4.5.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 116/55


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 14. Juli 2004

über eine staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der MobilCom AG

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 2641)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2005/346/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (1), insbesondere auf Artikel 7 Absätze 3 und 4,

nachdem der Mitgliedstaat und andere Beteiligte auf der Grundlage der vorerwähnten Bestimmungen zur Stellungnahme aufgefordert worden sind (2) und gestützt auf ihre Bemerkungen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 informierte Deutschland die Kommission über die Gewährung einer so genannten Rettungsbeihilfe in Form einer staatlichen Bürgschaft für ein an MobilCom AG (hiernach „MobilCom“) durch die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (hiernach „KfW“) gewährtes Darlehen in Höhe von 50 Mio. EUR. Das Darlehen war am 19. September 2002 ausgezahlt worden.

(2)

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 und vom 30. Oktober 2002 forderte die Kommission zusätzliche Auskünfte an, die mit Schreiben Deutschlands vom 23. Oktober 2002, registriert am 23. Oktober 2002 und 24. Oktober 2002, bzw. Schreiben vom 5. November 2002, registriert am 5. November 2002, erteilt wurden.

(3)

Mit Schreiben vom 27. November 2002, registriert am 28. November, teilte Deutschland die Gewährung einer weiteren 80 %igen Ausfallbürgschaft für ein neues Darlehen in Höhe von 112 Mio. EUR mit. Am 10. Dezember 2002 fand eine Sitzung mit Vertretern der Kommission und Deutschlands statt.

(4)

Die Kommission teilte Deutschland mit Schreiben vom 21. Januar 2003 ihren Beschluss mit, die Darlehensbürgschaft über 50 Mio. EUR als Rettungsbeihilfe auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag und der Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen im Schwierigkeiten (3) zu genehmigen.

(5)

Mit gleichem Schreiben unterrichtete die Kommission Deutschland über ihren Beschluss, hinsichtlich der 80 %igen Darlehensbürgschaft über 112 Mio. EUR das förmliche Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

(6)

Der Beschluss der Kommission zur Eröffnung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (4). Die Kommission forderte die sonstigen Beteiligten zur Stellungnahme auf.

(7)

Mit Schreiben vom 24. Februar 2003, registriert am 25. Februar 2003 und 26. Februar 2003, nahm Deutschland zu dem Beschluss der Kommission über die Verfahrenseröffnung Stellung.

(8)

Mit Schreiben vom 14. März 2003, registriert am 14. März 2003, übermittelte Deutschland der Kommission weitere Informationen. Gleichzeitig meldete Deutschland der Kommission seine Absicht an, die Staatsbürgschaften für die MobilCom gewährten Kreditlinien über 50 Mio. EUR sowie 112 Mio. EUR bis zum Jahresende 2007 zu verlängern. Außerdem wies Deutschland darauf hin, dass der zweite Kredit lediglich in Höhe von 88,3 Mio. EUR an das Unternehmen ausgezahlt worden sei.

(9)

Mit Schreiben vom 10. April 2003 bat die Kommission um zusätzliche Auskünfte über die geplante Verlängerung der Staatsbürgschaften, die Deutschland mit Schreiben vom 9. Mai 2003, registriert am 12. Mai 2003, erteilte. Weitere Informationen übermittelte Deutschland mit Schreiben vom 21. Mai 2003, registriert am 21. Mai 2003.

(10)

Mit Schreiben vom 3. Juni 2003, registriert am 4. Juni 2003, gab MobilCom eine Stellungnahme zu dem Verfahren ab.

(11)

Die Kommission setzte Deutschland mit Schreiben vom 9. Juli 2003 darüber in Kenntnis, dass sie das laufende Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag bezüglich der geplanten Verlängerung der Darlehensbürgschaften bis Jahresende 2007 erweitere.

(12)

Die Entscheidung der Kommission zur Erweiterung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (5). Die Kommission forderte die sonstigen Beteiligten zur Stellungnahme auf.

(13)

Mit Schreiben vom 1. September 2003, registriert am 2. September 2003, nahm Deutschland zur Verfahrenserweiterung Stellung. Mit Schreiben vom 9. September 2003 forderte die Kommission zusätzliche Auskünfte an. Deutschland antwortete mit Schreiben vom 23. September 2003, registriert am 25. September 2003. Darin informierte Deutschland die Kommission außerdem darüber, dass MobilCom die ausstehenden Kreditlinien, für die Staatsbürgschaften gewährt worden waren, am 22. September 2003 vollständig getilgt hat und dass die Bürgschaftsurkunden an Bund und Land Schleswig-Holstein von der KfW (Konsortialführerin) zurückgegeben werden.

(14)

Mit Schreiben vom 5. November 2003, registriert am 6. November 2003, erklärte Deutschland den bei der Kommission gestellten Antrag, die Verlängerung der Bürgschaften für die Kredite bis 2007 zu genehmigen, vor dem Hintergrund für erledigt, dass die Kredite zurückgezahlt worden seien.

(15)

Mit Schreiben vom 25. September 2003, registriert am 25. September 2003, und mit Schreiben vom 2. Oktober 2003, registriert am 6. Oktober 2003, erhielt die Kommission Bemerkungen zweier Wettbewerber von MobilCom zur Verfahrenserweiterung, die zur Stellungnahme an Deutschland weitergeleitet wurden. Die Antwort Deutschlands ging mit Schreiben vom 5. November 2003, registriert am 6. November 2003, ein.

(16)

Am 9. Januar sowie am 21. Januar 2004 fanden Gespräche zwischen Vertretern der Bundesregierung, des Landes Schleswig-Holstein sowie des Unternehmens und der Kommission zu der Frage statt, ob zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverfälschungen erforderlich sind. Mit Schreiben vom 13. Februar 2004, registriert am 13. Februar 2004, unterrichtete Deutschland die Kommission, dass MobilCom grundsätzlich bereit sei, seinen Online-Direktvertrieb von MobilCom Mobilfunkverträgen für einen Zeitraum von sieben Monaten einzustellen. Mit Schreiben vom 16. Februar 2004 bat die Kommission um die Klarstellung einiger Punkte. Auf ein weiteres Schreiben der Kommission vom 26. März 2004 erklärte Deutschland mit Schreiben vom 2. sowie vom 28. April 2004, registriert am 2. April 2004 bzw. am 28. April 2004, dass es die Schließung der MobilCom Online-Shops nicht endgültig zusagen könne. Mit Schreiben vom 23. Juni 2004, registriert am 24. Juni 2004, übermittelte Deutschland der Kommission weitere Informationen zur aktuellen Kundenentwicklung der MobilCom.

II.   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER MASSNAHMEN

1.   MobilCom AG

(17)

MobilCom AG wurde 1991 von Gerhard Schmid als MobilCom Communicationstechnik GmbH gegründet. Es hat seinen Sitz in Büdelsdorf, Rendsburg-Eckernförde, Schleswig-Holstein, einem Fördergebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag. Neben der Zentrale in Büdelsdorf ist MobilCom mit verschiedenen Niederlassungen in Deutschland vertreten (Kiel, Karlstein, Erfurt und Hallbergmoos).

(18)

Größter Aktionär von MobilCom ist gegenwärtig France Télécom mit 28,3 % der Aktien. Der Rest der Aktien befindet sich in Streubesitz.

(19)

MobilCom begann die Geschäftstätigkeit als Wiederverkäufer von Mobilfunkdiensten der „zweiten Generation“ („2G“) für u. a. T-Mobile, Vodafone und E-Plus. Das Unternehmen ging 1996 an die Börse und wurde 1997 als eine der ersten Firmen am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Mit dem Einstieg in das deutsche Festnetz- und Internetgeschäft 1998 erschloss sich MobilCom weitere Geschäftsfelder. Geprägt vom Unternehmenswachstum während der Boomjahre des Mobilfunks konnte MobilCom schnell wachsen.

(20)

In den Jahren 1997 bis 2000 kaufte MobilCom weitere Unternehmen, darunter den Netzwerk-Service-Provider Topnet und den Mobilfunk-Service-Provider Cellway sowie die zu dieser Zeit größte deutschsprachige Internet-Suchmaschine DINO-Online. MobilCom ergänzte das Portfolio auch um das Telekommunikationsunternehmen TelePassport, dem Service-Provider D Plus und einer Mehrheitsbeteiligung an der Computerkette Comtech. Ebenfalls 1999 brachte MobilCom die Internet-Tochter Freenet.de AG, den zweitgrößten Online-Dienst in Deutschland, an den Neuen Markt in Frankfurt.

(21)

Im Jahr 2000 gründete MobilCom zusammen mit France Télécom das Gemeinschaftsunternehmen MobilCom Multimedia GmbH mit dem Ziel der Ersteigerung einer UMTS-Lizenz sowie des Einstiegs in den UMTS-Markt. France Télécom tauschte seinen Anteil am Gemeinschaftsunternehmen in eine Beteiligung an der MobilCom AG in Höhe von 28,3 % ein, so dass die MobilCom AG über alle Anteile an der MobilCom Multimedia GmbH verfügte. Für die Anteile an der MobilCom AG zahlte France Télécom einen Kaufpreis von 7,3 Mrd. EUR. Die erforderliche Fremdfinanzierung der UMTS-Lizenz sollte von einem internationalen Bankenkonsortium bereitgestellt werden. Die Grundlage der strategischen Partnerschaft im Bereich UMTS bildete ein Kooperationsabkommen („Cooperation Framework Agreement“), das die Parteien im März 2000 unterzeichnet hatten.

(22)

Im August 2000 ersteigerte die MobilCom Multimedia GmbH für 8,4 Mrd. EUR von der Bundesregierung eine UMTS-Lizenz. Im Jahr 2001 wurde D Plus mit Cellway verschmolzen, um die Vertriebsstruktur optimal auf das UMTS-Geschäft auszurichten. Ebenso wurde in diesem Jahr mit dem Aufbau des UMTS-Netzes begonnen.

(23)

Im Geschäftsbereich Mobilfunk/Service Provider sollte MobilCom mit dem Einstieg in das UMTS-Geschäft vom reinen Service Provider zum netzgestützten Mobilfunkanbieter entwickelt werden (6).

(24)

Das Geschäftsfeld Festnetz/Internet umfasste zum einen Sprachtelefonie, zum anderen das Internet-Zugangsgeschäft, das über die Internet-Tochter Freenet.de AG betrieben wurde, an der MobilCom mit 76,1 % beteiligt war. Im Festnetz-Bereich bediente MobilCom vor der Krise nahezu acht Millionen Kunden, davon rund 3,2 Millionen Internet-Kunden.

(25)

Der Konzernumsatz von MobilCom für das Geschäftsjahr 2001 betrug 2,59 Mrd. EUR. Das entsprach einer Steigerung von rund 10 % gegenüber dem Vorjahr. 1,919 Mrd. EUR des Umsatzes entfielen auf den Bereich Mobilfunk/Service Provider, 0,583 Mrd. EUR auf den Bereich Festnetz/Internet und 88 Mio. EUR auf Sonstiges. Im Bereich UMTS wurden keine Umsätze erzielt, da sich dieser noch im Aufbau befand.

(26)

Ende des Jahres telefonierten 5,01 Mio. Kunden mit einem Mobiltelefon von MobilCom — ein Zuwachs von 25 % gegenüber 4 Mio. Kunden im Vorjahr. Damit wuchs MobilCom beim Mobilfunk schneller als der Markt, der ein Wachstum von 17 % im Jahre 2001 aufwies. Zwei Drittel des Kundenstamms entfielen auf das Vertragskunden-Geschäft, während der Marktdurchschnitt bei 44 % lag.

(27)

Am 31. Juli 2002 beschäftigte MobilCom 5 175 Personen einschließlich Beschäftigen mit befristeten Verträgen. Das entsprach 4 463 Vollzeitstellen.

2.   Der Mobilfunk-Markt

(28)

MobilCom wird sich nach der Umstrukturierung auf das Geschäftsfeld Mobilfunk/Service Provider konzentrieren. Vor der Krise war MobilCom darüber hinaus im Bereich UMTS sowie Festnetz/Internet tätig.

(29)

Nach Auskunft Deutschlands und gemäß der dem übermittelten Umstrukturierungsplan beigefügten Marktstudie ist der Markt für Mobilfunkdienste Teil des Marktes für Telekommunikationsdienste, der auch Leistungen für Festnetzanschlüsse, Kabelfernsehen, Mietleitungen, Carrier-Geschäft und Sonstiges umfasst. Der Markt für mobile Telekommunikationsdienstleistungen („Markt für Mobilfunkdienste“) ist gegenüber den Märkten für andere Telekommunikationsdienste als ein eigenständiger sachlicher Markt anzusehen, da sich die Produkte deutlich von denen im Bereich der anderen Telekommunikationsdienste unterscheiden.

(30)

Bei den auf dem Mobilfunkmarkt tätigen Unternehmen lassen sich Netzbetreiber und reine Wiederverkäufer („Service Provider“) unterscheiden. Netzbetreiber besitzen und betreiben die zur Erstellung von mobilen Diensten erforderliche Infrastruktur. Sie vertreiben diese Dienste sowohl direkt als auch indirekt über Service-Provider. Service-Provider beschränken sich darauf, Mobilfunk-Dienste auf Basis eigener Preisgestaltung zu vertreiben.

(31)

Nach Angaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post („RegTP“) lag der Gesamtumsatz mit Telekommunikations-Diensten in Deutschland im Jahr 2002 bei etwa 61 Mrd. EUR. Festnetz-Dienste und Mobilfunk-Dienste sind gegenwärtig mit jeweils etwa 1/3 des Gesamtumsatzes die beiden umsatzstärksten Segmente des Gesamtmarktes für Telekommunikations-Dienste.

(32)

Die kumulierten Gesamterlöse der Mobilfunkunternehmen lagen Angaben der RegTP zufolge im Jahr 2002 bei 23,7 Mrd. EUR. Die jährliche Wachstumsrate der Mobilfunk-Dienste lag zwischen 1998 und 2002 bei durchschnittlich 25,7 % und damit deutlich über der durchschnittlichen Wachstumsrate des Gesamtmarktes für Telekommunikations-Dienste in Deutschland von 8,3 %. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Umsatzes der Mobilfunk-Dienste lag dabei jedoch deutlich unter der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate der Teilnehmerzahlen in diesem Bereich. Ursache dafür waren die stetig sinkenden monatlichen Durchschnittsumsätze pro Teilnehmer. In den Jahren 2001 und 2002 verlangsamte sich das Wachstum bei den Mobilfunk-Diensten merklich (2,8 % in 2002).

(33)

Allen der Kommission vorliegenden Prognosen und Studien zur Entwicklung des Mobilfunkmarktes in Deutschland (7) liegt die Erwartung zugrunde, dass sich die Anzahl der Mobilfunkkunden innerhalb der kommenden drei bis vier Jahre der natürlichen Sättigungsgrenze im Bereich von 80 bis 90 % der Bevölkerung Deutschlands nähert. Ende 2002 lag die Marktdurchdringung bei 72,4 % der Bevölkerung (2001 68 %). Zukünftig wird daher voraussichtlich nicht mehr das Erreichen hoher Kundenzahlen im Vordergrund stehen, sondern die Bindung bestehender profitabler Kunden sowie die Steigerung der durchschnittlichen Monatsumsätze. Der Wettbewerb wird sich zunehmend auf die wechselwilligen Kunden richten. Als Folge der Boomjahre 1999/2000 wird der Austauschbedarf des Endgerätes (und damit auch des Mobilfunkvertrages) in den kommenden Jahren in Deutschland weiter zunehmen.

(34)

 (8)

T-Mobile D1

27,20 %

Vodafone D2

25,60 %

E-Plus E1

9,30 %

O2

6,50 %

Quam (9)

0,05 %

Insgesamt (Netzbetreiber direkt)

68,65 %

Debitel

13,60 %

MobilCom

8,00 %

Talkline

3,20 %

Hutchison

1,40 %

Victor Vox

1,60 %

Drillisch

1,10 %

Insgesamt (Service Provider)

31,35 %

Gesamt (Digitaler Mobilfunk)

100,00 %

(35)

Marktführer im Bereich Mobilfunk der zweiten Generation sind T-Mobile und Vodafone, die auch jeweils über ein eigenes Mobilfunknetz verfügen.

(36)

Im Hinblick auf Anzahl der Kunden und Mitarbeiter sind drei Mobilfunkanbieter mit MobilCom vergleichbar:

(37)

O2 Deutschland betreibt in Deutschland Mobilfunknetze und bietet Mobilfunkdienste an. O2 Deutschland ist eine hundertprozentige Tochter von mmO2 plc, vormals Mobilfunk-Tochter der British Telecommunications plc. Das Unternehmen beschäftigt 3 500 Mitarbeiter.

(38)

Debitel ist ein Telekommunikationsunternehmen ohne eigene Netzinfrastruktur, das als Wiederverkäufer von Telefonminuten und Netzfunktionen von Mobilfunkdiensten der Zweiten Generation tätig ist. Das Unternehmen beschäftigt 3 544 Mitarbeiter. Im Jahr 2002 wurde ein Umsatz von 2,8 Mrd. EUR erzielt.

(39)

Talkline ist ein Wiederverkäufer von Mobilfunkdiensten der Zweiten Generation. Im Jahr 2001 wurde ein Umsatz von 1,26 Mrd. EUR erzielt. Nach unternehmenseigenen Angaben beschäftigt Talkline 1 000 Mitarbeiter.

3.   Finanzielle Schwierigkeiten und Umstrukturierung

(40)

Trotz einer erheblichen Ausweitung der Umsatzerlöse im Bereich Mobilfunk/Service Provider in den Jahren 1997 bis 2000 als Folge eines sehr starken Nettozuwachses an Kunden, nahmen die Betriebsergebnisse von MobilCom in diesem Bereich stetig ab. Dies war vor allem auf steigende Akquisitionskosten für Neukunden bei zugleich abnehmenden Margen im Bestandsgeschäft zurückzuführen. Ebenfalls von Bedeutung in diesem Zusammenhang war der Anstieg zweifelhafter Forderungen, die insbesondere in 2001 hohe Wertberichtigungen erforderlich machten.

(41)

Darüber hinaus gestalteten sich die externen Rahmenbedingungen im Bereich UMTS, insbesondere die Entwicklung von Markt, Content-Produkten und Endgeräten schlechter als geplant und mit deutlichem Zeitverzug.

(42)

Am 13. September 2002 erklärte France Télécom die Beendigung der Partnerschaft mit der MobilCom AG, da es die autonomen UMTS-Aktivitäten des deutschen Partners für nicht länger rentabel erachtete. Mit dem vollständigen Rückzug der France Télécom aus den gemeinsamen UMTS-Aktivitäten war die sofortige Einstellung jeglicher Zahlungen zur Finanzierung des UMTS-Geschäfts verbunden.

(43)

MobilCom hatte zu diesem Zeitpunkt Angaben in seinem Geschäftsbericht zufolge einen Schuldenstand von 7,1 Mrd. EUR und hohen laufenden Finanzmittelbedarf für weitere Netzwerkinvestitionen, laufenden Aufwand der Organisation sowie Zinsen. Da France Télécom bereits seit Monaten der einzige verbliebene Finanzierer von MobilCom war und keine Finanzierungsalternativen bestanden, war MobilCom unmittelbar von der Insolvenz bedroht.

(44)

Vor diesem Hintergrund gewährte der Bund eine Rettungsbeihilfe in Form einer Ausfallbürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 50 Mio. EUR. Das Darlehen wurde von der bundeseigenen KfW bereitgestellt und am 21. September 2002 ausgezahlt. Dies ermöglichte dem Unternehmen seinen operativen Betrieb zunächst aufrechtzuerhalten. Diese Beihilfe ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, da sie von der Kommission bereits mit Entscheidung vom 21. Januar 2003 genehmigt wurde.

(45)

Zeitgleich versuchte MobilCom auf der Grundlage des Kooperationsvertrags mit France Télécom einen Ausgleichsanspruch geltend zu machen.

(46)

Am 22. November 2003 unterzeichneten die MobilCom AG, mobilcom Holding GmbH, Mobilcom Multimedia sowie France Télécom und Wirefree Services Belgium SA eine Vergleichsvereinbarung, das „MC Settlement Agreement“, mit der eine weitreichende Entschuldung von MobilCom erreicht werden konnte.

(47)

Kern der Vergleichsvereinbarung war die Übernahme der UMTS-Verbindlichkeiten des MobilCom-Konzerns durch France Télécom. Im Gegenzug verzichtete MobilCom — mit Ausnahme eines 10 %-Anteils — zugunsten von France Télécom auf mögliche Erlöse aus dem Verkauf oder der Nutzung sämtlicher UMTS-Vermögenswerte.

(48)

Im Einzelnen übernahm France Télécom Bankverbindlichkeiten (4,692 Mrd. EUR) sowie Lieferantenkredite (rund 1, 25 Mrd. EUR). Zugleich verzichtete France Télécom auf die Rückzahlung ihrer Gesellschafterdarlehen in Höhe von rund 1,009 Mrd. EUR. Insgesamt belief sich der Forderungsverzicht und die Übernahme der Verbindlichkeiten auf 6,9 Mrd. EUR zuzüglich der bis zum Zeitpunkt der Übernahme angefallenen Zinsen.

(49)

Weiterhin sagte France Télécom zu, die Mittel für den Rückzug aus dem UMTS-Geschäft zur Verfügung zu stellen, allerdings zeitlich bis zum 31. Dezember 2003 und in der Höhe bis zu einem Gesamtbetrag von 370 Mio. EUR begrenzt. Im Übrigen verzichteten die Parteien gegenseitig auf alle Ansprüche aus ihrer Geschäftsbeziehung (10).

(50)

Der Rückzug von France Télécom aus der Kooperation im UMTS-Geschäft hatte jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Geschäftsbereich UMTS von MobilCom, sondern machte darüber hinaus auch die Umstrukturierung der anderen Geschäftsfelder, insbesondere des verlustträchtigen Kerngeschäftsfelds Mobilfunk/Service Provider notwendig.

(51)

France Télécom hatte es im Zuge der Vergleichsverhandlungen ausdrücklich abgelehnt, auch Mittel zur Reorganisation des Geschäftsfelds Mobilfunk/Service Provider zur Verfügung zu stellen. Um den weiteren Finanzierungsbedarf sicherzustellen, der bestand, um notwendige Reorganisationsmaßnahmen in diesem Geschäftsfeld zu finanzieren, gewährten Deutschland und das Land Schleswig-Holstein am 20. September 2002 eine weitere 80 %-Ausfallbürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 112 Mio. EUR.

4.   Beschreibung des Umstrukturierungsplans

(52)

Deutschland legte einen umfassenden Umstrukturierungsplan für die MobilCom-Gruppe vor, der sich mit den Krisenursachen auseinandersetzte und ein Konzept zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität aufstellte.

(53)

Danach lagen die wesentlichen Ursachen für die andauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der MobilCom-Gruppe im Kerngeschäftsfeld Mobilfunk/Service Provider und dem bisherigen Geschäftsfeld UMTS.

(54)

Im Bereich UMTS gestalteten sich dem Umstrukturierungsplan zufolge die externen Rahmenbedingungen schlechter als geplant. Die ursprünglichen Gewinnerwartungen im Zusammenhang mit dem UMTS-Geschäft mussten korrigiert werden. Letztlich Auslöser für die Krise sei der den MobilCom-Konzern unerwartet treffende Rückzug von France Télécom aus dem Aufbau des UMTS-Geschäfts gewesen, wodurch angesichts des erheblichen Finanzbedarfs zur Entwicklung des UMTS-Geschäfts die Liquidität der MobilCom-Gruppe gefährdet worden sei.

(55)

Im Geschäftsfeld Service Provider/Mobilfunk nennt der Umstrukturierungsplan als übergeordnete Krisenursache die ausschließliche Ausrichtung auf Wachstum zulasten der Rentabilität. Der Fokus lag in diesem Geschäftsfeld, auch aus Gründen der Kundengewinnung für das künftige UMTS-Geschäft, in der Vergangenheit zu sehr auf Marktanteilswachstum. Da die Neukunden in der Vergangenheit häufig nur mit überproportional hohen Akquisitionskosten sowie primär in preisgünstigen Tarifen gewonnen werden konnten und gleichzeitig nur geringe Umsätze generiert wurden, waren die Rohertragsmargen gering.

(56)

Zudem ergaben sich signifikant hohe Belastungen aus dem unbefriedigenden Zahlungsverhalten vieler Kunden und daraus resultierenden Wertberichtigungen. Der Geschäftsbereich Mobilfunk/Service Provider erwirtschaftete zum damaligen Zeitpunkt dauerhaft Verluste.

(57)

Mit der Konzentration auf das UMTS-Geschäft waren darüber hinaus notwendige Anpassungen in den übrigen Geschäftsfeldern vernachlässigt worden.

(58)

Grundlage der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Strategie zur Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens war eine strikte Konzentration auf die ursprünglichen Kernkompetenzen als Service Provider im Bereich Mobilfunk.

(59)

Der unrentable UMTS-Betrieb sollte vollständig aufgelöst werden. Die Kosten für den Rückzug aus dem UMTS-Geschäft, also der Verkauf bzw. Rückbau aller UMTS-Vermögensgegenstände sowie der Abbau von 1 000 UMTS-Vollzeitstellen, wurden im Umstrukturierungsplan mit maximal 370 Mio. EUR beziffert. Laut Umstrukturierungsplan bestand damit im Bereich UMTS über den von France Télécom im Rahmen des „MC Settlement Agreements“ zugesagten Betrags von 370 Mio. EUR hinaus kein weiterer Finanzierungsbedarf.

(60)

Ferner war vorgesehen, dass sich MobilCom aus dem Bereich Internet/Festnetz zurückzieht. Dazu sollte die Festnetzsparte in Freenet.de AG integriert werden und die Beteiligung an Freenet.de AG später (teil-) veräußert werden.

(61)

Die Reorganisationsstrategie für den verlustträchtigen Bereich Mobilfunk/Service Provider sah als Kernelemente einen Stellenabbau von 850 Vollzeitstellen, die Konzentration der bisher an mehreren Standorten verteilten Vertriebs- und Kundenservice-Aktivitäten auf den Stammsitz Büdelsdorf und den Standort Erfurt sowie die Senkung der Kundenakquisitionskosten (unter anderem durch die Schließung von MobilCom-Shops) und die Bereinigung des Kundenportfolios vor. Insgesamt sollte eine Konsolidierung auf geringerem, aber profitableren Kunden- und Umsatzniveau im Vordergrund stehen.

(62)

Diese Maßnahmen sollten durch den zu 80 % staatlich verbürgten Kredit finanziert werden. Ursprünglich war geschätzt worden, dass ein Finanzbedarf in Höhe von 112 Mio. EUR besteht. Letztlich wurde nur ein Betrag von 88,3 Mio. EUR benötigt, der im Umstrukturierungsplan wie folgt aufgeschlüsselt wird:

Kundenmaßnahmen/-bindung zur Optimierung der Tarifstruktur: […]* (11) Mio. EUR,

Schließung unprofitabler MobilCom-Shops: […]* Mio. EUR,

Stellenabbau im Bereich Service Provider: […]* Mio. EUR,

externe Beratung bis März 2003: […]* Mio. EUR,

Schließung Karlstein/Hallbergmoos und Verlagerung der Infrastruktur: […]* Mio. EUR,

drohende Zahlungsverpflichtungen, insbesondere aus Leasingverpflichtungen für wegen strategischer Neuausrichtung nicht weiter eingesetzte Wirtschaftsgüter: […]* Mio. EUR,

Barhinterlegung […]*: […]* Mio. EUR.

(63)

Gemäß einem dem Umstrukturierungsplan beigefügten Businessplan sowie einer Gewinn- und Verlustrechnung bis 2007 sollte MobilCom in 2005 die Gewinnzone im Bereich Service Provider erreichen. Zur Rückführung der staatlich verbürgten Kredite kam eine Liquiditätsanalyse auf der Grundlage der drei geforderten Szenarien — günstige Entwicklung, mittlere oder „realistische“ Entwicklung sowie ungünstige Entwicklung, zu dem Ergebnis, dass selbst bei einer Umsatzentwicklung im „worst case“-Szenario eine Rückführung der Darlehen bis Ende 2007 möglich ist. Eine schnellere Rückführung wurde im Umstrukturierungsplan allerdings bei einer erfolgreichen Veräußerung der Anteile an der Freenet.de AG für möglich gehalten.

5.   Implementierung des Umstrukturierungsplans

(64)

MobilCom begann bereits im November 2002 mit der Umsetzung der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen. Der UMTS-Bereich wurde planmäßig eingefroren und für einen Verkauf vorbereitet. Der vorgesehene Abbau von insgesamt 1 850 Vollzeitstellen in den Bereichen UMTS und Service Provider war im März 2003 bereits abgeschlossen. Auch die weiteren Maßnahmen zur Sanierung des Kerngeschäfts Service Provider, wie etwa die Stilllegung der Standorte Karlstein und Hallbergmoos, die Schließung unrentabler Shops sowie die Einführung einer neuen Organisationsstruktur, wurden im 4. Quartal 2002 und 1. Quartal 2003 vollständig umgesetzt.

(65)

Ferner wurden sämtliche Festnetzaktivitäten der MobilCom AG in der Mobilcom CityLine GmbH (MCL) zusammengelegt und am 10. April 2003 in einem Kaufvertrag zwischen Freenet.de AG und der MobilCom AG auf die Freenet.de AG übertragen. Die ersten beiden Raten in Höhe von 10 Mio. EUR und 8,5 Mio. EUR aus dem an MobilCom zu zahlenden Kaufpreis von insgesamt 35 Mio. EUR, die bereits im Mai sowie im August 2003 fällig waren, wurden planmäßig zur Rückführung des staatlich verbürgten zweiten Kredits verwandt.

(66)

Das UMTS-Netz wurde im Mai 2003 an E-Plus veräußert und die UMTS-Lizenz im Dezember 2003 an die RegTP zurückzugeben. Damit war MobilCom frei, als Service-Provider auch UMTS-Dienste anzubieten und an dem entstehenden Markt zu partizipieren (12).

(67)

Am 17. September 2003 beschlossen der Vorstand und der Aufsichtsrat den Verkauf von bis zu 20 % der Anteile an der Freenet.de AG. Im Rahmen eines „accelerated bookbuilding“-Verfahrens wurden 20 % der Anteile (3,75 Mio. Aktien) an diverse in- und ausländische Investoren verkauft. Der Bruttoerlös aus dem Verkauf der Aktien betrug 176,1 Mio. EUR (47 EUR pro Aktie). MobilCom hält damit nur noch 52,89 % der Anteile an der Freenet.de AG.

(68)

Mit dem erzielten Erlös tilgte MobilCom am 22. September 2003 die ausstehenden Kreditlinien aus beiden staatlich verbürgten Darlehen und war damit schuldenfrei. Die Bürgschaftsurkunden wurden an den Bund und das Land Schleswig-Holstein zurückgegeben.

(69)

MobilCom verblieb nach Tilgung der Darlehen aus der Veräußerung der Freenet-Aktien ein Erlös von fast 60 Mio. EUR.

(70)

Die Veräußerung weiterer Anteile an der Freenet.de AG ist nach Angaben Deutschlands nicht geplant. Die Beteiligung von MobilCom an der Freenet.de AG sei inzwischen von einer strategischen in eine Finanzbeteiligung umgewandelt worden, wenngleich MobilCom nach wie vor 52,89 % der Anteile halte. Nach Angaben Deutschlands bestehen zwischen dem Freenet-Teilkonzern und dem MobilCom-Teilkonzern nur noch geringfügige operative Verflechtungen. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen MobilCom und der Freenet.de AG bestehe nicht.

(71)

Im Oktober 2003 flossen MobilCom weitere außerordentliche Erlöse aus der erfolgreichen Veräußerung von MobilCom-Aktien des Gründers und ehemaligen Firmenchefs der MobilCom durch dessen Treuhänder Prof. Helmut Thoma zu (13).

(72)

Der MobilCom-Konzern ist in den beiden Geschäftsfeldern Mobilfunk/Service Provider und Festnetz/Internet in die Gewinnzone zurückgekehrt. Im Bereich Service Provider hatte MobilCom im 2. Quartal und 3. Quartal 2003 ein positives Ergebnis erreicht und erstmals seit elf Quartalen wieder Gewinne verzeichnet. Das EBITDA (Ergebnis nach Zinsen und Steuern) stieg im Geschäftsjahr 2003 in den beiden Geschäftsbereichen Mobilfunk/Service-Provider und Festnetz/Internet bei einem Umsatz von 1,837 Mrd. EUR kumuliert auf 103,6 Mio. EUR. Das EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) verbesserte sich auf 22,3 Mio. EUR (zum Vergleich 2002: - 372,9 Mio. EUR).

(73)

Die Entwicklung des Segments Service Provider stellte sich während der Umstrukturierungsphase wie folgt dar (14):

(74)

Bei Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns aus der Platzierung von 3,75 Mio. Freenet-Aktien stieg das Konzern-Ergebnis 2003 auf 160,4 Mio. EUR. Nach eigener Aussage steht MobilCom damit wieder auf einem soliden Fundament.

6.   Einzelheiten zu den gewährten Staatsbürgschaften

(75)

Der von der KfW am 19. September 2002 gewährte Kredit über 50 Mio. EUR, der zu 100 % durch eine Bundesbürgschaft besichert wurde, war zunächst bis zum 15. März 2003 befristet und konnte bis zum 15. September 2003 verlängert werden. Das Darlehen wurde zunächst bis zum 21. Juli 2003 verlängert. Im Juli 2003 hatte die KfW die Laufzeit dieses Darlehen nochmals bis zu einer Entscheidung der Kommission über den vorgelegten Umstrukturierungsplan, längstens jedoch bis zum 20. Mai 2004 verlängert. Der Zinssatz für das Darlehen betrug 6,814 %. Dieser Zinssatz setzte sich zusammen aus der Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) für die jeweilige Zinsperiode zuzüglich einer Marge von 3,50 % p.a.

(76)

Die zweite Bürgschaft für das der MobilCom AG und der MobilCom Holding GmbH gewährte Darlehen über 112 Mio. EUR des Bankenkonsortiums bestehend aus Deutsche Bank AG, Dresdner Bank AG, KfW und der Landesbank Schleswig-Holstein unter Führung der KfW wurden von Bund und Land Schleswig-Holstein zusammen übernommen. Das Darlehen, das am 20. November 2002 gewährt wurde, hatte eine Laufzeit von 18 Monaten bis zum 20. Mai 2004. Die Auszahlung des Kredits sollte in mehreren Tranchen erfolgen. Der Zins setzte sich zusammen aus der Euro Interbank Offered Rate (Euribor) für die jeweilige Zinsperiode einer jeden Tranche sowie einer Marge von 2,50 % p.a. Die Bürgschaft des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein sicherten zusammen 80 % der Kreditsumme ab. Der Bund bürgte für 48 % des Betrags und das Land für 32 % des Betrags. Die Bürgschaft war gemäß Bürgschaftsentscheidung vom 20. November 2002 bis zum 15. März 2003 befristet. Bei Vorlage eines Umstrukturierungsplans bei der Kommission vor Ablauf dieser Frist, sollte sich dieser Zeitraum jedoch automatisch bis zum Zeitpunkt der Beihilfeentscheidung der Kommission auf der Grundlage dieses Plans verlängern. Mit Vorlage des Umstrukturierungsplans im März 2003 erstreckte sich damit die zweite Bürgschaft auf die gesamte Laufzeit des Kredits bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kommission auf der Grundlage des Plans.

(77)

Deutschland teilte mit, dass der Aufschlag, den MobilCom für die Bürgschaften für den 50-Mio.-EUR- sowie den 112-Mio.-EUR-Kredit an den Bund zu entrichten hatte, jeweils 0,8 % p.a. betrug. Zusätzlich war jeweils ein Antragsentgelt in Höhe von 25 000 EUR zu leisten. An das Land Schleswig-Holstein war ein Bürgschaftsentgelt von 1 % p.a. und ein Bearbeitungsentgelt von 25 564 EUR zu entrichten.

(78)

Nach Angaben Deutschlands hat MobilCom infolge des Umstands, dass lediglich 88,3 Mio. EUR für die Umstrukturierung benötigt und abgerufen wurden, mit Schreiben vom 1. April 2003 gegenüber der KfW als Konsortialführerin seinen Verzicht auf den noch ausstehenden Kreditbetrag von 23,7 Mio. EUR erklärt.

7.   Gründe für die Eröffnung bzw. Erweiterung des Verfahrens

(79)

Die Kommission hat die Darlehensbürgschaft über 50 Mio. EUR als Rettungsbeihilfe auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag und der Gemeinschaftsleitlinien genehmigt.

(80)

In ihrem Beschluss zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens stufte die Kommission auch die Bürgschaft des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein für das zweite Darlehen als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag ein. Aufgrund ihrer vorläufigen Beurteilung war die Kommission zu der Feststellung gelangt, dass die angemeldeten Beihilfen auf der Grundlage der Gemeinschaftsleitlinien zu bewerten seien und bezweifelte die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt.

(81)

Insbesondere war für die Kommission nicht klar erkennbar, ob auch der zeitlich später gewährte Kredit über 112 Mio. EUR ausschließlich zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs im angegebenen Rettungszeitraum oder bereits zur Umstrukturierung des Unternehmens genutzt wurde. Beihilfen zur Umstrukturierung können aufgrund ihres besonders wettbewerbsverzerrenden Charakters nur auf der Grundlage eines Umstrukturierungsplans genehmigt werden, der der Kommission zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag jedoch noch nicht vorlag.

(82)

Mit Beschluss vom 9. Juli 2003 hat die Kommission auch die ursprünglich geplante Verlängerung der Darlehensbürgschaften bis 2007 in das laufende Prüfverfahren einbezogen.

(83)

Die Kommission bezweifelte insbesondere, dass MobilCom auf eine Verlängerung der staatlich verbürgten Kredite angewiesen war. Sie konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass MobilCom durch eine zügige Veräußerung ihrer Beteiligung an der Internet-Tochter Freenet.de AG ausreichend Mittel zur Kredittilgung erzielen konnte.

III.   STELLUNGNAHME DEUTSCHLANDS

(84)

Nachdem die Kredite am 22. September 2003 zurückgezahlt und die Bürgschaftsurkunden an die Bürgschaftsgeber zurückzugeben waren, erklärte Deutschland den vorsorglich gestellten Antrag, die Verlängerung der Bürgschaften für die Kredite bis 2007 zu genehmigen, für erledigt.

(85)

Was die Gewährung der zweiten Beihilfe in Gestalt der Bürgschaft für den Kredit über 112 Mio. EUR anbelangt, hält Deutschland an seiner Auffassung fest, dass auch diese Bürgschaft eine Rettungsbeihilfe im Sinne der Gemeinschaftsleitlinien darstelle.

(86)

Deutschland erklärt, dass mit den Krediten ausschließlich Maßnahmen im Geschäftsbereich Service Provider finanziert wurden, wie zum Beispiel Kundenmaßnahmen zur Optimierung der Tarifstruktur, Anpassung von Vertriebsaufwendungen und Maßnahmen zur Reduzierung des laufenden Personalaufwandes, die allein der Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebes und der Reduzierung des Liquiditätsbedarfs in der Rettungsphase gedient hätten. Ohne diese Maßnahmen wäre der Liquiditätsbedarf bis März 2003 um weitere 110 Mio. EUR höher gewesen.

(87)

Darüber hinaus habe ein umfassendes Umstrukturierungskonzept zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfen noch nicht vorgelegen und wäre in der Kürze der Zeit auch nicht zu erarbeiten gewesen.

(88)

Für den Fall, dass die Kommission dieser Einschätzung nicht folgt, beantragt Deutschland hilfsweise die Genehmigung der zweiten Darlehensbürgschaft als Umstrukturierungsbeihilfe auf der Basis des der Kommission später vorgelegten Umstrukturierungsplans. Nach Auffassung Deutschlands gleichen insbesondere der im Umstrukturierungsplan vorgesehene Rückzug von MobilCom aus dem UMTS-Geschäft und aus dem Geschäftsfeld Festnetz- und Internet mögliche durch das staatlich verbürgte Darlehen verursachte Wettbewerbsverzerrungen auf dem Mobilfunk-Markt aus.

IV.   STELLUNGNAHMEN DRITTER

1.   Stellungnahme von MobilCom

(89)

In ihrer Stellungnahme auf die Eröffnung und die Erweiterung des förmlichen Verfahrens weist MobilCom Zweifel an der Vereinbarkeit der gewährten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zurück.

(90)

MobilCom führt an, dass der Wettbewerb auf dem Markt für Mobilfunkdienste ohne das Fortbestehen von MobilCom zum Erliegen gekommen wäre. Der Mobilfunkmarkt werde von den Netzbetreibern mit insgesamt fast 70 % Marktanteil dominiert, wobei rd. 52 % auf die beiden großen dominierenden Anbieter T-Mobile und Vodafone fallen. Das Verschwinden von MobilCom hätte Debitel ein Quasi-Monopol unter den Service Providern verschafft, die nicht über ein eigenes Netz verfügten. Debitel wäre damit der Druck genommen, die günstigsten Tarife zu bündeln und seinen Kunden anzubieten. Die Rolle der Service Provider als Katalysatoren von Preiswettbewerb zwischen den Netzbetreibern wäre somit entscheidend geschwächt und die oligopolistische Marktstruktur des deutschen Mobilfunkmarktes hätte sich weiter verfestigt.

(91)

Weiterhin behauptet MobilCom, dass die staatliche Bürgschaft nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt hätte und sich auf das absolute Minimum beschränkt habe. Die Bürgschaft sicherte insgesamt nur 80 % der Darlehenssumme ab. Die zur Verfügung stehenden Mittel seien vollständig für die Umsetzung des Umstrukturierungsplans verplant und strikt auf die Kosten der Umstrukturierung im Bereich Service Provider begrenzt. Jede der im Umstrukturierungsplan beschriebenen Maßnahmen sei eine unerlässliche Voraussetzung für die Wiederherstellung der langfristigen Überlegensfähigkeit gewesen, wobei MobilCom die einzelnen im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Kosten nochmals detailliert erläuterte und weiter aufschlüsselte.

(92)

MobilCom weist auch darauf hin, dass die übrigen Wettbewerber von dem Umstrukturierungsplan profitierten, weil sich MobilCom danach von sämtlichen Aktivitäten trenne, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäftsfeld gehörten, diesem aber dienlich sein würden, wie insbesondere der UMTS-Netzbetrieb.

(93)

Außerdem seien keine negativen Wirkungen auf die Wettbewerber zu erwarten, da es im Rahmen der Umstrukturierung im Service-Provider-Bereich auch dort zu erheblichen Kapazitätsreduzierungen komme. Insbesondere durch den erheblichen Abbau von Personal und die Schließung von Standorten sei die Möglichkeit für MobilCom, Kunden zu werben, erheblich eingeschränkt worden.

(94)

In den Gesprächen zwischen Deutschland und der Kommission am 9. Januar und 21. Januar 2004, an denen auch Vertreter der MobilCom teilgenommen haben, hat MobilCom seine schriftlichen Ausführungen dahin gehend präzisiert, dass das Unternehmen nach wie vor an der auch von Deutschland vertretenen Rechtsauffassung festhalte, dass es sich bei der gewährten zweiten Beihilfe um eine Rettungsbeihilfe und nicht um eine Umstrukturierungsbeihilfe handele. Die Frage nach geeigneten Kompensationsmaßnahmen stelle sich damit nicht.

2.   Stellungnahme der Talkline GmbH & Co. KG

(95)

Die Talkline GmbH & Co. KG (nachfolgend: Talkline) ist als Mobilfunk-Service Provider unmittelbarer Wettbewerber von MobilCom. Talkline weist darauf hin, dass das Unternehmen sich ebenso wie andere unmittelbare Wettbewerber in den vergangenen zwei Jahren den Marktbedingungen anpassen und auf eigene Kosten und ohne staatliche Hilfe eine Neuausrichtung vollziehen musste.

(96)

Talkline führt zunächst aus, dass es sich bei dem zweiten staatlich verbürgten Kredit um eine Umstrukturierungsbeihilfe für MobilCom handele und nicht um eine Rettungsbeihilfe. Die Umstrukturierung des Unternehmens habe bereits vor der Gewährung des zweiten Darlehens im November begonnen.

(97)

Das Unternehmen ist außerdem der Auffassung, dass die durch die Beihilfen an MobilCom hervorgerufene Wettbewerbsverzerrung von besonderer Intensität sei. Die gewährten Beihilfen seien ohne hinreichende Kompensation nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

(98)

Die besondere Intensität der Wettbewerbsverzerrung begründet Talkline zum einen damit, dass die Bürgschaft MobilCom die uneingeschränkte Fortführung des Geschäfts bei gleichzeitig zügiger und vollständiger Umstrukturierung ermöglicht habe. Zwar habe MobilCom während der Umstrukturierung Marktanteile verloren, jedoch sei die Markpräsenz für die Wettbewerber weiterhin spürbar.

(99)

Zum anderen ermöglichten es die staatlich verbürgten Kredite MobilCom, die Kundenbasis profitabel zu machen. MobilCom sei nach der Bereinigung der Kundenbasis etwa gleich stark wie der Markt gewachsen, verfüge aber über einen überproportional ertragreichen Kundenstamm.

(100)

Zudem habe MobilCom aufgrund der Kredite den anvisierten Verkauf des Festnetzes an die Freenet.de AG und den anschließenden Teilverkauf der Beteiligung hinauszögern können, so dass das Unternehmen von dem in diesem Zusammenhang erwarteten Kursanstieg nicht nur im Hinblick auf die Kredittilgung, sondern auch im Hinblick auf neue Investitionen im Mobilfunkgeschäft habe profitieren können, da der Verkauf von 20 % des Aktienpakets im September 2003 MobilCom nach vollständiger Tilgung der Kredite zusätzliche liquide Mittel in Höhe von knapp 60 Mio. EUR verschafft habe.

(101)

Talkline bezweifelt darüber hinaus bereits die Notwendigkeit der Gewährung der zweiten Bürgschaft. MobilCom habe schon damals über ein beträchtliches Anlagevermögen verfügt, wobei Talkline insbesondere die Beteiligung an der Freenet.de AG hervorhebt. Der erst im September 2003 vorgenommene Verkauf von 20 % der Freenet-Anteile (3,75 Mio. Aktien) hätte dem Unternehmen bereits im November 2002 bei dem damaligen Aktienkurs von rund 5 EUR Einnahmen in Höhe von mindestens 18,75 Mio. EUR eingebracht. Der Verkauf der gesamten Beteiligung (13,65 Mio. Aktien) hätte dem Unternehmen liquide Mittel in Höhe von 68 Mio. EUR verschafft und damit eine Kreditaufnahme weitgehend und mit Sicherheit eine staatliche Bürgschaft entbehrlich gemacht. Diese Berechnung gehe dabei lediglich vom Börsenkurs, nicht aber vom wirklichen Substanzwert der Freenet.de AG aus, der von Aufsichtsrat der MobilCom und Vorstand der Freenet.de AG deutlich höher eingestuft worden sei.

(102)

Kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die staatliche Bürgschaft für den zweiten Kredit eine zulässige Umstrukturierungsbeihilfe darstellt, so kann sie diese nach Auffassung von Talkline nur genehmigen, wenn Deutschland weitere geeignete Kompensationsmaßnahmen gemäß Randnummern 35 ff. der Gemeinschaftsleitlinien anbiete.

(103)

Die von Deutschland aufgeführten Maßnahmen reichen nach Meinung von Talkline nicht aus, um negativen Auswirkungen der Beihilfe auszugleichen. Der Abbau von Kapazitäten im Bereich Mobilfunk und die damit verbundene Rückführung des Kundestammes sei überwiegend darauf zurückzuführen, dass MobilCom unrentable Kundenverhältnisse abgebaut habe. Diese Reduzierung sei aus wirtschaftlicher Sicht geboten gewesen und kann damit nicht als Gegenleistung akzeptiert werden.

(104)

Ein Rückzug aus dem Festnetz- und Internet-Geschäft sei nicht vollständig erfolgt. Darüber hinaus stelle der Verkauf des Freenet-Anteils in seiner Wirkung auf den Wettbewerb im Mobilfunk-Bereich eine Umschichtung von Kapital dar. Als Gegenleistung für mögliche Wettbewerbsverzerrungen ist er somit nicht nur wertlos, sondern sogar eine besondere Verschärfung der Verzerrung, da MobilCom den Erlös aus dem Verkauf des Freenet-Anteils nun unmittelbar in den Bereich Service Provider investiere.

(105)

Das Einfrieren des UMTS-Geschäfts war eine wirtschaftliche Notwendigkeit und ist somit auch nicht als Kompensationsmaßnahme für Wettbewerbsverzerrungen im Bereich Mobilfunk geeignet. Von dem Ausstieg profitieren lediglich die verbleibenden UMTS-Lizenzinhaber, die im direkten Verhältnis einen Konkurrenten weniger haben.

(106)

Talkline schlägt zuletzt einen Katalog möglicher Maßnahmen zum Ausgleich der nach ihrer Auffassung eingetretenen Wettbewerbs-verzerrungen vor. Diese Maßnahmen umfassen einen anteiligen „Verkauf“ von Kunden an die Wettbewerber, eine befristete Schließung des Online-Shops und anderer Direktkanäle und den Rückzug aus dem UMTS-Geschäft als Service-Provider (sog. Enhanced Service Providing) für einen befristeten Zeitraum.

3.   Stellungnahme eines Dritten, der um Geheimhaltung seiner Identität bat

(107)

Die Kommission erhielt außerdem eine Stellungnahme eines weiteren Wettbewerbers, der ebenfalls als reiner Service Provider ohne eigene Netzstruktur tätig ist.

(108)

Auch dieser Wettbewerber vertritt die Auffassung, dass die angebotenen Gegenleistungen nicht ausreichen, um eine zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrungen notwendige Beschränkung der Kapazitäten im Kerngeschäft von MobilCom zu erreichen. MobilCom wolle sich auf leistungsstarke Kunden im mittleren und oberen Segment konzentrieren. Folglich werde MobilCom trotz Kundenrückgang seine Marktpräsenz erhalten können, da aufgrund der Konzentration auf ertragreiche Kunden Kosten gesenkt und Umsätze gesteigert werden können.

(109)

Bei der gegenwärtigen durch Marktsättigung, geringere Durchschnittsumsätze per Kunden und sinkenden Margen geprägten Marktsituation sei die von MobilCom verfolgte Repositionierung das Ziel aller Unternehmen, die Service Providing betreiben. Die Beihilfen, die direkten Wettbewerbern nicht zur Verfügung stehen, werden von MobilCom genutzt, um sich bei der wertvollen und hart umkämpften Kundenschicht einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Deutschland hat somit die Umstrukturierung von MobilCom direkt auf Kosten der Wettbewerber unterstützt, was ohne weitere Kompensationsmaßnahmen nicht hinnehmbar sei.

V.   REAKTION DEUTSCHLANDS AUF DIE STELLUNGNAHMEN DRITTER

(110)

In seiner Reaktion auf die Stellungnahmen Dritter erklärt Deutschland zur Frage der Notwendigkeit der zweiten Beihilfe, dass die zur Fortführung des laufenden Geschäftsbetriebs von MobilCom erforderliche Liquidität Mitte November 2002 erschöpft gewesen sei. Ohne Gewährung des Darlehens des KfW-Konsortiums hätte MobilCom unverzüglich Insolvenz anmelden müssen. Nach Einschätzung des Vorstands von MobilCom wäre bei einem Insolvenzantrag kurzfristig ein wesentlicher Teil der Kundenbeziehungen weg gebrochen, so dass eine Umstrukturierung von MobilCom aus der Insolvenz heraus nicht möglich gewesen wäre.

(111)

Deutschland erklärt weiterhin, dass auch France Télécom bei Aufnahme der Vergleichsverhandlungen in der zweiten September-Hälfte 2002 stets deutlich gemacht habe, dass sie sich zu einer Befreiung MobilComs von den UMTS-bezogenen Verbindlichkeiten nur verpflichten könne, wenn sichergestellt sei, dass MobilCom nicht innerhalb der insolvenzrechtlichen Anfechtungsfristen Insolvenz anzumelden brauche. Dementsprechend habe France Télécom von Beginn der Verhandlungen an eine gutachterliche Stellungnahme über eine positive Fortbestandsprognose für die bei MobilCom verbleibenden Geschäftsbereiche sowie Zusagen Dritter zur Sicherung der für eine erfolgreiche Sanierung erforderlichen Finanzierung gefordert. Das diesem Zweck dienende Darlehen des KfW-Konsortiums über 112 Mio. EUR sei dementsprechend zur Bedingung des „MC Settlement Agreements“ gemacht worden. Ferner habe France Télécom gefordert, dass die notwendigen Kredite für mindestens 18 Monate zur Verfügung stehen müssen. Mit der Befristung der Kredite und Bürgschaft bis zum 20. Mai 2004 hat man nach Angaben Deutschlands dieser Forderung entsprochen.

(112)

Deutschland erklärt ferner, dass die staatliche Bürgschaft für die Gewährung des Darlehens notwendig war. Der Darlehensvertrag mit dem KfW-Konsortium verpflichtete MobilCom zur Gewährung sämtlicher bei ihr verfügbarer Sicherheiten. Diese genügten jedoch nicht, um das KfW-Konsortium zur Gewährung der notwendigen Finanzmittel zu veranlassen. Vielmehr bestanden die Konsortialbanken — trotz intensiver Bemühungen der Bundesregierung um ein höheres Eigenrisiko der Banken — auf einer Absicherung in Höhe von 80 % des Kreditbetrages durch die Ausfallbürgschaft des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein. Ohne diese öffentliche Risikoabschirmung wäre keine der Banken bereit gewesen, MobilCom Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, was zur Insolvenz von MobilCom geführt hätte.

(113)

Zur Frage der Beschränkung der Beihilfe auf das notwendige Minimum führte Deutschland aus, dass sich MobilCom in dem Darlehensvertrag mit dem KfW-Konsortium verpflichtet habe, alle ihr aus einer Veräußerung von wesentlichen Gegenständen des Sach- und/oder Finanzanlagevermögens zufließenden Nettoerlöse zur Rückführung der Darlehen und damit zugleich der staatlichen Bürgschaft einzusetzen. Darüber hinaus habe sich MobilCom verpflichtet, den Verkauf der Festnetz- und Internetsparte kurzfristig einzuleiten. Dementsprechend hat MobilCom mit ihren Verkaufsbemühungen — das betrifft auch das UMTS-Vermögen — unverzüglich begonnen und diese so schnell und so erfolgreich beendet, dass eine vorzeitige Tilgung der ausstehenden Kreditlinien und damit eine Rückführung der staatlichen Bürgschaften erfolgen konnte.

(114)

Mit dem Verkauf der Festnetzsparte, des UMTS-Vermögens und später der Veräußerung der Millenium-Aktien wurde die Inanspruchnahme des Kredites schrittweise reduziert und schließlich durch den am 17. September 2003 erfolgten Verkauf einer Beteiligung an Freenet.de AG endgültig auf Null zurückgeführt. Dadurch wurde die staatlich Bürgschaft tatsächlich nur für etwa die Hälfte der Laufzeit des KfW-Kredits in Anspruch genommen.

(115)

Eine noch schnellere Vermögensverwertung und damit Rückführung der staatlich verbürgten Kredite sei nicht möglich gewesen. Dies gelte sowohl für den bereits im März 2003 vereinbarten Verkauf der Festnetzsparte und für die im Mai 2003 vereinbarte Veräußerung des UMTS-Vermögens als auch für den erst ab April 2003 zulässigen Verkauf von MobilCom-Aktien durch den Treuhänder Dr. Dieter Thoma, dem gegenüber MobilCom keinerlei Weisungsrechte hatte, sondern der nach seinem Treuhandvertrag mit Gerhard Schmid und Millenium verpflichtet war, einen möglichst hohen Verkaufserlös zu erzielen.

(116)

Dies galt Deutschland zufolge aber auch für den Verkauf der Freenet-Aktien. Denn nach den Vorschriften des deutschen Aktienrechts sei der Vorstand verpflichtet gewesen, im Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre eine Veräußerung seiner Aktiva unter Wert zu verhindern. Deutschland führt im Einzelnen aus, dass eine kurzfristige Veräußerung der Beteiligung zum damaligen Zeitpunkt nur über die Börse hätte erfolgen können. Der damals niedrige Börsenkurs der Freenet-Aktie von etwa 5 EUR (Börsenwert des Gesamtanteils: 68 Mio. EUR) wäre bei einer kurzfristigen Veräußerung von 76,1 % der Freenet-Aktien wahrscheinlich zusammengebrochen. Weiterhin hätten die Aufsichtsgremien einer Veräußerung im November 2002 nicht zugestimmt, weil die Hauptversammlung der France Télécom zu dem Zeitpunkt das „MC Settlement Agreement“ noch nicht genehmigt hatte.

(117)

Deutschland führt aus, dass es für MobilCom keine Handlungsalternativen gegeben hat, um sich als Markteilnehmer zu erhalten. Eine Insolvenz wäre allenfalls im Interesse der Wettbewerber gewesen, weil diesen dann ohne weiteres der Kundenstamm von MobilCom zugeflossen wäre. Eine Zerschlagung der MobilCom-Gruppe durch die Insolvenz war aber nach Auffassung Deutschlands nicht begründet. Vielmehr sprachen insbesondere wettbewerbliche, infrastrukturelle und Arbeitsmarktgesichtspunkte für die Gewährung der staatlichen Bürgschaft.

(118)

Außerdem hielt Deutschland zunächst an seiner Auffassung fest, dass Kompensationsmaßnahmen bereits im erheblichen Umfang vorgenommen worden seien, nämlich insbesondere durch den Verkauf des Geschäftsbereichs UMTS, den Verkauf des Festnetzgeschäftes, die Reduzierung der qualifizierten Mehrheit von MobilCom an der Freenet.de AG auf eine bloße Finanzbeteiligung sowie die Schließung der Niederlassungen Hallbermoos und Karlstein. In direkten Gesprächen im Januar 2004 erörterte die Kommission jedoch mit Deutschland mögliche weitere Kompensationsmaßnahmen, insbesondere eine Schließung der MobilCom-Online-Shops für einen begrenzten Zeitraum von 7 Monaten, dem Deutschland ursprünglich zugestimmte. Im April 2004 teilte Deutschland jedoch mit, dass es die Schließung der Online-Shops nicht endgültig zusagen könne.

VI.   WÜRDIGUNG DER MASSNAHMEN

(119)

Gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag sind, soweit im EG-Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten verfälschen.

(120)

Die Kommission stellt fest, dass sich der Antrag Deutschlands, die Verlängerung der Staatsbürgschaften für die Kredite bis 2007 zu genehmigen, erledigt hat, nachdem die Kredite am 22. September 2003 zurückgezahlt und die Bürgschaftsurkunden an die Bürgschaftsgeber zurückzugewähren waren. Die Kommission muss somit über diesen Antrag nicht mehr entscheiden.

(121)

Am 21. Januar 2003 hat die Kommission die staatliche Bürgschaft über den 50 Mio. EUR Kredit aufgrund der Gemeinschaftsleitlinien als Rettungsbeihilfe genehmigt. Diese Beihilfe muss somit nicht erneut gewürdigt werden.

1.   Die Staatsbürgschaft für das Darlehen über 112 Mio. EUR als Beihilfe

(122)

Hinsichtlich der 80 %igen staatlichen Bürgschaft für das am 20. November gewährte Darlehen über 112 Mio. EUR, sieht es die Kommission als erwiesen an, dass es sich hierbei um Beihilfen im Sinne des Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag handelt.

(123)

Die Bürgschaft wurde vom Bundesministerium der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Land Schleswig-Holstein gewährt, zwei staatlichen Behörden. Sie ist somit dem Staat zuzuordnen.

(124)

Staatliche Bürgschaften fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag, wenn keine marktgerechte Prämie gezahlt und der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtig wird (15).

(125)

Die Kommission ist der Auffassung, dass der für die staatliche Bürgschaft entrichtete Aufschlag nicht marktüblich war. Deutschland hat mitgeteilt, dass der Aufschlag, den MobilCom für die Bürgschaft an den Bund zu entrichten hatte, jeweils 0,8 % p.a. betrugt. Zusätzlich war jeweils ein Antragsentgelt in Höhe von 25 000 EUR zu leisten. An das Land Schleswig-Holstein war ein Bürgschaftsentgelt von 1 % p.a. und ein Bearbeitungsentgelt von 25 564 EUR zu entrichten. Weitere Angaben zur Risikoangemessenheit bzw. Marktüblichkeit der Aufschläge macht Deutschland jedoch nicht. Vielmehr bezeichnet Deutschland auch die Bürgschaft für das zweite Darlehen stets als Beihilfe. Vor diesem Hintergrund und angesichts der schwierigen finanziellen Lage, in der sich MobilCom befand, und der Tatsache, dass das Unternehmen kurz vor der Insolvenz stand, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Vergütung nicht das Risiko widerspiegelte, das Bund und Land mit der Übernahme der Staatsbürgschaft eingegangen sind und kein privater Markteilnehmer eine Bürgschaft unter diesen Bedingungen gewährt hätte.

(126)

Die Bürgschaft gewährte somit MobilCom einen selektiven Vorteil, den das Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Insbesondere wurden hierdurch die Möglichkeiten der Gesellschaft zur Kreditaufnahme verbessert. Aufgrund der Bürgschaft konnte das Unternehmen MobilCom, das sich in einer finanziellen Notlage befand, Darlehen zu Bedingungen aufnehmen, die nicht mit seiner tatsächlichen Finanzlage und dem vom Darlehensgeber übernommenen Risiko bei der Vergabe eines Darlehens an Unternehmen in einer vergleichbaren Finanzlage ohne staatliche Bürgschaft übereinstimmten. Unter normalen Marktbedingungen werden nur wenige Banken die Gewährung eines Darlehens an Unternehmen ablehnen, wenn die Kapitalerstattung durch den Staat gesichert ist.

(127)

Darüber hinaus kann die Bürgschaft den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. MobilCom bietet GSM-Mobilfunkdienste der zweiten Generation in ganz Deutschland an. Die von Deutschland gestellte Darlehensbürgschaft hat die Wettbewerbsposition von MobilCom verbessert und ist damit geeignet, die Wettbewerbschancen anderer Mobilfunkanbieter der zweiten Generation zu beeinträchtigen. Die Bürgschaft trug ebenfalls zur Festigung der Position von MobilCom auf Gemeinschaftsebene bei, da hierdurch die Möglichkeit von Anbietern anderer Mitgliedstaaten beim Auf- oder Ausbau ihrer Position in Deutschland eingeschränkt wird. Im gemeinschaftlichen Telekommunikationsmarkt herrscht starker Wettbewerb zwischen den Betreibern der verschiedenen Mitgliedstaaten. Viele (aktuelle oder potenzielle) Wettbewerber von MobilCom in der Erbringung von Mobilfunkdiensten der zweiten Generation sind Unternehmen, die ihren Hauptsitz in anderen Mitgliedstaaten haben (z. B. O2, E-Plus, Vodafone D2, Talkline und Debitel).

(128)

Aus diesem Grund handelt es sich bei der gewährten Staatsbürgschaft um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag.

(129)

Der verbürgte Kredit selbst enthielt nach Auffassung der Kommission keine über die Bürgschaft hinausgehenden Beihilfeelemente. Mit der Bürgschaft war dieser marktgerecht besichert. Auch war der MobilCom berechnete Zinssatz für das Darlehen über 112 Mio. EUR (2,5 % p.a. über dem Euribor) mit Zinssätzen für gesunde Unternehmen vergleichbar und unterschritt die Referenzzinssätze der Kommission nicht (16).

2.   Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt

(130)

In Artikel 87 EG-Vertrag sind Ausnahmen vom Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vorgesehen. Die Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 2 könnte eine Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt begründen. Die Beihilfemaßnahme ist jedoch weder sozialer Natur und wird einzelnen Verbrauchern gewährt (Buchstabe a), noch dient sie der Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind (Buchstabe b), und ist schließlich nicht für die Wirtschaft bestimmter Gebiete der Bundesrepublik Deutschland bestimmt (Buchstabe c). Weitere Ausnahmen sind gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a und c EG-Vertrag (regionaler Aspekt) möglich, hier jedoch nicht anwendbar, da die Beihilfe für MobilCom nicht gezielt der Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftsgebiets dient. Auch die Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absatz 3 Buchstaben b und d greifen nicht. Sie beziehen sich auf die Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem Interesse sowie die Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes.

(131)

Damit bleibt die Ausnahmebestimmung des Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag und der darauf gestützten der Gemeinschaftsleitlinien. Die Kommission ist der Auffassung, dass andere Leitlinien der Gemeinschaft — z. B. für Forschung und Entwicklungs-, KMU- oder Beschäftigungs- und Ausbildungsbeihilfen — nicht anwendbar sind. Sind die in den Gemeinschaftsleitlinien genannten Voraussetzungen erfüllt, kann die Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe möglicherweise zur Entwicklung von Wirtschaftszweigen beitragen, ohne dass der Handel beeinträchtigt wird (Randnummer 20 der Gemeinschaftsleitlinien), und folgerichtig als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.

a)   Beurteilung der zweiten Beihilfe als Umstrukturierungsbeihilfe

(132)

Nach eingehender Prüfung kommt die Kommission zu dem Schluss, dass es sich bei der zweiten Beihilfe, entgegen der von Deutschland und dem begünstigten Unternehmen vertretenen Auffassung, um eine Umstrukturierungsbeihilfe und nicht um eine Rettungsbeihilfe handelt.

(133)

Gemäß den Gemeinschaftsleitlinien hat eine Rettungsbeihilfe von Natur aus vorübergehenden Charakter. Sie dient der Weiterführung eines Unternehmens in Schwierigkeiten so lange, wie dies zur Aufstellung eines Umstrukturierungs- oder Liquiditätsplans notwendig ist. Ihre Höhe muss auf den Betrag begrenzt sein, der für die Weiterführung des Unternehmens bis zur Aufstellung eines Umstrukturierungsplans erforderlich ist (z. B. Deckung der Lohnkosten oder laufenden Beschaffung).

(134)

Eine Umstrukturierung stützt sich dagegen auf einen realistischen, kohärenten und weitreichenden Plan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität eines Unternehmens. Dazu gehören insbesondere die Elemente Reorganisation und Rationalisierung der Tätigkeiten des Unternehmens, was im Allgemeinen den Rückzug aus defizitären Bereichen bedeutet sowie Umstrukturierung von Tätigkeitsbereichen, die wieder wettbewerbsfähig werden können. Die betriebliche Umstrukturierung muss in der Regel mit einer finanziellen Umstrukturierung einhergehen.

(135)

Die Kommission ist der Auffassung, dass die zweite Bürgschaft nicht die Bedingungen einer Rettungsbeihilfe erfüllt. Das staatlich verbürgte Darlehen diente nicht zur ausschließlichen Finanzierung von laufenden Kosten, inklusive regelmäßigen Optimierungsleistungen mit dem Ziel, die Weiterführung des Unternehmens für einen beschränkten Zeitraum bis zur Erstellung eines Umstrukturierungsplans zu ermöglichen.

(136)

Nach Angaben Deutschlands sollte MobilCom vielmehr mit Hilfe des staatlich verbürgten Kredits über 112 Mio. EUR (88,3 Mio. EUR) in die Lage versetzt werden, eine Reihe von Reorganisationsmaßnahmen im verlustträchtigen Service-Provider-Bereich vorzunehmen. Das Maßnahmenpaket zielte dabei ersichtlich auf eine dauerhafte Beseitigung der Ursachen für die anhaltenden Verluste in diesem Geschäftsfeld ab.

(137)

Insbesondere wurde mit dem staatlich verbürgten Darlehen der kurzfristige Abbau von 850 Vollzeitstellen im Service-Provider-Bereich finanziert, mit dem der hohen Personalintensität in diesem Segment begegnet werden sollte, die im Umstrukturierungsplan als eine wesentliche Verlustursache genannt wurde.

(138)

Ein weiterer Kostenblock beinhaltete die Kündigung bzw. Stornierung unprofitabler Verträge und die Migration der im Hinblick auf das eigene UMTS-Netz gewonnenen Kunden in für Service Provider auskömmliche Tarife. Mit dieser Bereinigung der Kundenbasis und der Umstellung der Tarife sollten langfristig rentable Kundenverhältnisse geschaffen und die rückläufige Entwicklung bei den Rohertragsmargen nachhaltig gestoppt werden.

(139)

Mit der weiterhin erfolgten Schließung der Standorte Karlstein und Hallbergmoos, die durch die Firmenakquisitionen D-Plus Telecommunications GmbH (Karlstein) und Cellway Kommunikationsdienste (Hallbergmoos) Teil des MobilCom-Konzerns geworden waren, und der Konzentration der gesamten Vertriebs- und Kundenservicestruktur auf den Stammsitz Büdelsdorf und den Standort Erfurt hat MobilCom nach eigenen Angaben notwendige Anpassung nachgeholt, die aufgrund der Fokussierung auf den Aufbau des UMTS- Geschäfts in der Vergangenheit vernachlässigt wurden.

(140)

Für die Kommission steht damit fest, dass das Maßnahmenpaket, das durch den staatlich verbürgten Kredit finanziert wurde, überwiegend strukturelle, auf die Sicherung der langfristigen Rentabilität des Service-Provider-Bereichs und des Unternehmens gerichtete Auswirkungen hat und nicht ausschließlich zur Weiterführung des Unternehmens bis zur Aufstellung eines Umstrukturierungsplans diente. Strukturelle Maßnahmen können nicht durch eine Rettungsbeihilfe finanziert werden. Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass es sich bei der zweiten Bürgschaft um eine Umstrukturierungsbeihilfe im Sinne der Gemeinschaftsleitlinien handelt.

(141)

Die Kommission geht dabei auch davon aus, dass sich die Maßnahmen im Service-Provider-Bereich auf einen tragfähigen Plan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens stützten. Dabei weist die Kommission ausdrücklich den Einwand Deutschlands zurück, dass zum Zeitpunkt der Bewilligung des staatlich verbürgten Kredits im November 2002 noch kein Umstrukturierungskonzept vorgelegen habe.

(142)

Bereits im September 2002 beschloss der Vorstand in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat die wesentlichen Eckpunkte der Sanierungsstrategie (17). Dabei stand für MobilCom außer Frage, dass das UMTS-Projekt ohne die Beteiligung von France Télécom nicht realisierbar war und somit aufgegeben werden musste.

(143)

Ferner legte der Vorstand ein umfassendes Sanierungsprogramm für den Mobilfunk-Service-Provider-Bereich vor, das schon damals als Kernelemente einen Stellenabbau von 850 Vollzeitarbeitsplätzen im Kerngeschäft, die Konzentration der bisher an fünf Standorten verteilten Vertriebs- und Kundenservice-Aktivitäten auf den Stammsitz Büdelsdorf und den Standort Erfurt sowie die Senkung der Kundenakquisitionskosten (unter anderem durch Schließung unprofitabler MobilCom-Shops) vorsah.

(144)

Dieses Sanierungsprogramm, das im Kern mit dem im März 2003 der Kommission vorgelegten Umstrukturierungsplan identisch war, wurde von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche geprüft. In seiner Beurteilung vom 25. Oktober 2002 gelangte Deloitte & Touche zu dem Ergebnis, dass in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und des Auftragsgegenstandes zwar nicht abschließend dazu Stellung genommen werden könne, ob das Restrukturierungskonzept der MobilCom-Gruppe „sämtliche Schwachstellen vollständig erfasst hat“. Die „wesentlichen Schwachstellen“ seien jedoch berücksichtigt und im Bericht dargestellt. Im Ergebnis seien die im Restrukturierungskonzept aufgeführten Maßnahmen insgesamt dazu geeignet, den bisher identifizierten Schwachstellen zu begegnen und die MobilCom-Gruppe in die Lage zu versetzen, innerhalb eines Zeitraums von ein bis zwei Jahren positive Ergebnisse zu erzielen.

(145)

Für die Kommission ist damit ausreichend erwiesen, dass spätestens im November 2002 ein schlüssiges Konzept zur Sanierung des Unternehmens vorlag, das nicht nur Grundlage für die Kreditentscheidung des KfW-Konsortiums war, sondern auch die Basis für die im November eingeleiteten Maßnahmen zur Reorganisation des Service-Provider-Bereichs bildete. Dem steht auch nicht entgegen, dass die endgültige Zustimmung von France Télécom zum „MC Settlement Agreement“ zu dem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Wäre die Vergleichsvereinbarung gar nicht wirksam geworden, hätte MobilCom ohnehin Insolvenz anmelden müssen. Die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit beruhte von vornherein auf der Prämisse, dass eine weitreichende Entschuldung erreicht werden kann und setzte somit dem Abschluss einer wirksamen Vereinbarung voraus. MobilCom selbst hat folgerichtig mit der Umsetzung der Maßnahmen unverzüglich begonnen und nicht die abschließende Genehmigung der Hauptversammlung von France Télécom abgewartet.

(146)

Weiterhin war für die Kommission für ihre Beurteilung der zweiten Beihilfe als Umstrukturierungsbeihilfe ausschlaggebend, dass das staatliche verbürgte Darlehen zum Zeitpunkt seiner Gewährung eine Laufzeit von 18 Monaten bis zum 20. Mai 2004 hatte. Die Bürgschaft war zwar zunächst bis zum 15. März 2003 befristet. Dieser Zeitraum sollte sich jedoch automatisch verlängern, wenn vor Ablauf dieser Frist der Kommission ein Umstrukturierungsplan vorgelegt wird. Gemäß Randnummer 23 der Gemeinschaftsleitlinien müssen Rettungsbeihilfen in Form von Kreditbürgschaften mit Krediten verbunden sein, deren Restlaufzeit nach Auszahlung des letzten Teilbetrages der Kreditsumme an das Unternehmen längstens zwölf Monate beträgt. Das war vorliegend nicht der Fall.

(147)

Im Ergebnis handelt es sich somit bei der zweiten Beihilfe um eine Umstrukturierungsbeihilfe, die die Kommission nur genehmigen kann, wenn die Voraussetzungen der Gemeinschaftsleitlinien erfüllt sind.

b)   Vereinbarkeit mit den Umstrukturierungsleitlinien

(148)

Im Sinne der Gemeinschaftsleitlinien befindet sich ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“, wenn es nicht in der Lage ist, mit eigenen finanziellen Mitteln oder Fremdmitteln, die ihm von seinen Eigentümern/Anteilseignern oder Gläubigern zur Verfügung gestellt werden, Verluste zu beenden, die das Unternehmen auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher in den wirtschaftlichen Untergang treiben werden, wenn der Staat nicht eingreift (Randnummer 4 der Gemeinschaftsleitlinien). Zu den typischen Symptomen eines Unternehmens in Schwierigkeiten zählen insbesondere anhaltende Verluste, ein verminderter Cashflow sowie Abnahme oder Verlust des Reinvermögens und Situationen, in denen das Unternehmen nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft oder mit Mitteln seiner Anteilseigner oder Gläubiger zu sanieren (Randnummer 6 der Gemeinschaftsleitlinien).

(149)

Das Ausscheiden von France Télécom aus der Finanzierung des UMTS-Geschäfts war gleichbedeutend mit der Liquidation sämtlicher gesellschaftlicher Mittel von MobilCom.

(150)

Der MobilCom-Konzern erlitt im 3. Quartal 2002 einen Verlust vor Zinsen und Steuern (EBIT) in Höhe von 2,9 Mrd. EUR, während sich die Eigenmittel auf 606,7 Mio. EUR (2001: 3,769 Mrd. EUR) beliefen; die im September 2002 drohende Insolvenz konnte nur durch das staatlich verbürgte Liquiditätshilfedarlehen der KfW über 50 Mio. EUR abgewendet werden.

(151)

Trotz des erfolgreichen Abschlusses des „MC Settlement Agreements“, wonach France Télécom UMTS-Verbindlichkeiten in einer Gesamthöhe von 6,9 Mrd. EUR zuzüglich Zinsen übernahm, belief sich der Konzernverlust im 4. Quartal 2002 auf 289 Mio. EUR und übertraf damit die negativen Konzernergebnisse vor der Krise immer noch erheblich (Quartal 2/2002: - 172,8 Mio. EUR, Quartal 1/2002: - 116,4 Mio. EUR, Quartal 4/2001 -91,9 Mio. EUR).

(152)

Aus den ihr vorliegenden Liquiditätsübersichten entnimmt die Kommission ferner, dass die negative Cashflow-Entwicklung der MobilCom-Gruppe auch im November 2002 nicht nachhaltig gestoppt werden konnte. Die vorhandenen Liquiditätsreserven waren bereits im September 2002 erschöpft. Durch die Rettungsbeihilfe konnte lediglich der kurzfristige laufende Liquiditätsbedarf gedeckt und die unmittelbar drohende Insolvenz abgewendet werden.

(153)

Deutschland konnte zudem darlegen, dass der laufende Verlust ohne die im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Reorganisationsmaßnahmen im März 2003 voraussichtlich noch um weitere 110 Mio. EUR höher gewesen wäre als ohne diese Maßnahmen. Dieser Verlust wäre nach Angaben Deutschlands bankmäßig nicht mehr zu finanzieren gewesen.

(154)

Die Kommission gelangt ferner zu dem Ergebnis, dass MobilCom den im November 2002 erforderlichen Finanzbedarf auch nicht durch vorhandene Eigenmittel hätte decken können.

(155)

Liquiditätsreserven waren zu dem Zeitpunkt wie bereits erläutert nicht mehr vorhanden. Auch muss die Kommission auf der Grundlage der ihr vorliegenden Information schlussfolgern, dass die im Umstrukturierungsplan vorgesehene (Teil-)Veräußerung der Freenet-Beteiligung zur Tilgung der staatlich verbürgten Kreditlinien, die schließlich im September 2003 erfolgte, kurzfristig nicht möglich gewesen wäre.

(156)

Deutschland hat überzeugend dargelegt, dass vor Abschluss des „MC Settlement Agreements“ im November 2002 ein Verkauf der Freenet-Beteiligung aufgrund der bestehenden Kreditverbindlichkeiten gegenüber den Gläubigerbanken im Rahmen des UMTS-Projekts nicht möglich war. Ein Verkauf wäre nicht ohne Zustimmung der Gläubigerbanken möglich gewesen, an die die Freenet-Beteiligung zu dem Zeitpunkt noch verpfändet war. In Anbetracht der hohen Schulden im UMTS-Bereich hätten die Gläubigerbanken einer Veräußerung nicht zugestimmt. Überdies wären die Erlöse ausschließlich zur Rückführung der gegenüber den Banken bestehenden Kreditverbindlichkeiten aus dem UMTS-Projekt zu verwenden gewesen.

(157)

Der Kommission liegen auch keine Hinweise darauf vor, dass während der akuten Krise im 3. und 4. Quartal 2002 Investoren Interesse an einer Übernahme von Anteilen an der MobilCom AG gezeigt hätten. Auch dieser Weg der Mittelbeschaffung stand MobilCom damit nicht offen.

(158)

Ferner hat Deutschland ausreichend dargelegt, dass die Konsortialbanken den 112-Mio.-EUR-Kredit ohne die staatliche Bürgschaft nicht gewährt hätten, da das Ausfallrisiko als hoch eingeschätzt wurde und insbesondere bankübliche Sicherheiten nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung standen.

(159)

Deutschland hat dazu unter anderem eine Stellungnahme der Konsortialführerin KfW vom 1. Juni 2003 vorgelegt, in der diese die Werthaltigkeit der zusätzlich für den 112-Mio.-EUR-Kredit gewährten Sicherheiten beurteilt hat. In dem Vertrag über den 112-Mio.-EUR-Kredit hat sich MobilCom unter anderem verpflichtet, alle Geschäftsanteile an sämtlichen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der MobilCom AG bzw. mobilcom Holding GmbH zu verpfänden, darunter auch die Beteiligung an der Freenet.de AG sowie alle Ansprüche aus den Forderungen gegen die Millenium GmbH sowie gegen den früheren Vorstand Gerhard Schmid in Höhe von 71 Mio. EUR abzutreten. Auch waren alle banküblichen Sicherheiten, die im Unternehmen vorhanden waren, zu übertragen.

(160)

Die Werthaltigkeit der Freenet-Beteiligung, die bereits im Dezember 2002 verpfändet wurde, war nach Angaben der KfW aufgrund der starken Volatilität der Aktien nicht einschätzbar.

(161)

Die an das Bankenkonsortium abgetretenen Ansprüche gegen Gerhard Schmid und der Millenium GmbH sollten dadurch befriedigt werden, dass der Treuhänder Prof. Dr. Dieter Thoma die Aktien an der MobilCom AG bis zum 31. Dezember 2003 veräußern sollte. Die Bewertung dieser Sicherheit richtete sich nach dem Börsenkurs der MobilCom-Aktie. Da der Börsenkurs der Aktie von der Bonität der MobilCom abhängig ist, hat die KfW nach Angaben Deutschlands dieser Sicherheit nach banküblichen Grundsätzen ebenfalls keinen Sicherungswert beimessen können.

(162)

Weitere Sicherheiten, wie etwa die später abgetretene Kaufpreisforderung gegen Freenet.de AG aus der Veräußerung der Festnetzsparte in Höhe von 35 Mio. EUR, standen zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung noch nicht zur Verfügung.

(163)

Die Kommission muss damit schließen, dass die Gewährung der 80 %igen Bundes- und Landesbürgschaft erforderlich war, um die Gewährung des Kredits über 112 Mio. EUR bankmäßig vertreten zu können.

(164)

Im Ergebnis stellt die Kommission fest, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung der zweiten Beihilfe nicht in der Lage war, sich aus eigener Kraft oder mit Mitteln seiner Anteilseigner oder Gläubiger oder durch Kredite ohne staatlichen Beitrag zu sanieren. Die Kommission erachtet es somit als ausreichend erwiesen, dass MobilCom sich auch noch im November 2002 in Schwierigkeiten im Sinne der Gemeinschaftsleitlinien befand.

(165)

Gemäß Randnummern 30 ff. der Gemeinschaftsleitlinien wird die Gewährung einer Umstrukturierungsbeihilfe von der Durchführung eines Umstrukturierungsplans abhängig gemacht, der bei allen Einzelbeihilfen von der Kommission gebilligt und auf seine Eignung zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität geprüft werden muss.

(166)

An der Sanierungsfähigkeit der MobilCom-Gruppe bestanden aus Sicht der Kommission mit dem erfolgreichen Abschluss des „MC Settlement Agreements“ mit France Télécom keine Zweifel. Der detaillierte Umstrukturierungsplan, der der Kommission im März 2003 vorgelegt wurde, enthielt eine umfassende Analyse der für die Probleme verantwortlichen strukturellen Defizite sowie einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Beseitigung der diagnostizierten Schwachstellen. Anhand einer prognostizierten Gewinn- und Verlustrechnung bis zum Jahresende 2007 sowie einer Szenarien- und Risikoanalyse konnte die Kommission schließlich nachvollziehen, dass die vorgeschlagenen Umstrukturierungsmaßnahmen vernünftig, schlüssig und grundsätzlich angemessen waren, um MobilCom die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität zu ermöglichen.

(167)

Ferner hatte Deloitte & Touche im Auftrag von MobilCom den Umstrukturierungsplan beurteilt und kam zu dem Ergebnis, dass die Aussagen im Einklang mit den Einschätzungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bericht vom 25. Oktober 2002 sowie ihrem monatlichen Reporting zum Sanierungsprozess standen.

(168)

Diese ex-ante-Einschätzung wird auch durch die tatsächliche Entwicklung gestützt. MobilCom hat im Geschäftsfeld Service Provider bereits im 2. Quartal 2003 (erstmals nach elf Quartalen) wieder Gewinne erwirtschaftet und konnte sich durch die Veräußerung von Freenet-Anteilen im September 2003 vollständig entschulden.

(169)

Laut Randnummer 40 der Gemeinschaftsleitlinien müssen sich Höhe und Intensität der Beihilfe auf das für die Umstrukturierung unbedingt notwendige Mindestmaß beschränken. Daher müssen die Beihilfeempfänger aus eigenen Mitteln, auch durch den Verkauf von Vermögenswerten, wenn diese für den Fortbestand des Unternehmens nicht unerlässlich sind, oder durch Fremdfinanzierung zu Marktbedingungen, einen bedeutenden Beitrag zu dem Umstrukturierungsplan leisten.

(170)

Deutschland hat nach Ansicht der Kommission in ausreichendem Maße nachgewiesen, dass sich vorliegend die Umstrukturierungsbeihilfe in Form der staatlichen Bürgschaft für den Kredit über 112 Mio. EUR auf das für die Umstrukturierung notwendige Mindestmaß nach Maßgabe der verfügbaren Finanzmittel des Unternehmens, seiner Aktionäre oder des Konzerns, dem es angehört, beschränkt. MobilCom hat während der Umstrukturierungsphase weder zusätzliche Akquisitionen noch Neuinvestitionen getätigt, die für die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität nicht unbedingt notwendig waren. Dennoch erachtet es die Kommission für notwendig, die Genehmigung der Beihilfe mit bestimmten Bedingungen zu verknüpfen, um unzumutbare Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (siehe Randnummern 176 bis 189).

(171)

Was die Laufzeit des staatlich verbürgten Darlehens anbelangt, nimmt die Kommission zur Kenntnis, dass nach Angaben Deutschlands France Télécom auf eine Laufzeit des staatlich verbürgten Umstrukturierungskredits von mindestens 18 Monaten als Voraussetzung für die für MobilCom essentielle Übernahme der Verbindlichkeiten aus dem UMTS-Geschäft gedrängt habe und somit eine kürzere Laufzeit nicht durchsetzbar gewesen wäre, ohne den Abschluss des „MC Settlement Agreements“ zu gefährden. Die Kommission erachtete deshalb auch insoweit das Erfordernis der auf das notwendige Mindestmaß beschränkten Beihilfe als erfüllt.

(172)

Im Hinblick auf den Eigenbeitrag des Begünstigten zur Umstrukturierung, nimmt die Kommission zur Kenntnis, dass die staatliche Bürgschaft lediglich 80 % der verbürgten Kreditsumme abgedeckt hatte. Das Risiko im Hinblick auf die verbleibenden 20 % trug damit das Unternehmen bzw. die kreditgebenden Banken. Außerdem trug MobilCom zur Finanzierung der Umstrukturierung durch die Veräußerung von Vermögenswerten bei, wie bereits im Umstrukturierungsplan vorgesehen. So wurden die ersten Raten aus der im März 2003 bereits erfolgten Veräußerung des Festnetzes an Freenet in Höhe von 35 Mio. EUR zur Rückführung der Kredite verwendet. Der Restbetrag des Kredits wurde innerhalb weniger als einem Jahr vollständig aus Einnahmen des Verkaufs von 20 % der Anteile an Freenet zurückgezahlt.

(173)

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung, dass die Beihilfe in einer Darlehensbürgschaft und nicht in einem nicht rückzahlbaren Zuschuss bestand, gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass MobilCom einen ausreichenden Eigenbeitrag zur Umstrukturierung im Sinne von Randnummer 40 der Gemeinschaftsleitlinien erbracht hat und die Beihilfe auf das Minimum reduziert war.

(174)

Gemäß Randnummern 35 ff. der Gemeinschaftsleitlinien müssen Maßnahmen getroffen werden, um nachteilige Auswirkungen der Beihilfe auf Konkurrenten nach Möglichkeit abzumildern. Meistens konkretisiert sich diese Bedingung durch eine Begrenzung oder Verringerung der Präsenz des Unternehmens auf dem oder den relevanten Märkten, die im Verhältnis zu den durch die Beihilfen verursachten Verzerrungseffekten und insbesondere zu dem relativen Gewicht des Unternehmens auf seinem oder seinen Märkten stehen muss.

(175)

Die Kommission stellt fest, dass MobilCom die gewährte Beihilfe wie im Umstrukturierungsplan vorgesehen nur für die Sanierung des Geschäftsfelds Mobilfunk/Service Provider eingesetzt hat. Die Beihilfe entfaltet damit in erster Linie Wirkungen auf dem Mobilfunkmarkt. Nach Einschätzung der Kommission sind die Märkte für Festnetz, Sprachtelefonie sowie Internetdienstleistungen, auf denen MobilCom über seine Beteiligung an der Freenet.de AG auch zukünftig tätig sein wird, nicht spürbar betroffen.

(176)

Die Kommission wird daher im Folgenden zunächst untersuchen, ob die Beihilfe nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerber von MobilCom im Mobilfunkmarkt hat und zu Verzerrungseffekten führte, die Kompensationsmaßnahmen erforderlich machen.

(177)

Betrachtet man den Markt für Mobilfunkdienste insgesamt, so gehört MobilCom mit einem Gesamtmarktanteil von 8 % vor und geschätzt rund 6 % nach der Umstrukturierung zur Gruppe der kleineren Anbieter. Ferner ist festzuhalten, dass die MobilCom gewährte Beihilfe nicht in einem Zuschuss, sondern in einer Kreditbürgschaft bestand. Der verbürgte Kredit wurde bereits am 20. September 2003 und damit lediglich 10 Monate nach der Kreditgewährung im November 2002 vollständig getilgt.

(178)

Auf der anderen Seite verfolgte MobilCom in den Jahren vor der Krise des Jahres 2002 eine preisaggressive Expansionsstrategie, die sich ausschließlich auf Wachstum im Geschäftsfeld Mobilfunk/Service Provider zulasten der Rentabilität richtete. Die Fokussierung MobilComs auf reines Markanteils-Wachstum war auch vor dem Hintergrund des geplanten UMTS-Netzausbaus der MobilCom zu sehen, da Netzwerkbetreiber bei ihren Kunden höhere Margen erwirtschaften als reine Service Provider.

(179)

Mit der Fokussierung seiner Aktivitäten auf den UMTS-Bereich und dem Versuch, sich als UMTS-Betreiber zu etablieren, ging MobilCom ein hohes Risiko ein. Am Ende ist diese Geschäftsstrategie gescheitert, wie die Schwierigkeiten von MobilCom in der zweiten Hälfte 2002 zeigen. MobilCom zog sich deshalb als Netzwerkbetreiber aus dem Bereich UMTS zurück und richtete seine Marketingstrategie auf die Bindung bestehender profitabler Kunden sowie die Steigerung der durchschnittlichen Monatsumsätze aus.

(180)

Aufgrund der gewährten Beihilfe musste MobilCom jedoch die negativen Konsequenzen seiner risikoreichen Strategie nicht allein tragen, während das Unternehmen von den positiven Auswirkungen, wie zum Beispiel die Möglichkeit bei der Bereinigung seines Kundenportfolios auf einen größeren Kundenstamm zurückgreifen zu können, nach wie vor profitiert. Damit hat MobilCom mit der Beihilfe einen klaren Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern erlangt.

(181)

Weiterhin räumte MobilCom ein, dass es ohne die staatliche Beihilfe Insolvenz hätte anmelden müssen, womit es wahrscheinlich einen Großteil seiner bestehenden Kunden verloren hätte. Mit Hilfe der Beihilfe konnte das Unternehmen demgegenüber nicht nur seine Geschäftstätigkeit fortsetzen, sondern sich sowohl physisch umorganisieren, als auch seine Marketingstrategie neu ausrichten, sein Kundenportfolio um Kunden mit geringen Gewinnmargen bereinigen und sich auf profitable Kunden konzentrieren. Im Ergebnis hat sich die Zahl der Kunden während der Umstrukturierungsphase zwar reduziert, der Rohertrag pro Kunde stieg jedoch an (18).

(182)

Die Kommission berücksichtigt auch, dass MobilCom mit der Gewährung der Beihilfe Zeit gewonnen hatte, den vorgesehenen Verkauf der Freenet-Beteiligung sorgfältig vorzubereiten, um somit einen möglichst hohen Verkaufserlös zur Tilgung der Darlehen und für weitere Liquidität zu erzielen. Im Ergebnis konnte MobilCom bei einer Veräußerung von nur 20 % der Anteile einen Veräußerungserlös von 176 Mio. EUR erzielen. Nach Tilgung der ausstehenden Kreditlinien aus den staatlich verbürgten Darlehen stehen MobilCom aus der Veräußerung 60 Mio. EUR zusätzliche Liquidität für seine Geschäftstätigkeit im Bereich Service Provider zur Verfügung.

(183)

MobilCom profitierte damit bei der Neuausrichtung seiner Geschäftsstrategie sowohl direkt von dem verbürgten Kredit als auch indirekt, da die Bürgschaft MobilCom eine Brückenfinanzierung ermöglichte, um Anteile an der Freenet.de AG zu einem geeigneten späteren Zeitpunkt zu veräußern. Eine Veräußerung zu einem früheren Zeitpunkt hätte wahrscheinlich geringere Erlöse erzielt.

(184)

Die Beihilfe wirkt sich damit besonders schädlich auf die Wettbewerber aus, die mit dem erwarteten Erreichen der natürlichen Sättigungsgrenze in den nächsten Jahren ebenfalls ihre Geschäftsstrategie auf profitablere Kundensegmente ausrichten müssen, ohne sich dabei auf staatliche Beihilfen stützen zu können. Ungeachtet der Tatsache, dass MobilCom einen Anteil im deutschen Mobilfunkmarkt von unter 10 % hat und die staatlich verbürgten Kredite schnell zurückgeführt wurden, kommt die Kommission somit zu dem Schluss, dass die Beihilfe zu unzumutbaren Wettbewerbsverzerrungen im deutschen Mobilfunkmarkt führte.

(185)

Die genannten Wettbewerbsverzerrungen sind nach Auffassung der Kommission durch die von Deutschland genannten Maßnahmen zur Reduzierung der Marktpräsenz, insbesondere den Rückzug des Unternehmens aus dem UMTS-Geschäft, nicht ausreichend abgemildert.

(186)

Der Rückzug aus dem UMTS-Geschäft ist nicht geeignet, die Nachteile für die Wettbewerber von MobilCom voll auszugleichen, weil davon in erster Linie die verbleibenden UMTS-Lizenzinhaber profitieren, welche nur einen Teil der Wettbewerber auf dem Mobilfunkmarkt ausmachen. Der Rückzug aus dem Festnetznetz- und Internetgeschäft durch die Übertragung der Festnetzaktivitäten auf Freenet und der von Deutschland behaupteten Umwandlung der Freenet-Beteilung von einer strategischen in eine Finanzbeteiligung stellt ebenfalls keine ausreichende Kompensationsmaßnahme für die mit der Beihilfe verursachten unzumutbaren Wettbewerbsverzerrungen dar, da hiervon hauptsächlich die Festnetzbetreiber und Internet-Diensteanbieter profitieren und nicht die Mobilfunkbetreiber.

(187)

Deutschland führt als weitere Kompensationsmaßnahme auch den Abbau von 1 850 Vollzeitstellen, davon 850 im Bereich Service Provider, sowie die Schließung von Standorten an. Ferner hat MobilCom nach Angaben Deutschlands Kunden und damit Marktanteile verloren. Zum Jahresende 2003 verfügte das Unternehmen nur noch über 4,2 Mio. Kunden gegenüber rund 4,9 Mio. Kunden zu Beginn der Krise, welches sich in Umsatzeinbußen im Bereich Service Provider in Höhe von 7,2 % niedergeschlagen hat (1,356 Mrd. EUR im Jahre 2003 gegenüber 1,487 Mrd. EUR im Jahre 2002).

(188)

Die Kommission weist jedoch darauf hin, dass es sich jedenfalls bei dem Abbau von Stellen und der Schließung von Standorten laut Umstrukturierungsplan zugleich um notwendige Effizienz steigernde Maßnahmen handelte. Der negative Trend bei der Umsatzentwicklung während der Umstrukturierungsphase konnte inzwischen gestoppt werden. Die Umsätze im Service-Provider-Bereich liegen im 1. Quartal 2004 bereits bei 349 Mio. EUR gegenüber 321 Mio. EUR im 1. Quartal 2003. Auch ist festzustellen, dass sich die Zahl der MobilCom-Kunden inzwischen bei rd. 4,2 Mio. stabilisiert. Im 4. Quartal 2003 übertrafen die Neukundenzugänge (426 000 Neukunden) die Abgänge im gleichen Zeitraum (338 000) (19). Zwar ist im Bereich Vertragskunden nach Unternehmensangaben immer noch eine hohe Wechselbereitschaft zu verzeichnen, was in den ersten zwei Quartalen 2004 erneut zu einem leichten Rückgang der Kundenzahl geführt hat. Insgesamt aber ist festzustellen, dass MobilCom in den ersten zwei Quartalen 2004 deutlich mehr neue Vertragskunden gewonnen hat als in den Vergleichsquartalen 2003. Nach eigenen Angaben verfügte MobilCom im 1. Quartal 2004 im Neukundengeschäft über einen Marktanteil von 10 % (20).

(189)

In Anbetracht der in den Randnummern 175 bis 184 dargelegten unzumutbaren Wettbewerbsverzerrung, kommt die Kommission daher zu dem Ergebnis, dass die nachteiligen Auswirkungen auf die Wettbewerber von MobilCom durch die von Deutschland genannten Maßnahmen noch nicht ausreichend abgemildert sind, wenngleich bei der Art und Ausgestaltung weiterer Kompensationsmaßnahmen insbesondere die bereits eingetretenen Kundenverluste und die während der Umstrukturierungsphase erlittenen Umsatzverluste sowie die Aufgabe des UMTS-Geschäfts Berücksichtigung finden müssen.

(190)

Die Kommission hat gegenüber Deutschland deutlich gemacht, dass eine Genehmigung der zweiten Beihilfe als Umstrukturierungsbeihilfe ohne weitere Kompensationsmaßnahmen nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Diese Kompensationsmaßnahmen sollten jedoch MobilCom aufgrund der genannten Kunden- und Umsatzverluste während der Umstrukturierung und des erfolgten Rückzugs aus dem UMTS-Geschäft als Netzwerkbetreiber in seinen Aktivitäten nicht zu stark beeinträchtigen.

(191)

Nach Verhandlungen am 9. Januar 2004 sowie am 21. Januar 2004 zwischen Vertretern der Kommission und Vertretern der Bundesregierung, des Landes Schleswig-Holstein und des Unternehmens wurden weitere Kompensationsmaßnahmen, auf Anregung der Kommission insbesondere die Möglichkeit einer vorübergehenden Einstellung des Online-Direktvertriebes von MobilCom-Mobilfunkverträgen erörtert. Unter Wahrung seiner Rechtsauffassung hat Deutschland in diesen Gesprächen grundsätzlich Bereitschaft gezeigt, zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit der Beihilfe die Einstellung des Online-Direktvertriebes von MobilCom-Mobilfunkverträgen für einen Zeitraum von sieben Monaten zuzusagen. In einer Mitteilung vom 13. Februar 2004 teilte Deutschland sodann mit, dass MobilCom generell auch bereit sei, seine Online-Shops für den Online-Direktvertrieb von MobilCom Mobilfunkverträgen für die Dauer von maximal sieben Monaten zu schließen. Die Mitteilung enthielt darüber hinaus weitere Einzelheiten zur möglichen Ausgestaltung der Maßnahme, die auf Nachfrage der Kommission in einer E-Mail Deutschlands vom 18. Februar 2004 näher präzisiert wurden.

(192)

Im April 2004 teilte Deutschland jedoch mit, dass es die Schließung der Online-Shops nicht endgültig zusagen könne. Deutschland verwies dabei auf den zuletzt geäußerten Rechtsstandpunkt der MobilCom. Das Unternehmen halte seine Zweifel am Vorliegen einer Umstrukturierungsmaßnahme aufrecht. Falls die Kommission dennoch zu dem Schluss käme, dass es sich um eine Umstrukturierungsbeihilfe handele, sei darüber hinaus die vorgesehene Einstellung des Online-Direktvertriebes von Mobilfunkverträgen für sieben Monate eine unverhältnismäßige Belastung für das Unternehmen.

(193)

Wie bereits in den Randnummern 132 bis 147 ausführlich dargelegt, ist die Kommission der Auffassung, dass es sich bei der zweiten Beihilfe um eine Umstrukturierungsbeihilfe handelt. Wie ebenfalls erläutert, ist die Kommission der Auffassung, dass für die vorliegende Beihilfe weitere Maßnahmen zur Kompensation der durch die Gewährung der Beihilfe hervorgerufenen unzumutbaren Verzerrungen notwendig sind.

(194)

Da über potenzielle Kompensationsmaßnahmen keine Einigung mit Deutschland und dem betroffenen Unternehmen erzielt werden konnte, macht die Kommission von der Möglichkeit gemäß Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 Gebrauch, die Genehmigung der zweiten Beihilfe mit der Bedingung zu verbinden, den Online-Direktvertrieb von MobilCom-Mobilfunkverträgen (pre-paid und oder post-paid) für einen Zeitraum von sieben Monaten einzustellen.

(195)

Im Einzelnen sieht diese Bedingung vor, dass Deutschland sicherstellt, dass die MobilCom AG sowie alle ihre Konzerngesellschaften ihre Online-Shops für den Online-Direktvertrieb von MobilCom-Mobilfunkverträgen für die Dauer von sieben Monaten schließen, so dass keine neuen Mobilfunkverträge (pre-paid und/oder post-paid) direkt mit der MobilCom AG sowie ihrer Konzerngesellschaften abgeschlossen werden können. Der Vertrieb von Mobilfunkverträgen anderer Anbieter über Freenet.de AG ist nicht betroffen.

(196)

Deutschland muss ferner sicherstellen, dass für die Dauer der Schließung der Online-Shops auch der Online-Direktvertrieb von MobilCom- Mobilfunkverträgen über die Webseiten der MobilCom-Shops eingestellt wird und dass die MobilCom AG und ihre Konzerngesellschaften keine anderen Maßnahmen treffen, mit denen diese Bedingung umgangen wird.

(197)

Der Kunde wird während der Schließungsphase direkt mit der MobilCom AG sowie ihren Konzerngesellschaften online keinen neuen Mobilfunkvertrag (pre-paid und/oder post-paid) abschließen können. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass alle anderen Leistungen, die nicht auf den Neuabschluss von Mobilfunkverträgen mit Endkunden abzielen, weiterhin online erbracht werden dürfen. Hierzu gehören sämtliche Leistungen, die für Bestandskunden erbracht werden (z. B. Service-Leistungen, Vertragsverlängerungen, Vertrieb von Klingeltönen, Spielen etc.).

(198)

Während der Schließungsphase darf der Kunde auf den betreffenden Webseiten darauf hingewiesen werden, dass der Abschluss eines neuen Mobilfunkvertrages online nicht möglich ist. MobilCom darf auf seinen Webseiten Adressen von Vertriebspartnern nennen, über die der Kunde die gewünschte Leistung erhalten kann. Es ist jedoch sicherzustellen, dass der Kunde nicht direkt durch einen automatischen Link an einen Vertriebspartner weitergeleitet wird.

(199)

Die Kommission legt Deutschland darüber hinaus auf, mit der Umsetzung der Maßnahme innerhalb von zwei Monaten nach Erlass der Entscheidung zu beginnen. Eine längere Vorbereitungsphase für die Umsetzung erscheint nicht erforderlich und würde die Effektivität der Maßnahme in Frage stellen, da die Maßnahme dann nicht mehr in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens stehen würde.

(200)

Bei der Ausgestaltung der Bedingung hat sich die Kommission an den ursprünglichen Vorschlägen Deutschlands orientiert.

(201)

Die Kommission ist nach umfassender Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einstellung des Online-Direktvertriebes von MobilCom-Mobilfunkverträgen zu einem angemessenen Ausgleich der eingetretenen Wettbewerbsverzerrungen beitragen kann. MobilCom hat im Jahre 2003 nach eigenen Angaben […]* Neukunden (Brutto), davon […]* Vertragskunden, über seinen Online-Direktvertrieb gewonnen. Insgesamt belief sich die Zahl der Bruttoneukunden im Jahre 2003 auf […]*, davon […]* Vertragskunden. Damit hat MobilCom im Jahre 2003 rd. 1-1,5 % seiner Gesamtkunden und rd. 2 % seiner Vertragskunden über seine Online-Shops gewonnen. Für das Jahr 2004 ist davon auszugehen, dass MobilCom sogar rund 2-5 % seiner Kunden über seinen Online-Direktvertrieb gewinnt. Dadurch, dass der Kunde während der Schließungsphase direkt mit der MobilCom AG und ihren Konzerngesellschaften online keinen neuen Mobilfunkvertrag (pre-paid und/oder post-paid) abschließen kann, ist folglich ein für MobilCom zunehmend bedeutsamer Direkt-Vertriebskanal geschlossen. Der Effekt der Maßnahme für die Wettbewerber liegt darin, dass sie damit vorübergehend die Chance bekommen, dass sich der Kunde stattdessen auf ihre Webseite begibt und dort einen Vertrag abschließt.

(202)

Auch der für die Maßnahme angesetzte Zeitraum von sieben Monaten erscheint angemessen. MobilCom wurde der staatlich verbürgte Kredit im November 2002 gewährt. Das Unternehmen hat den Kredit im September 2003 zurückgezahlt. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass der verbürgte Kredit in Tranchen ausgezahlt wurde, die letzte erst im März 2003, so entspricht der Zeitraum von sieben Monaten dem Zeitraum, in dem MobilCom während der Umstrukturierungsphase tatsächlich in vollem Umfang von dem staatlich verbürgten Kredit profitiert hat. Im Sinne eines angemessenen Ausgleichs der eingetretenen Wettbewerbsverzerrungen erscheint es geboten, die Schließung der Online-Shops für den Direktvertrieb von MobilCom-Mobilfunkverträgen ebenfalls auf sieben Monate festzusetzen.

(203)

Die Kommission kann darüber hinaus nicht erkennen, dass die Einstellung des Online-Direktvertriebes von Mobilfunkverträgen für einen Zeitraum von sieben Monaten eine unverhältnismäßige Belastung für das Unternehmen darstellt. Im Gegenteil handelt es sich nach Auffassung der Kommission bei dieser Maßnahme um einen — wie vorliegend geboten — lediglich begrenzten Eingriff in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Das Unternehmen akquiriert den größten Teil der Kunden nach wie vor über die MobilCom-Shops sowie über selbständige Vertriebspartner. Die Hauptvertriebswege der MobilCom sind somit von der Einstellung des Online-Direktvertriebes nicht betroffen.

(204)

Auch ist nicht davon auszugehen, dass alle Kunden, die während der Schließungsphase eigentlich online Direktverträge mit MobilCom abgeschlossen hätten, sich für einen anderen (Online-)Anbieter entscheiden. Vielmehr ist zu erwarten, dass ein Teil dieser Kunden über andere Vertriebskanäle einen Vertrag mit MobilCom abschließen wird. Selbst wenn während der Schließungsphase alle Kunden, die mit MobilCom direkt online einen Vertrag abschließen wollten, sich an andere Wettbewerber wenden, erscheinen die damit verbundenen Kundenverluste angesichts der eingetretenen Wettbewerbsverzerrungen als zumutbar.

(205)

Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit unberührt, dass Bestandkunden ihren Vertrag nach Ablauf der Vertragslaufzeit online verlängern. Außerdem kann MobilCom auch Kundenserviceleistungen bzw. sonstige nicht auf den Abschluss eines Mobilfunkvertrages gerichtete mobilfunkbezogene Leistungen erbringen. Ferner könnte MobilCom auch während der Schließungsphase seine Mobilfunkprodukte in seinen Online-Shops intensiv bewerben und auf besonders günstige Post-paid- und Pre-paid-Produkte hinweisen, die die Kunden in den MobilCom-Shops und über die sonstigen verbleibenden Vertriebswege erwerben können.

(206)

Die Kommission weist darauf hin, dass durch die Einstellung des Online-Direktvertriebs von MobilCom-Mobilfunkverträgen keine offenkundige Verschlechterung der Marktstruktur gemäß Randnummer 38 der Gemeinschaftsleitlinien zu befürchten steht. Die Schließung des Online-Shops stellt eine verhältnismäßig limitierte Kompensationsmaßnahme dar, die den Fortbestand von MobilCom in keiner Weise gefährdet. Die Gefahr, dass ein wichtiger Wettbewerber wegfällt oder stark geschwächt wird und damit indirekt die beiden Marktführer T-Mobile und Vodafone gestärkt werden, besteht somit nicht.

(207)

Die Kommission ist der Auffassung, dass andere Kompensationsmaßnahmen, z. B. ein anteiliger „Verkauf“ von Kunden an die Wettbewerber und der Rückzug von MobilCom aus dem UMTS-Geschäft als Service Provider für einen befristeten Zeitraum, nicht notwendig sind. Diese zwei Maßnahmen sind aus Sicht der Kommission nicht als Kompensationsmaßnahmen geeignet. Ein „Verkauf“ von Kunden von MobilCom ist weder rechtlich noch praktisch umsetzbar. Was ein Verbot für MobilCom betrifft, für einen bestimmten Zeitraum als Service Provider im UMTS-Bereich aufzutreten, so ist die Kommission der Auffassung, dass ein solches Verbot Innovation im Mobilfunk-Markt behindern würde und damit nicht im Interesse des Wettbewerbs ist, da es seine Dynamik einschränkt.

VII.   SCHLUSSFOLGERUNG

(208)

Die Kommission stellt fest, dass es sich bei der gewährten Staatsbürgschaft für den Kredit über 112 Mio. EUR zugunsten der MobilCom AG um eine Umstrukturierungsbeihilfe handelt, die mit dem Gemeinsamen Markt gemessen an den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung- und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag vereinbar ist, wenn Deutschland die in den Randnummern 195 bis 199 näher bezeichnete Bedingung zur Einstellung des Online-Direktvertriebs von MobilCom- Mobilfunkverträgen erfüllt. Für den Fall, dass diese Bedingung nicht erfüllt werden sollte, behält sich die Kommission vor, von den ihr in den Artikeln 16 und 23 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 eingeräumten Befugnissen Gebrauch zu machen.

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die staatliche Beihilfe, die Deutschland der MobilCom AG und der MobilCom Holding GmbH in Form der am 20. November 2002 übernommenen 80 %igen Ausfallsbürgschaft des Bundes und Landes Schleswig-Holstein für den dem Unternehmen von dem Bankenkonsortium unter Führung der Kreditanstalt für Wiederaufbau eingeräumten Kredit über 112 Mio. EUR gewährt hat, ist gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, sofern Deutschland die in Artikel 2 der vorliegenden Entscheidung genannte Bedingung erfüllt.

Artikel 2

1.   Deutschland stellt sicher, dass die MobilCom AG sowie alle ihre Konzerngesellschaften ihre Online-Shops für den Online-Direktvertrieb von MobilCom-Mobilfunkverträgen für die Dauer von sieben Monaten schließen, so dass über diesen Vertriebsweg keine neuen Mobilfunkverträge (pre-paid und/oder post-paid) direkt mit der MobilCom AG sowie ihrer Konzerngesellschaften abgeschlossen werden können. Der Vertrieb von Mobilfunkverträgen anderer Anbieter über die Webseiten der freenet.de AG bleibt unberührt.

2.   Deutschland stellt sicher, dass für die Dauer der Schließung der Online- Shops auch der Online-Direktvertrieb von MobilCom-Mobilfunkverträgen über die Webseiten der MobilCom-Shops eingestellt wird und dass die MobilCom AG und ihre Konzerngesellschaften keine anderen Maßnahmen treffen, mit denen die vorliegende Bedingung umgangen wird.

3.   Während der Schließungsphase nach Absatz 1 darf der Kunde auf den betreffenden Webseiten darauf hingewiesen werden, dass der Abschluss eines neuen Mobilfunkvertrages online nicht möglich ist. Die MobilCom AG darf allerdings auf ihren Webseiten Adressen von Vertriebspartnern nennen, über die der Kunde die gewünschte Leistung erhalten kann. Es ist sicherzustellen, dass der Kunde nicht direkt durch einen automatischen Link an einen Vertriebspartner weitergeleitet wird.

4.   Deutschland stellt sicher, dass die Schließung der Online-Shops innerhalb von zwei Monaten nach Erlass dieser Entscheidung beginnt.

Artikel 3

Deutschland wird die Kommission über den Beginn der Einstellung des Online-Shops unterrichten. Innerhalb des ersten Monats nach Einstellung des Online-Shops legt Deutschland einen Bericht vor, in dem alle zur Umsetzung der Maßnahmen unternommenen Schritte detailliert erläutert werden. Ferner unterrichtet Deutschland die Kommission unverzüglich über die Beendigung der Maßnahmen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

Brüssel, den 14. Juli 2004

Für die Kommission

Mario MONTI

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1. Verordnung geändert durch die Beitrittsakte 2003.

(2)  ABl. C 80 vom 3.4.2003, S. 5.

(3)  ABl. C 288 vom 9.10.1999, S. 2.

(4)  Siehe Fußnote 2.

(5)  ABl. C 210 vom 5.9.2003, S. 4.

(6)  Nach Abschluss des National-Roaming-Abkommens mit E-Plus im April 2001 konnte MobilCom das Sprach- und Datennetz über das GSM-/GPRS-Netz von E-Plus nutzen und schon vor dem geplanten eigenen UMTS-Start besondere Sprach- und Datendienste über GPRS unter eigener Marke bundesweit anbieten.

(7)  Xonio Mobilfunkreport 2002; Jahresbericht der deutschen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) 2002; im Auftrag von MobilCom erstellte Marktstudie von Deloitte & Touche vom 10. März 2003.

(8)  Xonio Mobilfunkreport 2002; im Auftrag von MobilCom erstellte Marktstudie von Deloitte & Touche vom 10. März 2003.

(9)  Quam hat sich mittlerweile aus dem deutschen Mobilfunkmarkt zurückgezogen.

(10)  Die Hauptversammlung von MobilCom AG sowie France Télécom haben inzwischen ihre Zustimmung zum „MC Settlement Agreement“ erteilt.

(11)  Vertrauliche Informationen.

(12)  Bei einem Festhalten an der Lizenz wäre dies nicht möglich gewesen, da Lizenzinhaber nicht zugleich Service-Provider sein dürfen.

(13)  […]*.

(14)  Zwischenbericht zum 1. Quartal 2004 der MobilCom AG.

(15)  Siehe Punkt 2.1.1 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Bürgschaften und Haftungsverpflichtungen (ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14).

(16)  Bei Gewährung der Beihilfe betrug der maßgebliche Referenzzinssatz 5,06 %, vgl. Referenz — und Abzinsungssätze bei staatlichen Beihilfen, in: Schreiben der Kommission SG (97) D/7120 vom 18. August 1997.

(17)  Siehe auch Presseerklärungen der MobilCom der MobilCom vom 27. September 2002.

(18)  2003: 30 EUR pro Vertragskunde (2002: 28,60 EUR), 6,80 EUR pro Pre-paid-Kunde (2002: 5,20 EUR).

(19)  Unternehmensangaben.

(20)  Pressemeldung vom 13.5.2004.


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