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Document 52004AR0327
Opinion of the Committee of the Regions on the ‘Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions on the White Paper on services of general interest’
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen 'Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse'“
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen 'Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse'“
ABl. C 164 vom 5.7.2005, p. 53–58
(ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
5.7.2005 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 164/53 |
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen 'Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse'“
(2005/C 164/06)
DER AUSSCHUSS DER REGIONEN
gestützt auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (KOM (2004) 374 endg.);
aufgrund des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 13. Mai 2004, ihn gemäß Artikel 265 Absatz 1 EGV mit diesem Thema zu befassen;
aufgrund des Beschlusses seines Präsidenten vom 5. April 2004, die Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik mit der Erarbeitung einer Stellungnahme zu diesem Thema zu beauftragen;
gestützt auf Artikel 16 EGV betreffend Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sowie Artikel 2, 5, 73, 81, 86, 87, 88 und 295 EGV;
gestützt auf Artikel 36 der Europäischen Charta der Grundrechte betreffend den Zugang zu Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse;
gestützt auf Artikel III-122 des am 29. Oktober 2004 in Rom von den Staats- und Regierungschefs unterzeichneten Vertrags über eine Verfassung für Europa;
gestützt auf seine Stellungnahme zu dem Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (CdR 149/2003 fin) (1);
gestützt auf seine Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (CdR 470/2000 fin) (2);
gestützt auf seine Stellungnahme zu dem „Entwurf einer Entscheidung der Kommission über die Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten Unternehmen als Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gewährt werden“ sowie zu dem „Entwurf einer Richtlinie der Kommission zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen“ und dem „Entwurf für einen Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden“ (CdR 155/2004 fin) (3);
gestützt auf seine Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt“ (CdR 154/2004 fin) (4);
gestützt auf seine Stellungnahme zum „Grünbuch der Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (CdR 239/2004 fin);
gestützt auf seinen Stellungnahmeentwurf (CdR 327/2004 rev. 1), der am 8. Dezember 2004 von der Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik angenommen worden war (Berichterstatter: Herr Martini, Präsident der Region Toskana, IT/SPE),
verabschiedete auf seiner 58. Plenartagung am 23./24. Februar 2005 (Sitzung vom 23. Februar) folgende Stellungnahme:
1. Standpunkte des Ausschusses der Regionen
Einleitung
1.1 |
Das Weißbuch, dem eine umfassende öffentliche Debatte vorausging, zu welcher der Ausschuss der Regionen in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Gebietskörperschaften einen wichtigen Beitrag geleistet hat, enthält eine genaue Darstellung der Leitlinien der Kommission bis 2006. |
Der Ausschuss der Regionen
1.2 |
ist der Auffassung, dass das Weißbuch die Gelegenheit bietet, die Debatte über die darin enthaltenen Strategien, Vorschläge und Festlegungen fortzuführen. Die Behörden, vor allem jene der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, sowie die sozialen Kräfte müssen insbesondere zu folgenden Punkten einen Beitrag leisten:
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Besondere Bemerkungen zum Weißbuch
Der Ausschuss der Regionen
1.3 |
ist der Auffassung, dass folgende Aspekte des Weißbuchs zu würdigen sind:
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Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im europäischen institutionellen Rahmen
Der Ausschuss der Regionen
1.4 |
hebt hervor, dass die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Teil des Wertesystems sind, das dem Leben der EU und der Mitgliedstaaten zugrunde liegt und von starken Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt geprägt ist, die eine soziale Marktwirtschaft ausmachen und zu einer größtmöglichen Einbindung der Bürger in die europäische Wirtschaft und Gesellschaft beitragen; |
1.5 |
unterstreicht, dass die Organisation der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zum wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt, zur Solidarität und zum Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gemeinschaft, zum allgemeinen Interesse der Bürger und zur nachhaltigen Entwicklung auch im Interesse künftiger Generationen, beiträgt; |
1.6 |
begrüßt, dass die Kommission zum Stellenwert der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf europäischer Ebene Stellung bezieht. So wird eine Brücke gebaut zwischen der derzeitigen Lage — in der auf Grund der Verträge und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Wettbewerbspolitik im Vordergrund steht — und dem neuen Szenario, das vom Verfassungsvertrag eröffnet wird; |
1.7 |
äußert seine Genugtuung über die Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips, worauf die Aussage beruht, es sei hauptsächlich Aufgabe der auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zuständigen Behörden, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu definieren, zu organisieren und zu kontrollieren. Darüber hinaus möchte der Ausschuss darauf aufmerksam machen, dass die einzelstaatlichen, regionalen und lokalen Behörden die Möglichkeit haben, Regelungen zu entwickeln und umzusetzen, die den Bürgern mehr Wahlfreiheit geben, sodass diese selbst entscheiden, wer die jeweilige Dienstleistung erbringt; |
1.8 |
begrüßt, dass die Kommission die Änderung von Artikel 16 EGV (nunmehr III-122 im neuen Verfassungsvertrag) befürwortet; darin ist ein Europäisches Gesetz im Mitentscheidungsverfahren im Rahmen der Zuständigkeiten der Union vorgesehen, um den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eine klare Rechtsgrundlage zu verleihen. Dass es weiterhin Widerstände gegen eine allgemeine Rahmenvorschrift gibt, rechtfertigt es nicht, die derzeitige Lage weiter bestehen zu lassen, in welcher der Europäische Gerichtshof in Ermangelung einer Vorschrift Recht setzt, anstatt es anzuwenden. Das Weißbuch sieht eine Überprüfung der Möglichkeit vor, ein Rahmengesetz festzulegen, nachdem der Verfassungsvertrag ratifiziert ist. Im Hinblick darauf verpflichtet sich die Kommission, einen Bewertungsbericht mit etwaigen Vorschlägen vorzulegen; |
1.9 |
unterstreicht, dass ein breiter Konsens darüber besteht, dass die Rolle der EU klarer und transparenter gestaltet werden muss, ohne ihr neue Kompetenzen zu verleihen. Im Weißbuch scheint dieser Ansatz übernommen zu werden, denn es werden die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und lokalen Gebietskörperschaften für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse anerkannt, angefangen bei dem Recht, die Rechtsform und den öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Status der mit diesen Dienstleistungen beauftragten Unternehmen zu wählen. |
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Rahmen der Kohäsionspolitik
Der Ausschuss der Regionen
1.10 |
bringt die Überzeugung zum Ausdruck, dass der erschwingliche universelle Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, deren Preise auf der Grundlage von Produktions- und Bereitstellungskosten kalkuliert sind, ein wesentliches Element des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der gesamten EU darstellt und die Regionen und lokalen Gebietskörperschaften die geeignetsten Ebenen sind, um die Bedürfnisse der Bürger zu beurteilen und die angemessensten Formen und Strukturen für das Angebot von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf ihrem Gebiet festzulegen; |
1.11 |
unterstreicht jedoch, dass die Erreichung des Ziels des territorialen Zusammenhalts auch die Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen vor Ort und der großen Dienstleistungsnetze mit europäischer Dimension erfordert. Die Strukturfonds — ein unerlässliches Instrument der europäischen Kohäsionspolitik — sollten neu ausgerichtet werden, um Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Einklang mit den Kohäsionszielen zu fördern und dabei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Förderung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den mittel- und osteuropäischen Ländern besondere Aufmerksamkeit zu schenken. |
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Wettbewerb
Der Ausschuss der Regionen
1.12 |
hebt die heikle Beziehung zwischen den Grundsätzen des Binnenmarkts und den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse hervor; |
1.13 |
hält jedoch die langfristige Finanzierungssicherheit für die Investitionen und öffentlichen Dienstleistungsverpflichtungen für zentrale Fragen, um allen in der gesamten EU Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewähren; |
1.14 |
schreibt dem Grünbuch die Verantwortung dafür zu, vor allem die positiven Aspekte der sektorspezifischen Liberalisierungsmaßnahmen hervorgehoben und nicht in ausreichendem Maße auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem fairen Wettbewerb und den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geachtet zu haben; |
1.15 |
begrüßt, dass die Kommission mit dem Weißbuch klar einräumt, dass Probleme der Vereinbarkeit zwischen den Binnenmarkt- und Wettbewerbsvorschriften einerseits und der Arbeitsweise der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse andererseits bestehen, obschon das Ungleichgewicht zwischen den Erwägungen des allgemeinen Interesses und den Wettbewerbsvorschriften noch nicht völlig überwunden wird; |
1.16 |
betont nochmals, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens für die Wahl des mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betrauten Unternehmens nur fakultativ und keine Pflicht ist, um die Bedingungen für die Rechtmäßigkeit einer staatlichen Beihilfe als Ausgleichszahlung für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen zu erfüllen. In Anbetracht der jüngsten Rechtsprechung, die die Definition der unmittelbaren Verwaltung öffentlicher Dienstleistungen durch lokale und regionale Gebietskörperschaften erheblich einschränkt, ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Kommission eine Änderung der Rechtsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen vorschlagen sollte, um eine Definition der unmittelbaren Verwaltung festzulegen, die dem Konzept der kommunalen Selbstverwaltung Rechnung trägt; |
1.17 |
teilt die Analyse der Kommission, der zufolge das Ziel des Ausbaus eines offenen Binnenmarktes mit dem Ziel der Entwicklung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vereinbar ist, ist jedoch der Auffassung, dass der Begriff Beeinträchtigung des Handels genauer definiert werden sollte, der auf Grund der Artikel 12 und 81 bis 89 EGV den Rahmen für die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bildet. Denn derzeit wird der Begriff der potenziellen Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels vom EuGH so weit ausgelegt, dass selbst Unternehmen, die auf eng begrenzter lokaler Ebene mit der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen beauftragt sind, unter Artikel 87 Absatz 1 EGV fallen können. |
Unterscheidung zwischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Der Ausschuss der Regionen
1.18 |
fordert die Kommission auf, rasch einen Rahmen-Legislativvorschlag zu unterbreiten und sich dabei auf den Wortlaut des Verfassungsvertrags zu stützen, sodass die Festlegung einiger positiver gemeinsamer Grundsätze erreicht wird, so z.B.:
Eine gemeinsame Terminologie soll horizontal für die Sektoren gelten, die Gegenstand einer Gemeinschaftsregelung sind, wird jedoch auch ein nützlicher Bezugspunkt für andere Sektoren sein; |
1.19 |
unterstreicht, dass eine solche Rahmenvorschrift umso wichtiger ist, als hinsichtlich Ausgleichszahlungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen die beiden ersten Kriterien des Urteils „Altmark Trans“ (d.h. die Verpflichtung, den öffentlichen Dienstleistungsauftrag des Begünstigten der Ausgleichszahlung klar zu definieren und vorher objektiv und transparent die Parameter festzulegen, aufgrund derer die Ausgleichszahlungen berechnet werden) die Gebietskörperschaften schon heute verpflichten, sich um eine Definition der Verträge über öffentliche Dienstleistungen zu bemühen. Diese Bemühung kann nur zu stärkerer Transparenz und demokratischer Verantwortung bei der Handhabung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse führen; |
Der Ausschuss der Regionen
1.20 |
ist der Auffassung, dass die Unausgewogenheit bei der automatischen Anwendung der Wettbewerbsvorschriften fortbestehen wird, solange keine klare Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse getroffen wird und die in den Verträgen enthaltenen Begriffsbestimmungen der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht entsprechend ergänzt werden; |
1.21 |
bekräftigt in diesem Zusammenhang seine in der Stellungnahme zum „Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt“ erhobene Forderung, „die Daseinsvorsorge grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie (und nicht nur partiell aus dem Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips) auszuschließen, um jeder möglichen Diskussion bei der späteren Umsetzung vorzubeugen und um einen Zugzwang zu vermeiden, diesen Bereich kurzfristig durch gemeinschaftsweite Regelungen harmonisieren zu müssen“; er begrüßt, dass die Kommission in ihrer Mitteilung „Zusammenarbeit für Wachstum und Arbeitsplätze — Ein Neubeginn für die Strategie von Lissabon“ die Bedenken hinsichtlich der Anwendung des Herkunftslandprinzips in ihrem Vorschlag für eine Dienstleistungsrichtlinie anerkennt (6); |
1.22 |
weiß es zu schätzen, dass ernsthaft versucht wird, das Problem der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse einerseits und der Gemeinwohlverpflichtungen andererseits anzugehen; ist jedoch verwundert über die Ankündigung im fortlaufenden Dreimonatsprogramm der Kommission, im Dezember 2004 einen revidierten „Vorschlag für eine Verordnung des Rates und des Europäischen Parlaments über (...) Anforderungen des öffentlichen Dienstes (...) für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen“ zu veröffentlichen, wo doch die Konsultation zum Weißbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse noch längst nicht abgeschlossen ist; |
1.23 |
weist jedoch darauf hin, dass das Weißbuch zu keiner genauen Definition der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gelangt, sondern sich auf die Feststellung beschränkt, dass sich aus der Lieferung von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Gemeinwohlverpflichtungen ergeben. Zur Identifizierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nennt das Weißbuch neun Leitprinzipien, die ein nachträgliches Bewertungsschema liefern, ohne jedoch den Wettbewerbsgrundsatz in Frage zu stellen. Das Weißbuch bestätigt somit die schwierige Balance zwischen den Grundwerten der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und den Wettbewerbsvorschriften; |
1.24 |
bringt auch die Sorge zum Ausdruck, dass die Tendenz zur Anwendung der Binnenmarktregeln Vorrang vor dem gerechtfertigten Schutz der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse haben könnte. Denn mit Ausnahme der von den Behörden bei der Ausübung ihrer Aufgaben unentgeltlich erbrachten Dienstleistungen kann jede Dienstleistung von allgemeinem Interesse einen wirtschaftlichen Aspekt haben; |
1.25 |
bemerkt darüber hinaus, dass sich all dies stark auf die Verantwortung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auswirkt, die Selbstverwaltung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu organisieren; |
1.26 |
ist der Auffassung, dass vor allem die Kriterien der Gewährleistung der Grundrechte, des universellen Zugangs, der Solidarität und der nachhaltigen Entwicklung berücksichtigt werden müssen, um zu einer wirksamen Unterscheidung zwischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu gelangen. |
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im sozialen und gesundheitlichen Bereich
Der Ausschuss der Regionen
1.27 |
begrüßt die Zusage der Kommission, vor Ende 2005 eine spezifische Mitteilung über soziale und gesundheitliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu erarbeiten, um die spezifischen Merkmale zusammen mit den notwendigen Modernisierungsmaßnahmen zu benennen und die derzeitige Rechtsunsicherheit zu überwinden. Ohne klare Rechtsvorschriften werden die sozialen und gesundheitlichen Dienstleistungen tendenziell allzu stark den Wettbewerbsregeln ausgesetzt, was zu Lasten ihrer besonderen Aufgaben geht. Gleichzeitig erfordert die Mobilität der Menschen in der EU Fortschritte in Richtung eines Rechts auf Zugang zu sozialen Dienstleistungen und zu medizinischer Versorgung im gesamten EU-Gebiet. Es geht also darum, die Besonderheiten dieses Sektors einzuschätzen, sich auf Definitionen zu einigen, Gemengelagen zu berücksichtigen und die Besonderheit der Akteure gut zu integrieren; |
1.28 |
hebt hervor, dass die Kommission bei der Festlegung ihrer Vorschläge ein wirksames Niveau der Zusammenarbeit mit den nationalen, regionalen und lokalen Behörden und allen betroffenen Einrichtungen entwickeln und dabei berücksichtigen muss, dass die sozialen und gesundheitlichen Dienstleistungen in den meisten EU-Staaten auf Solidaritätserwägungen und kollektiver Finanzierung beruhen. |
Die sektorspezifischen Richtlinien
Der Ausschuss der Regionen
1.29 |
nimmt zur Kenntnis, dass das Weißbuch vorsieht, die Auswirkungen der sektorspezifischen Richtlinien 2005 in einem Bericht zu bewerten und eine größere horizontale Kohärenz im Hinblick auf ihre Neufassung 2006 anzustreben. Die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse mit europäischer Dimension unterliegen den sektorspezifischen Richtlinien des Binnenmarktes für die Bereiche Fernmeldewesen, Postwesen, Strom, Gas, Flug-, Schienen- und Straßenverkehr. In diesen Richtlinien werden Wettbewerbsverpflichtungen und Gemeinwohlverpflichtungen miteinander verbunden. Ihre Auswirkungen müssen regelmäßig bewertet werden, damit sie überarbeitet werden können. Bei diesen Überarbeitungen müssen die Gemeinwohlverpflichtungen ergänzt werden, muss eine stärkere horizontale Kohärenz zwischen den verschiedenen sektorspezifischen Gemeinwohlverpflichtungen erreicht und müssen die Vorschriften verbessert werden. Bei anderen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse wie Wasserversorgung, Abfallentsorgung, ÖPNV, öffentlich-rechtliches Fernsehen wird noch diskutiert, ob für sie ein Gemeinschaftsrahmen gelten soll und, falls ja, auf welchen Rechtsgrundlagen dies erfolgen soll (Umwelt, kulturelle Vielfalt, Informationsfreiheit usw.). |
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Welthandel und der Entwicklungshilfe
Der Ausschuss der Regionen
1.30 |
begrüßt, dass im Weißbuch auch das Thema der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern angesprochen wird, die ihnen helfen soll, hochwertige Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aufzubauen. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen ist ein wesentliches Instrument der Entwicklungshilfe. Leider ist festzustellen, dass auf internationaler Ebene keine allgemein anerkannten Grundsätze für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und keine gerechten Finanzierungsmodalitäten existieren. Um zur Entwicklung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den Entwicklungsländern beizutragen, muss die EU eine Politik der regionalen Zusammenarbeit definieren, die es ermöglicht, weltweit öffentliche Güter zu schaffen, indem ein solider Rahmen von Vorschriften und Institutionen eingeführt wird, um Investitionen in grundlegende Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu fördern; |
1.31 |
ist jedoch der Auffassung, dass eine eingehende öffentliche Debatte erforderlich ist, um die Entscheidungen bezüglich Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den internationalen Verhandlungen über den Handel mit Dienstleistungen zu klären. Die Haltung der EU beruht auf der Anwendung des Grundsatzes der Kohärenz zwischen ihrem internen Rechtsrahmen und jenem der internationalen Handelsabkommen und hat bisher dazu geführt, dass die wesentlichen, mit öffentlichen Mitteln finanzierten Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Gesundheitswesen, Bildungswesen, Kultur) ausgeschlossen wurden und viele Beschränkungen für jene Sektoren eingeführt wurden, die zu öffnen die EU beschlossen hat, ohne die erforderlichen Sicherheiten zu erreichen. |
2. Empfehlungen für künftige Entwicklungen
Der Ausschuss der Regionen
2.1 |
ist der Auffassung, dass das Weißbuch zwar einen intensiven Arbeitsplan für die nächsten zwei Jahre darstellt und viele Sorgen und Anliegen der lokalen Gebietskörperschaften berücksichtigt wurden, die Kommission jedoch hinsichtlich der Rechtsetzung nicht genügend klargestellt hat, welche künftigen Rechtsakte und welche Änderungen des derzeitigen Binnenmarkt- und Wettbewerbsrechts geplant sind; |
2.2 |
nimmt die Zusage der Kommission zur Kenntnis, bis Juli 2005 die Vorschläge vorzulegen, welche die Finanzierungsbedingungen für Dienstleistungen im allgemeinen Interesse in Anwendung des Altmark-Trans-Urteils absichern sollen; |
2.3 |
fordert die Kommission auf, weiterhin alle an einem Bereich wie dem Wettbewerb interessierten Akteure hinzuzuziehen; zu diesem Bereich wurden erstmals „informelle“ Konsultationen eröffnet, die es dem AdR ermöglicht haben, den Standpunkt der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu für sie besonders sensiblen Themen zum Ausdruck zu bringen (vgl. die Stellungnahme CdR 155/2004 fin, die auf der Plenartagung am 29. September einstimmig verabschiedet wurde); |
2.4 |
bekräftigt, dass die EU-Rechtsetzung unter strengster Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips erfolgen muss und dabei die Entscheidungsfreiheit der Gebietskörperschaften hinsichtlich der Modalitäten der Organisation und Ausübung ihrer Vorrechte wie in den einzelstaatlichen Vorschriften vorgesehen gewährleistet sein muss; |
2.5 |
hebt hervor, dass die Verpflichtung zur Einhaltung dieser Prinzipien keine Infragestellung der Entscheidungen der Gebietskörperschaften darüber gestattet, auf welche Art und Weise sie ihre Verpflichtungen erfüllen, allen Bürgern — in städtischen wie auch in ländlichen und dünner besiedelten Gebieten — Zugang zu den Dienstleistungen zu gewährleisten; |
2.6 |
ist der Auffassung, dass es zur Erreichung konkreter operativer Maßnahmen — angesichts der Dringlichkeit, die Finanzierungsbedingungen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sicherzustellen — unerlässlich ist, das für die nächsten beiden Jahre angekündigte ehrgeizige Arbeitsprogramm (Berichte, Beschlüsse, Vorschläge für Rechtsakte, Studien, Mitteilungen usw.) innerhalb der vorgegebenen Fristen vollständig umzusetzen; |
2.7 |
würdigt die Zusage der Kommission, 2005 die Verfahren zur Bewertung der Liberalisierungen im Lichte der Stellungnahmen aller betroffenen Einrichtungen sowie der sozialen und ökologischen Wirkung zu überprüfen; |
2.8 |
stimmt der Aussage zu, dass die Arbeit der Kommission darauf ausgerichtet sein muss, die Freiheit der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu gewährleisten, die von ihnen als am zweckmäßigsten betrachtete Art und Weise der Gestaltung der Dienstleistungen auszuwählen, was verpflichtende EU-Rechtsetzungsinitiativen ausschließt, die diese Freiheit beschränken. Es muss ein System errichtet werden, in dem die Qualität und Vergleichbarkeit der nationalen Daten sichergestellt ist. Die derzeitige Bewertung der Qualität und Effizienz von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die Gegenstand sektorspezifischer Richtlinien sind, muss verbessert werden; für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die nicht Gegenstand sektorspezifischer Richtlinien sind, müssen hingegen Bewertungspflichten festgelegt werden, die durch eine Methode zu erfüllen sind, die auf den Grundsätzen Unabhängigkeit, Pluralismus und Qualität beruht. Keinesfalls darf der Weg der Liberalisierungen weiter beschritten werden, ohne deren wirtschaftliche, soziale, territoriale und ökologische Auswirkungen eingehend und regelmäßig zu bewerten. |
Brüssel, den 23. Februar 2005
Der Präsident
des Ausschusses der Regionen
Peter STRAUB
(1) ABl. C 73 vom 23.3.2004, S. 7.
(2) ABl. C 19 vom 22.1.2002, S. 8.
(3) ABl. C 43 vom 18.2.2005, S. 13.
(4) ABl. C 43 vom 18.2.2005, S. 18.
(5) KOM(2005) 24 endg., S. 18.
(6) KOM(2005) 24 endg., S. 18.