Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Drogenausgangsstoffe" (KOM(2002) 494 endg. — 2002/0217 (COD))
Amtsblatt Nr. C 095 vom 23/04/2003 S. 0006 - 0008
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Drogenausgangsstoffe" (KOM(2002) 494 endg. - 2002/0217 (COD)) (2003/C 95/02) Der Rat beschloss am 14. Oktober 2002, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen. Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 29. Januar 2003 an. Berichterstatterin war Frau Le Nouail. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 397. Plenartagung am 26. und 27. Februar 2003 (Sitzung vom 26. Februar) mit 106 gegen 2 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme. 1. Einleitung 1.1. Die Bekämpfung des organisierten Drogenhandels ist ein dringendes Anliegen der Mitgliedstaaten. In mehreren Mitgliedstaaten sind in diesem Zusammenhang Bemühungen um die Verbesserung der Datenbanksysteme und der Kriminaltechniken sowie die Bereitstellung zusätzlicher Mittel zu beobachten. Gleichzeitig wird die internationale Zusammenarbeit, u. a. mit internationalen Organisationen wie Interpol und WCO (World Customs Organization - Weltzollorganisation) weiter intensiviert. 1.2. In der Europäischen Union sind Drogenherstellung und Drogenhandel nach wie vor die Hauptaktivitäten der hier operierenden Verbrecherbanden (Europol, 2001/OEDT, 2002). Diese Verbrecherbanden nutzen die Möglichkeiten, die sich ihnen durch die Globalisierung der Marktwirtschaft und insbesondere die modernen Technologien bieten, weidlich aus. 1.3. Die Bekämpfung der Abzweigung kontrollierter chemischer Stoffe und Ausgangsstoffe ist fester Bestandteil der intensivierten internationalen Zusammenarbeit. Wie die bereits durchgeführten Kontrollen ergeben haben, werden aus einer Weltjahresproduktion von 2,5 Mio. t Essigsäureanhydrid schätzungsweise 1500 Tonnen zur Herstellung von Heroin abgezweigt. Etwa 20 % der Weltproduktion von Essigsäureanhydrid werden in der Europäischen Union hergestellt. 1.3.1. Dank eines Systems zur Bekämpfung der Abzweigung von Essigsäureanhydrid, das die Ermittlung der Herkunft der chemischen Stoffe zum Ziel hat, konnten elf Sendungen von fast 230 t Essigsäureanhydrid aufgehalten werden, die zur Herstellung von 55 bis 230 t Heroin hätten verwendet werden können. 1.4. Mit dem internationalen Überwachungsprogramm für Kaliumpermanganat konnten 1100 Tonnen dieses Stoffes beschlagnahmt werden. Dieses Programm sieht vor, dass die Ausfuhrerklärungen der Hauptexportländer im Voraus eingereicht werden müssen. 1.4.1. Dank dieses Programms konnten auch neue Methoden und neue Kanäle für die Abzweigung dieses Stoffes zur Herstellung von Kokain ausfindig gemacht werden, ohne die Abwicklung des rechtmäßigen internationalen Handels damit allzu sehr zu verzögern. 2. Allgemeine Bemerkungen 2.1. Rechtsvorschriften 2.1.1. Das internationale Recht betreffend die Kontrolle des Handels mit 23 chemischen Ausgangsstoffen fußt auf Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen, dem die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten beigetreten sind. Mit den im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Kontrollmechanismen werden Artikel 12 des UN-Übereinkommens sowie die Empfehlungen der Aktionsgruppe "Chemikalien", die von den sieben größten Industrieländern auf dem Londoner G7-Gipfel von 1991 gebilligt wurden, in die Tat umgesetzt. 2.1.2. Die Verpflichtungen der Wirtschaftsbeteiligten fußen auf zwei Gemeinschaftsverordnungen betreffend den Handel zwischen der Gemeinschaft und Drittländern sowie auf einer Richtlinie und einer Verordnung der Gemeinschaft betreffend den innergemeinschaftlichen Handel. Diese Rechtsinstrumente dienen der Bekämpfung der Abzweigung von Ausgangsstoffen durch Festlegung einiger Kontrollmaßnahmen. 2.1.3. Neben den Abschreckungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten erteilt die Kommission Anweisungen und stellt Leitlinien in Bezug auf die Umsetzung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts auf(1). 2.1.4. Die Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 des Rates(2) zielt auf die Überwachung des Handels mit Ausgangsstoffen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, während die Richtlinie 92/109/EWG(3) das gleiche Ziel für den Binnenmarkt verfolgt. 2.1.5. Mit der Umwandlung der derzeitigen Richtlinie in eine Verordnung beabsichtigt die Kommission, die Regelung zu vereinfachen und benutzerfreundlicher zu gestalten. Dies ist im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union ganz besonders wichtig, denn jede Änderung der Richtlinie und ihrer Anhänge zöge sonst einzelstaatliche Durchführungsmaßnahmen in bald fünfundzwanzig Mitgliedstaaten nach sich. 2.1.6. Außerdem möchte die Kommission mit diesem Verordnungsvorschlag eine einheitliche Anwendung der beiden vorgenannten Instrumente, d. h. der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 und der Richtlinie 92/109/EWG, fördern, weil die verschiedenen Umsetzungsfristen eine unterschiedliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts bewirkt haben. 2.1.7. Im Januar 1998 nahm die Kommission einen Vorschlag zur Änderung(4) der Richtlinie 92/109/EWG an. Das Parlament unterstützte die Initiative der Kommission in erster Lesung und schlug dazu fünf Abänderungen(5) vor. Als Reaktion auf die Stellungnahme des Parlaments (erste Lesung) nahm die Kommission einen geänderten Vorschlag(6) an. Der Rat hat über diesen Vorschlag bislang noch nicht entschieden. 2.1.8. Die Kommission hat daher beschlossen, den Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 92/109/EWG zurückzuziehen. Mithilfe der vorgeschlagenen Verordnung wird sich besser gewährleisten lassen, dass die Bestimmungen von den Wirtschaftsbeteiligten unmittelbar angewandt und die einheitlichen Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig eingeführt werden. 2.1.9. Der Zweck der neuen Verordnung besteht darin, einheitliche Maßnahmen zur Kontrolle und Überwachung bestimmter, häufig zur Herstellung illegaler Suchtstoffe verwendeter chemischer Stoffe festzulegen und die neue Verordnung an die bereits veröffentlichten Änderungen der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 anzupassen. Die Vorschriften für den Handel mit Drogenausgangsstoffen, die das Zollrecht der EU berühren, stellen einen wichtigen Beitrag der Industrieländer zu den weltweiten Anstrengungen zur Drogenbekämpfung dar. 2.1.10. Die Kommission nützt diese Gelegenheit auch zu einer klareren Definition dessen, was sie unter "erfassten Stoffen" versteht, sowie dazu, in die Begriffsbestimmung auch natürliche Erzeugnisse einzubeziehen, aus denen sich die erfassten Stoffe leicht extrahieren lassen. 2.2. Zusammenarbeit 2.2.1. Eine enge Zusammenarbeit und ein Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden und den Wirtschaftsbeteiligten (Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Händler usw.) sind im Interesse aller unerlässlich. 2.2.2. Die verantwortlichen Akteure möchten nicht, dass ihre Erzeugnisse zur Herstellung illegaler Suchtstoffe abgezweigt werden. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hält es ebenfalls für erforderlich, Leitlinien auszuarbeiten und zu überarbeiten, die der chemischen Industrie insbesondere dabei behilflich sein sollen, verdächtige Vorgänge zu erkennen und den Handel mit nicht erfassten aber häufig verwendeten Stoffen auf freiwilliger Basis zu überwachen. 2.2.3. Mit der Zusammenarbeit in diesem Bereich soll erreicht werden, dass sich die Wirtschaftsbeteiligten an ihre jeweiligen Ansprechpartner in der zuständigen Behörde wenden, um sie über alle Gegebenheiten zu unterrichten, die zu dem Verdacht Anlass geben, dass chemische Stoffe möglicherweise für die unerlaubte Herstellung von Suchtstoffen oder psychotropen Substanzen abgezweigt werden. 2.2.4. In der Europäischen Union hat sich die freiwillige Überwachung nicht kontrollierter chemischer Stoffe hauptsächlich auf die Stoffe konzentriert, die zur unerlaubten Herstellung von synthetischen Drogen verwendet werden. Auf internationaler Ebene wurde mit dem Internationalen Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP) ebenfalls versucht, sich mit dem Problem der zunehmenden Verwendung nicht kontrollierter chemischer Stoffe zur Herstellung unerlaubter Suchtstoffe auseinanderzusetzen, und ein beratender Sachverständigenausschuss hat eine Liste chemischer Stoffe aufgestellt, die zur unerlaubten Herstellung von Heroin und Kokain sowie von synthetischen Drogen verwendet werden, die besonders überwacht werden müssen. 3. Schlussfolgerung Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt die eingeleiteten Maßnahmen und befürwortet eine einheitliche Anwendung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts, um jegliche Abzweigung von Ausgangsstoffen zur Herstellung von unerlaubten Suchtstoffen zu verhindern. Brüssel, den 26. Februar 2003. Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Roger Briesch (1) Artikel 3a der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 des Rates. (2) ABl. L 357 vom 20.12.1990, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1116/2001 (ABl. L 153 vom 8.6.2001). (3) ABl. L 370 vom 19.12.1992. (4) KOM(98) 22 endg. (ABl. C 108 vom 7.4.1998). (5) Dokument PE 273.796/1. (6) KOM(1999) 202 endg. (ABl. C 162 vom 9.6.1999).