6.10.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 261/27


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 29. Juni 2011

über die 2003 gewährten Beihilfen im Bereich Tierkörperbeseitigung — Staatliche Beihilfe C 23/05 (ex NN 8/04 und ex N 515/03)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2011) 4425)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2011/651/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 7. November 2003 hat die ständige Vertretung Frankreichs bei der Europäischen Union gemäß Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (1) eine Befreiung bestimmter im Fleischeinzelhandel tätiger Unternehmen von der Tierkörperbeseitigungsabgabe bei der Kommission angemeldet.

(2)

Die ursprüngliche Anmeldung betraf zum einen die 2003 gewährten Beihilfen und zum andern die ab 2004 vorgesehenen Beihilfen. Da ein Teil der Beihilfen bereits gewährt worden war, beschloss die Kommission zum damaligen Zeitpunkt, das Dossier zu teilen. Von den 2003 gewährten Beihilfen ist nur die Befreiung von der Tierkörperbeseitigungsabgabe Gegenstand einer Prüfung im Rahmen dieses Beschlusses.

(3)

Die Tierkörperbeseitigungsabgabe wurde zum 1. Januar 2004 abgeschafft. Danach wurde der öffentliche Tierkörperbeseitigungsdienst durch eine neue Schlachtabgabe finanziert, gegen die die Kommission keine Einwände erhoben hat. (2)

(4)

Im Rahmen der Behandlung des Dossiers „Schlachtabgabe“ (staatliche Beihilfe N 515A/03) haben die französischen Behörden der Kommission auch zu diesem speziellen Fall sachdienliche Informationen übermittelt, insbesondere in ihrem Schreiben vom 29. Dezember 2003.

(5)

Mit Schreiben vom 7. April 2005, eingegangen am 12. April 2005, haben die französischen Behörden die Zusatzinformationen übermittelt, die die Kommission mit Schreiben vom 4. März 2005 angefordert hatte.

(6)

Die Kommission hat das Verfahren gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV hinsichtlich der fraglichen Beihilfe per Schreiben SG(2005)D/202956 vom 7. Juli 2005 eingeleitet.

(7)

Der Beschluss über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (3). Die Kommission hat die anderen Mitgliedstaaten und beteiligte Dritte aufgefordert, sich zu den fraglichen Beihilfen zu äußern und ihre Stellungnahmen zu übermitteln.

(8)

Die französischen Behörden haben ihre Anmerkungen per Schreiben vom 20. September 2005 und vom 15. November 2005, eingegangen am 17. November 2005, übermittelt.

(9)

Der Kommission liegen Stellungnahmen des französischen Fleischerverbands CFBCT (Confédération de la boucherie, boucherie-charcuterie, traiteurs) vom 18. Oktober 2005 sowie einer privaten Gesellschaft (4) vom 17. Oktober 2005 und vom 11. Juli 2008 vor.

(10)

Mit Schreiben vom 18. April 2011 haben die französischen Behörden bestätigt, dass die Befreiung von der Abgabe auf Fleischkäufe (der sogenannten Tierkörperbeseitigungsabgabe), die bestimmten in der Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätigen Unternehmen für das Jahr 2003 gewährt wurde, unter die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen (5) fiel.

II.   BESCHREIBUNG

(11)

Die fragliche Maßnahme betrifft die Finanzierung des öffentlichen Dienstes für die Beseitigung von Tierkörpern und die Vernichtung von kommerziell nicht mehr verwertbaren Fleisch- und Knochenmehlen im Jahr 2003.

(12)

Vorher wurde der öffentliche Tierkörperbeseitigungsdienst gemäß Artikel 1 des französischen Gesetzes Nr. 96-1139 vom 26. Dezember 1996 über die Sammlung und Beseitigung von Tierkörpern und Schlachtabfällen (nachfolgend „Gesetz von 1996“) durch die nach Artikel 302 a ZD der französischen Abgabenordnung (Code général des impôts français) eingeführte Tierkörperbeseitigungsabgabe finanziert.

(13)

Die Tierkörperbeseitigungsabgabe wurde für den Kauf von Fleisch und bestimmten anderen Erzeugnissen von allen Personen erhoben, die solche Erzeugnisse im Einzelhandel verkauften. Grundsätzlich war jeder Einzelhändler zur Zahlung der Abgabe verpflichtet. Bemessungsgrundlage war der Warenwert ohne Mehrwertsteuer folgender Erzeugnisse jeglichen Ursprungs:

Fleisch und Innereien, frisch oder gekocht, gekühlt oder tiefgefroren, von Geflügel, Kaninchen, Wild oder Tieren der Gattungen Rind, Schaf, Ziege, Schwein und der Gattungen Pferd, Esel oder deren Kreuzungen;

Pökelfleisch, Metzgereiprodukte, Schweineschmalz, Fleischkonserven und verarbeitete Schlachtabfälle;

Tierfutter auf der Basis von Fleisch und Innereien.

(14)

Unternehmen, deren Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr unter 2 500 000 französischen Francs (FRF) (381 122 EUR) (6) ohne Mehrwertsteuer betragen hatte, waren von der Abgabe befreit. Der Abgabensatz richtete sich nach dem Betrag der monatlich getätigten Einkäufe ohne Mehrwertsteuer: 0,5 % bis zu einem Betrag von 125 000 FRF (19 056 EUR) und 0,9 % für Beträge über 125 000 FRF. Durch Artikel 35 Finanzberichtigungsgesetz für 2000 (Gesetz Nr. 2000-1353 vom 30. Dezember 2000) wurde der Abgabenmechanismus mit Wirkung vom 1. Januar 2001 geändert. Mit diesen Änderungen sollte den Auswirkungen der BSE-Krise und den damit einhergehenden Mehrkosten entgegengewirkt werden. In der Folge wurde die Bemessungsgrundlage auf „andere Fleischereierzeugnisse“ ausgedehnt. Der Abgabensatz wurde auf 2,1 % für einen monatlichen Kaufbetrag bis 125 000 FRF (19 056 EUR) und auf 3,9 % für Beträge über 125 000 FRF festgesetzt. Unternehmen, deren Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr unter 5 000 000 FRF (762 245 EUR) ohne Mehrwertsteuer betragen hatte, waren von der Abgabe befreit.

(15)

Zunächst floss das Abgabenaufkommen ab 1. Januar 1997 in einen Ad-hoc-Fonds, der speziell eingerichtet worden war, um die Sammlung und Beseitigung von Tierkörpern und für den menschlichen Verzehr und als Tierfutter ungeeigneten Schlachtabfällen zu finanzieren, also von Tätigkeiten, die nach Artikel 264 des französischen Landwirtschaftsgesetzes (Code rural) als öffentliche Aufgabe anzusehen sind. Verwaltet wurde der Fonds von einer öffentlichen Einrichtung, dem Centre national pour l’aménagement des structures des exploitations agricoles (CNASEA).

(16)

Seit dem 1. Januar 2001 floss das Aufkommen aus der Tierkörperbeseitigungsabgabe nicht mehr in den Ad-hoc-Fonds, sondern direkt in den allgemeinen Staatshaushalt. Für das Jahr 2003 standen die Mittel aufgrund der Verordnung Nr. 2002-1580 vom 30. Dezember 2002 über die Anwendung des Finanzgesetzes für 2003 dem Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung, Fischerei und ländliche Angelegenheiten zur Verfügung. Sie wurden als ordentliche Ausgaben dieses Ministeriums unter Titel IV — Öffentliche Maßnahmen, Teil 4 — Wirtschaftspolitische Maßnahmen, Anreize und Interventionen verbucht. Für 2003 wurde das Aufkommen aus der Tierkörperbeseitigungsabgabe auf 550 Mio. EUR veranschlagt.

(17)

Die Anmeldung von 2003 bezog sich auf Beihilfen für die Lagerung und die Vernichtung von Tiermehlen sowie Beihilfen für den Transport und die Vernichtung von Falltieren und Schlachtabfällen. Darüber hinaus sah das Gesetz von 1996 eine Abgabenbefreiung für Fleisch verkaufende Einzelhandelsunternehmen mit einem Jahresumsatz unter 762 245 EUR vor. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen war das Gesetz von 1996 das gesamte Jahr 2003 in Kraft.

(18)

In ihrer Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Beihilfen für die Sammlung und die Vernichtung von Falltieren sowie die Lagerung und die Vernichtung von Tiermehlen und Schlachtabfällen die Handelsbedingungen nicht in einer Weise zu verändern drohten, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Als eine Maßnahme zur Förderung der Entwicklung eines Wirtschaftszweigs konnten sie daher in den Genuss einer Ausnahmeregelung nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV kommen. Die Kommission entschied jedoch, das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV hinsichtlich der Gewährung und der Vereinbarkeit der Beihilfen für die von der Tierkörperbeseitigungsabgabe befreiten Handelsunternehmen einzuleiten.

(19)

Zum Zeitpunkt der Einleitung des Prüfverfahrens ging die Kommission davon aus, dass die Befreiung von der Tierkörperbeseitigungsabgabe einen Einnahmeverlust für den Staat bedeuten würde und dass die Maßnahme durch Art und Struktur des Steuersystems, das die Einnahmen des Staates sichern soll, wohl nicht gerechtfertigt sei. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen gründete sich die Befreiung nicht auf den durch den Fleischverkauf erzielten Umsatz, sondern auf den Gesamtverkauf.

(20)

Da die Tierkörperbeseitigungsabgabe anhand des Wertes der Fleischerzeugnisse berechnet wird, erschien es nicht gerechtfertigt, ein Unternehmen, das einen höheren Umsatz mit dem Verkauf von Fleisch erzielte, von der Abgabe zu befreien, während ein Konkurrenzunternehmen, das mit Fleischerzeugnissen einen geringeren Umsatz erzielte, die Abgabe zu zahlen hatte.

(21)

Somit schien die Abgabenbefreiung einen selektiven Vorteil darzustellen. Damit würde es sich um eine Beihilfe zugunsten der Verkäufer handeln, deren steuerliche Belastung durch die Befreiung gemindert wird. Aufgrund der Umsatzzahlen des Fleischhandels kam die Kommission zu dem Schluss, dass die 2003 gewährte Abgabenbefreiung für Händler mit einem Umsatz unter 762 245 EUR einen Vorteil bedeutete, der als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV angesehen werden könnte.

(22)

Die Kommission konnte nicht ausschließen, dass sich die Abgabenbefreiung insbesondere in Grenzregionen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken würde.

(23)

Bei der Abgabenbefreiung für Händler mit einem Umsatz unter 762 245 EUR handelte es sich somit offensichtlich um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV.

(24)

In diesem Fall schien die Abgabenbefreiung eine Entlastung darzustellen, die kein Anreizelement enthielt und keine Gegenleistung von den Begünstigten verlangte und deren Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln nicht nachgewiesen war.

(25)

Die Kommission ging deshalb davon aus, dass Ziffer 3.5 des damals geltenden Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor (7) auf die Beihilfe anzuwenden sei. Danach mussten alle Beihilfen, um mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu sein, bestimmte Anreizelemente enthalten oder den Begünstigten zu einer Gegenleistung verpflichten. Sofern das Gemeinschaftsrecht bzw. die Rahmenregelung Ausnahmen nicht ausdrücklich vorsehen, sind einseitige staatliche Beihilfemaßnahmen, die lediglich dazu bestimmt sind, die finanzielle Lage der Erzeuger zu verbessern, die aber nicht in irgendeiner Weise zur Entwicklung des Sektors insgesamt beitragen, als Betriebsbeihilfen anzusehen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

(26)

Hinsichtlich der von der Tierkörperbeseitigungsabgabe befreiten Handelsunternehmen konnte die Kommission nicht ausschließen, dass es sich um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV und um eine Betriebsbeihilfe handelte, an deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt die Kommission Zweifel hatte.

III.   VON FRANKREICH ABGEGEBENE STELLUNGNAHMEN

(27)

Die französischen Behörden haben ihre Stellungnahmen mit Schreiben vom 20. September 2005 und vom 15. November 2005 übermittelt. Darin haben sie bestätigt, dass es sich bei der Steuerbefreiung der nicht abgabepflichtigen Unternehmen unstrittig um eine Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags handelte. Im Übrigen habe die Kommission die zwischen 1. Januar 1997 und 31. Dezember 2002 angewandte Befreiung (Beihilfe NN 17/01, neue Nummer C 49/02) in ihrer Entscheidung 2005/474/EG (8) über die in Frankreich erhobene Abgabe auf Fleischkäufe (Tierkörperbeseitigungsabgabe) in vergleichbarer Weise beurteilt.

(28)

Dagegen haben die französischen Behörden vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 angeführt, dass die Beihilfen unter die Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen (9) fielen. Ihrer Auffassung nach ergab sich aus der Anzahl der betroffenen Unternehmen, durchschnittlich mehr als 100 000 pro Jahr, und dem als Schwellenwert für die Befreiung zugrunde gelegten Umsatz (762 245 EUR), dass der Betrag der Befreiung, der als staatliche Beihilfe gelten könnte, in allen Fällen unter dem Schwellenwert von 100 000 EUR für einen Zeitraum von drei Jahren lag, wie es die Verordnung (EG) Nr. 69/2001 vorschreibt.

(29)

Die französischen Behörden haben zwei Berechnungen durchgeführt, um nachzuweisen, dass der Betrag der Befreiung, die diesen Unternehmen 2003 gewährt wurde, systematisch unter 100 000 EUR für drei Jahre lag.

(30)

Als Erstes ermittelten sie den Umsatz eines Unternehmens, das Abgaben in Höhe von 100 000 EUR für drei Jahre zahlt, was einem Jahresdurchschnitt von 33 333 EUR entspricht. Ausgehend von diesem Betrag wurde für die jeweiligen Abgabensätze (2,1 % und 3,9 %) die entsprechende Bemessungsgrundlage für die Fleischkäufe des Unternehmens ermittelt. Schließlich wurde anhand des Wertes dieser Fleischkäufe der Jahresumsatz geschätzt unter Annahme der (Maximal-) Hypothese, dass es sich um ein auf den Fleischhandel spezialisiertes Unternehmen handelte. Daraus ergab sich ein Unternehmensumsatz, der sehr viel höher war als der Schwellenwert für die Abgabenbefreiung. Der Schwellenwert von 762 245 EUR wurde somit weit überschritten, was bedeutet, dass ein Unternehmen, das in einem Zeitraum von drei Jahren Abgaben in Höhe von 100 000 EUR zahlt, auf keinen Fall von der Abgabe auf Fleischkäufe befreit werden kann.

(31)

Als Zweites ermittelten die französischen Behörden den Abgabenbetrag für ein auf Fleisch spezialisiertes Unternehmen, dessen Umsatz mit 762 000 EUR knapp unter dem für die Befreiung geltenden Schwellenwert liegt. Anhand eines Kauf-/Umsatz-Koeffizienten von 0,58 (10) ergab sich für die Fleischkäufe des Unternehmens ein Betrag von 441 960 EUR (762 000 × 0,58). Diese zweite Berechnung zeigt, dass der höchste Betrag, der für eine Befreiung in Frage kommt, 13 132 EUR/Jahr pro Unternehmen beträgt. Damit liegt er auf jeden Fall unter dem Betrag von 100 000 EUR über drei Jahre.

(32)

Nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 haben die französischen Behörden bestätigt, dass die Befreiung von der Abgabe auf Fleischkäufe (Tierkörperbeseitigungsabgabe), die bestimmten in der Vermarktung von Agrarerzeugnissen tätigen Betrieben für das Jahr 2003 gewährt worden ist, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, insbesondere deren Artikel 5 („Übergangsbestimmungen“) fiel.

IV.   VON DRITTEN ABGEGEBENE STELLUNGNAHMEN

(33)

Erstens wies die Confédération de la boucherie, boucherie-charcuterie, traiteurs (CFBCT) darauf hin, dass die fragliche Maßnahme nicht der Definition einer staatlichen Beihilfe entsprochen habe und dass der auf bestimmte Unternehmen angewandte Abgabenmechanismus, der sich auf den Umsatz bezog, nach den allgemeinen Grundsätzen des Steuersystems voll und ganz gerechtfertigt gewesen sei. Laut CFBCT wurde die Abgabe auf Fleischkäufe nach den für die Mehrwertsteuer und ähnliche Abgaben geltenden Regeln erhoben und kontrolliert. Die Festlegung des Schwellenwertes für die Befreiung gründete sich auf ein objektives, rationales Kriterium wie bei Schwellenwerten für andere Abgaben auch. Das Gesetz von 1996 entsprach der Logik des französischen Systems zur Erhebung der Mehrwertsteuer. Es sollte nicht bestimmten Unternehmen besondere Vorteile verschaffen, sondern durch die Festlegung eines Schwellenwertes die Beitragsfähigkeit der Unternehmen und insbesondere die Überlebensfähigkeit der handwerklichen Fleischereibetriebe berücksichtigen.

(34)

Zweitens hatte diese Maßnahme nach Meinung der CFBCT keinerlei Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel. Die geringe Größe der von der Maßnahme betroffenen Unternehmen und der geografisch sehr begrenzte Markt, auf dem diese Unternehmen agierten, sprächen dagegen, dass es sich um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV handelte.

(35)

Und selbst wenn die von der Abgabe befreiten Unternehmen dadurch in den Genuss einer Beihilfe gekommen sein sollten, wäre diese Beihilfe nach Meinung der CFBCT auf jeden Fall mit den Bestimmungen des Vertrags vereinbar.

(36)

Die Kommission sollte berücksichtigen, dass die Abgabenbefreiung kleiner Fleischereibetriebe und handwerklicher Fleischer in diesem Fall durch ein übergeordnetes Interesse begründet gewesen sei: die Bewältigung der durch den Rinderwahnsinn ausgelösten Krise und die notwendige Behandlung des Risikomaterials. Außerdem habe diese Maßnahme nur kleinen und mittleren Unternehmen gegolten, und sie sei potenziell durch damals geltende Bestimmungen abgedeckt gewesen: die Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (11) und die Verordnung (EG) Nr. 1/2004 der Kommission vom 23. Dezember 2003 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätige Unternehmen (12).

(37)

Nach Meinung der CFBCT würde die Rückforderung der Beihilfe, die erfolgen müsste, wenn die Maßnahme als nicht mit den Vorschriften zu vereinbarende staatliche Beihilfe eingestuft würde, gegen Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (13) verstoßen, da eine Negativentscheidung mit Rückforderung das legitime Vertrauen der begünstigten Unternehmen außer Acht lassen würde.

(38)

Jedenfalls würde die nachträgliche Bemessung der Höhe der Beihilfe auf der Grundlage einer rückwirkenden Pauschalerhebung wohl unter den De-minimis-Schwellenwerten liegen, da es sich bei den potenziellen Begünstigten dieser Beihilfen überwiegend um Mikrounternehmen handelte.

(39)

Nach den der Kommission vorliegenden Informationen ist die private Gesellschaft in Frankreich im Lebensmittelhandel tätig. Nachdem die Gesellschaft die Tierkörperbeseitigungsabgabe für die Jahre 2001 bis 2003 gezahlt und die Erstattung des gezahlten Betrags bei den französischen Steuerbehörden beantragt hat, geht sie davon aus, dass sie als Beteiligte eine Stellungnahme zu diesem Verfahren abgeben sollte.

(40)

Entgegen den Schlussfolgerungen der Kommission in ihrer Entscheidung vom 5. Juli 2005 (2005/C 228/06) (14) über die Einleitung des Verfahrens gab es nach Auffassung der Gesellschaft keine Entkopplung zwischen den Beihilfen im Bereich Tierkörperbeseitigung und der Abgabe auf Fleischkäufe. Sie geht davon aus, dass sich die Tierkörperbeseitigungsabgabe für das Jahr 2003 auf Artikel 302 a ZD der Abgabenordnung gründet und dass damit ein Mechanismus staatlicher Beihilfen gemäß Artikel 107 AEUV finanziert wird. Da dieser Mechanismus nicht zuvor bei der Kommission angemeldet worden sei, müsse er für rechtswidrig erklärt werden.

(41)

Weiter vertritt die Gesellschaft die Auffassung, dass die Befreiung von der Abgabe mit Artikel 107 AEUV und demzufolge auch mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit und darüber hinaus mit den Wettbewerbsregeln unvereinbar sei.

V.   WÜRDIGUNG

(42)

Gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind, soweit in dem Vertrag nicht anderes bestimmt ist, staatliche Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

(43)

Gemäß Artikel 21 der Verordnung (EWG) Nr. 2759/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch (15) sind Artikel 107, 108 und 109 AEUV auf den Schweinefleischsektor anwendbar. Gemäß Artikel 40 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (16) finden die genannten Artikel auf den Rindfleischsektor Anwendung. Vor Annahme der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 galten die Artikel 107, 108 und 109 AEUV gemäß Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates (17) für den Rindfleischsektor. Gemäß Artikel 22 der Verordnung (EG) Nr. 2467/98 des Rates vom 3. November 1998 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch (18) finden die genannten Artikel auf den Schaf- und Ziegenfleischsektor Anwendung. Gemäß Artikel 19 der Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleisch (19) finden die genannten Artikel auf den Geflügelfleischsektor Anwendung. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (20) wurden diese verschiedenen Verordnungen aufgehoben; nach Artikel 180 dieser Verordnung finden die Bestimmungen für staatliche Beihilfen auf die oben angeführten Erzeugnisse Anwendung.

(44)

Die französischen Behörden haben bestätigt, dass die Befreiung von der Abgabe auf Fleischkäufe (Tierkörperbeseitigungsabgabe), die bestimmten in der Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätigen Betrieben für das Jahr 2003 gewährt wurde, in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 fiel.

(45)

Nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 gelten Beihilfen, die die in der Verordnung genannten Voraussetzungen erfüllen, als Maßnahmen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale von Artikel 107 Absatz 1 AEUV erfüllen und daher nicht der Anmeldepflicht nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV unterliegen.

(46)

Die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 gilt für Beihilfen an Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen, aber im Fall von Unternehmen, die in der Verarbeitung und Vermarktung von in Anhang I EG-Vertrag aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätig sind, nur dann, wenn sich der Beihilfebetrag nicht nach dem Preis oder der Menge der von Primärerzeugern erworbenen Erzeugnisse oder nach dem Preis oder der Menge der von dem betreffenden Unternehmen angebotenen Erzeugnisse richtet und wenn die Beihilfe nicht davon abhängig ist, dass sie ganz oder teilweise an die Primärerzeuger weitergegeben wird.

(47)

Die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 gilt gemäß Artikel 5 Absatz 1 auch für Beihilfen, die vor ihrem Inkrafttreten an Unternehmen, die im Sektor der Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätig sind, gewährt wurden, sofern diese Beihilfen die Voraussetzungen in Artikel 1 und Artikel 2 erfüllen. Die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 trat am 29. Dezember 2006 in Kraft.

(48)

Gemäß Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 darf die Gesamtsumme der einem Unternehmen gewährten De-minimis-Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 200 000 EUR nicht übersteigen. Der Höchstbetrag bezieht sich auf den Fall einer Barzuwendung. Bei den eingesetzten Beträgen sind die Bruttobeträge, d. h. die Beträge vor Abzug von Steuern und sonstigen Abgaben zugrunde zu legen. Wird die Beihilfe nicht als Zuschuss, sondern in anderer Form gewährt, bestimmt sich die Höhe der Beihilfe nach ihrem Bruttosubventionsäquivalent.

(49)

Die fraglichen Unternehmen waren in der Verarbeitung und Vermarktung von Erzeugnissen gemäß Anhang I EG-Vertrag und anderen Erzeugnissen tätig. 2003 waren sie von der Tierkörperbeseitigungsabgabe befreit. Folglich ist in diesem Fall die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 gemäß den Übergangsbestimmungen in Artikel 5 anzuwenden.

(50)

Die französischen Behörden haben festgestellt, dass die Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 erfüllt waren, und nachgewiesen, dass das Subventionsäquivalent der von jedem Begünstigten erhaltenen Beihilfe den Betrag von 200 000 EUR über einen Zeitraum von drei Jahren in keinem Fall überschritten hat. Der Höchstbetrag der Befreiung betrug 13 132 EUR pro Jahr und Unternehmen (siehe Erwägungsgrund 29).

(51)

Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Abgabenbefreiung der Fleisch verkaufenden Einzelhandelsunternehmen, deren Jahresumsatz 2003 unter 762 245 EUR betrug, den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 unterliegt und die Voraussetzungen nach Maßgabe dieser Verordnung erfüllt. Somit handelt es sich bei dieser Befreiung nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Bei der Befreiung von der Tierkörperbeseitigungsabgabe für das Jahr 2003, die Fleisch verkaufenden Einzelhandelsunternehmen mit einem Jahresumsatz unter 762 245 EUR gewährt wurde, handelt es sich nicht um eine Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV.

Artikel 2

Der vorliegende Beschluss ist an die Französische Republik gerichtet.

Brüssel, den 29. Juni 2011

Für die Kommission

Dacian CIOLOȘ

Mitglied der Kommission


(1)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 wurden die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag durch die Artikel 107 und 108 AEUV ersetzt. Diese jeweils aufeinander folgenden Bestimmungen sind in der Sache identisch. Verweise auf Artikel 107 und 108 AEUV im vorliegenden Beschluss sind wie Verweise auf Artikel 87 und Artikel 88 EG-Vertrag anzusehen.

(2)  Staatliche Beihilfe N 515A/03, Schreiben an die französischen Behörden K(2004) 936 endg. vom 30.3.2004.

(3)  ABl. C 228 vom 17.9.2005, S. 13.

(4)  Die Gesellschaft hat beantragt, ihre Identität nicht bekannt zu geben.

(5)  ABl. L 379 vom 28.12.2006, S. 5.

(6)  Umrechnungskurs 1 FRF = 0,15 EUR.

(7)  ABl. C 28 vom 1.2.2000, S. 2.

(8)  ABl. L 176 vom 8.7.2005, S. 1.

(9)  ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 30.

(10)  Die französischen Behörden stützten sich hierbei auf Angaben aus der Branche (Centres de gestion de la confédération de la boucherie).

(11)  ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 33.

(12)  ABl. L 1 vom 3.1.2004, S. 1.

(13)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(14)  Vgl. Fußnote 3.

(15)  ABl. L 282 vom 1.11.1975, S 1.

(16)  ABl. L 160 vom 26.6.1999, S. 21.

(17)  ABl. L 148 vom 28.6.1968, S. 24.

(18)  ABl. L 312 vom 20.11.1998, S. 1.

(19)  ABl. L 282 vom 1.11.1975, S. 77.

(20)  ABl. L 299 vom 16.11.2007, S. 1.


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