22.9.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 255/42


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Neufassung) — Umsetzung der Initiative für kleine und mittlere Unternehmen in Europa (Small Business Act)“

KOM(2009) 126 endg. — 2009/0054 (COD)

(2010/C 255/07)

Berichterstatterin: Ana BONTEA

Der Rat beschloss am 1. Juli 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Neufassung)

Umsetzung der Initiative für kleine und mittlere Unternehmen in Europa (Small Business Act)

KOM(2009) 126 endg. - 2009/0054 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 17. November 2009 an. Berichterstatterin war Ana BONTEA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 458. Plenartagung am 16./17. Dezember 2009 (Sitzung vom 17. Dezember) mit 145 gegen 3 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Ausschuss begrüßt und unterstützt die Umsetzung der Initiative für kleine und mittlere Unternehmen in Europa (Small Business Act - SBA) sowie den Richtlinienvorschlag, da die Verbesserung des Rechtsrahmens und die dadurch mögliche Verkürzung der Zahlungsfristen sowie die Bekämpfung von Zahlungsverzug besonders wichtige und nützliche Maßnahmen sind.

1.2   Trotz ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit reichen die rechtlichen Bestimmungen aber nicht aus, um dem Problem des Zahlungsverzugs ein Ende zu setzen. Erforderlich sind zahlreiche weitere, umfassende Maßnahmen und die Ausweitung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen. In diesem Prozess kommt den KMU selbst und ihren Verbänden eine wichtige Rolle zu.

1.3   Nach Ansicht des Ausschusses sollten für alle öffentlichen Behörden und Einrichtungen auf europäischer, nationaler, regionaler und kommunaler Ebene kurze und verbindliche Zahlungsfristen vorgeschrieben werden. Der Ausschuss beglückwünscht die Europäische Kommission zu den Maßnahmen, die sie im Zusammenhang mit den von ihr selbst getätigten Zahlungen („direkte Verwaltung“) ergriffen hat, und versichert sie seiner Unterstützung bei der Durchsetzung und Weiterentwicklung entsprechender Bestimmungen auf allen Ebenen. In Anbetracht der für die Umsetzung der Richtlinie in einzelstaatliches Recht notwendigen Zeiträume ruft er die einzelnen Verwaltungsniveaus auf, die Richtlinie im Grundsatz schon jetzt anzuwenden, um die Unternehmen vor dem Hintergrund der derzeitigen Krise wirksam zu unterstützen.

Der Ausschuss hält eine Reihe von Verbesserungen am Richtlinienvorschlag für erforderlich und schlägt im Wesentlichen Folgendes vor:

Für das öffentliche Auftragswesen:

umgehende Festlegung einer Bestimmung, wonach Rechnungen innerhalb von 30 Kalendertagen beglichen werden müssen, bei gleichzeitiger Abschaffung der diesbezüglichen Ausnahmebestimmung oder zumindest ihrer Begrenzung auf eine Zahlungsfrist von maximal 60 Tagen ab Lieferung, denn die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Hand dürften keinesfalls größer sein als die der KMU;

in ähnlicher Weise die Abschaffung der Ausnahme von der 30tägigen Höchstdauer der Abnahmeverfahren oder zumindest die Begrenzung ihres Anwendungsbereichs.

Für den gesamten Geschäftsverkehr:

Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen, Entschädigung und eines Mindestbetrages für interne Kosten bei Zahlungsverzug, sofern die jeweiligen Verträge nicht für die Gläubiger günstigere Bestimmungen vorsehen;

Weiterentwicklung der Rechtsvorschriften über grob nachteilige Vertragsbestimmungen und über unbestrittene Forderungen;

Durchsetzung der Grundsätze des fairen Wettbewerbs und des Leitbilds des ehrbaren Kaufmanns bei der Anwendung der Vertragsfreiheit, um Rechtsmissbrauch einzuschränken.

1.4   Unter Verweis auf seine früheren Vorschläge (1) betont der Ausschuss, dass zur vollständigen Verwirklichung der Ziele der Richtlinie Maßnahmen erforderlich sind, die den KMU einen breiteren Zugang zum öffentlichen Auftragswesen ermöglichen, so dass sie stärker von den festgelegten Vorschriften profitieren können.

1.5   Im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie in einzelstaatliches Recht und die Kontrolle der ergriffenen Maßnahmen sollten die Zusammenarbeit und ein solider Dialog zwischen Behörden, Sozialpartnern und KMU-Verbänden gefördert werden.

1.6   Bei Untervergabe öffentlicher Aufträge an Dritte sowie im Rahmen der Beziehungen zwischen KMU und Großunternehmen einschließlich großer Einzelhandelsunternehmen (2) sollte verhindert werden, dass die Zahlungsfristen gedehnt werden und Zahlungen mit Verzug erfolgen. In Sektoren, in denen die Gefahr eines überlangen Zahlungszeitraums besonders groß ist, könnten die nationalen Behörden die Zahlungsfristen fallweise kontrollieren oder festlegen, ohne allerdings den Unternehmen zusätzliche Pflichten oder Kosten aufzuerlegen.

1.7   Der Ausschuss empfiehlt den Mitgliedstaaten, bei Zahlungsverzug im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr die Zusammenarbeit zu verstärken und gemeinsame Informations- und Hilfsmaßnahmen für KMU vorzusehen.

1.8   Auf europäischer Ebene wäre es möglicherweise sinnvoll, eine spezialisierte Website in den Verkehrssprachen einzurichten, auf der zu jedem Mitgliedstaat sachdienliche Informationen über die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, den Rechtsrahmen und die geltenden Verfahren zur Eintreibung von Forderungen einschließlich Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation sowie weitere nützliche Informationen eingestellt werden. Auf einzelstaatlicher Ebene sollte die umfassende Verbreitung dieser Informationen durch einheitliche Anlaufstellen und die Verbände des Mittelstands gefördert werden.

1.9   Sinnvoll sind auch Maßnahmen zur Beschleunigung der Zahlungen öffentlicher Stellen im Rahmen der Steuerrechts (MwSt-Erstattung, Steuerrückzahlung usw.), da auch auf diesem Gebiet in einigen Ländern bedauerliche Praktiken festzustellen sind, welche zu finanziellen Engpässen geführt haben.

1.10   Der Ausschuss bekräftigt seinen früheren Vorschlag zur „Einsetzung eines beratenden Ausschusses, der den betroffenen Parteien offenstünde und mit Unterstützung des WSA arbeiten könnte“ (3).

2.   Einleitung

2.1   Sachstand und Auswirkungen von Zahlungsverzug

2.1.1   Im Geschäftsverkehr in der EU:

werden im allgemeinen Zahlungsfristen eingeräumt;

gibt es in vielen Fällen Zahlungsverzug, insbesondere bei öffentlichen Aufträgen, wo der Verzug durchschnittlich 67 Tage (4) beträgt, während es in der Privatwirtschaft 57 Tage sind;

hat sich in einigen Mitgliedstaaten eine regelrechte „Kultur des Zahlungsverzugs“ herausgebildet, die ein weit verbreitetes Geschäftsgebaren mit besonders schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen geworden ist. Zahlungsverzug ist die Ursache für jede vierte Firmenpleite und den Verlust von 450 000 Arbeitsplätzen pro Jahr. In Zeiten der Krise sind die Auswirkungen noch größer: Weil es den Unternehmen in der EU an einer geeigneten Handhabe gegen Zahlungsverzug fehlt, werden sie 2009 insgesamt 270 Milliarden EUR für ausstehende Rechnungen nicht einziehen können, was 2,4 % des BIP der EU entspricht (zum Vergleich sei angeführt, dass sich das Konjunkturprogramm der Union auf 1,5 % des BIP beläuft) (5);

wird Zahlungsverzug als Ersatz für Bankkredite eingesetzt;

sind die Zahlungsfristen in nicht wenigen Fällen unangemessen lang, was zumeist auf eine beherrschende Stellung zurückzuführen ist und insbesondere für Kleinunternehmen, Handwerksbetriebe und sogar mittlere Unternehmen schwerwiegende Nachteile haben kann.

2.1.2   Die prekäre Verhandlungsposition der KMU ist zurückzuführen auf:

den Grad ihrer Konkurrenzfähigkeit und ihren Marktanteil;

ihr Bestreben, die Beziehungen zu ihren Kunden nicht zu gefährden;

ihre begrenzten Möglichkeiten, bei den ihren Kunden angebotenen Zahlungsfristen mit anderen Anbietern zu konkurrieren;

ihren Mangel an der nötigen Erfahrung und den personellen und materiellen Mitteln, um Beitreibungsverfahren einzuleiten, wobei dieses Problem im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr noch größer ist.

2.1.3   Zahlungsverzug:

verursacht den Gläubiger-Unternehmen erhebliche Mehrkosten und erschwert ihr Finanzmanagement, denn er beeinträchtigt den Cashflow, führt zu beträchtlich höheren Bankgebühren, reduzierten Investitionsmöglichkeiten und häufig zu mehr Unsicherheit, was vor allem für KMU gilt; dadurch wird ihre Wettbewerbsfähigkeit, Rentabilität und Überlebensfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt, und dies besonders in Zeiten eines begrenzten und teuren Zugangs zu Finanzmitteln;

setzt sich oft fort als Zahlungsverzug gegenüber den eigenen Lieferanten und Beschäftigten (was in hohem Maße negative soziale Auswirkungen hat) sowie als Verzug bei der Zahlung von Steuern, Abgaben und öffentlichen Gebühren sowie Sozialversicherungsbeiträgen, was die Einnahmen der öffentlichen Hand mindert und zudem den Unternehmen den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten versperren kann (zum Beispiel wird bei einem Zahlungsverzug für Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, der einer nicht fristgerechten Begleichung von Rechnungen geschuldet ist, der Zugang zu staatlichen Beihilfen und Strukturfonds-Programmen eingeschränkt);

ist der Grund für die Insolvenz von Unternehmen, die unter normalen Umständen lebensfähig wären; dies kann sogar zu einer Insolvenzlawine in der gesamten Lieferkette führen, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene;

schrecken Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge ab, was nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen, sondern auch zu einer Beeinträchtigung des Binnenmarktes führt und zudem die Fähigkeit der öffentlichen Stellen einschränkt, die Haushaltsmittel effizient zu verwenden und den bestmöglichen Gegenwert für das Geld der Steuerzahler zu bekommen;

kann Korruption Vorschub leisten (um die Bezahlung öffentlicher Aufträge zu beschleunigen) oder die Vergabe von über den Haushaltsrahmen hinausgehenden öffentlichen Aufträgen fördern;

beeinträchtigt den innergemeinschaftlichen Handel: die meisten Unternehmen halten das Risiko von Zahlungsverzug im innergemeinschaftlichen Handel für besonders hoch und fürchten die Mehrkosten und Unsicherheit bei solchen Geschäften.

2.2   Der gesetzliche Rahmen

2.2.1   Auf Gemeinschaftsebene gibt es auf diesem Gebiet lediglich eine Rechtsvorschrift, nämlich die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (6).

2.2.2   Die Verordnungen (EG) 44/2001 (7), 805/2004 (8), 1896/2006 (9) und 861/2007 (10) gelten für das verfahrenseinleitende Schriftstück bei Beitreibungsverfahren wegen Zahlungsverzug.

2.3   Ziele auf europäischer Ebene

2.3.1   Im „Small Business Act“ (SBA) (11) wurde betont, dass die KMU für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft von herausragender Bedeutung sind und dass ihnen der Zugang zu Finanzierungen erleichtert und dabei geholfen werden soll, stärker von den Möglichkeiten des Binnenmarkts zu profitieren.

2.3.2   Im Europäischen Konjunkturprogramm (12) wird hervorgehoben, dass vor dem Hintergrund des Konjunkturabschwungs der Zugang der Unternehmen zu ausreichenden und erschwinglichen Finanzierungsmöglichkeiten eine Voraussetzung für Investitionen, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen ist; ferner werden die EU und die Mitgliedstaaten darin aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Behörden ihre Rechnungen innerhalb eines Monats begleichen.

2.3.3   Der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Neufassung) soll die Fähigkeit der Unternehmen zur Eigenfinanzierung sicherstellen und verbessern und dient damit dem Ziel eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes und der Beseitigung von Hindernissen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Der Ausschuss begrüßt die Umsetzung der SBA-Initiative sowie den Richtlinienvorschlag, da die Änderung des Rechtsrahmens für die Bekämpfung von Zahlungsverzug eine besonders dringliche, wichtige und nützliche Maßnahme ist.

3.2   Der Ausschuss unterstützt weiterhin die rasche Umsetzung des SBA durch die auf gemeinschaftlicher Ebene vorgeschlagenen Maßnahmen. Insbesondere befürwortet er den „den Entwurf einer geänderten Richtlinie über die Zahlungsfristen, durch den die Vorgaben und Strafen für die Verwaltungen im Falle einer Zahlung nach Ablauf von 30 Tagen verschärft werden“ (13).

3.3   Der Ausschuss unterstützt diese Maßnahmen vor allem, weil Zahlungsverzug schwere und nachhaltig negative Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt und insbesondere auf KMU sowie auf die Arbeitnehmer und den innergemeinschaftlichen Handel hat.

3.4   Es geht aber nicht nur um die Bekämpfung von Zahlungsverzug, sondern insbesondere auch um die Verkürzung der Zahlungsfristen, weshalb erwogen werden sollte, den Titel der Richtlinie in diesem Sinne zu ergänzen und die darin enthaltenen Maßnahmen an diesen beiden Zielen auszurichten.

3.5   Rechtsetzungsmaßnahmen sind zwar notwendig und sinnvoll, reichen jedoch nicht aus, um Zahlungsverzug zu bekämpfen, da die vielfältigen und komplexen Ursachen dieses Problems, die gegenwärtige Lage - acht Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie 2000/35/EG - und die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten auf, sich intensiv für die Festlegung und Umsetzung bestmöglicher Maßnahmen zur Bekämpfung von Zahlungsverzug einzusetzen, und betont, dass in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit und ein solider Dialog zwischen Behörden, Sozialpartnern und KMU-Verbänden wichtig sind. In diesem Prozess kommt den KMU selbst eine wichtige Rolle zu: Sie müssen größere Anstrengungen im Hinblick auf die Information, die Verbesserung ihrer internen Verfahren und das Vorgehen gegen ihre Schuldner unternehmen.

3.6   Nach Ansicht des Ausschusses sind folgende Maßnahmen sinnvoll und geeignet, positive Ergebnisse zu bewirken:

die Festlegung einer grundsätzlichen Pflicht, im öffentlichen Auftragswesen binnen einer Frist von 30 Tagen zu zahlen, was zur Einführung von transparenten Standardverfahren führen und so die entsprechenden Zahlungen beschleunigen dürfte;

die Einführung eines Gläubigeranspruchs auf eine Entschädigung in Höhe von mindestens 5 % des ausstehenden Betrages, um die öffentlichen Verwaltungen von der Praxis des Zahlungsverzugs abzubringen;

die Beitreibung der internen Verwaltungskosten, die dem Gläubiger entstanden sind, was zusammen mit den gesetzlichen Verzugszinsen abschreckende Wirkung auf die Schuldner haben wird;

die Abschaffung der Möglichkeit, Ansprüche auf Zinszahlungen von weniger als 5 EUR wegen Geringfügigkeit auszuschließen;

die Verbesserung der Bestimmungen hinsichtlich grob nachteiliger Vertragsklauseln, wobei Artikel 6 der vorgeschlagenen Richtlinie diesbezüglich wichtige Neuerungen bringt;

die größere Transparenz hinsichtlich der aus dieser Richtlinie erwachsenden Rechte und Pflichten;

die Schaffung eines Überwachungs- und Bewertungssystems, das anderen europäischen Institutionen und den beteiligten Akteuren die Möglichkeit bietet, stärker Einblick zu erhalten und einbezogen zu werden.

3.7   Nach Ansicht des Ausschusses sind jedoch beträchtliche inhaltliche Verbesserungen am Richtlinienvorschlag erforderlich, damit in der Praxis viele Unternehmen auch wirklich von der Verkürzung und der Einhaltung der Zahlungsfristen profitieren können und die Wirksamkeit der Maßnahmen und Mittel gegenüber Schuldnern verbessert wird.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Nach Ansicht des Ausschusses sollten für alle Behörden und öffentlichen Einrichtungen auf europäischer, nationaler, regionaler und kommunaler Ebene kurze und verbindliche Zahlungsfristen vorgeschrieben werden

4.1.1   Aus praktischer Sicht werden die Einführung einer allgemeinen Pflicht, Lieferungen und Leistungen im öffentlichen Auftragswesen innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen, und die Festlegung einer Frist von 30 Tagen für die Abnahme und Überprüfung signifikante positive Auswirkungen haben.

4.1.2   Für alle Behörden und öffentlichen Einrichtungen auf europäischer, nationaler, regionaler und kommunaler Ebene sollten kurze Zahlungsfristen und die Pflicht zur Bezahlung von Rechnungen vorgeschrieben werden, und dies ist auch einzuhalten.

4.1.3   Der Ausschuss beglückwünscht die Europäische Kommission zu den neuen, strengeren Zielen auf dem Gebiet der direkt von ihr abgewickelten Zahlungen, zur Verkürzung der Fristen für die Überweisung von Vorfinanzierungen und ersten Zahlungen, zur Vereinfachung der allgemeinen Verfahren im Vorfeld von Projekten und zur Förderung der Vereinfachung von Kontrollmaßnahmen. Er versichert sie seiner Unterstützung bei der Durchsetzung und Weiterentwicklung dieser Maßnahmen auf allen Ebenen. Der Ausschuss fordert die einzelstaatlichen Behörden auf, dringend Maßnahmen zur Verkürzung und Einhaltung der Zahlungsfristen zu ergreifen, und empfiehlt im Hinblick darauf die Nutzung beispielhafter Vorgehensweisen.

4.1.4   Der Ausschuss vertritt jedoch die Ansicht, dass die löblichen Ziele und Absichten, die die Kommission verfolgt, in Artikel 5 des Richtlinienvorschlags bezüglich der Zahlungen für öffentliche Aufträge keinen konkreten Niederschlag finden, und formuliert daher folgende Vorschläge:

Um der Logik und Klarheit willen, insbesondere gegenüber denjenigen, an die sich der Richtlinienvorschlag richtet, und um das angestrebte Ziel zu erreichen („Zahlungsfristen für Aufträge, die von öffentlichen Stellen vergeben werden, [sollten] grundsätzlich auf höchstens dreißig Tage begrenzt werden“ (14), sollte in Artikel 5 explizit festgeschrieben werden, dass Rechnungen für öffentliche Aufträge innerhalb von 30 Kalendertagen zu bezahlen sind, und zudem eine Höchstdauer für die Abnahme und Überprüfung festgelegt werden. Auch sind Maßnahmen für den Fall eines Verstoßes gegen diese Bestimmungen vorzusehen, die kumulierbar sein sollten.

Der Ausschuss bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Behörden und öffentlichen Einrichtungen die Ausnahmebestimmung, wonach in begründeten Fällen eine längere Zahlungsfrist vereinbart werden kann (Artikel 5 Absatz 4), nicht korrekt anwenden könnten, da keine objektiven und genauen Kriterien für die Bewertung der angeführten Begründung und für die Zulässigkeit von Gründen vorgesehen sind. Die Behörden sind hier nämlich gleichzeitig Richter und Partei, und die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Hand dürften ja keinesfalls größer sein als die der KMU. Der Ausschuss schlägt daher vor, diese Ausnahmebestimmung abzuschaffen oder zumindest so einzuschränken, dass die Zahlungsfristen in den entsprechenden Fällen 60 Kalendertage ab Lieferung nicht überschreiten.

In ähnlicher Weise schlägt der Ausschuss die Abschaffung oder zumindest Begrenzung der mit Artikel 5 Absatz 3 eingeführten Ausnahmebestimmung vor, wonach unter bestimmten Umständen die Höchstdauer der Abnahme (30 Tage) überschritten werden kann.

4.1.5   Die Anwendung des Prinzips der Vertragsfreiheit ist mit Besonderheiten verbunden, die es zu berücksichtigen gilt:

Die Richtlinie enthält keine Bestimmungen, um bei der Anwendung der Vertragsfreiheit Rechtsmissbrauch einzuschränken. Der Ausschuss schlägt daher vor, die Grundsätze des fairen Wettbewerbs und das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns bei der Anwendung der Vertragsfreiheit zu berücksichtigen. Er hat sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Sinne geäußert: „Im Sinne des gesunden Wettbewerbs sollten die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, wettbewerbsrechtliche Vorschriften zu erlassen, um unlautere Geschäftspraktiken zu bekämpfen und missbräuchliche Klauseln über überlange Zahlungsfristen zu verbieten, wenn diese ohne legitimen Grund über den durchschnittlichen Umschlagszyklus (60 Tage) hinausgehen“ (15).

Bei öffentlichen Aufträgen werden lediglich von den Auftragnehmern Garantien für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags verlangt, während die Behörden keine vergleichbaren Garantien für die fristgerechte Zahlung geben. Dies sollte geändert werden, um die Situation ausgeglichen zu gestalten.

Der Grundsatz der Vertragsfreiheit sollte bei der Festlegung der Zahlungs- und Abnahmefristen für öffentliche Aufträge nicht uneingeschränkt Anwendung finden, denn die Unternehmen verfügen hier gegenüber den öffentlichen Auftraggebern eigentlich über keine Verhandlungsmacht.

Die Vertragsfreiheit sollte so ausgeübt werden, dass für den Gläubiger günstigere Vertragsbestimmungen vereinbart werden können, und nicht derart, dass Bestimmungen festgelegt werden, die den allgemeinen Vorschriften widersprechen. Der Ausschuss schlägt daher vor, in Artikel 5 Absatz 3 die Formulierung „sofern […] nichts anderes bestimmt […] ist“ durch „sofern keine andere, für den Gläubiger günstigere Bestimmung festgelegt ist“ zu ersetzen. Dieser Vorschlag gilt auch für Artikel 4 Absatz 1 hinsichtlich der Entschädigung für die Beitreibungskosten.

4.2   Einführung einer gesetzlichen Pflicht der Schuldner zur Zahlung von Verzugszinsen, einer Entschädigung und eines Mindestbetrages für interne Beitreibungskosten

4.2.1   In Finnland und Schweden können bei Zahlungsverzug automatisch Verzugszinsen eingezogen werden, ohne dass es dafür einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Diese Praxis sollte überall zum Regelfall werden. Der Ausschuss schlägt vor, eine gesetzliche Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen, einer Entschädigung und eines Mindestbetrages für interne Beitreibungskosten einzuführen und das Prinzip der Vertragsfreiheit so zur Anwendung zu bringen, dass für den Gläubiger günstigere Vertragsbestimmungen oder Beträge auf gesetzlicher Basis vereinbart werden können. Dies wird die KMU in die Lage versetzen, ohne größeren Aufwand bzw. ohne Bedenken wegen ihrer prekären Verhandlungsposition dieses Recht auszuüben.

4.3   Beziehungen zu Verbänden

4.3.1   Im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie in einzelstaatliches Recht und die Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen, die zur Verkürzung und Einhaltung der Zahlungsfristen ergriffen werden, sollten die Arbeitgeberorganisationen und KMU-Verbände konsultiert und in diesen Prozess eingebunden werden. Diese Organisationen müssen bei der Entwicklung von direkten oder Online-Informationsdiensten und bei der Beratung und Unterstützung ihrer Mitglieder zum Thema Zahlungsverzug und nachteilige Vertragsbestimmungen unterstützt werden.

4.3.2   Der Ausschuss schlägt vor, im Wortlaut von Artikel 6 Absatz 3 in Zusammenhang mit den Mitteln zur Verhinderung von grob nachteiligen Klauseln ausdrücklich die „Arbeitgeber- und KMU-Verbände“ zu erwähnen, und weist darauf hin, dass der dort verwendete allgemeine Begriff „Organisationen“ Probleme bei der Umsetzung in einzelstaatliches Recht aufwerfen könnte.

4.3.3   Arbeitgeberorganisationen und insbesondere KMU-Verbände könnten auch einen wesentlichen Beitrag zur Ausarbeitung des in Artikel 10 des Richtlinienvorschlags genannten Berichts leisten; ihr Standpunkt sollte in diesen Bericht einfließen.

4.4   Der Ausschuss hält eine wirksame und effiziente rechtliche Handhabe gegen Schuldner für notwendig.

4.4.1   Nach Ansicht des Ausschusses ist es für die Beitreibung von Schulden besonders wichtig, dass einfache, schnelle und wirksame Verfahren eingeführt werden und den Unternehmern und insbesondere KMU zur Verfügung stehen. Er fordert, dass für unbestrittene Forderungen ein vollstreckbarer Titel binnen 90 Kalendertagen erwirkt werden kann (Artikel 9). Zu verbessern gilt es auch die Verfahren zur Feststellung von grob nachteiligen Klauseln.

5.   Weitere Bemerkungen und Vorschläge

5.1   Der Ausschuss fordert eine Verbesserung der Bestimmungen über grob nachteilige Klauseln (Artikel 6) und schlägt dazu die Festlegung von Definitionskriterien für solche Klauseln vor. Zudem sollten in die Liste der immer als grob nachteilig geltenden Klauseln solche Bestimmungen aufgenommen werden, die Entschädigungen für Beitreibungskosten, den Eigentumsvorbehalt und Garantien für die ordnungsgemäße Einhaltung der Zahlungspflichten ausschließen.

5.2   Der Ausschuss bekräftigt seinen Standpunkt hinsichtlich der Stellung von Privatpersonen, die aus rein rechtlicher Sicht nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie (in der gegenwärtigen Fassung) fallen, aber in ihren Beziehungen zu bestimmten Unternehmen und zur öffentlichen Verwaltung ähnlichen Bedingungen ausgesetzt sind. Der Ausschuss fordert „die Kommission auf, eine Untersuchung dieser Fragen in Erwägung zu ziehen, um herauszufinden, ob es zweckmäßig ist, bestimmte Aspekte der Beziehungen zu den Verbrauchern in die Richtlinie aufzunehmen oder getrennt davon einschlägige Vorschläge zu erarbeiten“ (15).

5.3   Der Ausschuss schlägt vor, den Begriff „unbestrittene Forderungen“ (Artikel 9) zu definieren. Das Bestreiten von Forderungen sollte nicht mehr möglich sein, wenn eine vom Empfänger der Leistung oder Lieferung unterzeichnete Rechnung oder ein Dokument über die Abnahme der Ware vorliegt.

5.4   Darüber hinaus macht der Ausschuss auf folgende Aspekte aufmerksam:

Die Bestimmung in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b, wonach Verträge, die vor dem 8. August 2002 geschlossen worden sind, bei der Umsetzung der neuen Richtlinie ausgenommen sind, sollte an dieser Stelle gestrichen und mit Artikel 11 Absatz 4 in Einklang gebracht werden, in dem die Frist für die Umsetzung in einzelstaatliches Recht festgelegt wird.

Die in Artikel 2 Absatz 5 enthaltene Definition des Begriffs „Verzugszinsen“ sollte die Möglichkeit vorsehen, über die Höhe dieser Zinsen - auch mit Behörden - zu verhandeln.

Um Probleme bei der Umsetzung zu vermeiden, sollten entweder alle drei Kategorien von öffentlichen Aufträgen (Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge) ausdrücklich aufgezählt oder allgemein der Begriff „öffentliche Aufträge“ verwendet werden. In Artikel 5 Absätze 1, 2 und 6 werden Bauaufträge nicht genannt.

Die Formulierung „Zeitpunkt des Eingangs der Rechnung […] beim Schuldner“ sollte durch „Zeitpunkt der Übermittlung der Rechnung an den Schuldner“ (Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) ersetzt werden, denn dadurch würde die Beweislast vereinfacht und würden die Kosten für ein Versenden auf dem Postweg oder für elektronische Rechnungen gesenkt.

In Artikel 4 Absatz 1 sollte präzisiert werden, ob der Begriff „Schuld“ nur den Wert des Produkts oder auch die entsprechende Mehrwertsteuer und andere Beträge wie die Transportkosten umfasst.

In Artikel 5 Absatz 5 über den Rechtsanspruch auf Zahlung einer pauschalen Entschädigung in Höhe von 5 % des fälligen Betrages sollte genauer angegeben werden, ob eine höhere Entschädigung möglich ist, wenn entsprechende Beweise vorgelegt werden.

5.5   Die Auferlegung von überlangen Zahlungsfristen und Zahlungsverzug sollten vermieden werden bei:

Untervergabe von öffentlichen Aufträgen an Subunternehmer (in diesem Fall sollten die gleichen Zahlungsbedingungen gelten wie für die Behörden);

Lieferanten, die große Einzelhandelsunternehmen beliefern. Der Ausschuss hat bereits die „Erarbeitung eines selbstregulierenden freiwilligen Verhaltenskodex“ vorgeschlagen, die „auf nationaler Ebene erfolgen und sich auf schriftliche Vereinbarungen […] stützen“ könnte. Dieser Kodex sollte es den KMU ermöglichen, „mit einem Mindestmaß an Garantien Zugang zu den großen Einzelhandelsunternehmen zu erhalten“ (16), und zugleich verhindern, dass die großen Einzelhandelsketten und/oder Lieferanten Druck ausüben.

5.6   Der in Artikel 10 des Richtlinienvorschlags genannte Bericht sollte zumindest in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie jedes Jahr ausgearbeitet und übermittelt werden, um eine kontinuierliche Bewertung der festgestellten Ergebnisse zu ermöglichen und den Austausch beispielhafter Vorgehensweisen zu erleichtern.

5.7   Der EWSA befürwortet es, dass beispielhafte Vorgehensweisen bei der Bekämpfung von Zahlungsverzug und der Verkürzung der Zahlungsfristen nutzbar gemacht und weiterentwickelt werden sollen:

Europäische Kommission:

Maßnahmen zur Verkürzung der Zahlungsfristen für erste Vorfinanzierungen bei nicht rückzahlbaren Mitteln und bei EU-Aufträgen von 30 Tagen auf 20 Tage (diese Zahlungen belaufen sich auf insgesamt 9,5 Mrd. EUR); bei den anderen zentral verwalteten Zahlungen wird eine Verkürzung der Zahlungsfrist von 45 auf 30 Tage angestrebt (im Fall von Beihilfen);

vermehrte Anwendung von Pauschalsätzen und Pauschalbeträgen bei nicht rückzahlbaren Mitteln und zentral verwalteten kommerziellen Verträgen;

Vereinfachung der allgemeinen Verfahren vor der Einleitung von Projekten, was die Zahlung beschleunigen könnte; es werden Maßnahmen vorgeschlagen, die der Kommission die Veröffentlichung von zwei Jahre lang geltenden Ausschreibungen und die Verwendung von Standardverfahren bei Ausschreibungen ermöglichen sollen;

Förderung der Vereinfachung der Kontrollmaßnahmen, soweit dies möglich ist.

Vereinigtes Königreich: die öffentlichen Stellen haben sich verpflichtet, ihre Rechnungen innerhalb von 10 Tagen zu bezahlen;

Irland, Belgien, Polen, Portugal und Tschechische Republik: die Regierungen haben versprochen, Zahlungsverzug - insbesondere seitens der öffentlichen Stellen - zu reduzieren.

Belgien: die belgische Föderalregierung hat im Rahmen des föderalen Investitionsfonds einen neuen, besonderen Brückenkredit geschaffen, um damit Zahlungsverzug auf allen öffentlichen Verwaltungsebenen und nicht nur auf zentralstaatlicher Ebene zu finanzieren.

Spanien: Die spanische Kreditanstalt Instituto de Crédito Oficial (ICO) hat für 2009 eine 10-Milliarden-Liquiditätsfazilität in Form von zinsgünstigen Darlehen geschaffen, um den Liquiditätsbedarf von KMU und Selbstständigen zu decken. Für diese Mittel gelten die Kofinanzierungsregeln, wonach die Mittel beispielsweise zu 50 % vom ICO und zu 50 % von Kreditinstituten stammen. Darüber hinaus gibt es einen Fonds für Vorschüsse auf Rechnungen von Unternehmen und Selbstständigen für Lieferungen und Leistungen an die lokalen Gebietskörperschaften, durch den die Begleichung dieser Forderungen gewährleistet wird.

Brüssel, den 17. Dezember 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 224 vom 30.8.2008; ABl. C 182 vom 4.8.2009.

(2)  Supermarktketten usw.

(3)  ABl. C 407 vom 28.12.1998, S. 50.

(4)  Es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und ein deutliches Nord-Süd-Gefälle.

(5)  Intrum Justitia, Europäischer Zahlungsindex („European Payment Index“) 2009.

(6)  ABl. L 200 vom 8.8.2000.

(7)  ABl. L 12 vom 16.1.2001.

(8)  ABl. L 143 vom 30.4.2004.

(9)  ABl. L 399 vom 30.12.2006.

(10)  ABl. L 199 vom 31.7.2007.

(11)  ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 30.

(12)  KOM(2008) 800 endg.

(13)  KOM(2008) 394 endg., Stellungnahme des EWSA: ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 30.

(14)  Erwägungsgrund (16) eingangs des Richtlinienvorschlags.

(15)  ABl. C 407 vom 28.12.1998, S. 50.

(16)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 57.


  翻译: