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Document 52005AE1242

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch Erb- und Testamentsrecht (KOM(2005) 65 endg.)

ABl. C 28 vom 3.2.2006, p. 1–5 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

3.2.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 28/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch Erb- und Testamentsrecht“

(KOM(2005) 65 endg.)

(2006/C 28/01)

Die Europäische Kommission beschloss am 1. März 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Grünbuch Erb- und Testamentsrecht“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. September 2005 an. Berichterstatter war Herr RETUREAU.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 421. Plenartagung am 26./27. Oktober 2005 (Sitzung vom 26. Oktober) mit 118 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Die Vorschläge der Kommission

1.1

Die Kommission legt gemäß dem Haager Programm (2001) ein Grünbuch zur Einleitung einer Konsultation zu Fragen des Erb- und Testamentsrechts mit Auslandsbezug vor, in dem folgende Aspekte behandelt werden:

das anwendbare Recht;

die gerichtliche Zuständigkeit und die gegenseitige Anerkennung von Urkunden und richterlichen Entscheidungen;

Verwaltungsvorschriften, notarielle Urkunden und Verwaltungsakte und deren gegenseitige Anerkennung;

Wege der Vereinfachung auf europäischer Ebene: Erbscheine und Registrierung von Testamenten.

1.2

Für Erbberechtigte ergeben sich im Erbfall mit Auslandsbezug Schwierigkeiten und besondere Hindernisse, die auf die Unterschiede im materiellen Recht, im Verfahrensrecht und im Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten zurückzuführen sind.

1.3

In dem Grünbuch wird deshalb vorgeschlagen, die Annahme einer EU-Regelung bezüglich des materiellen Rechts, der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung nicht nur der richterlichen Entscheidungen, sondern auch außergerichtlicher Entscheidungen und Schriftstücke in Bezug auf Testament und Erbfolge einschließlich mit Drittstaatenbezug in Erwägung zu ziehen.

2.   Allgemeine Bemerkungen des Ausschusses

2.1

Das Thema wurde auf internationaler Ebene in den drei Übereinkommen von Den Haag über Erbfolge und Testamente und in einem Übereinkommen über Trusts behandelt:

Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht, unterzeichnet am 5. Oktober 1961, in Kraft getreten am 5. Januar 1964. Folgende Länder sind dem Übereinkommen beigetreten: Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland und Luxemburg. Dieses Übereinkommen trat auch in anderen Mitgliedstaaten in Kraft, insbesondere in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und in Schweden (durch Ratifizierung) Irland und Polen (durch Beitritt) und in Slowenien (in Rechtsnachfolge des ehemaligen Jugoslawien);

Übereinkommen über die internationale Abwicklung von Nachlässen, unterzeichnet am 2. Oktober 1973, am 1. Juli 1993 völkerrechtlich in Kraft getreten. Dieses Übereinkommen trat in einigen Mitgliedstaaten in Kraft, insbesondere in Portugal (durch Ratifizierung) sowie in der Slowakischen Republik und in der Tschechischen Republik (in Rechtsnachfolge der ehemaligen Tschechoslowakei);

Haager Erbrechtsübereinkommens vom 1. August 1989, das noch nicht in Kraft getreten ist, aber bereits von einem Mitgliedstaat — den Niederlanden — ratifiziert worden ist;

Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 1. Juli 1985, das am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist. Vertragsschließende Parteien sind Italien und Luxemburg. Dieses Übereinkommen ist auch in weiteren Mitgliedstaaten in Kraft, insbesondere in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich (durch Ratifizierung) und in Malta (durch Beitritt).

2.2

Am 26. Oktober 1973 wurde in Washington das Übereinkommen über ein einheitliches Recht der Form eines internationalen Testaments (Unidroit) unterzeichnet, das am 9. Februar 1978 in Kraft getreten ist. Neben mehreren Drittstaaten wie den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation sind daran folgende Mitgliedstaaten beteiligt: Belgien, Zypern, (Tschechoslowakei), Frankreich, (Heiliger Stuhl), Italien, Vereinigtes Königreich und Slowenien. Dieses Übereinkommen sieht auch ein internationales Registrierungssystem und ein einheitliches Formular zu diesem Zweck vor.

2.2.1

Folgende Mitgliedstaaten sind Signatarstaaten des auf Initiative des Europarates abgeschlossenen Basler Übereinkommens über die Einrichtung einer Organisation zur Registrierung von Testamenten von 1972, das auch Drittstaaten offen steht: Belgien, Zypern, Spanien, Estland, Frankreich, Italien, Litauen, Luxemburg, die Niederlande und Portugal.

2.3

Die Haager Übereinkommen betreffen das anwendbare Recht, die Unidroit-Übereinkommen das materielle Recht für Bereiche mit Auslandsbezug. Lediglich die internationalen Übereinkommen über die Form des Testaments und über ihre internationale Registrierung weisen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine nennenswerte Anzahl von Ratifizierungen oder Beitritten auf.

2.4

Das Thema betrifft eine besondere Form der Übertragung des Eigentumsrechts (einem grundlegendem Menschenrecht) von Todes wegen. Gemeinschaftliche Rechtsvorschriften bezüglich der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der gegenseitigen Anerkennung bei Erbschaften mit Auslandsbezug sollten in Form einer Verordnung vorgelegt werden.

2.5

Angesichts der komplexen Materie sind die Ziele und Vorschläge der Kommission anspruchsvoll, für den Binnenmarkt, der zahlreiche Privatpersonen umfasst, sind sie aber von grundlegender Relevanz und Notwendigkeit. Im Sinne einer gesteigerten Wirksamkeit der Verordnung und um Widersprüche zwischen den einzelnen Bestimmungen der Verordnung oder kontrastierende Entscheidungen der Mitgliedstaaten zu vermeiden, sollten die Kollisionsnormen eine möglichst große Zahl denkbarer Fälle umfassen, wobei diese stets in funktionaler und inhaltlicher Hinsicht der Erbschaftsproblematik unterzuordnen sind (so sollte z.B. vermieden werden, Fragen hinzuzufügen, die im Wesentlichen zum Sachrecht gehören).

2.6

Die wirtschaftliche Bedeutung einer gemeinschaftlichen Regelung steht außer Frage, insbesondere bezüglich der Übertragung von KMU in Europa, damit nach dem Ableben des Unternehmers die Kontinuität gewährleistet wird. Diese Frage ist auch für die Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in Europa von Bedeutung.

2.7

In Ländern, in denen Erbverträge oder eine besondere Zweckbestimmung bestimmter Vermögensteile untersagt sind, sollten Ergänzungen zu den Bestimmungen vorgesehen und auf gemeinschaftlicher Ebene zum Zwecke der Harmonisierung des materiellen Rechts gefördert werden. Damit soll der Fortbestand von Unternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben gewährleistet werden, die ansonsten im Falle einer Erbengemeinschaft Gefahr laufen, liquidiert zu werden.

2.8

Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission, dass ein in allen Mitgliedstaaten einheitlich gültiges materielles Erb- und Testamentrechts mit internationalem Bezug nicht in Frage kommt, da gegenwärtig — trotz gewisser jüngerer Entwicklungen — erhebliche Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen bestehen und die einschlägigen internationalen Übereinkommen nur von wenigen Ländern ratifiziert worden sind. Er begrüßt die Arbeitsthemen und die vorgeschlagenen Prioritäten, da ein Fortschritt in diesen Bereichen bereits zahlreiche praktische Probleme für die Erbberechtigten, die Notare, die Verwaltungen, die Gerichte und die Angehörigen der Rechtsberufe beseitigen würde.

2.8.1

Andere Vorgehensweisen könnten im Rahmen des internationalen Rechts erwogen werden, indem die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung oder zum Beitritt bestimmter Übereinkommen (bezüglich Form des Testaments, anwendbares Recht, internationales Testament, nationale oder internationale Registrierung) angehalten werden könnten.

2.8.2

Das internationale Erb- und Testamentsrecht war in den durch das römisch-germanische Recht geprägten Ländern lange Zeit durch eine in vielerlei Hinsicht ausgesprochen veraltete Konzeption des Erbes gekennzeichnet. Das Vermögen des Erblassers (1) wurde gleichsam als Weitergabe dessen Persönlichkeit an die Erben aufgefasst. Heutzutage nimmt das Erbrecht zusehends Formen vertraglicher Gestaltung an. Nach Deutschland und der Schweiz wird nun auch in Frankreich eine Reform des Erbrechts durchgeführt: dadurch wird der Wille des Erblassers und der Erben bei der Gestaltung der Erbfolge eine weitaus größere Rolle spielen können, wodurch auch die betriebliche Kontinuität besser gewährleistet wird.

2.8.3

Besonders freizügige Rechtssysteme, die es dem Erblasser gestatten, einen Erben ohne Begründung von der Erbfolge auszuschließen, werden andererseits in zunehmendem Maße infrage gestellt, wie die bedeutende Zunahme von Streitsachen belegt.

2.8.4

Ohne bestimmte historisch oder gesellschaftlich bedingte Besonderheiten der verschiedenen Rechtssysteme beseitigen zu wollen, kann doch langfristig davon ausgegangen werden, dass eine weitergehende Harmonisierung — oder zumindest bestimmte Annäherungen -, die durch die Einführung eines europäischen Testaments und eines in ausreichendem Maße flexiblen und offenen Rechtsinstruments beschleunigt werden, eines Tages die Vollstreckung von Testamenten und die Abwicklung von Erbfällen mit Auslandsbezug erleichtern. Die Möglichkeit materieller gemeinschaftlicher Bestimmungen könnte im Zusammenhang mit der Einführung der Rechtswahl (2) als Alternative zu einem oder mehreren anwendbaren einzelstaatlichen Rechtssystemen erwogen werden.

2.9

Der Ausschuss betont, dass die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 wichtige Anhaltspunkte bieten kann. Insbesondere Artikel 21 Absatz 3 und Artikel 46 dieser Verordnung (3) geben sachdienliche Hinweise für die inhaltliche Gestaltung einiger geplanter Rechtsbestimmungen bzw. sind für das Familienrecht beispielgebend.

2.10

Der Ausschuss begrüßt folglich das Grünbuch und hält die vorgelegten Fragen für grundlegend und dringlich. Er wird sich bei der Beantwortung dieser Fragen engagieren, indem er die Interessen und Bedürfnisse der Unionsbürger zur Sprache bringt und dabei ihre wachsende Mobilität sowie die in der Vergangenheit bereits erfolgten umfangreichen Migrationen berücksichtigt.

2.11

Angesetzt werden sollte bei Fragen bezüglich der Form der letztwilligen Verfügungen, der internationalen richterlichen Zuständigkeit sowie der Lösung von Rechtskollisionen bezüglich des anwendbaren Rechts, der Registrierung von Testamenten sowie der gegenseitigen Anerkennung der Entscheidungen von Gerichten und anderen zuständigen Einrichtungen und der Anbringung der Apostille — Fragen, für die es bereits Präzedenzfälle im europäischen und im internationalen Recht gibt.

2.12

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass ein einheitliches System (einheitliches Erbrecht und einheitliche Erbbestimmungen) einem zerklüfteten Erbrecht vorzuziehen ist, doch dürfte dieses Prinzip in bestimmten Bereichen — insbesondere bei unbeweglichem Vermögen oder bestimmten Kategorien beweglicher Vermögen wie Schiffe, Luftfahrzeuge, Handelsfonds etc., die sich im Ausland befinden, Ausnahmen erfahren.

2.13

Bestimmte Bereiche wie Erbverträge oder Erbschaftstrusts (4) verbleiben in der einzelstaatlichen Zuständigkeit. Doch diejenigen Bereiche, welche die Anerkennung richterlicher Entscheidungen in Erbfällen ohne Exequaturverfahren, die Restzuständigkeit, die Anerkennung von Entscheidungen und Verwaltungsakten öffentlicher oder privater außergerichtlicher Einrichtungen oder Eintragungen in einzelstaatliche Grundbücher kraft eines europäischen Erbscheins betreffen, müssen in den geplanten gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften Berücksichtigung finden.

3.   Bemerkungen zu bestimmten, im Grünbuch aufgeworfenen Fragen

3.1

Eine Regelung wie die genannte Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, aber für den Bereich des Erbrechts konzipiert, könnte die Probleme nicht lösen, die durch Erbschaften mit Auslandsbezug aufgeworfen werden. Tatsächlich werden die meisten Erbschaften einvernehmlich geregelt, und es gilt ebenso Fragen zu lösen, die abseits von Streitigkeiten auftreten; des Weiteren sind richterliche Amtshandlungen in einigen Ländern mitunter bei einigen Fragen notwendig, ohne dass es dabei um Entscheidungen in Streitsachen geht.

3.2

Müssen mit dem gemeinschaftlichen Rechtsinstrument sicherlich die vorstehend angesprochenen Fragen der Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeit und der Anerkennung richterlicher Entscheidungen geregelt werden, so sollten auch folgende Fragen erörtert werden:

testamentarische Erbfolge: Bedingungen für die Gültigkeit des Testaments (Form und Inhalt, Testierfähigkeit, Einschränkungen des freien Willens), Pflichtteilrechte, atypische Erbfolgen, (zulässige oder unzulässige) Erbverträge, Erbschaftstrusts, Erbenstellung;

gesetzliche und testamentarische Erbfolge: Erbenstellung und Erbteil, Vorschriften zu Erbengemeinschaften, Abwicklung und Teilung der Erbschaft usw.;

über richterliche Entscheidungen (und etwaige Ausnahmen vom ordre public) hinausgehend, die Anerkennung außergerichtlicher Urkunden im Rahmen einer einvernehmlichen Erbschaftsabwicklung: das Testament, notarielle Urkunden, sonstige Verwaltungsurkunden oder die internationale Zuständigkeit öffentlicher Bediensteter und der betroffenen Angehörigen von Rechtsberufen;

bezüglicher der Kollisionskriterien im Bereich der richterlichen Zuständigkeit scheint auch eine gewisse Flexibilität geboten zu sein, damit diese Kriterien auch dem Recht entsprechen, das der Erblasser anzuwenden gedachte, bzw. dem Recht, auf dessen Anwendung die Erben berechtigte Hoffnungen hegen (Staatsangehörigkeit des Erblassers, gewöhnlicher Aufenthaltsort, Ort des Ablebens, der Errichtung und der Aufbewahrung des Testaments, Ort der Belegenheit des Großteils der Güter usw.).

3.3

Der Ausschuss begrüßt das Haager Programm der EU bezüglich der Schaffung eines europäischen Erbscheins und eines europäischen Systems zur Registrierung von Testamenten. Die Mitgliedstaaten müssen die zuständigen Stellen für die Ausstellung eines solchen Dokuments benennen und — falls noch nicht vorhanden — eine zentrale Hinterlegungsstelle einrichten. Es müsste ein zentrales gemeinschaftliches Register (oder ein europäisches Register am Europarat, falls die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, zur Ratifizierung des Basler Übereinkommens aufgefordert werden) eingerichtet werden. Richter, Notare und andere zuständige Amtspersonen, die im anwendbaren einzelstaatlichen Recht benannt sind, sollten Zugang zu den Daten dieses Zentralregisters erhalten (zumindest Aufschluss über Name und Geburtsdatum des Erblassers, den Mitglied- bzw. Drittstaat, in dem, zu welchem Zeitpunkt und bei welcher Stelle ein Testament in Verwahrung gegeben wurde, erhalten, um bei der entsprechenden einzelstaatlichen Behörde eine Kopie dieses Dokuments beantragen zu können).

3.3.1

Das europäische Registrierungssystem müsste auf jeden Fall mit den Systemen des Basler und des Washingtoner Übereinkommens kompatibel sein, da bereits mehrere Mitgliedstaaten daran beteiligt sind und das europäische System auch Erbschaften mit Drittstaatenbezug betreffen kann.

3.4

Die nach der Anerkennung der Erbstellung, der Abwicklung und Teilung der Erbschaft erforderlichen Verwaltungsformalitäten sollten weitgehend vereinfacht werden. Der Ausschuss unterstützt die gegenseitige Anerkennung von Urkunden und Dokumenten, die von den nach dem jeweiligen Recht Bevollmächtigten ausgestellt wurden, sowie die direkte Eintragung der Eigentumsrechte und Dienstbarkeiten, Hypotheken oder Nutzungsrechte, die gemäß nationalem Recht auf dem entsprechenden Objekt lasten, in das Grundbuch (oder bei den für die Registrierung der Eigentumsrechte an unbeweglichen Gütern zuständigen Ämtern).

3.5

Der Ausschuss möchte die Kommission auf die steuerlichen Probleme hinweisen, die sich für die Erben eines in zwei oder mehreren Staaten belegenen Vermögens ergeben können: etwaige Risiken einer Doppelbesteuerung der Gesamtheit oder von Teilen des Erbes sollten vermieden werden. Diese könnte in bestimmten Erbfällen konfiskatorischen Charakter erlangen oder — je nach Art der jeweils zugedachten Güter — zu Diskriminierungen unter Erben führen. Die steuerlichen Vorschriften über Erbschaften mit Auslandsbezug in den Mitgliedstaaten sollten untersucht und diejenigen Bestimmungen erfasst werden, die auf eine Besteuerung ausländischer Güter und Vermögen abzielen. Der jeweilige Steuersatz sollte festgestellt und den betreffenden Ländern sollten gerechte Lösungen vorgeschlagen werden. Die Kommission könnte ein Übereinkommen der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Erbschaften mit Auslandsbezug ins Auge fassen.

3.6

Ist es zweckmäßig, ein „europäisches Testament“ nach Maßgabe des im Washingtoner Übereinkommen vorgesehenen „internationalen Testaments“ in Betracht zu ziehen und neben der europäischen Registrierung gemäß Basler Übereinkommen eine internationale Registrierung vorzusehen? Das hätte den Vorteil, dass sich mehr Staaten zur Ratifizierung der Übereinkommen von Washington und von Basel entschließen, und die Rechte von Erbberechtigten bei Erbschaften mit Auslandsbezug nicht nur in den Mitgliedstaaten, sondern auch in Drittstaaten besser geschützt wären. Der Ausschuss legt den Kommissionsdienststellen diesen Arbeitsansatz nahe, da diese Übereinkommen in den Mitgliedstaaten bereits bekannt sind, weil sie entweder ratifiziert wurden oder weil die öffentlichen Bediensteten und Richter sich bereits mit Testamenten und Registrierungen gemäß dieser Übereinkommen beschäftigt haben.

3.7

Sollte dieser Weg beschritten werden, würde das europäische Testament in seiner Form in allen einzelstaatlichen Rechtsordnungen zulässig, denn das europäische Recht muss verhindern, dass das allgemein anerkannte Prinzip der Achtung des — im Rahmen des anwendbaren Rechts zulässigen — Willens des Erblassers (favor testamenti) durch einfache Formfragen außer Kraft gesetzt wird.

3.8

Eine spezifische gemeinschaftliche Verordnung ist unerlässlich, damit dieses Recht auf alle Fälle von Erbschaften, die zwei oder mehrere Mitgliedstaaten und Drittstaaten, auch jenen, die internationalen Übereinkommen beigetreten sind, betreffen, angewandt wird. Ebenso soll sichergestellt werden, dass das Gemeinschaftsrecht in allen Fällen Anwendung findet (zumal spezifisches Gemeinschaftsrecht dann vor internationalem Recht Vorrang besitzt).

4.   Weitere vorgelegte Fragen

4.1

Im Grünbuch werden 39 z.T. untergliederte Fragen gestellt. Der Ausschuss sieht sich in diesem frühen Stadium nicht dazu in der Lage, auf alle Fragen eine Antwort zu finden, empfiehlt aber der Kommission, die Verbände der betroffenen Rechtsberufe einzeln für jede der im Grünbuch gestellten Fragen zu konsultieren.

4.2

Der Ausschuss möchte sich darauf beschränken, für einige bestimmte Fragen, die er für besonders wichtig hält, mögliche Antworten aufzuzeigen. Dabei verfährt er im Allgemeinen nach der Devise der Übereinstimmung mit den Übereinkommen von Den Haag, Washington und Basel. Ziel ist eine möglichst umfassende Angleichung der europäischen Vorschriften in der Perspektive eines von der größtmöglichen Zahl von Mitgliedstaaten — und darüber hinaus von Drittstaaten — weitgehend annehmbaren rechtlichen Konsenses.

4.3

Die im Übereinkommen von Den Haag von 1961 vorgesehenen Anknüpfungspunkte bezüglich der Kollisionsnormen für letztwillige Verfügungen sollten berücksichtigt werden, denn sie befassen sich mit einer ausreichenden Vielfalt und belegen in der Mehrzahl der Fälle die Anwendbarkeit des Rechts, nach dem das Testament errichtet wurde.

4.4

Es sollte — in Entsprechung einiger unlängst in Kontinentaleuropa durchgeführten oder laufenden Reformen — ein besonderer Schutz für nicht geschäftsfähige (minderjährige oder erwachsene) oder schwerbehinderte Erben vorgesehen werden, da vermehrte vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten der Erbschaft oder die Wahl des anwendbaren Rechts durch die Erben zur Änderungen bei der Pflichtteilregelung oder zu Ungleichheiten unter den Erben führen können. Der größere Gestaltungsspielraum des Erblassers oder der Erbberechtigten darf nicht zur Folge haben, dass die in einem der anwendbaren Rechtssysteme bezüglich der Erben bestehenden Vorschriften mit der größten Schutzwirkung außer Kraft gesetzt werden (siehe Fragen 5 und 10 des Grünbuchs).

4.5

Verwaltungsakte bezüglich der Erbschaft, die von einem Erben oder seinem Vertreter in den Ländern, in denen ein Testamentsvollstrecker nicht zwingend vorgeschrieben ist, beigebracht werden, dürfen nicht als eine stillschweigende Anerkennung der Erbschaft ohne den Vorbehalt der Errichtung eines Inventars angesehen werden.

4.6

Es sollte die Möglichkeit der Annahme des Erbes durch die Erben im Rahmen der auf dem Vermögen lastenden Forderungen erwogen werden. Ebenso ist über die Möglichkeit von Erbverträgen nachzudenken, die eine ungleiche Aufteilung der Erbschaft zu legitimen Zwecken ermöglichen (Fortführung eines landwirtschaftlichen Betriebs oder eines Unternehmens, Vorteile für nicht geschäftsfähige oder behinderte Erben) oder die eine gleiche Aufteilung unter unehelichen und ehelichen Nachkommen vorsehen, wenn in dem jeweiligen anwendbaren Recht eine solche Gleichbehandlung nicht vorgesehen ist. Außerdem könnte angesichts der steigenden Lebenserwartung die Möglichkeit der unmittelbaren Übertragung der Erbrechte an die eigenen Nachkommen erwogen werden.

4.7

Ferner sollte dem Erblasser innerhalb bestimmter Grenzen die Wahlmöglichkeit des auf sein Vermögen anwendbaren Rechts zugestanden werden, z.B. nach Staatsangehörigkeit (oder einer seiner Staatsangehörigkeiten) oder nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort).

4.8

Der Ausschuss ist schließlich der Auffassung, dass die bereits von den Kommissionsdienststellen begonnene, hervorragende rechtsvergleichende Arbeit weiter vorangetrieben und regelmäßig auf der Europa-Website aktualisiert sowie in eine ausreichende Anzahl von Sprachen übersetzt werden sollte, damit sie für Angehörige der Rechtsberufe sowie den öffentlichen Bediensteten, Verwaltungsangestellten und Richtern, die mit Fragen der Erbschaften mit Auslandsbezug befasst sind, von allgemeinem Nutzen sind. Dieser Vergleich sollte so konzipiert sein, dass eine kurze Zusammenfassung pro Kapitel den Unionsbürgern, die ein Testament mit Auslandsbezug erstellen möchten, oder ihren Erben das Verständnis der allgemeinen Grundsätze ermöglicht.

4.9

Der Ausschuss sieht den Ergebnissen der bereits von der Kommission initiierten oder künftigen Konsultationen mit Interesse entgegen. Er hofft, dass ihm anschließend allgemeine Ausrichtungen und konkretere Legislativvorschläge zur Stellungnahme vorgelegt werden können, auf die er dann auch detailliert eingehen möchte. Denn der Ausschuss ist der Auffassung, dass das Testaments- und Erbrecht für die Unionsbürger eine Frage von großer Bedeutung ist. Ihre Erwartungen in puncto Vereinfachung der Formalitäten, größere Rechts- und Steuersicherheit und schnellere Abwicklung von Erbschaften mit Auslandsbezug dürfen nicht enttäuscht werden, ganz gleich, ob es sich um Privatvermögen, Unternehmen, landwirtschaftliche Betriebe oder sonstige wirtschaftliche Aktivitäten handelt, deren Kontinuität nach Wunsch der Unternehmer oder Eigentümer auch nach ihrem Ableben gewährleistet sein soll.

Brüssel, den 26. Oktober 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Erblasser (im franz. Recht „de cujus“), der Verstorbene.

(2)  Wahl des Erblassers des für die Erbfolge anzuwendenden Rechts.

(3)  ABl. L 338 vom 23.12.2003.

(4)  Erbschaftstrusts werden in zahlreichen kontinentaleuropäischen Staaten nicht anerkannt. Ferner wird in einigen dieser Länder der Pflichtteil oder die Anrechnung von Schenkungen auf das Erbe als ordre public betrachtet. Dadurch werden übrigens Strategien zur Umgehung des Erbrechts, insbesondere in Bezug auf in diesen Ländern belegenen Immobilien, gefördert.


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