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Document 52005AE0528

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der nächsten Finanziellen Vorausschau“

ABl. C 267 vom 27.10.2005, p. 22–29 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

27.10.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 267/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der nächsten Finanziellen Vorausschau“

(2005/C 267/04)

Im Vorfeld ihrer Amtsübernahme beschloss die luxemburgische Ratspräsidentschaft am 29. November 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen: „Die Rolle der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der nächsten Finanziellen Vorausschau“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 18. April 2005 an. Berichterstatterin war Frau SIRKEINEN, Mitberichterstatter waren Herr EHNMARK und Herr RIBBE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 417. Plenartagung am 11./12. Mai 2005 (Sitzung vom 11. Mai) mit 151 Stimmen gegen 1 Stimme bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der EWSA hat die Thematik der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung in früheren Stellungnahmen umfassend behandelt. In dieser Sondierungsstellungnahme geht er auf Ersuchen der luxemburgischen Ratspräsidentschaft dem Zusammenhang zwischen der nachhaltigen Entwicklung und der Finanziellen Vorausschau oder anders ausgedrückt der Frage nach, was die Haushaltspolitiken leisten können und müssen, um die nachhaltige Entwicklung zu integrieren und zu verbessern. Die Gliederung dieser Stellungnahme folgt den Rubriken bzw. Prioritäten der Mitteilung über die Finanzielle Vorausschau.

1.2

Zwischen dem EU-Haushaltsplan und dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung besteht eine komplexe Wechselbeziehung. In dieser Stellungnahme unternimmt der EWSA den Versuch, diesen Themenkomplex zu beleuchten, ohne an dieser Stelle allen Einzelheiten gerecht werden zu können. Deshalb ist es wichtig, Sachwissen und Meinungen zu den betreffenden Themen auf breiter Basis zu sammeln und zu analysieren.

1.3

Der EWSA ist willens und bereit, eine aktive Rolle bei der Weiterbehandlung des Themas Nachhaltigkeit zu spielen. Hierzu kann er im Rahmen des ihm auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates vom März 2005 übertragenen Mandats zur Umsetzung der Lissabon-Strategie einen wichtigen Beitrag leisten. Das interaktive Netzwerk mit der Zivilgesellschaft und den betroffenen Parteien, das er aufbauen soll, stellt eine geeignete Plattform dar, um eine effiziente, multidimensionale (wirtschaftliche, soziale, ökologische) und transparente Bewertung vorzunehmen und dabei dafür zu sorgen, dass sich die Akteure vor Ort die Gemeinschaftspolitiken stärker zu eigen machen.

2.   Mitteilung der Kommission über die Haushaltsmittel 2007-2013

2.1

In ihrer Mitteilung „Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen — Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel der erweiterten Union — 2007-2013“ (1) vom 10. Februar 2004 stellte die Kommission ihre Prioritäten für die erweiterte Europäische Union sowie ihre Vorschläge für den Finanzbedarf, die Instrumente, die Governance, den neuen Finanzrahmen sowie das Finanzierungssystem vor. Die drei Prioritäten für die nächste Finanzielle Vorausschau sind:

die Vollendung des Binnenmarkts, so dass er seine Rolle im Hinblick auf das umfassendere Ziel der nachhaltigen Entwicklung in vollem Umfang erfüllen kann,

das politische Konzept der Unionsbürgerschaft, das sich auf die Vollendung eines Raums der Freiheit, des Rechts, der Sicherheit und den Zugang zu den Leistungen der Daseinsfürsorge stützt, und

die Verpflichtung Europas, eine kohärente Rolle als globaler Partner zu spielen, die nachhaltige Entwicklung zu fördern und einen Beitrag zur Sicherheit zu leisten.

2.1.1

Der Vorschlag für den neuen Finanzrahmen gliedert sich in folgende Rubriken (Tabelle im Anhang):

1.

Nachhaltiges Wachstum

1a.

Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung

1b.

Kohäsion für Wachstum und Beschäftigung

2.

Nachhaltige Bewirtschaftung und Schutz der natürlichen Ressourcen einschl. Landwirtschaft

3.

Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht

4.

Die EU als globaler Partner

5.

Verwaltung

2.1.2

Die Kommission schlägt eine höhere Ausgabensteigerung für die erste Priorität vor. Für die gesamten Verpflichtungsermächtigungen wird eine Erhöhung von 120,7 Millionen Euro im Jahr 2006 auf 158,4 Millionen Euro im Jahr 2013 vorgeschlagen. Dies soll durch Zahlungen in Höhe von 1,24 % des BNE, einschließlich einer Marge von 0,10 %, finanziert werden.

2.1.3

In seiner Stellungnahme zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 befürwortet der EWSA grundsätzlich die Mitteilung, die er als in sich schlüssig betrachtet. Die Mitteilung geht von fundierten, weitsichtigen politischen Prämissen aus; sie gibt klare und logische Prioritäten und Optionen für die politische Praxis vor und zeichnet sich durch ihre Ausgewogenheit aus. Bei den Eigenmitteln des Gemeinschaftshaushalts plädiert der Ausschuss für „eine Anhebung der Eigenmittel des Gemeinschaftshaushalts für den neuen Planungszeitraum 2007-2013 gegenüber dem derzeitigen Finanzrahmen auf eine Obergrenze von 1,30 % des BNE“.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Es ist von außerordentlicher Wichtigkeit, dass die neue Finanzielle Vorausschau — der Rahmen für die EU-Haushaltspläne von 2007 bis 2013 — klar auf die Prioritäten der Union ausgerichtet ist, insbesondere die Lissabon-Ziele und die nachhaltige Entwicklung. Zu diesem Zweck muss eine deutliche Umschichtung der Ausgaben stattfinden. Wird die Entwicklung der Union durch die recht langfristige Finanzielle Vorausschau nicht in die richtigen Bahnen gelenkt, besteht kaum Hoffnung, dass dies durch andere Politikfelder oder spätere finanzielle Nachbesserungen geleistet werden kann.

3.2

Der EWSA geht in dieser Stellungnahme nicht ausführlich auf die Thematik der Eigenmittel ein, da diese bereits in der unter Ziffer 2.1 erwähnten, unlängst verabschiedeten Stellungnahme gründlich behandelt wurde. Allerdings muss unbedingt hervorgehoben werden, dass„Europa“ weder den eigenen Prioritäten noch den Bedürfnissen und Erwartungen seiner Bürger gerecht werden kann, wenn keine adäquate Finanzierung gegeben ist. Die EU-Finanzierung kann bei den für bestimmte Ziele eingesetzten Gesamtmitteln eine signifikante Multiplikatorwirkung ausüben — dieses Potenzial sollte voll ausgeschöpft werden. Gegenwärtig gibt es Spannungen zwischen den Nettobeitragszahlern und den derzeitigen Hauptbegünstigten; daneben besteht auch noch ein Spannungsfeld zwischen den politischen Verpflichtungen gegenüber den neuen Mitgliedstaaten und ihren Bürgern sowie der Notwendigkeit, die Mittel zugunsten der neuen Handlungsschwerpunkte der EU umzuschichten. Der Ausschuss betont, dass eine Umschichtung der Ausgaben mit Ausrichtung auf die Prioritäten der Union unabhängig von der letztlich festgelegten Höhe der Eigenmittel vorgenommen werden muss.

4.   Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

4.1

Die EU-Strategie der nachhaltigen Entwicklung basiert auf der Verflechtung, Interdependenz und Kohärenz der so genannten „drei Säulen“ wirtschaftlicher, sozialer und Umweltaspekte. Die nachhaltige Entwicklung umfasst sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte. Politische Entscheidungen müssen allen drei Aspekten zugleich gerecht werden. Politiken, die hauptsächlich auf eines dieser Gebiete ausgerichtet sind, oder andere Politiken müssen mit den Zielsetzungen der übrigen Gebiete im Einklang stehen.

4.2

Die nachhaltige Entwicklung hat einen langfristigen und einen globalen Aspekt. Aus Gründen der Generationengerechtigkeit dürfen heutige Generationen nicht auf Kosten künftiger Generationen leben. Die globale Verteilungsgerechtigkeit hingegen verbietet es, auf Kosten anderer Gesellschaften zu leben oder sie in der Entfaltung ihres Wohlstands zu behindern bzw. die globale Armutsbekämpfung zu beeinträchtigen.

4.3

Die Strategie für nachhaltige Entwicklung unterscheidet sich von dem, was man sich nach gängiger Definition unter einer „Strategie“ vorstellt, da in diesem Fall nicht ein Ziel und ein Maßnahmenprogramm zu seiner Verwirklichung definiert wird, sondern die Nachhaltigkeit des Entwicklungsansatzes zum Hauptziel gemacht wird. Bei der nachhaltigen Entwicklung lässt sich kein Endpunkt definieren: Die nachhaltige Entwicklung ist nämlich weniger als ein Ziel, denn vielmehr als ein Prozess zu verstehen. Wichtig ist, dass dafür Sorge getragen wird, dass die langfristigen Entwicklungen kohärent sind und wirklich auf die Erfüllung der unter 4.1 und 4.2 genannten Kriterien abzielen. Dies ist die wahre Herausforderung, die sich bei der nachhaltigen Entwicklung stellt, denn hier versagt eine an Einzelzielen ausgerichtete Politik, auch wenn einschneidende Trendwenden (z.B. die Fortschritte bei den Millenniumszielen) messbar sein müssen.

4.4

Die nachhaltige Entwicklung erfordert sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene ein hohes Maß an politischer Kohärenz. Die Gesamtanstrengung ist weitgehend die Summe kleiner und großer Schritte, die zusammen einen Prozess ergeben, der nicht-nachhaltige Entwicklungen eindämmt und den Wandel im Sinne der übergreifenden Zielsetzungen fördert. Bei diesem Ansatz besteht eine der größten Herausforderungen in der Entwicklung von Indikatoren, die diese Entwicklungen angemessen abbilden.

4.5

Die Nachhaltigkeitsstrategie der EU konzentriert sich gegenwärtig auf einige vordringliche gesellschaftsrelevante Brennpunkte: Klimawandel, Verkehr, Gesundheitswesen und natürliche Ressourcen. Andere, darunter die Armutsbekämpfung und die Alterung der Bevölkerung, wurden zunächst ausgeklammert, sollen jedoch später hinzugenommen werden.

4.6

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich in seinen früheren Stellungnahmen in Sachen Nachhaltigkeit für ein Handeln in bestimmten Politikfeldern ausgesprochen. Diese sind: Förderung privater und öffentlicher Investitionen in neue und saubere Technologien, neue Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität der Arbeit, Bepreisung der Nutzung natürlicher Ressourcen sowie Strategien für eine verminderte Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

4.7

Die politischen Maßnahmen auf diesen Gebieten, wie wichtig sie auch sein mögen, reichen allein nicht aus, um das Ziel der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen. Das Ziel und die Kriterien der Nachhaltigkeit sollten in allen Politikbereichen Berücksichtigung finden. Die einzelnen EU-Politiken müssen sich somit zu einem kohärenteren Gesamtbild zusammenfügen.

4.8

Möglicherweise ist die Zeit reif, die Herangehensweise der EU an die nachhaltige Entwicklung zu überdenken. Bei der bevorstehenden Überprüfung der Nachhaltigkeitsstrategie wird über die besten Wege zur Umsetzung des übergreifenden Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung nachgedacht werden müssen.

5.   Die Finanzielle Vorausschau und die nachhaltige Entwicklung

5.1

Die Struktur und die inhaltlichen Details des Haushaltsplans üben einen grundlegenden richtungsweisenden Einfluss auf die Entwicklungen in der EU aus. Die neue Struktur des Haushaltsplans mit ihren neuen prioritären Haushaltslinien zeigt, dass die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung anerkannt wird. Der EWSA hofft, dass sich dies in der Ausführung des Haushaltsplans konkret niederschlagen wird und nicht einfach überkommene Praktiken unter einer neuen Bezeichnung weitergeführt werden.

5.2

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, wonach Wachstum und Beschäftigung im Kontext der Lissabon-Ziele bis 2010 die größte Aufmerksamkeit gebühren. Wachstum ist dabei als Wirtschaftswachstum unter Berücksichtigung europäischer Kernwerte zu verstehen, wozu besonders die soziale Integration, Gesundheits- und Umweltschutz gehören. Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum sind kein Selbstzweck, sondern Werkzeuge zur Förderung der Zielsetzungen im sozialen und im Umweltbereich. Das eigentliche Problem besteht jedoch im immer langsameren Wachstum und der geringeren Wettbewerbsfähigkeit der EU im Vergleich zu anderen Weltwirtschaftsräumen, wodurch das europäische Sozialmodell und unsere ökologischen Wertvorstellungen gefährdet werden.

5.3

Bei Haushaltsentscheidungen sollte auch bedacht werden, dass die soziale Entwicklung und die Umweltentwicklung auch einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten.

5.4

Die EU bietet hinsichtlich der Fortschritte in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung kein einheitliches Bild. Die Mitgliedstaaten befinden sich in sehr unterschiedlichen Situationen: Einigen wenigen ist es gelungen, erfolgreich ein starkes wirtschaftliches Wachstum mit einem hohen Maß an Sozial- und Umweltschutz zu kombinieren. Dabei scheint eine positive Wechselwirkung zwischen den Entwicklungen auf verschiedenen Gebieten stattgefunden zu haben. Andere Mitgliedstaaten wiederum scheinen mit der gegenteiligen Situation zu kämpfen, einer Kombination aus sehr verhaltenem Wirtschaftswachstum, Schwierigkeiten bei der Lösung sozialer Probleme und einem Rückstand im Umweltschutz. Die neuen Mitgliedstaaten befinden sich in einer anderen Situation als die alten: Sie können Wachstum sowie nach einer ursprünglich problematischen Ausgangslage deutliche Fortschritte bei den anderen „Säulen“ vorweisen.

5.5

Bei der EU-Erweiterung handelt es sich um die für die EU wichtigste Einflussgröße der letzten Jahre; auch der durch die Finanzielle Vorausschau abgedeckte Zeitraum 2007-2013 dürfte ganz im Zeichen der Erweiterung stehen. Gewiss ergeben sich aus ihr auch weitreichende Konsequenzen für den Haushalt, zumal bei den Aufwendungen für die Kohäsion. Der EWSA hat den Themenkreis Erweiterung, Kohäsion und Finanzierung in anderen Zusammenhängen aufgegriffen. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der EU-Beitritt eine große Herausforderung darstellt, was die Konzipierung einzelstaatlicher Politiken in Richtung nachhaltige Entwicklung und die Beteiligung an den Gesamtmaßnahmen und -zielsetzungen der EU angeht. Danach sorgt der gemeinschaftliche Besitzstand dafür, dass sich ihre Entwicklung in den Bereichen Umwelt, Gesundheit, Soziales und anderen Bereichen an der Nachhaltigkeitsvorgabe orientiert, da die nachhaltige Entwicklung (die nicht ausdrücklich im Acquis verankert ist) durch den Acquis gefördert wird. Der größte Teil der Nachhaltigkeitsanstrengungen muss jedoch erst noch geleistet werden, Unterstützungsprogramme, materielle Hilfsleistungen und Wissenstransfer können und müssen einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaften leisten.

5.6

Die Schwerpunkte der Strategie für nachhaltige Entwicklung sowie weitere Bereiche mit erwiesenermaßen nicht-nachhaltigen Trends — die in Ziffer 4.4 und 4.5 genannt wurden — müssen auch im Rahmen der Haushaltspolitik als Handlungsschwerpunkte begriffen werden.

5.7

Eine Haushaltslinie an sich ist meist weder „nachhaltig“ noch „nicht-nachhaltig“. Ihre Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung sind davon abhängig, wie die Planung der Programme, Ziele und Kriterien für die zu finanzierenden Projekte im Einzelnen aussieht.

5.8

Das Hauptinstrument zur Sicherung der politischen Kohärenz mit der Lissabon-Strategie und den Nachhaltigkeitszielen ist die Folgenabschätzung. Hierin sind sich alle beteiligten Akteure einschließlich der Kommission einig. Gleichwohl wurden nur zögerliche Schritte hin zu einer systematischen, unabhängigen und kompetenten Bewertung aller prüfungswürdigen Vorschläge unternommen. Der EWSA betrachtet die Ausarbeitung und Umsetzung der neuen Finanziellen Vorausschau als eine günstige Gelegenheit für die Einführung einer systematischen Bewertung.

5.9

Jedes einzelne Programm des Haushalts mitsamt seinen Zielen sollte einer Folgenabschätzung unterworfen werden. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere Beihilfepraktiken für nicht-nachhaltige Tätigkeiten in Bereichen, die in der Strategie für nachhaltige Entwicklung und u.a. in den Stellungnahmen des EWSA aufgezeigt wurden, eingestellt werden. Folgenabschätzungen zur Prüfung der Auswirkungen unter dem Vorzeichen einer langfristig nachhaltigen Entwicklung sollten in Übereinstimmung mit früheren Empfehlungen des EWSA auch in die Lissabon-Strategie aufgenommen werden.

5.10

Für die Auswahl der im Rahmen der verschiedenen Haushaltslinien zu finanzierenden Projekte und Programme sollten klare und transparente Kriterien aufgestellt werden. Dabei sollten auch Nachhaltigkeitskriterien einfließen, wie etwa die Auswirkungen des jeweiligen Projekts auf Umwelt, Gesundheit, Arbeitsplatzschaffung oder -vernichtung und die Wettbewerbsfähigkeit der EU.

5.11

Besondere Aufmerksamkeit sollte den Mitteln aus den Strukturfonds, dem Kohäsionsfonds sowie den Ausgaben für die Landwirtschaft und die TEN-Programme gewidmet werden. Bei diesen Tätigkeitsfeldern der EU, die den größten Teil der Gemeinschaftsmittel binden, sollten systematisch Lösungen gewählt werden, die den Nachhaltigkeitskriterien weitest möglich entsprechen.

5.12

In diesen Gebieten ist eine bessere Erfolgskontrolle der Resultate und der Auswirkungen der aufgewendeten Mittel nötig. Es reicht nicht, die Höhe der Ausgaben sowie die Einhaltung der verwaltungstechnischen Abläufe zu überwachen. Damit die Entwicklung in die gewünschte Richtung geht, müssen umfassende Folgenabschätzungen nach Maßgabe der Kriterien der nachhaltigen Entwicklung angestellt werden.

5.13

Folgeabschätzungsstudien zu vorgeschlagenen Maßnahmen alleine ergeben nicht immer ein vollständiges Bild als Grundlage für die Entscheidungsfindung. In manchen Fällen müssen auch die Folgen unterlassener Handlungen untersucht werden, die gegen die Auswirkungen der verschiedenen möglichen Maßnahmen abzuwägen sind.

6.   Bemerkungen zu den Prioritäten der Finanziellen Vorausschau

6.1   A) Nachhaltiges Wachstum — Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung

6.1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss stimmt den Hauptzielen des Kommissionsvorschlags für die Unterrubrik Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung zu: Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in einem vollständig integrierten Binnenmarkt, Verstärkung der europäischen FuE-Anstrengungen, Aufbau von EU-weiten Netzen, qualitative Verbesserung von allgemeiner und beruflicher Bildung sowie eine sozialpolitische Agenda, die der europäischen Gesellschaft hilft, den Wandel frühzeitig zu erkennen und zu meistern.

6.1.2

Im Zusammenhang mit dieser Rubrik weist der EWSA besonders auf die Schlüsselrolle von Wissen, FuE und neuen Technologien hin. Indem diese als echter Schwerpunkt behandelt und mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet wird, hat Europa die einzigartige Chance, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung angesichts der scharfen Konkurrenz aus anderen Teilen der Welt zu verbessern und zugleich die Belastung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen durch ökologisch effizientere technische Lösungen zu mindern, die den Bedürfnissen seiner Bürger Rechnung tragen und deren Gesundheit und Sicherheit schützen.

6.1.3

Die nachhaltige Entwicklung ist ein übergeordnetes Politikziel der Europäischen Union. Sie erfordert systematische und langfristig angelegte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in den drei Pfeilern des wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritts — dies wurde auch auf dem am 14./15. April in Zusammenarbeit mit der Kommission veranstalteten Stakeholder-Forum zur nachhaltigen Entwicklung betont. Eine Reihe von Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen in der EU haben sich zu Netzen zusammengeschlossen, um koordiniert zum Thema nachhaltige Entwicklung forschen zu können. Die Finanzielle Vorausschau bietet eine wertvolle Gelegenheit zur Förderung dieser und anderer Initiativen.

6.1.4

Die zunehmenden globalen Verteilungskämpfe um Rohstoffe und Öl — um nur zwei Beispiele herauszugreifen — und ihre Auswirkungen auf die Kosten zeigen, dass neue Materialien, neue Produktionsverfahren und ganz allgemein ressourcenschonendere Technologien entwickelt werden müssen.

6.1.4.1

Der EWSA befürwortet deshalb erneut die Vorschläge der Kommission für einen Europäischen Forschungsraum, die Verdoppelung der Mittel für das 7. Rahmenprogramm und die Umsetzung des Aktionsplanes für Umwelttechnologie. In seinen künftigen Stellungnahmen zum 7. Rahmenprogramm und den spezifischen Programmen wird der EWSA auch den Aspekt der nachhaltigen Entwicklung einbeziehen.

6.1.5

In diesem Teil der Finanziellen Vorausschau, der neben Forschung und Entwicklung auch Innovation und Transeuropäische Netze behandelt, wird bei Energie und Transport besonderer Nachdruck erforderlich sein. Die Förderung der Entwicklung von Technologien und die Markteinführung erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und Lösungen für „saubere“ Energie müssen hohe Priorität erhalten. TEN-Projekte, die lediglich zu einem erhöhten Verkehrsvolumen führen, stehen nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Nachhaltigkeit.

6.1.6

In mehreren Stellungnahmen hatte der EWSA angemahnt, besonders im Verkehrs- und Energiebereich verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Zu diesem Zweck wurden vom Ausschuss auch politische Leitvorgaben vorgeschlagen. Aus der Mitteilung zur Finanziellen Vorausschau geht nicht klar hervor, ob hierfür ausreichende Mittel vorgesehen werden sollen.

6.1.7

Im Rahmen der Anpassung der EU an eine zunehmend wettbewerbsfähigere Weltgemeinschaft muss die Finanzielle Vorausschau zwei dem Wesen nach diametral gegensätzlichen Herausforderungen gerecht werden: erstens den hohen Arbeitslosenquoten in den meisten EU-Ländern und zweitens dem schon absehbaren Arbeitskräftemangel. Der Ausschuss hat im Rahmen mehrerer Stellungnahmen jüngeren Datums, u.a. zu den Themen „Beschäftigungspolitik: Rolle des EWSA nach der Erweiterung und in der Perspektive des Lissabonner Prozesses“, „Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen“ und „Die Durchführung der Lissabon-Strategie verbessern“ bereits entsprechende Empfehlungen abgegeben.

6.1.8

Insbesondere spricht sich der EWSA für einen neuen Ansatz für das lebenslange Lernen aus, da es ein Werkzeug ist, mit dem sowohl die Beschäftigungssituation verbessert als auch das Problembewusstsein in Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung geschärft werden kann. Lebenslanges Lernen ist ein wesentliches Bindeglied, das bei den Maßnahmen zur Umsetzung der Lissabon-Strategie fehlt. Ein ernsthaftes Engagement für die nachhaltige Entwicklung kommt nicht ohne die einschlägige Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern sowie zusätzliche Finanzmittel von den Mitgliedstaaten aus.

6.2   B) Kohäsion für Wachstum und Beschäftigung

6.2.1

Kohäsion war für die Vertiefung der Integration notwendig. Der EWSA begrüßt den Versuch der Kommission, die Kohäsionsmaßnahmen wieder auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung auszurichten.

6.2.2

Die Kohäsionspolitik sollte auf die Verbesserung der Wirtschaftsleistung und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen abzielen, indem ungenutzte Ressourcen mobilisiert werden. EU-Mittel dürfen nicht dafür verwendet werden, angeschlagene Unternehmen so zu unterstützen, dass dadurch Wettbewerbsverzerrungen oder Arbeitsplatzverlagerungen von einem Gebiet der EU in ein anderes Vorschub geleistet wird. Die Maßnahmen sollten sich vorrangig auf die Unterstützung neuer nachhaltiger Arbeitsplätze zwecks Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, die Human- und Sachressourcen, die Konsolidierung des Binnenmarktes sowie die Verbesserung der Mobilität der Arbeitnehmer konzentrieren.

6.2.3

Unterstützt werden sollte die Konzentration der Mittel auf Regionen mit Entwicklungsrückstand (Ziel 1) zwecks besserer Übereinstimmung mit den allgemeinen strategischen Zielsetzungen der EU im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung. Dabei muss auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Zwecke der tieferen Integration des Binnenmarktes stärker gefördert werden.

6.2.4

Für die Regionen, in denen das Pro-Kopf-BIP aufgrund des statistischen Effekts der Erweiterung über 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts liegt, ist ein Übergangszeitraum notwendig. Gleichwohl sollten die Subventionen schrittweise zurückgefahren werden.

6.2.5

Auch hier sind klare qualitative Prüfungen geboten. Aufgrund der Tatsache, dass es „Geld aus Brüssel“ gab, wurde viel Geld für Planungen ausgegeben, das besser hätte investiert werden können. Die Regionalförderung hat auch nicht immer neue Arbeitsplätze in Europa geschaffen, sondern häufig nur eine regionale Verlagerung organisiert.

6.2.6

Auf lokaler und regionaler Ebene muss ein stärkeres Verantwortungsgefühl für konkrete Maßnahmen für die nachhaltige Entwicklung entstehen. Der Ausschuss empfiehlt, Kohäsionsprojekte nicht nur auf ihre Wachstums- und Beschäftigungsrelevanz zu prüfen, sondern auch hinsichtlich ihrer Wirkung für eine langfristig nachhaltige Entwicklung der Region.

6.3   Nachhaltige Bewirtschaftung und Schutz der natürlichen Ressourcen

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

6.3.1

In seiner Stellungnahme „Die Zukunft der GAP“ (2) hat der Ausschuss die diversen Reformschritte der EU im agrarpolitischen Rahmen ausführlich beschrieben und kommentiert und auf die schwierige Situation einer nachhaltigen Landwirtschaft in Europa im Kontext globalisierter Märkte hingewiesen. Dabei stellte er fest, dass es im Vorfeld aller Reformen immer wieder kritische Anmerkungen und Debatten über die soziale Gerechtigkeit und die Ausgewogenheit der Agrarausgaben sowie über deren ökologische Folgewirkungen gab. Diese Debatten sind mit der Reform von Luxemburg nicht abgeschlossen.

6.3.2

Dies veranlasste die Kommission dazu, immer wieder Vorschläge für eine Neuausrichtung der Agrarausgaben in Richtung von „mehr Nachhaltigkeit“ zu entwickeln. So schlug z.B. der damalige Agrarkommissar Fischler zunächst eine Obergrenze, später eine degressive Staffelung der Zahlungen vor, um so für eine „gerechtere“ Verteilung der Fördermittel zu sorgen. Auch die verbindliche Koppelung von Direkthilfen an über geltendes Recht hinausgehende Umweltauflagen wurde bereits vielfach von den Kommissaren McSharry und Fischler diskutiert, um die transferierten Finanzmittel auch ökologisch zu qualifizieren. Die Vorschläge fanden jedoch im Rat keine Mehrheit.

6.3.3

Die im Sommer 2003 beschlossene Agrarreform gibt den Mitgliedstaaten im Prinzip zwei Möglichkeiten bei der Schaffung der Betriebsprämie, mit der die neuen Direktzahlungen umgesetzt werden: entweder eine Betriebsprämie, deren Höhe sich an den bisherigen betrieblichen Zahlungen orientiert, oder eine Betriebsprämie, die die Fläche des Betriebs zur Berechnungsgrundlage nimmt oder zumindest mit einbezieht (sogenannte Regionalisierung).

6.3.4

Eine Koppelung der künftigen Zahlung an die Erhaltung und/oder Schaffung von Arbeitsplätzen wurde auch diesmal für keine der vorgesehenen Lösungen verpflichtend vorgeschrieben. Diese Tatsache dürfte im Lichte der Nachhaltigkeitsdiskussion ebenso neue gesellschaftliche Diskussionen auslösen wie die Frage der ökologischen Komponente, die mit den Zahlungen verbunden ist.

6.3.5

Denn die sog. „Cross Compliance Standards“, die von landwirtschaftlichen Betrieben zu erfüllen sind, gehen kaum über die Einhaltung bestehender Gesetze hinaus, was im Zuge der Umsetzung der Reform in nationale Politik in einigen Mitgliedstaaten bereits zu heftigen Auseinandersetzungen geführt hat.

6.3.6

Für den EWSA ist eindeutig, dass ein staatlicher Geldtransfer immer an einen Gemeinnutzen gekoppelt sein muss. Zahlungen brauchen eine Begründung, eine Legitimierung, eine gesellschaftliche Akzeptanz. Eine klar nachvollziehbare Verbindung der GAP mit den Nachhaltigkeitszielen im Rahmen der Göteborg-Strategie und der Lissabon-Strategie (Arbeitsplätze schaffen, soziale Gerechtigkeit fördern, Umwelt erhalten) wäre hilfreich, erkennbar ist eine solche zumindest für den Großteil der Gesellschaft derzeit noch nicht. Dies dürfte weitere Diskussionen entweder um den generellen Sinn der Zahlung sowie über die Rolle der Landwirte für die Verwirklichung dieser Ziele nach sich ziehen. Bei der Halbzeitbewertung der gegen den Willen der Mehrheit der Vertreter der Landwirte und Viehzüchter durchgeführten GAP-Reform sollte als Grundlage für ihre soziale Legitimierung wieder die Stärkung der nachhaltigen landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Europa in den Mittelpunkt gestellt werden.

6.3.7

Die Zahlungen aus der ersten Säule der GAP, vornehmlich die Direktzahlungen, sind zweifellos von existenzieller Bedeutung für viele Landwirte. Mit den entkoppelten Direktzahlungen wird jedoch keine politische Steuerung in Richtung nachhaltiger Produktion betrieben, sie stellen vielmehr eine Einkommenssicherungspolitik dar, die darüber hinaus nicht allen Landwirten gleichermaßen zugute kommt.

6.3.8

In der zweiten Säule, der Förderung der ländlichen Entwicklung, wird Geld nur gegen klar definierte „Gegenleistungen“, die in gemeinschaftlich festgelegten Programmen entwickelt wurden, gezahlt. Zu nennen sind hier u.a.: Agrarumweltprogramme, die Förderung des ökologischen Landbaus, die Diversifizierung auf den landwirtschaftlichen Betrieben (z.B. verstärkte Verarbeitung und Vermarktung von Rohprodukten), Kleinst- und Kleinunternehmen im ländlichen Raum.

6.3.9

Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist die Aussage der neuen Agrarkommissarin Fischer Boel, die anlässlich der Eröffnung der Grünen Woche in Berlin am 20. Januar 2005 forderte, die „ländliche Entwicklung zu einem Herzstück der Lissabon-Strategie zu machen“. In diesem Kontext sind weitere Aussagen aus dem Kabinett der Kommissarin interessant, wonach in der ersten Säule nicht damit gerechnet wird, dass im größeren Umfang Arbeitsplätze geschaffen werden, hingegen aber ein sehr großes Potenzial in der Politik der ländlichen Entwicklung gesehen wird. Der EWSA würde es sehr begrüßen, wenn die Kommission die zu erwartenden Wirkungen der beiden agrarpolitischen Säulen auf Arbeit, Umwelt und Soziales möglichst bald mit Studien untermauern würde.

6.3.10

Mit dem derzeit in Diskussion befindlichen Entwurf einer neuen Verordnung für die Entwicklung des ländlichen Raums sollen der ländlichen Entwicklung weitere Aufgaben zugeordnet werden (u.a. Finanzierung der NATURA-2000-Gebiete, Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie). Die Entwicklung des ländlichen Raums wird so mehr und mehr zu einem wichtigen politischen Steuerungselement in Richtung Nachhaltigkeit, was der EWSA begrüßt.

6.3.11

Nach den Plänen der Kommission soll im Zeitraum 2007-2013 das Budget für die ländliche Entwicklung allerdings nur auf dem bisherigen Niveau gehalten werden. Für den EWSA bedeutet dies, dass schon in der Finanziellen Vorausschau der EU die ländliche Entwicklung, gemessen an den ihr anvertrauten Aufgaben, unterfinanziert ist.

6.3.12

Vor dem Hintergrund, dass die Maßnahmen für die Entwicklung des ländlichen Raums für die Nachhaltigkeitsdebatte von essenzieller Bedeutung sind, ist die derzeit im Rat geführte, von den sechs Nettozahlern initiierte Debatte um mögliche extreme Kürzungen dieser Haushaltslinie für den EWSA vollkommen unverständlich.

6.4   Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht

6.4.1

Damit die europäischen Bürger in einem wahren Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts leben können, sind Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene unabdingbar, die für Effizienz und die Verteilung der finanziellen Belastung sorgen. Die erfolgreiche Integration von Zuwanderern ist sowohl eine Frage des sozialen Zusammenhalts als auch eine Vorbedingung für wirtschaftliche Effizienz. Der EWSA unterstützt die Einrichtung einer Europäischen Grenzschutzagentur, eine gemeinsame Asyl- und Zuwanderungspolitik, Maßnahmen in Bezug auf legale Zuwanderer bzw. Drittstaatsangehörige, die erst seit kurzer Zeit in einem Mitgliedstaat der EU ansässig sind, sowie die Verhinderung der illegalen Einwanderung und die Rückführung illegaler Zuwanderer.

6.4.2

Die Prävention und Bekämpfung von Verbrechen und Terrorismus ist für die Union eine zentrale Herausforderung. Ausreichende Ressourcen für die Gewährleistung der notwendigen Sicherheit sind eine Voraussetzung für die administrative, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit unserer Gesellschaften.

6.4.3

Sicherheit und Schutz im Alltag, unter anderem auch die Absicherung hinsichtlich der tagtäglichen Bedürfnisse, wird von den Bürgern Europas groß geschrieben. Die Bürger erwarten von der Union ein hohes Maß an Schutz vor Naturkatastrophen, Gesundheits- und Umweltkrisen und sonstigen großen Bedrohungen. Gesundheitsgefahren durch gefährliche Stoffe in der Umwelt oder in der Nahrung sowie die Sicherheitsstandards insbesondere in der Energiewirtschaft und im Verkehr erfordern kontinuierlich Aufmerksamkeit und Maßnahmen von Seiten der Union.

6.4.4

Es muss eine angemessene Grundversorgung mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse z.B. in den Bereichen Gesundheit und Bildung, Energie, Verkehr und Kommunikation sichergestellt werden. Auf einigen Gebieten, etwa Energie und Verkehr, ist die physische Versorgungssicherheit ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung des Binnenmarktes sowie des multilateralen und bilateralen Handels und der sonstigen Außenbeziehungen.

6.4.5

Nachhaltige Entwicklung setzt sich dank dem Bewusstsein, der Einstellung und dem Handeln einzelner Bürger und Gruppen allmählich durch — diese Faktoren können durch ausschließlich „von oben“ gesteuerte Interventionen seitens unserer Systeme, Organisationen und Institutionen nie mehr ersetzt werden. Europa kann mit Stolz auf seine gut organisierten und funktionierenden Gesellschaften blicken, auf seine gut ausgebildeten und aktiv partizipierenden Bürger sowie auf sein hoch entwickeltes Gefüge von Organisationen der Zivilgesellschaft. Diese Faktoren schaffen womöglich die denkbar beste kulturelle Ausgangsbasis für eine weitergehende nachhaltige Entwicklung.

6.4.6

Die EU-Erweiterung hat das kulturelle Spektrum Europas abermals vergrößert. Das Leben des Einzelnen kann hierdurch bereichert werden, jedoch müssen Bemühungen um gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Der Austausch von Wissen und Erfahrungen im wirtschaftlichen, politischen und täglichen Leben muss — unter anderem auch bei der Frage, wie mehr Nachhaltigkeit erzielt werden kann — ebenfalls gefördert werden. Nicht nur die neuen Mitgliedstaaten, sondern ganz Europa und alle seine Bürger würden hieraus Nutzen ziehen.

6.5   Die Europäische Union als globaler Partner

6.5.1

Auf dem UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg hat sich die EU als dynamischer und ergebnisorientierter Teilnehmer profiliert. Der Vorstoß für neue Aufgaben, darunter die Initiativen zur Lösung der Wasser- und Energieprobleme („Koalition der Entschlossenen“), hat der Europäischen Union viel Sympathie verschafft.

6.5.2

Auf Ebene der Vereinten Nationen macht die Umsetzung des 52-seitigen Aktionsplans der Johannesburg-Konferenz Fortschritte. Es ist ein langwieriger Prozess, in dessen Verlauf die Teilnehmerstaaten beträchtliche Schwierigkeiten überwinden müssen, um ihre Versprechungen und Pläne Wirklichkeit werden zu lassen.

6.5.3

Die Europäische Union muss ihren Verpflichtungen und der Rolle des Impulsgebers, die sie auf dem Weltnachhaltigkeitsgipfel gespielt hat, gerecht werden. Dies sollte sich in den Mittelzuweisungen der Finanziellen Vorausschau widerspiegeln.

6.5.4

Die EU wird sich stärker darum bemühen müssen, Maßnahmen in den am wenigsten entwickelten Ländern zu fördern — im Mittelpunkt stehen dabei die Grundbedürfnisse wie Wasser, Energie, Gesundheitsversorgung, Lebensmittelsicherheit, Grundbildung und Ausbildung sowie die Entwicklung der Landwirtschaft.

6.5.5

Einzelne EU-Mitgliedstaaten haben ehrgeizige Hilfsprogramme für die am wenigsten entwickelten Länder, vor allem die afrikanischen Länder, entworfen. Indes müsste die Ausgestaltung und Umsetzung dieser Entwicklungsprogramme zwischen der EU-Ebene und der nationalen Ebene besser koordiniert werden. Das „Cotonou-Abkommen“ hat sich als wertvolles Instrument zur Einbeziehung der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft der AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) erwiesen.

6.5.6

Die nachhaltige Entwicklung wird zum Teil in diesen Entwicklungsprogrammen berücksichtigt. In Übereinstimmung mit dem in Johannesburg verabschiedeten Aktionsplan müsste ihr jedoch ein zentraler Stellenwert eingeräumt werden.

6.5.7

Um die Bemühungen besser zu koordinieren und die Dimension der nachhaltigen Entwicklung zu stärken, empfiehlt der EWSA, weitere Vorstöße seitens der EU insbesondere in Form von „Koalitionen der Entschlossenen“ bei spezifischen Entwicklungsthemen wie Wasser, Energie, sichere Lebensmittel und Gesundheitsfürsorge.

7.   Schlussfolgerungen

7.1

Die neue Struktur des Haushaltsplans mit ihren neuen prioritären Haushaltslinien zeigt, dass die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung anerkannt wird. Der EWSA hofft, dass sich dies in der Ausführung des Haushaltsplans konkret niederschlagen wird und nicht einfach überkommene Praktiken unter einer neuen Bezeichnung weitergeführt werden. Der Ausschuss betont, dass eine Umschichtung der Ausgaben mit Ausrichtung auf die Prioritäten der Union unabhängig von der letztlich festgelegten Höhe der Eigenmittel vorgenommen werden muss.

7.2

Es ist von außerordentlicher Wichtigkeit, dass die neue Finanzielle Vorausschau — der Rahmen für die EU-Haushaltspläne von 2007 bis 2013 — klar auf die Prioritäten der Union ausgerichtet ist, insbesondere die Lissabon-Ziele und die nachhaltige Entwicklung. Zu diesem Zweck muss eine deutliche Umschichtung der Ausgaben stattfinden. Wird die Entwicklung der Union durch die recht langfristige Finanzielle Vorausschau nicht in die richtigen Bahnen gelenkt, besteht kaum Hoffnung, dass dies durch andere Politikfelder oder spätere finanzielle Nachbesserungen geleistet werden kann.

7.3

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, wonach Wachstum und Beschäftigung im Kontext der Lissabon-Ziele bis 2010 die größte Aufmerksamkeit gebühren. Wachstum versteht sich dabei als Wirtschaftswachstum unter Berücksichtigung europäischer Kernwerte, wozu besonders die soziale Integration, Gesundheits- und Umweltschutz gehören. Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum sind kein Selbstzweck, sondern Werkzeuge zur Förderung der Zielsetzungen im sozialen und im Umweltbereich. Das eigentliche Problem besteht jedoch im immer langsameren Wachstum und der geringeren Wettbewerbsfähigkeit der EU im Vergleich zu anderen Weltwirtschaftsräumen, wodurch das europäische Sozialmodell und unsere ökologischen Wertvorstellungen gefährdet werden.

7.4

Die Schwerpunkte der Strategie für nachhaltige Entwicklung sowie weitere Bereiche mit erwiesenermaßen nicht-nachhaltigen Trends — Klimawandel, Verkehr, Gesundheitswesen, natürliche Ressourcen, Armutsbekämpfung, Alterung der Bevölkerung, Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen — müssen auch im Rahmen der Haushaltspolitik als Handlungsschwerpunkte begriffen werden.

7.5

Eine Haushaltslinie an sich ist meist weder „nachhaltig“ noch „nicht-nachhaltig“. Ihre Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung sind davon abhängig, wie die Planung der Programme, Ziele und Kriterien für die zu finanzierenden Projekte im Einzelnen aussieht.

7.6

Das Hauptinstrument zur Sicherung der politischen Kohärenz mit der Lissabon-Strategie und den Nachhaltigkeitszielen ist die Folgenabschätzung. Jedes einzelne Programm des Haushalts mitsamt seinen Zielen sollte einer Folgenabschätzung unterworfen werden. Hierbei geht es vor allem auch darum, Beihilfepraktiken für nicht-nachhaltige Tätigkeiten einzustellen.

7.7

Für die Auswahl der im Rahmen der verschiedenen Haushaltslinien zu finanzierenden Projekte und Programme sollten klare und transparente Kriterien aufgestellt werden. Dabei sollten auch Nachhaltigkeitskriterien einfließen, wie etwa die Auswirkungen des jeweiligen Projekts auf Umwelt, Gesundheit, Arbeitsplatzschaffung oder -vernichtung und die Wettbewerbsfähigkeit der EU.

7.8

Besondere Aufmerksamkeit sollte den Mitteln aus den Strukturfonds, dem Kohäsionsfonds sowie den Ausgaben für die Landwirtschaft und die TEN-Programme gewidmet werden. Bei diesen Tätigkeitsfeldern der EU, die den größten Teil der Gemeinschaftsmittel binden, sollten systematisch Lösungen gewählt werden, die den Nachhaltigkeitskriterien weitest möglich entsprechen.

7.9

Der EWSA weist besonders auf die Schlüsselrolle von Wissen, FuE und neuen Technologien hin. Indem diese als echter Schwerpunkt behandelt und mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, hat Europa die einzigartige Chance, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung angesichts der scharfen Konkurrenz aus anderen Teilen der Welt zu verbessern und zugleich die Belastung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen durch ökologisch effizientere technische Lösungen zu mindern, die den Bedürfnissen seiner Bürger Rechnung tragen und deren Gesundheit und Sicherheit schützen.

Brüssel, den 11. Mai 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  KOM(2004) 101 endg.

(2)  ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 87-99.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Der folgende Änderungsantrag wurde auf der Plenartagung abgelehnt, vereinigte jedoch mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich:

Ziffer 4.5

Wie folgt ändern:

„Die Nachhaltigkeitsstrategie der EU konzentriert sich gegenwärtig auf einige der offenkundig drängendsten gesellschaftlichen Probleme vordringliche gesellschaftsrelevante Brennpunkte: Klimawandel, Verkehr, Gesundheitswesen und natürliche Ressourcen. Andere, darunter die Armutsbekämpfung und die Alterung der Bevölkerung, wurden zunächst ausgeklammert, sollen jedoch später hinzugenommen werden. Gleichzeitig müssen aber auch die Bekämpfung der Armut und des Elends sowie die Überalterung der Bevölkerung angegangen werden. Eine der wichtigsten Änderungen, die die Strategie für nachhaltige Entwicklung erfordert und ermöglicht, besteht genau darin, dass man sich von diesem Prioritätendenken löst, ohne dabei jedoch den Handlungsbedarf bis in einzelne Sektoren hinein aus dem Auge zu verlieren.

Begründung

Es geht um Vorschläge mit demselben Ziel: Die wichtigsten kulturellen Änderungen, die die Strategie und der Begriff der nachhaltigen Entwicklung erfordern und nach sich ziehen, sollen noch deutlicher gemacht werden, als dies in der Sondierungsstellungnahme bereits der Fall ist.

Es soll hervorgehoben werden, dass die betreffenden kulturellen Veränderungen in der Gesellschaft und beim Einzelnen bereits vorhanden sind, wodurch die Strategie der nachhaltigen Entwicklung, ohne die sich die schlimmsten Befürchtungen für die Zukunft tatsächlich bewahrheiten könnten, mit Hilfe entsprechender Förderung (also der finanziellen Vorausschau) wirklich operativ werden kann.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

51

Nein-Stimmen

:

54

Stimmenthaltungen

:

26


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