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Document 52012AE1211

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung (FE)“ COM(2012) 35 final — 2012/0022 (APP)

ABl. C 351 vom 15.11.2012, p. 57–60 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.11.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 351/57


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung (FE)“

COM(2012) 35 final — 2012/0022 (APP)

2012/C 351/12

Berichterstatterin: Mall HELLAM

Die Europäische Kommission beschloss am 10. Mai 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung (FE)

COM(2012) 35 final — 2012/0022 (APP).

Die mit Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 30. August 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 483. Plenartagung am 18./19. September 2012 (Sitzung vom 18. September) mit 132 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 8 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung, mit der die Einrichtung der Europäischen Stiftung (Fundatio Europaea) ermöglicht wird. Der EWSA hatte ein solches Statut (1) gefordert, mit dem die grenzübergreifende Tätigkeit und Zusammenarbeit gemeinnütziger Stiftungen in der Europäischen Union erleichtert und ein Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der EU geleistet werden soll.

1.2

Der EWSA empfiehlt eine unverzügliche Annahme des Vorschlags durch das Europäische Parlament und den Rat. Stiftungen sind mehr denn je mit Aufgaben befasst, die über nationale Grenzen hinausreichen und eine effiziente Organisationsform erfordern. Stiftungen auf europäischer Ebene, die in den Bereichen Wissenschaft, Forschung und gesellschaftliche Fragen tätig sind, brauchen eine Rechtsform, die in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wird.

1.3

Das Stiftungswesen selbst sowie seine Vertretungsorganisationen und Netzwerke auf nationaler und europäischer Ebene haben sich wiederholt für ein Statut für die Europäische Stiftung als kosteneffizienteste Lösung zur Bewältigung grenzübergreifender Hindernisse ausgesprochen, mit der zudem auch die Stiftungstätigkeit in ganz Europa gefördert würde.

1.4

Lokale und nationale Rechtsvorschriften werden durch die optionale Fundatio Europaea (FE) nicht aufgehoben. Eine in ihrem Ursprungsland anerkannte Stiftung, die sich für dieses Konzept entscheidet, erhält somit die Möglichkeit, in allen EU-Mitgliedstaaten tätig zu sein, ohne lokale Strukturen aufbauen zu müssen.

1.5

Der EWSA ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Maßnahme voll und ganz mit dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang steht. Die EU muss tätig werden, um die nationalen Hindernisse und Einschränkungen, denen länderübergreifend in der EU tätige Stiftungen derzeit begegnen, aus dem Weg zu räumen. Die derzeitige Situation macht deutlich, dass einzelstaatliche Maßnahmen das Problem nicht angemessen lösen und dass der länderübergreifende Charakter des Themas einen europäischen Rahmen erfordert, mit dem sich der Ausbau der Stiftungen, die auf europäischer Ebene tätig sein wollen, sicherstellen lässt. Um diesem Ziel gerecht zu werden, ließen sich mit einer einzelnen Maßnahme eines Mitgliedslandes im Hinblick auf das Binnenmarktprinzip keine optimalen Ergebnisse gewährleisten.

1.6

Begründet ist der Vorschlag durch die Schaffung eines innovativen Rechtsrahmens, der neben den bestehenden nationalen Rechtsvorschriften gelten soll, deren Form und Geltungsbereich aber unverändert bleiben. Mitgliedstaaten werden nach wie vor die Möglichkeit haben, an nationalen Stiftungsformen festzuhalten.

1.7

Der EWSA befürwortet, dass für diesen Vorschlag die Form der Verordnung gewählt wurde. Die Verordnung ist das Rechtsinstrument, mit dem am besten für ein einheitliches Statut in allen Mitgliedstaaten gesorgt und durch eine direkte und einheitliche Anwendung der Vorschriften größeres Vertrauen geschaffen werden kann. Gestärkt wird dieser Ansatz durch Artikel 47 und 48 zur Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden bzw. zwischen diesen und den Finanzämtern.

1.8

Der EWSA erklärt sich einverstanden mit den zentralen Punkten des Vorschlags der Europäischen Kommission zu einem Statut einer Europäischen Stiftung, mit dem ein ausgewogenes Verhältnis hergestellt werden soll zwischen einer leichteren Gründung von Stiftungen einerseits und einer großen Vertrauenswürdigkeit durch Transparenz und Rechenschaftspflicht andererseits.

1.9

Der Vorschlag umfasst steuerliche Aspekte, mit denen kein neuer rechtlicher Rahmen geschaffen, sondern die Europäische Stiftung automatisch gemeinnützigen Einrichtungen auf nationaler Ebene gleichgesetzt wird. Um die dringend erforderliche Annahme der vorgeschlagenen Verordnung nicht zu gefährden, sollte dieser Abschnitt des Vorschlags sorgfältig geprüft werden.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

2.1

Der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen die gemeinnützigen Einrichtungen in der EU ihre Tätigkeit ausüben, kann nicht auf EU-Ebene harmonisiert werden. Die Gründung und die Arbeit von Stiftungen werden durch schätzungsweise mindestens 50 Rechtsvorschriften in der gesamten EU geregelt. Durch unterschiedliche zivilrechtliche und steuerrechtliche Bestimmungen in den Mitgliedstaaten wird eine grenzübergreifende Tätigkeit dieser Einrichtungen kostspielig und umständlich. Zudem wird die grenzübergreifende Arbeit durch rechtliche, steuerliche und administrative Hindernisse beeinträchtigt. Infolgedessen fließen über solche Einrichtungen nur wenige Mittel und Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke in andere Mitgliedstaaten.

2.2

Um diesen Problemen zu begegnen, hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung einer neuen europäischen Rechtsform vorgelegt, mit der die Gründung von Stiftungen und deren Tätigkeit im Binnenmarkt erleichtert werden soll. Durch diese Rechtsform werden Stiftungen private Gelder für gemeinnützige Zwecke leichter innerhalb der EU transferieren können. Auf diese Weise dürften mehr Mittel für gemeinnützige Tätigkeiten zur Verfügung stehen, was sich wiederum auf das Gemeinwohl der europäischen Bürger und die Wirtschaft der EU insgesamt positiv auswirken dürfte.

2.3

In dem Vorschlag werden die wichtigsten Merkmale der Europäischen Stiftung, ihre Gründungsweise und die Vorschriften bezüglich ihrer Organisation dargelegt. Zudem ist vorgesehen, dass unter bestimmten Bedingungen eine Europäische Stiftung in eine gemeinnützige Einrichtung zurückverwandelt oder abgewickelt werden kann.

2.4

In der Verordnung werden für die Aufsichtsbehörden in den einzelnen Mitgliedstaaten Mindestaufsichtsbefugnisse festgelegt, damit diese die Tätigkeit der Europäischen Stiftungen, die in dem jeweiligen Land registriert sind, wirksam überwachen können. Ferner ist vorgesehen, dass die Europäischen Stiftungen und ihre Spender automatisch dieselben Steuervergünstigungen wie inländische gemeinnützige Einrichtungen erhalten.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

In seiner früheren Stellungnahme hat der EWSA den bedeutenden Beitrag gewürdigt, den Stiftungen in vielen Bereichen wie etwa Menschenrechte, Minderheitenschutz, Beschäftigung und sozialer Fortschritt, Umweltschutz und europäisches Erbe sowie zur Förderung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts leisten. Sie spielen ferner eine zentrale Rolle beim Erreichen der Zielvorgaben der Europa-2020-Strategie, die auf ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum ausgerichtet sind.

3.2

Die Freizügigkeit für Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU gilt jedoch nicht generell für Tätigkeiten und Finanzmittel, die für gemeinnützige Zwecke vorgesehen sind. Diese Lücke ist der Grund für die Schaffung der Europäischen Stiftung als einer neuen, optionalen Rechtsform neben den bereits in den EU-Mitgliedstaaten bestehenden Rechtsformen.

3.3

Nach Ansicht des EWSA werden Stiftungen durch das Statut der Europäischen Stiftung insofern von einheitlicheren Bedingungen innerhalb der EU profitieren, als nur noch ein Rechtsinstrument und eine in allen Mitgliedstaaten ähnliche Lenkungsstruktur zum Zuge kommt, was, größere Rechtssicherheit gibt und mit geringeren Kosten für die Einhaltung der Rechtsvorschriften verbunden ist.

3.4

Mit dem Statut wird auch die gemeinsame Nutzung und Weiterentwicklung von Fachwissen und finanziellen Mitteln erleichtert werden. Eine erkennbare europäische Form für Stiftungen wird zudem grenzübergreifende Initiativen und Schenkungen befördern. Es ist anzunehmen, dass innerhalb der einzelstaatlichen Volkswirtschaften mehr Mittel für wichtige Bereiche wie Forschung und Bildung, soziale Dienstleistungen und medizinische Versorgung, Kultur und Umweltschutz zur Verfügung stehen werden.

3.5

Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass sich der Vorschlag der Europäischen Kommission nur auf gemeinnützige Stiftungen bezieht. Er weist darauf hin, dass die unter Artikel 5 angeführte Definition von "gemeinnützigem Zweck" auf einer Liste der in den meisten Mitgliedstaaten am häufigsten vorzufindenden gemeinnützigen Zwecke beruht. Damit ergibt sich eine größere Rechtssicherheit in Bezug auf den Begriff der Gemeinnützigkeit; eine Aktualisierung kann sich allerdings als sehr schwierig erweisen, da diese sich erst bei der ersten Überarbeitung der Verordnung auf einstimmigen Beschluss des Rates und mit Zustimmung des Europäischen Parlaments sieben Jahre nach Inkrafttreten durchführen ließe.

3.6

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass die Vorgabe, "dem Gemeinwohl im weiteren Sinn" zu dienen in der Verordnung näher erläutert werden und mit dem Hinweis versehen werden könnte, dass die Europäische Stiftung einen oder mehrere erkennbare gemeinnützige Zwecke verfolgen muss und dem öffentlichen Interesse allgemein und/oder einem Teil der Öffentlichkeit dient. Der EWSA empfiehlt ferner, bei der Beurteilung darüber, ob eine Einrichtung dem Gemeinwohl dient oder dienen will, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

(a)

in welchem Verhältnis

(i)

ein tatsächlicher oder möglicher Nutzen, der einer der Einrichtung angehörenden Person oder einer anderen Person (nicht aber der Öffentlichkeit) entsteht und

(ii)

ein tatsächlicher oder möglicher Schaden, der der Öffentlichkeit durch die Tätigkeit der Einrichtung entsteht

zu dem tatsächlichen oder möglichen Nutzen dieser Tätigkeit für die Öffentlichkeit steht und

(b)

ob bei der Erzielung eines tatsächlichen oder möglichen Nutzens für einen Teil der Öffentlichkeit die Voraussetzungen hierfür (einschließlich Abgaben und Gebühren) nicht unangemessen restriktiv sind.

3.7

Der EWSA begrüßt auch die folgenden, in der vorgeschlagenen Verordnung genannten Merkmale der Europäischen Stiftung, für die er sich bereits in einer früheren Stellungnahme ausgesprochen hatte:

a)

Die europäische Dimension der Europäischen Stiftung erfordert die Beteiligung von mindestens zwei Mitgliedstaaten. Dieser grenzübergreifende Bezug sollte eine Voraussetzung für die Registrierung und für das Bestehen der Europäischen Stiftung sein.

b)

Eine Europäischen Stiftung kann entweder ex nihilo, durch Verschmelzung einzelstaatlicher Stiftungen oder durch deren Umwandlung in eine Europäische Stiftung gegründet werden. Die Gründung einer Europäischen Stiftung soll juristischen oder natürlichen Personen vorbehalten sein, die auf europäischer Ebene tätig sind oder tätig sein wollen. Die Mitgliedstaaten erhalten damit die Sicherheit, dass die Besonderheiten des nationalen Rahmens für Stiftungen beibehalten werden;

c)

Das Mindestvermögen der Stiftung (25 000 EUR) soll die Rechte der Gläubiger stärken, ohne die Gründung kleinerer Initiativen zu verhindern;

d)

Europäische Stiftungen sollen über weitreichende Rechts- und Geschäftsfähigkeit verfügen, die auch das Recht auf den Besitz von beweglichem oder unbeweglichem Eigentum sowie den Empfang und Besitz von Schenkungen oder Zuwendungen jeglicher Art, einschließlich Aktien und anderer handelbarer Instrumente, aus jeder rechtmäßigen Quelle umfasst und

e)

im Rahmen der gemeinnützigen Zielsetzung der Europäischen Stiftung die Möglichkeit der Durchführung von Wirtschaftsaktivitäten haben, entweder direkt oder durch eine andere juristische Person, vorausgesetzt, dass sämtliche Erträge oder Überschüsse zur Verfolgung ihrer gemeinnützigen Zwecke verwendet werden.

3.8

Der EWSA weist darauf hin, dass die Umsetzung der jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (2) über die Möglichkeit länderübergreifender Schenkungen an Europäische Stiftungen und die Besteuerung von Europäischen Stiftungen als gemeinnützige Stiftungen nach der örtlichen Abgabenregelung mit der Verordnung erleichtert werden soll. Der EWSA ist der Meinung, dass der Europäischen Stiftung aus steuerlichen Gründen standardmäßig der Status einer Organisation ohne Erwerbscharakter verliehen und die Zuständigkeit und Praxis der Steuerbehörden des Mitgliedstaates, in dem die Stiftung steuerpflichtig ist, zur Bestimmung ihrer steuerlichen Behandlung entsprechend den auf nationaler Ebene geltenden Steuervorschriften voll und ganz respektiert werden soll. Die Mitgliedstaaten dürfen Europäische Stiftungen nicht anders behandeln als inländische gemeinnützige Einrichtungen, da dies dem EU-Vertrag und der Rechtsprechung des EuGH widersprechen würde, Wahlfreiheit haben sie hingegen bezüglich des anzuwendenden Steuersystems. Die Mitgliedstaaten sollten darüber hinaus festlegen, welches Steuersystem auf Europäische Stiftungen angewandt werden soll, wenn ihre Rechtsprechung für Organisationen ohne Gewinnorientierung mehrere Regelungen enthält.

3.9

Schließlich sollten mit der vorgeschlagenen Verordnung die Empfehlungen der Stiftungen in vollem Umfang berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass das Instrument in seiner endgültigen Form zum einen eine echte europäische Dimension aufweist und nicht allzu sehr auf nationale Bestimmungen bezogen ist, und zum anderen im Interesse einer künftigen maximalen Inanspruchnahme sowohl flächendeckend als auch unkompliziert ist.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Wie bereits in der oben genannten Stellungnahme des EWSA dargelegt, würde sich eine Europäische Stiftung auf die vier Bereiche Effizienz und Vereinfachung, Rechenschaftspflicht, wirtschaftlicher Nutzen sowie Vorteile für die Politik und die Bürger positiv auswirken. Der EWSA ist der Auffassung, dass mit der vorgeschlagenen Verordnung zwar für ein Gleichgewicht zwischen diesen Aspekten gesorgt wird, dass aber einige der Vorschläge im folgenden Sinne weiterentwickelt werden könnten:

4.2

Der EWSA möchte auf die Übersetzung der in dem Vorschlag verwendeten spezifischen Begriffe hinweisen, insbesondere auf den Begriff der "Gemeinnützigkeit" (public benefit), der in manchen Sprachen als "öffentlicher Nutzen" oder "allgemeines Interesse" übersetzt werden könnte und auf eine sehr spezifische nationale Rechtsform mit entsprechenden Rechten und Anforderungen verweist. Ohne eindeutige Präzisierungen seitens der Mitgliedstaaten könnte dies zu Verwirrung darüber führen, welche nationalen gemeinnützigen Einrichtungen überhaupt in eine Europäische Stiftung umgewandelt werden können.

4.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist festzulegen, welche gemeinnützigen Einrichtungen und Stiftungen in eine Europäischen Stiftung umgewandelt oder zu einer Europäischen Stiftung zusammengefasst werden können. Einrichtungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, wie etwa Treuhandfonds wären damit per Definition ausgeschlossen, Stiftungen mit gemeinnützigen Zielen hingegen, die in einigen Mitgliedstaaten rechtlich unselbständige Fonds umfassen, sowie gemeinnützige Stiftungsfonds, wären einbegriffen.

4.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass auf unbegrenzte Zeit gegründete Europäische Stiftungen aufgrund ihres gemeinnützigen Charakters und ihres steuerrechtlichen Status ihre Jahreseinkommen in einem angemessenen Zeitraum ausgeben (etwa innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren) und zugleich für Möglichkeiten sorgen sollten, einen Teil ihres Vermögens (etwa ein Drittel) zur Werterhaltung und/oder Wertsteigerung ihrer Stiftung einzusetzen. Letzteres würde nicht für Europäische Stiftungen gelten, die für einen begrenzten Zeitraum gegründet werden und auch nicht für Verbrauchsstiftungen.

4.5

Der EWSA möchte darauf hinweisen, dass die in dem Vorschlag der Europäischen Kommission gestellten Anforderungen in Bezug auf Transparenz und insbesondere externe Betriebsprüfungen im Verhältnis zum erforderlichen Vermögensumfang strenger sind als die derzeit für einzelstaatliche Stiftungen in der EU geltenden Vorschriften. Dies könnte für die Gründung einer Europäischen Stiftung ein Hindernis sein. Die Rechnungsprüfungspflicht sollte erst oberhalb bestimmter Schwellenwerte (z.B. 150 000 EUR) und/oder bei durchschnittlich mindestens 50 Angestellten wirksam werden. Für Europäische Stiftungen mit einem Kapital von weniger als den vorgeschlagenen 150 000 EUR könnte anstelle eines Rechnungsprüfers ein unabhängiger Sachverständiger eingesetzt werden. Die derzeitige Praxis zeigt, dass in acht Mitgliedstaaten keine externe Rechnungsprüfung erforderlich ist, und dass in den Mitgliedstaaten, die eine solche Prüfung verlangen, die Schwellenwerte von 15 000 EUR (Estland) bis zu über 2,5 Mio. EUR (Polen) und mehr als 50 Beschäftigten reicht (3). Der Ansatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Rechnungsprüfung entbindet die Europäische Stiftung nicht von anderen Transparenz- und Rechenschaftspflichten, wie sie in der Verordnung insbesondere hinsichtlich der regelmäßigen (jährlichen) Berichtsveröffentlichung festgelegt sind.

4.6

Während Europäische Stiftungen in der Lage sein sollten, wesensähnliche Wirtschaftstätigkeiten auszuüben, d.h. Tätigkeiten, die in Zusammenhang mit ihrer gemeinnützigen Aufgabe stehen, ist der Begriff der "zweckfremden Wirtschaftstätigkeit" schwieriger zu definieren. Eventuell würde es für mehr Klarheit sorgen, wenn Europäischen Stiftungen lediglich indirekt zweckfremde Wirtschaftstätigkeiten durch eine andere juristische Person durchführen dürften.

4.7

Verfügt eine Europäische Stiftung über eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern in verschiedenen Mitgliedstaaten, so muss die Verordnung nach Ansicht des EWSA Bestimmungen enthalten, die das Recht der in der Stiftung Beschäftigten auf Unterrichtung und Anhörung auf der entsprechenden länderübergreifenden Ebene garantieren.

a)

Hinsichtlich der sozialen Aspekte sollte die Verordnung im Allgemeinen auf die Rechtsgrundsätze des Ortes Bezug nehmen, an dem die Arbeitnehmer ihre Arbeit ausüben,

b)

die praktischen Modalitäten für die länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sollten vorzugsweise im Wege einer Vereinbarung zwischen den Parteien in der Europäischen Stiftung festgelegt werden,

c)

falls keine solche Vereinbarung besteht, sollten die unter Artikel 38 der Verordnung dargelegten Bestimmungen zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer angewandt werden und

d)

das Ziel sollte letztendlich sein, die Rechte, in deren Genuss Arbeitnehmer in einzelstaatlichen Stiftungen kommen, zu wahren und ein übermäßig kompliziertes System zu vermeiden.

4.8

Der EWSA ist der Auffassung, dass mit der Verordnung in ihrer derzeitigen Form de facto einige vollkommen neue Bestimmungen für ehrenamtlich Beschäftigte geschaffen werden, während es für diese keinen europäischen Status bzw. eine Rechtsdefinition oder eine Beschreibung ihrer Rechten und Pflichten gibt. Da diese grundlegenden Elemente fehlen, sollten nach Meinung des EWSA die Unterrichtung und Anhörung der bei Europäischen Stiftungen ehrenamtlich Beschäftigten entsprechend den nationalen Gesetzen erfolgen. Die praktischen Modalitäten für die länderübergreifende Information und Konsultation der ehrenamtlich Beschäftigten sollten vorzugsweise im Wege einer Vereinbarung zwischen den Parteien in der Europäischen Stiftung festgelegt werden. Dabei sollten bestehende Rechtsvorschriften zu ehrenamtlich Beschäftigten und deren Status nicht umgangen und die Nutzung Europäischer Stiftungen nicht durch zusätzliche Anforderungen, die einer realen Grundlage entbehren, verkompliziert und erschwert werden. Der EWSA ist ferner der Auffassung, dass das Recht ehrenamtlich Beschäftigter auf Unterrichtung und Anhörung nicht vergleichbar ist mit dem Recht der Angestellten, da hierdurch juristische Präzedenzfälle und rechtliche Schwierigkeiten entstehen würden.

4.9

Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass in der vorgeschlagenen Verordnung seinen ursprünglichen Empfehlungen aufgegriffen werden, die Aufsicht über die Europäischen Stiftungen an dafür benannte zuständige Behörden in den Mitgliedstaaten zu übertragen, wobei als Grundlage die gemeinsam vereinbarten und in der Verordnung zu einer Satzung der Europäischen Stiftung festgeschriebenen Normen in Bezug auf die Eintragungs-, Berichterstattungs- und Überwachungsanforderungen herangezogen würden. Falls solche Behörden noch nicht bestehen, könnten die für die Eintragung in das Unternehmensregister zuständigen Stellen diese Aufgabe übernehmen. Nach Meinung des ESWA sollte im Ermessen der Mitgliedstaaten bleiben, je nach Bedarf und der üblichen Praxis eine oder mehrere Behörden zu benennen.

4.10

Sollten die EU-Gesetzgeber in der endgültigen Verordnung steuerliche Aspekte beibehalten wollen, so sollte nach Ansicht des EWSA der von Stiftungsexperten empfohlene Ansatz angemessen berücksichtigt werden. Dies könnte zum Beispiel eine Kombination aus dem zivilrechtlichen Instrument (EG-Verordnung) und von den Mitgliedstaaten als wichtig erachteten steuerrechtlichen Anforderungen (z.B. die Ausgabe des Jahreseinkommens in einem angemessenen Zeitraum) beinhalten.

Brüssel, den 18. September 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Stellungnahme des EWSA: ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 30.

(2)  "Persche" (Rechtssache C-318/07), "Stauffer" (Rechtssache C-386/04), "Missionswerk" (Rechtssache C-25/10).

(3)  Siehe "Rechtliche und steuerliche Profile von Stiftungen in der EU", European Foundation Centre 2011.


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