11.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 44/157


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue leichte Nutzfahrzeuge im Rahmen der Gesamtstrategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von leichten Nutzfahrzeugen und Pkw“

KOM(2009) 593 endg. — 2009/0173 (COD)

2011/C 44/27

Berichterstatter: Virgilio RANOCCHIARI

Der Rat beschloss am 20. November 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 251 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue leichte Nutzfahrzeuge im Rahmen der Gesamtstrategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von leichten Nutzfahrzeugen und Pkw“

KOM(2009) 593 endg. — 2009/0173 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 15. Juni 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 464. Plenartagung am 14./15. Juli 2010 (Sitzung vom 14. Juli) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Vorschlag für eine Verordnung zur Minderung der CO2-Emissionen von leichten Nutzfahrzeugen stellt im Rahmen der Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen und nach der Verabschiedung der Verordnung über Personenkraftwagen im Jahr 2009 eine geeignete ergänzende Maßnahme dar. Keine Initiative zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen - einem grundlegenden Aspekt bei der Abschwächung des Klimawandels - darf vernachlässigt werden, sofern sie auf einem entsprechenden integrierten Ansatz beruht.

1.2   Der neue Vorschlag basiert auf der vorhergegangenen Verordnung über Personenkraftwagen, und auch in diesem Vorschlag werden Sanktionsmechanismen, Prämien, eine Ausnahmeregelung, die Förderung von Ökoinnovationen usw. vorgesehen.

1.3   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) befürchtet jedoch, dass auf diese Weise der wesentliche Unterschied zwischen Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen nicht angemessen berücksichtigt wird: bei Ersteren handelt es sich um Verbrauchsgüter, bei Letzteren um Investitionsgüter. Dies bringt ganz offensichtlich verschiedene Folgen bezüglich Rolle und Höhe der Betriebskosten mit sich. Zudem ist der Vorschlag für die leichten Nutzfahrzeuge in gewisser Hinsicht noch ehrgeiziger als die Verordnung über Personenkraftwagen, was u.a. den zeitlichen Rahmen, die Sanktionen und die Kosten betrifft. Nach Ansicht des EWSA sollte der Vorschlag in Anbetracht der für die Nutzfahrzeuge erforderlichen Vorlaufzeit (lead time) (1), die mindestens zwei Jahre länger als bei den Personenkraftwagen ist, noch einmal überarbeitet werden, auch vor dem Hintergrund der schweren Krise des Sektors, die erhebliche Auswirkungen auf den Handel hatte, die weiterhin andauern.

1.4   Außerdem wird befürchtet, dass im Falle eines zu starken Durchschlagens der ergriffenen Maßnahmen auf die Herstellungskosten und somit auf die Preise ein sich bereits in einer tiefen Krise befindender Markt weiter geschwächt werden könnte, wodurch Arbeitsplätze verloren gingen und somit die Erneuerung des Fahrzeugbestands und damit auch die Emissionsreduzierung gebremst würde.

1.5   Aus diesem Grund plädiert der EWSA dafür, die vom Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ auf seinem Treffen im Mai 2009 ausgesprochenen Empfehlungen zu berücksichtigen. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage des Sektors forderte er dazu auf, Zusatzkosten für die Industrie möglichst zu vermeiden und vor jeglicher Entscheidung gründliche Folgenabschätzungen durchzuführen.

1.6   Der EWSA weist darauf hin, dass der Vorschlag auf einer vor der Krise durchgeführten Folgenabschätzung beruht und fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, eine Aktualisierung Letzterer zu verlangen, auch auf der Grundlage einer sorgfältigen Überwachung der Emissionen nach dem Inkrafttreten der Euro-5-Norm.

1.7   Folglich bestätigt der EWSA zwar, dass eine Reduzierung der CO2-Emissionen erforderlich ist, plädiert jedoch dafür, den zeitlichen Rahmen der Verordnung zu überdenken. Hierbei sollte eine der Vorlaufzeit des Sektors angepasste Übergangsfrist von 2015 bis 2018 vorgesehen und eine genauere und aktualisierte Folgenabschätzung vorgenommen werden. Diese sollte sich auch auf die längerfristigen Ziele für den Zeitraum nach 2020 beziehen, die sich Schätzungen zufolge dank des technischen Fortschritts schrittweise einem Wert von 150-160 g/km annähern dürften, wobei zum gegebenen Zeitpunkt eine Überarbeitung erforderlich sein wird.

2.   Einleitung

2.1   In ihrer Mitteilung KOM(2007) 19 endg./2 „Ergebnisse der Überprüfung der Strategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen“ vom Februar 2007 kündigte die Europäische Kommission an, dass sie einen Rechtsrahmen zur Erreichung des EU-Ziels von 120 g/km CO2 vorschlagen wird. Die Verordnung über die CO2-Emissionen von Personenkraftwagen, die im Dezember 2008 mit dem Ziel verabschiedet wurde, die Emissionen dieser Fahrzeuge auf durchschnittlich 130 g/km zu senken, stellt ein Schlüsselelement der Unionsstrategie dar. In den dieser Strategie zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden ergänzende Maßnahmen für eine weitere Minderung der CO2-Emissionen um 10 g/km festgelegt (integrierter Ansatz); zu diesen Maßnahmen gehört der neue Vorschlag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leichter Nutzfahrzeuge.

2.2   Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 20 % zu verringern, bzw. um 30 %, falls eine allgemeine internationale Einigung erzielt werden kann. Es liegt auf der Hand, dass alle Wirtschaftsbranchen hierzu einen Beitrag leisten müssen. Der Kommission zufolge machen die Emissionen der leichten Nutzfahrzeuge ca. 1,5 % der gesamten CO2-Emissionen in der Europäischen Union aus.

2.3   Der neue Vorschlag schließt sich an zwei Mitteilungen der Kommission vom Februar 2007 an: die bereits erwähnte Mitteilung KOM(2007) 19 endg./2 und die Mitteilung KOM(2007) 22 endg. „Ein wettbewerbsfähiges Kfz-Regelungssystem für das 21. Jahrhundert“. Mit ihm wird der Aufforderung des Rates „Umwelt“ vom Juni 2007, einen Vorschlag zur Verbesserung der Energieeffizienz leichter Nutzfahrzeuge auszuarbeiten, Folge geleistet.

3.   Der Verordnungsvorschlag

3.1   Am 28. Oktober 2009 verabschiedete die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Minderung der CO2-Emissionen bei leichten Nutzfahrzeugen.

3.2   Wie bereits in der Einführung hervorgehoben wurde, soll die neue Verordnung als Ergänzung zur Verordnung (EG) Nr. 443/2009 (CO2-Emissionen der Personenkraftwagen) im Rahmen des Gesamtkonzepts zur Erreichung des Ziels der EU von 120 g CO2/km bei allen neuen leichten Nutzfahrzeugen dienen. Jeder Hersteller von leichten Nutzfahrzeugen stellt für das am 1. Januar 2014 beginnende Kalenderjahr und jedes folgende Kalenderjahr sicher, dass die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen seiner Fahrzeuge die in der Verordnung vorgesehene Zielvorgabe nicht überschreiten.

Im Einzelnen enthält die Verordnung folgende Punkte:

3.2.1

Geltungsbereich

Der Geltungsbereich des Vorschlags ist auf Fahrzeuge der Kategorie N1 begrenzt. Die Kommission wird erst im Anschluss an eine Überprüfung im Jahr 2013 nach dem Komitologie-Verfahren entscheiden, ob er auch auf Fahrzeuge der Kategorien N2 und M2 (2) ausgeweitet wird.

3.2.2

Kurzfristiges Ziel

Gemäß dem Vorschlag sollen die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen von Neufahrzeugen bis zum 1. Januar 2016 auf 175 g CO2/km begrenzt werden, wobei eine Übergangsfrist ab 2014 vorgesehen ist (die Zielvorgabe gilt für 75 % der Fahrzeuge im Jahr 2014, 80 % im Jahr 2015 und 100 % ab 2016).

3.2.3

Parameter für den Nutzwert

In dem Vorschlag wird die Masse eines Fahrzeugs in fahrbereitem Zustand als Parameter für den Nutzwert (Berechnungsgrundlage für die Messung der Emissionen) beibehalten. In Artikel 12 ist jedoch vorgesehen, dass die Kommission 2014 die Verwendung alternativer Parameter für den Nutzwert (Fahrzeugstandfläche, Nutzlast) (3) bewertet.

3.2.4

Sanktionsmechanismus

Im Vorschlag ist Folgendes festgelegt:

a)

Die Abgabe wird durch Multiplikation der Zielüberschreitung in Gramm CO2/km mit der Zahl der im betreffenden Jahr neu zugelassenen Fahrzeuge berechnet;

b)

Während einer Übergangsfrist (bis einschließlich 2018) ist eine flexible Vorgehensweise vorgesehen, bei der die Abgabe pro Gramm CO2 mit zunehmender Differenz zur Zielvorgabe steigt, d.h.: 5 EUR bei Emissionsüberschreitungen bis zu 1 g, 15 EUR bei Emissionsüberschreitungen bis zu 2 g, 25 EUR bei Emissionsüberschreitungen bis zu 3 g und 120 EUR für jedes weitere Gramm;

c)

Nach Ablauf der Übergangsfrist (nach 2018) hängt die Abgabe pro Gramm CO2 nicht mehr von der Differenz zur Zielvorgabe ab, sondern wird auf 120 EUR pro Gramm, mit dem das Ziel überschritten wird, festgesetzt.

3.2.5

Begünstigung

Bei der Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen sind für Hersteller, die außergewöhnlich leistungsfähige Fahrzeuge herstellen, Begünstigungen vorgesehen. Jedes neue leichte Nutzfahrzeug mit spezifischen CO2-Emissionen von weniger als 50 g CO2/km zählt 2014 als 2,5 leichte Nutzfahrzeuge, 2015 als 1,5 leichte Nutzfahrzeuge und ab 2016 als 1 leichtes Nutzfahrzeug.

3.2.6

Ausnahmeregelung für bestimmte Hersteller

Hersteller von weniger als 22 000 neuen kleinen Nutzfahrzeugen, die je Kalenderjahr in der Gemeinschaft zugelassen werden, können eine Ausnahme von der Zielvorgabe für die spezifischen Emissionen (siehe Ziffer 3.2) beantragen, wenn sie:

a)

nicht zu einer Gruppe verbundener Hersteller gehören oder

b)

zu einer Gruppe verbundener Hersteller gehören, die insgesamt für weniger als 22 000 neue leichte Nutzfahrzeuge verantwortlich ist, die je Kalenderjahr in der Gemeinschaft zugelassen werden, oder

c)

zu einer Gruppe verbundener Hersteller gehören, aber ihre eigenen Produktionsanlagen und ihr eigenes Konstruktionszentrum betreiben.

3.2.7

Ökoinnovationen

Auf Antrag eines Zulieferers oder Herstellers berücksichtigt die Kommission nach noch festzulegenden Modalitäten CO2-Einsparungen, die durch den Einsatz innovativer Technologien erreicht werden, die im regulären Prüfzyklus zur Messung der CO2-Emissionen nicht erfasst sind. Der Gesamtbeitrag dieser Technologien zu einer Reduzierung der durchschnittlichen spezifischen Emissionen jedes Herstellers beträgt bis zu 7 g CO2/km.

3.2.8

Emissionsgemeinschaften (Pooling)

Hersteller neuer leichter Nutzfahrzeuge, denen keine Ausnahme nach Ziffer 3.2.6 der vorliegenden Stellungnahme gewährt wurde, können eine Emissionsgemeinschaft bilden, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.

3.2.9

Unvollständige Fahrzeuge (Mehrstufen-Typgenehmigungsverfahren (multi-stage))  (4)

Im Verordnungsvorschlag ist vorgesehen, dass bei „vervollständigten Fahrzeugen“ der höchste Wert aller „vollständigen Fahrzeuge“ gilt, die demselben Typ angehören, wie das Basisfahrzeug, auf dem das vervollständigte Fahrzeug basiert.

3.2.10

Langfristiges Ziel

Die Kommission wird bis zum 1. Januar 2013 eine Überprüfung der spezifischen Emissionsziele mit dem Ziel abschließen, die Modalitäten festzulegen, auf deren Grundlage bis zum Jahr 2020 ein langfristiges Ziel von 135 g CO2/km erreicht werden kann.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Wie bereits in früheren Stellungnahmen zu Legislativvorschlägen der Kommission in Bezug auf die Reduzierung der CO2-Emissionen bekräftigt der EWSA, dass er alle Gemeinschaftsinitiativen befürwortet, mit denen konkrete Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen erreicht werden sollen, was einen wesentlichen Aspekt der Eindämmung des Klimawandels darstellt. Vor diesem Hintergrund dürfen daher keine zumutbaren Maßnahmen vernachlässigt werden, um auch die Emissionen der Nutzfahrzeuge, die mehr als 10 % des Fahrzeugbestands ausmachen, zu senken.

4.2   Darüber hinaus scheint das gewählte Instrument – eine „Verordnung“ – am besten geeignet zu sein, um sicherzustellen, dass die erlassenen Vorschriften unverzüglich eingehalten werden, und um Wettbewerbsverzerrungen und deren mögliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt zu vermeiden.

4.3   Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass in dem Kommissionsvorschlag, dem die für Personenkraftwagen verabschiedete Verordnung als Vorlage diente, die Unterschiede zwischen Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen unterschätzt werden. Die wichtigsten Unterschiede sind:

Der im Vergleich zu Pkw längere Entwicklungs- und Produktionskreislauf;

der Verwendungszweck dieser Fahrzeuge, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, bei der die Effizienz und die Robustheit des Motors und der damit zusammenhängende Kraftstoffverbrauch häufig den größten Posten unter den für diese Tätigkeit anfallenden Betriebskosten darstellen. Nicht zufällig sind 97 % der Nutzfahrzeuge Dieselfahrzeuge;

das Käuferprofil, über 90 % der Käufer sind äußerst kostenbewusste Klein- und Kleinstgewerbebetriebe.

4.4   Ferner weist der EWSA auf die Komplexität dieser Überprüfung hin, mit der auf eine weitere Reduzierung der CO2-Emissionen abgezielt werden sollte, ohne jedoch die Wettbewerbsfähigkeit des Kraftfahrzeugsektors zu beeinträchtigen, der auf einem äußerst hart umkämpften Weltmarkt tätig ist und sich derzeit in einer gewaltigen Krise befindet. Für das Jahr 2009 weist die Handelsbilanz des Sektors der leichten Nutzfahrzeuge einen Einbruch von mehr als 30 % gegenüber 2008 aus, insbesondere einen Rückgang um 30 % in Westeuropa (Italien 23,4 %, Deutschland 24,7 %, Spanien 38,8 %, Frankreich 21,3 %, Vereinigtes Königreich 37,1 %) und um 49 % in den neuen Mitgliedstaaten (z.B. um 28 % in Polen und 67 % in der Tschechischen Republik).

4.5   Der EWSA kann die von einigen Seiten geäußerte Besorgnis nicht außer Acht lassen, dass die Maßnahmen zu stark auf die Herstellungskosten und somit auf den Verkaufspreis der Fahrzeuge durchschlagen könnten. Daraus ergibt sich die Gefahr eines Produktionsrückgangs und somit von Arbeitsplatzverlusten einerseits und eines geringeren Kaufinteresses andererseits, was zur Folge haben könnte, dass weniger Fahrzeuge durch sauberere Neufahrzeuge ersetzt werden.

4.6   Der EWSA spricht sich bestimmt nicht dagegen aus, Normen für die CO2-Emissionen von Nutzfahrzeugen festzulegen, wodurch auch der Gefahr entgegengewirkt werden kann, dass auf dem Markt größere Fahrzeuge als Nutzfahrzeuge zugelassen werden, um in den Genuss einer ermäßigten Kfz-Steuer oder anderer möglicher Vergünstigungen zu kommen. Was aber derzeit Sorge bereitet, ist die konkrete Durchführbarkeit der vorliegenden Verordnung, die einerseits auf Bewertungen beruht, die aus dem Jahr 2007 stammen, d.h. aus der Zeit vor der Krise, die den Sektor schwer belastet hat und diesen auch weiterhin beeinträchtigen wird, und andererseits die Tatsache, dass keine angemessenen Umsetzungsfristen vorgesehen sind.

4.7   Der aktuelle Vorschlag enthält im Vergleich zum vorherigen Ansatz eine Neuerung, die die Zielvorgaben betrifft: Es sollen nicht mehr bis 2012 175g CO2/km und bis 2015 160g CO2 erreicht werden, sondern – wie oben bereits erwähnt – bis zum 1. Januar 2016 175 g CO2, wobei allerdings eine Übergangsfrist ab 2014 und schließlich ein Wert von 135 g CO2 bis 2020 vorgesehen sind. Wie auch im Folgenden zu sehen sein wird, reicht diese Änderung jedoch nicht aus, denn sie lässt die Vorlaufzeit des Sektors außer Acht, und keine Industriebranche wird sich auf ein besonders kostspieliges Investitionsprogramm einlassen, solange der festzusetzende Rechtsrahmen noch nicht sicher ist.

4.8   In diesem Zusammenhang beruft sich der EWSA auf die Schlussfolgerungen des Rates „Wettbewerb“ vom 29. Mai 2009 über die Automobilindustrie, in denen gefordert wird, neue Vorschriften, die den Unternehmen übermäßige Kosten verursachen könnten, in allen Produktionssektoren zu vermeiden. Was den Automobilsektor im Besonderen betrifft, so hat der Rat anerkannt, dass „in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage, in der sich der Sektor derzeit befindet, zusätzliche Lasten für die Industrie wenn möglich vermieden werden sollten. Der Erlass neuer Legislativmaßnahmen muss äußerst behutsam und auf der Grundlage umfassender Folgenabschätzungen unter Beachtung der aktuellen Gegebenheiten erfolgen“.

4.9   Der EWSA ist des Weiteren der Auffassung, dass die Kommission nicht die parallel existierenden „rivalisierenden“ Vorschriften berücksichtigt hat, aufgrund derer die Verwirklichung des vorgegeben Ziels erschwert wird. Bei der durchgeführten Folgenabschätzung wurde nicht bedacht, dass sich die für die Erfüllung der Euro-Normen 5 und 6 für Dieselmotoren erforderliche Reduzierung der Abgase im Hinblick auf die Stickstoffoxide (NOx) und Partikel (PM) negativ auf die Kraftstoffeffizienz auswirkt.

4.10   Der EWSA weist schließlich darauf hin, dass es bis heute kein offizielles Kontrollsystem für die Emissionen leichter Nutzfahrzeuge gibt und daher keine offiziellen diesbezüglichen Daten vorliegen. Es besteht die Gefahr, dass der Branche und der Zulieferindustrie konkrete Auflagen gemacht werden, ohne über entsprechende Informationen zu verfügen.

4.11   Angesichts dieses Tatbestands fordert der EWSA - wie bereits in der Stellungnahme zur Festsetzung von Emissionsnormen für Personenkraftwagen (5) - die europäischen Institutionen auf, den zeitlichen Rahmen der Verordnung zu überprüfen und eine der Vorlaufzeit des Sektors angepasste und wie bei den Pkw vierstufige Übergangsfrist von 2015 bis 2018 vorzusehen.

4.12   Ein gleichwohl ehrgeiziges, aber ab 2020 realistischeres Ziel liegt bei einem Wert von 150–160 g CO2/km, der auch auf der Grundlage der in der Zwischenzeit verfügbaren Daten aus der Emissionsüberwachung schrittweise zu erzielen wäre. Der EWSA hofft, dass die im Europäischen Parlament und im Rat eingeleiteten Überlegungen auch in dieser Hinsicht zu einer Überarbeitung des ursprünglichen Vorschlags führen werden.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass in dem Vorschlag insofern zwingendere Auflagen als in der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 für Personenkraftwagen gestellt werden, als:

5.1.1

der zeitliche Rahmen enger gesteckt ist. Die vorgesehene allmähliche Einführung der Zielvorgaben beginnt ungefähr vier Jahre nach der Verabschiedung des Vorschlags durch die Kommission. Dies steht im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 443/2009, die Ende 2007 von der Kommission verabschiedet und Mitte 2009 veröffentlicht wurde. Bei Nutzfahrzeugen sind die Konzeptions- und Produktionszyklen jedoch bekanntermaßen länger als bei Personenkraftwagen (7-10 Jahre anstelle von 5-7 Jahren), weshalb eine längere Vorlaufzeit als die in der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 vorgesehene erforderlich ist. Darüber hinaus ist die für die Nutzfahrzeuge vorgesehene Übergangsfrist kürzer als bei Pkw und der Prozentsatz der gleich zu Beginn betroffenen Fahrzeuge ist höher (75 % der Nutzfahrzeuge gegenüber 65 % der Pkw).

5.1.2

höhere Kosten entstehen. Bei den meisten Nutzfahrzeugen handelt es sich um Dieselfahrzeuge (ca. 97 %); es bestehen nur geringfügige Verbesserungsmöglichkeiten, so dass die Emissionsminderungskosten höher sind. Folglich wirkt sich dies voraussichtlich stärker auf den Verkaufspreis aus (zwischen 8 % und 10 % gegenüber 6 % beim Pkw), ebenso sind die durch die Minderung der CO2-Emissionen entstehenden Grenzkosten höher (ca. 160 EUR gegenüber einer Spanne von 25-150 EUR bei Pkw).

5.2   Der EWSA stellt fest, dass in dem Vorschlag als Parameter für den Nutzwert die Masse eines Fahrzeugs in fahrbereitem Zustand festgelegt, aber gleichzeitig in Artikel 12 für 2014 eine Bewertung der Verwendung alternativer Parameter für den Nutzwert (Fahrzeugstandfläche, Nutzlast) durch die Kommission vorgesehen ist. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass das Europäische Parlament und der Rat genauer die Möglichkeit untersuchen, unverzüglich verschiedene Parameter zu bewerten, die dem Verwendungszweck der Nutzfahrzeuge besser Rechnung tragen. Der EWSA hält beispielsweise die im Fahrzeugschein angegebene maximale Fahrzeugmasse (Gross Vehicle Mass) für einen besser geeigneten Parameter, da sie auch der Ladekapazität (Ladefähigkeit) Rechnung trägt.

5.3   Die für die Nutzfahrzeuge vorgesehenen Sanktionen sind kostspieliger als bei den Personenkraftwagen: Die pro Gramm zu entrichtende Abgabe bei Überschreitung der zulässigen Emissionswerte ist deutlich höher (120 EUR anstelle von 95 EUR). Der EWSA betont die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors aufrechtzuerhalten und kommt zu dem Schluss, dass es ausreicht, wenn bei den Nutzfahrzeugen ähnlich scharfe Sanktionen auferlegt werden wie bei den Personenkraftwagen, um dafür zu sorgen, dass die Vorschriften eingehalten werden, was auch aus der Folgenabschätzung hervorgeht. Es leuchtet nicht ein, warum dieselbe Menge an CO2-Emissionen bei einem Nutzfahrzeug strenger geahndet werden sollte als bei einem Pkw.

5.4   Laut Vorschlag können innovative Technologien zu einer Reduktion der Zielvorgabe für die durchschnittlichen spezifischen Emissionen jedes Herstellers um bis zu 7 g CO2/km beitragen. Der EWSA befürwortet die Einführung dieser Technologien, die auch der Zulieferindustrie Möglichkeiten im Hinblick auf Beschäftigung und Entwicklung bieten.

5.5   Hinsichtlich der für besonders effiziente Fahrzeuge vorgesehenen „Begünstigung“ stellt der EWSA fest, dass diese weniger großzügig ist als in der Verordnung (EG) Nr. 443/2009, denn der für die hierfür in Frage kommenden Fahrzeuge geltende Grenzwert (< 50 g CO2/km) ist derselbe wie bei Pkw. Der durchschnittliche Emissionswert der leichten Nutzfahrzeuge ist jedoch viel höher (ebenso wie die Zielvorgaben) als bei Pkw. Die Kommission sollte daher in Abhängigkeit von der Masse der drei Nutzfahrzeugklassen der Kategorie N1 realistischere Werte ermitteln (6).

5.5.1   Auch hier ist nach Auffassung des EWSA eine gründlichere Folgenabschätzung erforderlich. Der EWSA hält es für methodisch ungenau, einen absoluten Wert (50 g CO2/km) vorzugeben, wenn wie im Fall der Nutzfahrzeuge ein und dasselbe Fahrgestell je nach Ausrüstung und befördertem Gewicht für völlig unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden kann. Abgesehen davon lässt sich ein derart niedriger Wert mit den aktuellen Verbrennungsmotoren praktisch nicht erreichen. Hierfür wäre eine derzeit noch nicht vollzogene „umfassende technologische Neuausrichtung (7)“ erforderlich.

5.6   Das für 2020 vorgesehene langfristige Ziel von 135 g CO2/km hängt davon ab, ob dessen Realisierbarkeit im Rahmen der bis 2013 vorzunehmenden Überprüfung durch die Ergebnisse einer aktuellen Folgenabschätzung bestätigt wird. Der EWSA teilt die Ansicht, dass auch für leichte Nutzfahrzeuge langfristige Ziele festgelegt werden müssen, doch ist schon jetzt absehbar, dass der vorgeschlagene Wert innerhalb der vorgegebenen Frist nicht erreicht werden kann. Denn die technologischen Fortschritte der kommenden Jahre werden überschätzt und ein weiteres Mal wurden die erforderliche Vorlaufzeit des Sektors sowie die Auswirkung äußerer Faktoren, die Teil eines integrierten Ansatzes sein sollten, außer Acht gelassen.

5.7   Der EWSA ist der Auffassung, dass die vorstehenden Bemerkungen durch die Tatsache bestätigt werden, dass die durchgeführte Folgenabschätzung aus folgenden Gründen unzureichend ist:

5.7.1

es geht nicht hervor, weshalb ein Ziel von 135 g CO2/km festgelegt wurde und sie enthält keine Kostenschätzung zu diesem Zielniveau. Die Auswirkungen auf den Verkaufspreis werden nur für die Werte 160, 150, 140 und 125 g CO2/km angegeben. Letzterer wird verworfen, weil er zu kostspielig ist (der Verkaufspreis würde um 4 000 EUR ansteigen, also um ca. 20 %). Bei einer Zielvorgabe von 135 g CO2 ist demnach mit einem Kostenanstieg in Höhe von 15 % bis 20 % des Verkaufspreises zu rechnen;

5.7.2

sie trägt nicht der Tatsache Rechnung, dass ein Anstieg des Verkaufspreises die Erneuerung des Fahrzeugbestands bremsen könnte, wodurch die Emissionen insgesamt zunehmen würden (geringere durchschnittliche Emissionen der Neufahrzeuge, aber höhere Gesamtemissionen des Fahrzeugbestands).

5.8   Der EWSA befürwortet die Ausnahmeregelung für Kleinserien- und Nischenhersteller, da besondere Umstände flexible Lösungen erfordern.

5.9   Hinsichtlich der unvollständigen Fahrzeuge befürchtet der Ausschuss, dass die vorgeschlagene spezifische Regelung keine sinnvolle Lösung ist, da keine entsprechenden Daten vorliegen. Der EWSA begrüßt daher die Initiative des spanischen Ratsvorsitzes, der derzeit gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Kommission die Frage überprüft. Im Verlauf dieser Überprüfung wird der endgültige Wortlaut so abgeändert werden, dass der Situation des Sektors stärker Rechnung getragen wird. Allerdings ist es wichtig, schnellstmöglich ein offizielles System zur Überwachung der Daten über die CO2-Emissionen der dem Mehrstufen-Typgenehmigungsverfahren unterzogenen Fahrzeuge einzurichten.

5.10   Der EWSA begrüßt die Entscheidung, den Geltungsbereich auf Kraftfahrzeuge der Kategorie N1 zu beschränken und Fahrzeuge der Kategorien N2 und M2 erst dann einzubeziehen, wenn eine spezifische Folgenabschätzung durchgeführt wurde und die entsprechenden Emissionsdaten vorliegen (8). Er betont jedoch, dass den Merkmalen dieser Fahrzeuge in vollem Umfang Rechnung getragen werden muss. Insbesondere sollten Fahrzeuge der Kategorie M2 aufgrund ihres besonderen Charakters als Nischenfahrzeuge von vornherein ausgenommen werden.

Brüssel, den 14. Juli 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Die Zeit, die die Industrie benötigt, um jede neue Auflage umzusetzen, die mit baulichen Veränderungen am Fahrzeug verbunden ist.

(2)  N1 = Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit Höchstnutzlast < 3,5 t; N2 = Fahrzeuge zur Güterbeförderung < 12 t; M2 = Personenbeförderung, mehr als 8 Personen mit Höchstmasse < 5 t.

(3)  Nutzlast (payload): Die Nutzlast des Fahrzeugs ist definiert als die Differenz zwischen der technisch zulässigen Höchstmasse gemäß Anhang III der Richtlinie 2007/46/EG und der Masse des Fahrzeugs. Zur Berechnung der Fahrzeugstandfläche (footprint) wird der Radstand mit der Spurweite des Fahrzeugs multipliziert.

(4)  Dem Mehrstufen-Typgenehmigungsverfahren unterzogene Fahrzeuge werden vom Hersteller nur als Basisfahrzeug (Führerhaus und Fahrgestell) verkauft und anschließend von anderen Herstellern im Hinblick auf ihren Verwendungszweck (der erheblich variieren kann) vervollständigt. Diese stufenweise genehmigten Fahrzeuge machen ca. 15 % des Marktes aus. Sie können gemäß Richtlinie 2007/46/EG in aufeinanderfolgenden Stufen genehmigt werden, in der zwischen „Basisfahrzeug“ (das in der ersten Stufe eines Mehrstufen-Typgenehmigungsverfahrens genehmigt wird), „vervollständigtem Fahrzeug“ (das am Ende eines solchen Verfahrens genehmigt wird) und „vollständigem Fahrzeug“ (das in einem einfachen Typgenehmigungsverfahren genehmigt wird) unterschieden wird.

(5)  Verordnung (EG) Nr. 443/2009 vom 23. April 2009 zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 1) – EWSA-Stellungnahme: ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 1.

(6)  Klasse I: Höchstmasse von 1 305 kg und Ladekapazität von 2,5 m3, Klasse II: Höchstmasse von 1 760 kg und Ladekapazität von 6 m3; Klasse III: > 1 760 kg und Ladekapazität von 17m3.

(7)  Siehe EWSA-Stellungnahme, Fußnote 5.

(8)  Die Messung der CO2-Emissionen der Fahrzeuge der Kategorien N2 und M2 wurde mit der Verordnung über die Euro-5- und Euro-6-Normen eingeführt, die für Neuzulassungen ab Januar 2011 und September 2015. Was typgenehmigte Fahrzeuge gemäß der Verordnung über schwere Nutzfahrzeuge betrifft, so ist es möglich, dass die Daten über die CO2-Emissionen nicht vor dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem die Euro-VI-Norm bindend wird (31.12.2013).


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