Wohnsitz in der EU, damit dieser Personenkreis auf dem normalen Arbeitsmarkt Arbeit findet und ausreichend sozial geschützt und rechtlich abgesichert ist.

- Überprüfung der Einwanderungspolitik unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte mit dem Ziel einer geregelten Einwanderung, die zum Wohlstand Europas und zum Nutzen des Auswanderungslandes beiträgt. Der Ausschuss befasst sich gegenwärtig mit diesem Thema, ebenso wie mit der Flüchtlingspolitik, unterstreicht jedoch, dass letztere getrennt von der allgemeinen Einwanderungspolitik zu behandeln ist.

6.11. Nach Ansicht des Ausschusses sollte das Gipfeltreffen in Stockholm ein Sprungbrett für neue Initiativen sein, die auf Verbesserungen des Arbeitslebens abzielen, wie zum Beispiel:

- Verbesserung des Bildungsniveaus durch eine europaweite Kampagne zur Förderung des lebenslangen Lernens, die nicht nur die Unternehmen einbezieht, sondern auch alle Akteure, die im schulischen und außerschulischen Bildungs- und Ausbildungsbereich tätig sind. Gleichzeitig sind Wege zu finden, wie die vorhandenen Qualifikationen der Arbeitskräfte besser genutzt werden können.

- Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz durch engagierte Unterstützung eines neuen Programms, wie es in der "Sozialpolitischen Agenda" vorgesehen ist.

- Maßnahmen, die sicherstellen, dass die beschäftigungspolitischen Strategien und Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt in sinnvolle Arbeitsplätze und klar geregelte Anstellungsformen münden.

- Schaffung von Anreizen für neue Formen der Arbeitsorganisation und des guten Managements sowie für flexible Arbeitszeitregelungen, die den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerecht werden. Berufswechsel und Mobilität müssen erleichtert werden.

- Besondere Berücksichtigung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage der Frauen und anderer Gruppen, die gering entlohnt werden und schlechtere Laufbahnmöglichkeiten haben.

7. Arbeitsmarkt- und Sozialschutzgesetzgebung

7.1. Die Arbeitsmarkt- und Sozialschutzvorschriften der Gemeinschaft müssen in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, wo angebracht aber auch mit anderen wirtschaftlichen und sozialen Organisationen daraufhin geprüft werden, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen herzustellen.

7.2. Mit Zufriedenheit nimmt der Ausschuss die Einsetzung des Sozialschutzausschusses, der sich zunächst insbesondere mit den Themen "Altersversorgung" und "soziale Ausgrenzung" befassen soll, zur Kenntnis, der daneben noch zwei weitere Aufgabenbereiche - die Rentabilität der Arbeit und ein langfristig funktionierendes Gesundheitswesen - haben soll.

7.3. Unabhängig davon, um welche Form der Rentenversicherung - staatliche, tariflich vereinbarte oder auf Gegenseitigkeit beruhende ergänzende oder individuelle private Alterssicherung - es sich handelt, ist die langfristige Finanzierbarkeit der Rentensysteme letzten Endes unauflöslich an eine dauerhafte Wirtschaftsleistung gekoppelt.

7.4. Die Finanzmärkte erhalten durch den steigenden Anteil der kapitalgedeckten Altersversorgung - auf individueller Basis, auf Gegenseitigkeit oder aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern - starke Impulse. Da kapitalgedeckte Renten hinausgeschobene Einkünfte darstellen, müssen Vertreter der Begünstigten Einfluss auf die Anlage der Pensionsfonds nehmen können, sofern dies keine Renditeschmälerung für die Begünstigten mit sich bringt. Der Ausschuss empfiehlt deshalb, Leitlinien für Anlageentscheidungen von Rentenfonds aufzustellen, entweder durch Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern oder in Form von Verhaltenskodizes für die Fonds, um langfristiges Wachstum und Nachhaltigkeit sicherzustellen.

Der Sozialschutzausschuss sollte deshalb auch den Auftrag erhalten, die Entwicklung der Zusatzrentensysteme in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern zu prüfen.

Die betrieblichen Rentensysteme dürfen sich nicht hemmend auf die Mobilität der Arbeitnehmer auswirken(8).

7.5. Außerdem sollte sich der Sozialschutzausschuss dringend mit Sozialschutzsystemen befassen, die Flexibilität und Sicherheit miteinander verbinden, und dabei insbesondere nachahmenswerte Erfahrungen und Lösungen, die in diesem Bereich bestehen, hervorheben.

7.6. Die Bereitstellung eines qualitativ hochwertigen Gesundheitswesens ist eine weitere Verpflichtung, die die Mitgliedstaaten im Rahmen der Modernisierung des Sozialschutzes übernommen haben.

7.7. Was das Recht auf gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung betrifft, so ist der Ausschuss der Meinung, dass sich Pflicht- und Zusatzkrankenversicherungssysteme miteinander kombinieren lassen, solange beide Systeme an einem gemeinsamen Konzept des Universaldienstes festhalten, das die Auswahl der Risiken und die Nutzung genetischer Informationen zum Zwecke der versicherungsrechtlichen Diskriminierung ausschließt. Wie schon in einer früheren Stellungnahme(9) ist der Ausschuss der Ansicht, dass in diesem immer komplexer werdenden Bereich Leitlinien vorgegeben werden sollten, statt zu Rechtsetzungsmaßnahmen zu greifen. Ziel muss es sein, dass die Mitgliedstaaten durch Konsultationen und Verhandlungen mit privaten Versicherungsträgern verbindliche Lastenhefte mit der Funktion eines Verhaltenskodex festlegen.

8. Die Rolle der Unternehmen

8.1. Das Unternehmen ist als ein Wirtschaftsakteur zu betrachten, der den sozialen Zusammenhalt fördert. Die Mitgliedstaaten sollten deshalb in allen Gesellschaftsschichten den Unternehmergeist fördern.

8.2. Im Hinblick auf die Steigerung der Erwerbsquote kommt Bemühungen, die auf die Erleichterung von Unternehmensgründungen und -übertragungen gerichtet sind, maßgebliche Bedeutung zu. Verbesserte Rahmenbedingungen für Kleinbetriebe und einfachere Verwaltungsbestimmungen sind ein absolutes Muss, damit insbesondere im Dienstleistungssektor neue Wachstums- und Beschäftigungsbereiche erschlossen werden können. Der Ausschuss bekräftigt seinen Vorschlag(10), die "Europäische Charta für Kleinunternehmen" zu einem Maßstab für die Messung der dabei erzielten Fortschritte zu machen.

8.3. Wichtig ist, dass für eine große Vielfalt an Unternehmensarten gesorgt und das Augenmerk nicht nur auf innovative und Hightechsektoren gerichtet wird. Die meisten Unternehmen sind klein, auf lokaler Ebene tätig und arbeitsintensiv, was vor allem für den Dienstleistungssektor gilt. Ein starkes Wachstum verzeichnen neue Unternehmensformen, vor allem auch solche, die eine selbständige Tätigkeit auf Voll- oder Teilzeitbasis implizieren, und Unternehmensgründungen durch Akteure, die nicht dem klassischen Gründerprofil entsprechen (z. B. Frauen, junge Menschen und Angehörige von Minderheiten). Hier werden geeignete Unterstützungsstrukturen benötigt. Außerdem muss ein geeigneter Sozialschutz für die Arbeit in diesen neuen Unternehmensformen (sowohl für Inhaber als auch für Angestellte) entwickelt werden.

8.4. Eine wichtige Voraussetzung für die Förderung des Unternehmergeists in allen Gesellschaftsschichten ist die Entwicklung einer Kultur des unabhängigen und verantwortungsbewussten Handelns am Arbeitsplatz. Bei den Unternehmensgründern handelt es sich in der Regel um Personen, die zuvor abhängig beschäftigt waren. Elementare Bestandteile einer Kultur der Unabhängigkeit sind die Verbesserung der Arbeitsqualität und die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Festlegung der Arbeitsinhalte.

8.5. Die verschiedenen Formen des Arbeitnehmereigentums an einem Unternehmen können ebenfalls dazu beitragen, die Unternehmenskultur zu entwickeln und den sozialen Zusammenhalt stärken und die Arbeitsqualität zu verbessern. Die Kommission sollte auf der Grundlage der Pepper-Berichte verschiedene Modelle als Grundlage für den Austausch vorbildlicher Verfahrensweisen prüfen.

8.6. Die Sozialwirtschaft erfuellt eine wichtige Funktion als Vorbild für Unternehmensformen, die soziale und gegenseitigkeitsorientierte Ziele verfolgen, auf Mitsprache beruhen und den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit rücken.

8.7. Da sich die Entwicklung der meisten Unternehmen überwiegend in örtlichen Zusammenhängen vollzieht, sollte die gebietsbezogene Dimension der Beschäftigungsstrategie noch deutlicher ins Blickfeld gerückt werden. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, sich bei der Erstellung ihres für 2001 geplanten Aktionsplanes verstärkt auf neue und kleine Unternehmen und auf die Bildung von Partnerschaften für Qualifizierung und Innovationen zwischen verschiedenen Akteuren (Klein- und Großunternehmen, Gewerkschaften, NRO, Sozialwirtschaft, subnationale Gebietskörperschaften, Erbringer öffentlicher Dienstleistungen)(11) zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu konzentrieren. Die territorialen Beschäftigungspakte und ähnliche lokale Entwicklungsmaßnahmen könnten als Vorbilder für erfolgreiche lokale Partnerschaften dienen.

8.8. Zusammen mit der Verabschiedung des Statuts der Europäischen Aktiengesellschaft und der einschlägigen Richtlinie sollten auch unverzüglich entsprechende Bestimmungen für Genossenschaften, Vereinigungen und Gesellschaften auf Gegenseitigkeit geschaffen werden.

8.9. In den Lissabonner Schlussfolgerungen wurde insbesondere an das soziale Verantwortungsgefühl der Unternehmerschaft appelliert. Es wird vorgeschlagen, dieses Thema in der Sozialpolitischen Agenda zu vertiefen.

8.10. Der Ausschuss befürwortet ein über das Regelwerk, das durch die Sozialpartner oder die Gesetzgebungsorgane geschaffen wird, hinausreichendes sozial verantwortliches Handeln der Unternehmen, das den Bedürfnissen aller Betroffenen Rechnung trägt. Seiner Ansicht nach sollten die Wirtschaft nach Legitimierung durch die Gesellschaft streben, indem sie sich langfristig zu den Belangen der Gesellschaft und einer nachhaltigen Entwicklung bekennt und vorbildliche Verfahrensweisen unter folgenden Gesichtspunkten fördert: Integration in das lokale Umfeld, eingehender sozialer Dialog, Verwirklichung von Gleichstellung und Gleichbehandlung, Integration von Minderheiten, und Finanzierung von Kleinstunternehmen. Sie kann sich dabei u. a. an den kürzlich verabschiedeten OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen orientieren, die nicht bindende ethische, soziale und ökologische Verpflichtungen enthalten.

9. Vereinfachung des Binnenmarktrechts

9.1. Die Teilnehmer des Lissabonner Gipfels verpflichteten sich, den Binnenmarkt zu vollenden, um die Wahrung der Interessen von Unternehmen und Verbrauchern zu sichern.

9.2. Der Ausschuss sieht die dringende Notwendigkeit, neue Vereinfachungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.

Nach Ansicht des Ausschusses ist bei der Ausarbeitung der Regeln auf Ausgewogenheit zu achten. Neue Auflagen, die in keinem Verhältnis zum Ziel stehen und der Qualität von Waren und Dienstleistungen abträglich wären, sind zu vermeiden. Der Ausschuss hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Verhaltenskodex für die am Regulierungsprozess beteiligten EU-Akteure vorzuschlagen.

9.3. Vor diesem Hintergrund fordert der Ausschuss den Europäischen Rat auf, bis 2001 einen Mehrjahresplan zur Vereinfachung für den Zeitraum bis 2005 zu verabschieden. Darin muss dargelegt sein, welche vorrangigen Ziele verfolgt werden und binnen welcher Fristen sie zu verwirklichen sind (einschließlich Darlegung der Mittel, die für Folgemaßnahmen, die Überwachung und die Erstellung von Jahresberichten und Binnenmarktanzeigern vorgesehen sind).

9.4. Der Mehrjahresplan sollte unter anderem folgende Punkte berücksichtigen:

- eine bessere Nutzung von Folgeabschätzungen;

- alternative Lösungswege wie Verhaltenskodizes, vertragliche Regelungen unterschiedlicher Art und eine intensivere Nutzung von Kennzeichnungen, Zertifizierungs- und anderen Selbstregulierungsverfahren, wobei Unternehmen, Gewerkschaften und Verbraucher in derartige Prozesse einzubeziehen wären.

9.5. Der Ausschuss fordert außerdem den Rat auf, spezifische Vorschläge für Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen sich der Binnenmarkt so gestalten lässt, dass er auch für die fortbestehenden speziellen Probleme benachteiligter Inselgruppen, ländlicher Gebiete und Randregionen der EU Lösungen bringt(12).

10. Beitrag der Finanzmärkte und -dienstleistungen zum sozialen Zusammenhalt

10.1. Der Ausschuss befürwortet Regeln, die für die Integration der zersplitterten Finanz- und Bankenmärkte in der EU sorgen, gleichzeitig jedoch auch die Interessen aller wichtigen Gruppen (Verbraucher, Sparer, Unternehmen und Anleger) berücksichtigen.

10.2. Die Finanzmärkte und -dienstleistungen müssen nicht nur zur Wirtschaftsleistung, sondern auch zum sozialen Zusammenhalt beitragen.

10.3. Es wird befürchtet, dass die Entwicklung der Finanzmärkte und -dienstleistungen dazu führt, dass Bürger, die nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügen, sowie Randregionen und Kleinunternehmen ausgegrenzt werden. In Anbetracht dessen ist zu prüfen, wie es Banken, Versicherungen und sonstigen Anbietern von Finanzdienstleistungen ohne Aushöhlung des Bankgeheimnisses europaweit zur Auflage gemacht werden kann, die Verteilung ihrer Dienstleistungen unter regionalen und sozialen Gesichtspunkten öffentlich darzulegen.

10.4. Der Ausschuss ist vorbehaltlich der üblichen Bankkonditionen der Ansicht:

- dass die Bürger das Recht auf Zugang zu einem Basis-Bankkonto und einem Grundstock an qualitativ hochwertigen Finanzdienstleistungen haben müssen, die ihre Bedürfnisse decken (einschließlich des Zugangs zu Verbraucherkrediten, des Schutzes vor Wucher und anderen Formen der Ausbeutung und der Möglichkeit, ihre Sparentscheidungen nach ethischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zu treffen);

- dass Kleinunternehmen Zugang zu Krediten haben müssen.

Um diesen Verpflichtungen nachzukommen, können die Finanzinstitute Vermittler einschalten, die von den Kleinunternehmen bzw. den Bürgern selbst bestimmt werden.

11. Forschung und Innovation

11.1. Der Ausschuss hat in verschiedenen Stellungnahmen das Engagement der EU mit dem Ziel, einen europäischen Raum der Forschung und Innovation zu schaffen, der die Grundlage für die Wissensgesellschaft bilden soll, begrüßt(13).

11.2. Um die Forschungsleistung und die Nutzung der Finanzressourcen zu optimieren, muss koordiniert und dezentral vorgegangen werden.

11.3. Nach Ansicht des Ausschusses sollte das anstehende Sechste FTE-Rahmenprogramm der EU deshalb auf eine begrenzte Zahl von Prioritäten unter direkter Kontrolle der Kommission ausgerichtet werden, für kleinere Projekte eine dezentrale Verwaltung auf nationaler und lokaler Ebene sowie eine geringe finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft an einzelstaatlichen Vorhaben vorsehen, die den Prioritäten der Gemeinschaft entsprechen(14).

11.4. Der Ausschuss hofft zudem, dass die Teilnehmer des Gipfeltreffens in Stockholm seinen Vorschlag befürworten, zunächst - versuchsweise für einen begrenzten Zeitraum - nur wenige "Networks of Excellence" (Spitzenforschungsnetze) zu gründen. Auch der Schaffung eines Netzwerks strategischer Informationssysteme für Wissenschaft und Technik zur Verbreitung der Ergebnisse und Durchführung des Erfahrungsaustauschs(15) steht er positiv gegenüber.

11.5. Der Ausschuss spricht sich abschließend dafür aus, eine europäische Informationstechnologie-Agentur zur Stärkung einer wettbewerbsfähigen europäischen Informationsgesellschaft zu errichten.

Brüssel, den 28. Februar 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Strukturindikatoren.

(2) Internes Dokument der Kommission: Zwischenbewertung des Luxemburg-Prozesses.

(3) KOM(1999) 061 endg., Wirtschafts- und Strukturreformen in der EU (Cardiff II).

(4) Dem hochrangigen Forum im Juni 2000 vorgelegte Gemeinsame Standpunkte von UNICE (Union der europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände), CEEP (Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft) und EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund).

(5) KOM(1999) 61 endg., Wirtschafts- und Strukturreformen in der EU (Cardiff II).

(6) ABl. C 14 vom 16.1.2001. "Neues Wissen, neue Arbeitsplätze"; ABl. C 117 vom 26.4.2000, S. 62"Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialer Zusammenhalt"; "Die europäische Dimension der allgemeinen Bildung: Wesen, Inhalt und Perspektiven"; ABl. C 168 vom 16.6.2000, S. 30"Europäische Zusammenarbeit bei der Bewertung der Qualität der schulischen Ausbildung".

(7) ABl. C 14 vom 16.1.2001, "Ältere Arbeitnehmer", Ziffern 5.3 und 5.5. ABl. C 14 vom 16.1.2001, "Beschäftigungspolitische Leitlinien 2001".

(8) ABl. C 157 vom 25.5.1998, "Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die sich innerhalb der Europäischen Union bewegen".

(9) ABl. C 204 vom 18.7.2000, Teil III, Buchstabe C "Zusatzkrankenversicherung".

(10) ABl. C 14 vom 16.1.2001, "Die Beschäftigung vor Ort fördern".

(11) ABl. C 14 vom 16.1.2001, "Die Beschäftigung vor Ort fördern".

(12) Artikel 158 und 299 EG-Vertrag.

(13) ABl. C 14 vom 16.1.2001, "Neues Wissen, neue Arbeitsplätze"; ABl. C 117 vom 26.4.2000, S. 62"Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialer Zusammenhalt".

(14) ABl. C 367 vom 20.12.2000, "Beobachtung, Bewertung und Optimierung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der FTE: Vom Fünften zum Sechsten Rahmenprogramm".

(15) ABl. C 14 vom 16.1.2001. "Neues Wissen, neue Arbeitsplätze"; ABl. C 204 vom 18.7.2000, S. 70"Hin zu einem europäischen Forschungsraum".

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