25.8.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/118


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/666/EWG, 2005/56/EG und 2009/101/EG in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern“

KOM(2011) 79 endg. — 2011/0038 COD

2011/C 248/20

Berichterstatter: Miklós PÁSZTOR

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 8. bzw. 16. März 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe g) AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/666/EWG, 2005/56/EG und 2009/101/EG in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern

KOM(2011) 79 endg. – 2011/0038 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 26. Mai 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 472. Plenartagung am 15./16. Juni 2011 (Sitzung vom 15. Juni) mit 144 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Veröffentlichung der Richtlinie, die seiner Ansicht nach einen wichtigen Fortschritt für die Entwicklung des Binnenmarktes darstellt. Sie ermöglicht nämlich die Verwirklichung umfassenderer Ziele von Handelsunternehmen, Arbeitnehmern, Verbrauchern und europäischen Bürgern, die in der Europa-2020-Strategie und in der europäischen Initiative für kleine und mittlere Unternehmen („Small Business Act“) formuliert wird. In der gegenwärtigen Form entspricht der Vorschlag, in dem die Vereinheitlichung der wichtigsten Angaben und Urkunden und die Ersetzung der freiwilligen Zusammenarbeit durch die gesetzliche Verpflichtung auf dem gesamten EU-Gebiet vorgesehen ist, jedoch nur einigen grundlegenden Forderungen.

1.2   Zugleich enthält der Vorschlag etliche Ungewissheiten hinsichtlich der Umsetzung. Darin wird es der Kommission überlassen, zahlreiche Fragen im Rahmen einer künftigen Regelung zu beantworten. Der EWSA hofft, auch in die künftigen Legislativetappen einbezogen zu werden und bei der Erarbeitung dieser künftigen Regelung weiterhin mit der Kommission partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.

1.3   Der EWSA hätte es vorgezogen, wenn in dem Vorschlag die drei geänderten Richtlinien konsolidiert und die einschlägigen Forderungen der EU wirklich eigenständig formuliert worden wären (1). Mit der Änderung und den zu einem späteren Zeitpunkt verabschiedeten delegierten Rechtsakten wird die Umsetzung weniger klar sein. Daher bekräftigt der EWSA in dieser Frage seine in Bezug auf das Grünbuch vertretenen Standpunkte und würde sich wünschen, dass sie in künftige Rechtsvorschriften Eingang finden.

1.4   Der Ausschuss hält es für ein großes Versäumnis, dass in der Regelung nicht die Frage der Sitzverlagerung behandelt wird, die - wie es in dem Grünbuch heißt – in einem zunehmend einheitlichen Markt immer entscheidender wird. Der EWSA hält es für eine verpasste Gelegenheit, dass der Gesetzgeber nicht bestrebt war, das im Übrigen erwähnte Prinzip der Wertpapiertransparenz als Modell zu verwenden.

1.5   Der EWSA unterstützt die Änderungen in dem Vorschlag hinsichtlich der Richtlinien 89/666/EWG und 2005/56/EG.

1.6   Hinsichtlich der Änderung der Richtlinie 2009/101/EG hält der Ausschuss folgende Aspekte für wichtig:

Die Daten werden innerhalb der kürzestmöglichen Frist - d.h. der kürzesten Frist unter Berücksichtigung technischer und rechtlicher Zwänge – veröffentlicht;

wie vom EWSA bereits zu einem früheren Zeitpunkt empfohlen, muss der Antrag auf Basisinformationen im Rahmen des vereinheitlichten europäischen Systems kostenfrei sein;

die Frage der Kosten für Aufbau und Nutzung des Systems muss geklärt werden, was momentan nicht der Fall ist. Der Ausschuss vermisst in dem Vorschlag entsprechende Folgenabschätzungen; er hält es jedoch für unabdingbar, dass die EU Mittel zur Kostendeckung vorsieht;

die Nutzung des Systems ermöglicht es, so unmittelbar wie möglich Zugang zu den Informationen zu haben und die Offenlegung von Informationen in Papierfassung auf ein Minimum zu beschränken.

1.7   Der EWSA akzeptiert den 1. Januar 2014 als letzte Frist für die Umsetzung der notwendigen Rechtsakte durch die EU und die Mitgliedstaaten. Er hält es jedoch für unterlässlich, dass die EU eine „interne“ Frist für die in den delegierten Rechtsakten festgelegten Maßnahmen setzt.

2.   Inhalt des Richtlinienvorschlags

2.1   Die Richtlinie zielt darauf ab, die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen, die die Möglichkeiten des Binnenmarktes immer besser nutzen, transparenter zu gestalten und so das Vertrauen in den Binnenmarkt zu stärken, um die Nutzung der Wettbewerbsvorteile, die sich aus den Beziehungen zwischen Handelspartnern ergeben, zu begünstigen.

2.2   Auf der Grundlage der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit Gesellschafter und Dritte auf dem gesamten EU-Gebiet leichten Zugang zu den Urkunden und Angaben über Gesellschaften und ihre gegenseitigen Beziehungen bekommen. Bislang gab es nämlich keinerlei entsprechende wirksame Verpflichtung oder Möglichkeit. Die Transparenzfrage ist besonders akut und dringlich im Falle von Fusionen und Spaltungen von beidseitig einer Grenze angesiedelten Unternehmen oder im Falle örtlicher Zweigniederlassungen einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterworfenen Gesellschaft.

2.3   Als Lösung schlägt die Kommission die Änderung früherer Richtlinien vor:

Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem anderen Mitgliedstaat errichtet wurden (elfte Richtlinie);

Richtlinie 2005/56/EG über Verschmelzungen von Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten;

Richtlinie 2009/101/EG über mögliche Schutzbestimmungen für Gesellschafter und Dritte (neue Richtlinie über die Offenlegung von Geschäften, ersetzt die erste Richtlinie).

Diese Richtlinien befriedigen den wachsenden Informationsbedarf nur zum Teil.

2.4   Durch die mit der neuen Richtlinie eingeführten Änderungen werden die bestehenden Anforderungen und Verfahren erweitert, präzisiert und weiterentwickelt, und die Kommission wird zu weiteren Präzisierungen und Erweiterungen bei der Umsetzung der Richtlinie ermächtigt. Diese Maßnahme zielt im Wesentlichen darauf ab, dass sämtliche Gesellschaften, Zweigniederlassungen und Zusammenschlüsse von Wirtschaftsakteuren eindeutig und so schnell wie möglich identifiziert werden können und dass jede Änderung unverzüglich registriert und zugänglich wird. Als bestes Instrument erweist sich hierfür die elektronische Speicherung und Offenlegung der Urkunden und Angaben, und die Mitgliedstaaten müssen die Digitalisierung und Zugänglichkeit der Daten über die geplante einzige europäische Plattform gewährleisten.

2.5   Die meisten Änderungsvorschläge der Europäischen Kommission beziehen sich auf Richtlinie 2009/101/EG:

Die Frist für die Offenlegung der Daten wird auf maximal 15 Kalendertage festgelegt;

für jede Gesellschaft muss es eine einzige Kennung geben, die ihre zweifelsfreie Identifizierung im Europäischen Wirtschaftsraum ermöglicht;

die von den Mitgliedstaaten vorgeschriebenen Formalitäten müssen mit der Zugänglichkeit über eine einzige europäische Elektronikplattform vereinbar sein;

die Mitgliedstaaten müssen die Verlässlichkeit der Urkunden und Angaben gewährleisten;

die für die Offenlegung erhobenen Entgelte dürfen nicht über die notwendigen Verwaltungskosten hinausgehen;

zwecks Durchführung dieser Bestimmungen kann die Europäische Kommission auf der Grundlage übertragener Befugnisse technische Modalitäten für die Verwaltung, Sicherheit, Art der Bildung der einzigen Kennung, Sprachenverwendung, Methoden und technischen Normen für die Offenlegung sowie Sanktionsmöglichkeiten im Falle der Nichteinhaltung der Bestimmungen festlegen.

2.6   Was die Richtlinien von 1989 und 2005 angeht, bezieht sich die Änderung auf die eindeutige Kennung derjenigen Zweigniederlassungen oder Kapitalgesellschaften, die Gegenstand einer grenzübergreifenden Fusion waren, und auf die Forderung nach einer elektronischen Kompatibilität der übrigen Registriertätigkeiten.

2.7   In der Richtlinie, die sich an die Mitgliedstaaten richtet, wird des Weiteren der 1. Januar 2014 als letzte Frist für die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten genannt; die Richtlinie selbst tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

3.   Rechtlicher Hintergrund der Stellungnahme

3.1   Transparente Handelsregister sind nicht nur ein wichtiges Ziel an sich, sondern zugleich auch eine Voraussetzung für die Förderung der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts. Die Interoperabilität der nationalen Register ist im Wesentlichen eine informationstechnische und wirtschaftliche Frage, aber der Vorschlag muss in einer rechtlichen Form veröffentlicht werden, weshalb die rechtlichen Erfordernisse daher nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Neben der Notwendigkeit, die richtige rechtliche Form zu finden, muss auch der rechtliche Hintergrund der Harmionisierung eingehend untersucht werden.

3.1.1   In diesem Zusammenhang stellt sich zuallererst die Frage, wie die Interessen der typischen kapitalexportierenden Länder und diejenigen der typischen kapitalimportierenden Länder miteinander in Einklang gebracht werden können. In der nachstehenden Tabelle werden ihre wesentlichen Standpunkte skizziert. Auf der Grundlage dieser Standpunkte schmälert die Berücksichtigung der zugrunde liegenden Interessen längerfristig erheblich den Erfolg einer inhaltlichen Harmonisierung, auch wenn im Rahmen der Debatten diese Frage angesichts einer technischen Frage wie der Interoperabilität der Handelsregister nicht wichtig erscheint.

 

Kapitalexportierender Mitgliedstaat

Kapitalimportierender Mitgliedstaat

1.

Legitimation der Unternehmen (Rechtsperson)

Fiktionsprinzip (Universalismus)

Realitätsprinzip (Partikularismus)

2.

Identifizierbarkeit der Rechtsperson

Registrierort

Tatsächlicher Verwaltungssitz

3.

Rechtsprechung

Individualitätsprinzip

Territorialitätsprinzip

4.

Grundsatz des Wirtschaftsrechts

Rechtssicherheit

Prävention von Rechtsmissbrauch

5.

Grundsatz des EU-Rechts (Binnenmarktpolitik)

Verbot der Beschränkung der Grundfreiheiten

Verbot diskriminierender Behandlung

3.2   Die Hemmnisse für die nationale Registrierung von Unternehmen sind in einigen – das Fiktionsprinzip anwendenden – Ländern (wo die Unternehmen auf nationaler Ebene im Prinzip automatisch anerkannt werden, wenn sie bestimmte formale Voraussetzungen erfüllen) weitaus geringer als in anderen Ländern (wo der Schutz der im Wirkungskreis der Unternehmen tätigen lokalen Gemeinschaften ebenfalls wichtig ist), da die Unternehmen, die eine Registrierung beantragen, eine größere Verantwortung als der Staat tragen. Anders gesagt: Hinsichtlich der Unternehmensregistrierung sind privatrechtliche Regelungen wichtiger als Bestimmungen des öffentlichen Rechts.

3.3   In einigen Ländern ist eine Änderung des Unternehmensstatuts überhaupt nicht möglich, während in anderen Ländern im Falle einer Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes die Identität, die vom Gesellschaftsrecht anerkannt werden kann, geändert und folglich auch eine Änderung im Register vorgenommen werden muss. Dies zog etliche Probleme im Binnenmarkt nach sich (siehe etwa den Fall Überseering), die weder eine doppelte Identität noch das Albtraumszenario einer doppelten Nichtidentität ausschließen (zum Beispiel im Falle einer irisch-deutschen Kombination).

3.4   Einige Länder sehen die Welt als einheitliches Ganzes und Unternehmenstätigkeiten als Gesamtheit, unabhängig davon, ob diese auf ihrem Gebiet oder im Ausland ausgeübt werden (Individualitätsprinzip). In anderen Ländern wird die Rechtsprechung auf der Grundlage des Territoriums bestimmt, oder zumindest wird auch hierauf Gewicht gelegt, und es besteht folglich ein gravierender Unterschied zwischen nationalem Territorium und Ausland. Die Harmonisierung ist somit von großer Bedeutung. Im ersten Fall (Individualitätsprinzip) fällt die Interoperabilität der Handelsregister im Wesentlichen unter das Privatrecht, und das Gesellschaftsrecht bezieht sich auf die Eigeninteressen der Unternehmen. Im zweiten Fall sind öffentliche Maßnahmen notwendig. Im ersten Fall ist es denkbar, dass für die kapitalexportierenden Länder beispielsweise das Projekt BRITE eine bessere Lösung als die positive Harmonisierung zu sein scheint.

3.5   Kennzeichnend für kapitalexportierende Länder ist, dass sie bei der Registrierung die gemäß dem Gesellschaftsrecht erhaltene Kennung nur ungern ändern, denn ihrer Ansicht nach hat die Rechtssicherheit Vorrang vor jedem anderen Aspekt. Demgegenüber sind andere Länder der Auffassung, dass der Schutz der im Wirkungskreis der Unternehmen tätigen lokalen Gemeinschaften am allerwichtigsten ist, und zögern gegebenenfalls nicht, den Rechtsstatus eines Unternehmens in Frage zu stellen. Aus diesem Grunde kann Artikel 11 der ersten Richtlinie (Artikel 12 in der neuen Richtlinie), in dem die Gründe für eine Unternehmensauflösung genau dargelegt werden, in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich angewandt werden – je nach ihrer Vorstellung von einer Unternehmensgründung (siehe beispielsweise die Fälle Ubbink und Marleasing).

3.6   Länder, die im Prinzip nicht zwischen in- und ausländischen Tätigkeiten unterscheiden, nutzen in der Regel besser die Möglichkeiten des Binnenmarktes, und die dort registrierten Unternehmen können daher leicht der Ansicht sein, dass ihnen die Maßnahmen des Aufnahmestaates schaden, da sie die Freiheiten der EU beschneiden. Demgegenüber kann in der Praxis der Länder, die das Realitäts-, d.h. das Territorialitätsprinzip anerkennen, der Akzent stärker auf dem Problem der diskriminierenden Behandlung ausländischer Unternehmen liegen. Offensichtlich liegt eine Vereinheitlichung der Handelsregister vor allem im Interesse der kapitalexportierenden Länder, da die entsprechenden Rechtsvorschriften eine größere Herausforderung für die kapitalimportierenden Länder bedeuten.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Der EWSA begrüßt die Veröffentlichung der Richtlinie, die einen bedeutenden Fortschritt für die Entwicklung des Binnenmarktes darstellt. Sie ermöglicht nämlich die Verwirklichung umfassenderer Ziele von Handelsunternehmen, Arbeitnehmern, Verbrauchern und europäischen Bürgern, wie der Ausschuss bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Bezug auf das Grünbuch betont hat: „Die Verknüpfung von Unternehmensregistern soll die Ziele zweier strategischer Dokumente widerspiegeln, nämlich der EU-2020-Strategie und des ‚Small Business Act‘ (SBA). Durch eine Verknüpfung von Unternehmensregistern sollen die Transparenz erhöht und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erleichtert, Hindernisse für eine grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit verringert und der Verwaltungsaufwand, insbesondere für KMU, reduziert werden. All dies ist für die Konsolidierung des Binnenmarktes und die Förderung eines ausgewogenen und dauerhaften wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts wichtig, wie die Kommission in ihrer Mitteilung ‚Vorfahrt für KMU in Europa: Der ‚Small Business Act‘ für Europa‘ (KOM(2008) 394 endg.) hervorgehoben hat“ (2).

4.2   Der EWSA stellt unter anderem fest, dass mit dem Vorschlag in seiner aktuellen Form nur einigen grundlegenden Forderungen entsprochen wird, indem darin vorgesehen wird, die wichtigsten Angaben und Urkunden zu vereinheitlichen und die freiwillige Zusammenarbeit durch die gesetzliche Verpflichtung auf dem gesamten EU-Gebiet zu ersetzen. Desgleichen hält er die Ausrichtung der Regelung hinsichtlich der Verwaltungskosten und des Datenschutzes zwar für akzeptabel, ist jedoch der Ansicht, dass etliche Punkte noch genauer formuliert werden müssen.

4.3   Es ist jedoch festzustellen, dass der Vorschlag immer noch zahlreiche Ungewissheiten hinsichtlich der Umsetzung enthält. Insgesamt wird es darin einer künftigen Regelung überlassen, die entsprechenden Modalitäten festzulegen, obwohl es angebracht gewesen wäre, bereits zum heutigen Zeitpunkt davon Kenntnis zu haben. So hätte der vorliegende Vorschlag beispielsweise mehr Informationen über bestimmte Normen und Inhalte umfassen können, da diese teilweise in dem Grünbuch genannt wurden und darin eine Antwort gefordert wurde. Es hätte daher möglich sein sollen, sich zu ihren praktischen Aspekten zu äußern. Daher bekräftigt der EWSA seine in Bezug auf das Grünbuch vertretenen Standpunkte und würde sich wünschen, dass sie in künftige Rechtsvorschriften Eingang finden.

4.4   Der EWSA hat den Eindruck, dass die Europäische Union folglich eine Gelegenheit für einen größeren Schritt hin zu einer stärkeren Harmonisierung des Gesellschaftsrechts - wie in Ziffer 3 beschrieben - verpasst hat. Dem Ausschuss ist bewusst, dass erhebliche rechtliche und institutionelle Unterschiede Fortschritte in dieser umfassenderen Problematik erschweren und dass die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts eine ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch nehmende Aufgabe ist. Die Registrierung ist jedoch ein Teil dieses Prozesses; indem eine ausführliche Behandlung dieser Frage unterlassen wurde, haben wir eine Gelegenheit verpasst, gemeinsame Formulierungen zu suchen und eine Debatte zu eröffnen. Im Übrigen verdeutlicht das Programm BRITE anschaulich, dass die betroffenen Akteure mit einer Selbstregulierung etliche Detailfragen zur allgemeinen Zufriedenheit lösen können.

4.5   Der Ausschuss hält es für ein großes Versäumnis, dass in der Regelung nicht die Frage der Sitzverlagerung behandelt wird, die - wie es in dem Grünbuch heißt – in einem zunehmend einheitlichen Markt immer entscheidender wird. Der EWSA hält es für eine verpasste Gelegenheit, dass der Gesetzgeber nicht bestrebt war, das im Übrigen erwähnte Prinzip der Wertpapiertransparenz als Modell zu verwenden.

4.6   Im Rahmen dieses Prozesses wäre es eventuell wichtig gewesen, wenn in dem Vorschlag die drei geänderten Richtlinien konsolidiert und die einschlägigen Forderungen der EU wirklich eigenständig formuliert worden wären (3). Mit der Änderung und den zu einem späteren Zeitpunkt verabschiedeten delegierten Rechtsakten wird die Umsetzung weniger klar sein, zumal in dem vorliegenden Vorschlag die Herausforderungen der Registrierung hinsichtlich Verwaltung und Zusammenarbeit zwischen den Handelsregistern der Mitgliedstaaten nicht näher bestimmt werden.

4.7   Nach Ansicht des Ausschusses werden bei der Umsetzung der gesteckten Ziele neue Probleme auftreten, da gemäß dem Wortlaut des Vorschlags – und hoffentlich nicht gemäß dem ursprünglich angestrebten Ziel – die bislang auf europäischer Ebene tätigen Stellen, die im Bereich der Registrierung miteinander kooperieren, – seien sie offiziell, freiwillig oder vom Markt eingerichtet – im Rahmen der neuen Zusammenarbeit keinen Platz haben. Der EWSA teilt die Auffassung, dass das einheitliche Rechtsportal der Europäischen Union – das europäische Portal e-Justice – die zentrale Stelle für den Zugang zu Rechtsauskünften sein muss, hält es jedoch für wichtig, genügend Raum für Initiativen mit unterschiedlichen und eventuell umfassenderen Zielen zu lassen. Der Ausschuss unterstreicht ferner, dass „einer diesbezüglichen Zusammenarbeit zwischen den nationalen und europäischen Institutionen sowie den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft … besondere Bedeutung zu[kommt]“ (4). Der EWSA hofft, auch in die künftigen Legislativetappen einbezogen zu werden und bei der Erarbeitung dieser künftigen Regelung weiterhin mit der Kommission partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Der EWSA unterstützt die Änderungen in dem Vorschlag hinsichtlich der Richtlinien 89/666/EWG und 2005/56/EG.

5.2   Hinsichtlich der Änderung der Richtlinie 2009/101/EG hält der EWSA es für wichtig, dass die Daten innerhalb der kürzestmöglichen Frist – d.h. die kürzeste Frist unter Berücksichtigung technischer und rechtlicher Zwänge – veröffentlicht werden. Seiner Ansicht nach ist es möglich, die vorgeschlagene Frist kurzfristig radikal zu kürzen. Er weist jedoch darauf hin, dass selbst diese Frist sich in bestimmten Fällen als zu lang erweisen kann und Änderungen folglich eventuell weitaus schneller mitgeteilt werden müssen, d.h. über die einzige europäische Plattform mittels einer unmittelbar nach einer lokalen Anmeldung erfolgenden „Offenlegung“ (5), die zu einem späteren Zeitpunkt zertifiziert werden könnte. Dies wird von den derzeitigen IT-Systemen ermöglicht.

5.3   Hinsichtlich der mit diesem Informationsdienst verbundenen Kosten muss deutlich festgelegt werden, ob sämtliche Kosten durch den von der anmeldenden Partei gezahlten Betrag gedeckt werden müssen oder ob die Informationen von der anfordernden Partei ebenfalls zu zahlen sind. Die in den Mitgliedstaaten existierenden Systeme divergieren in dieser Frage. Nach gängiger Praxis ist der Dienst nur dann kostenpflichtig, wenn die erbetenen Informationen aus einem ausländischen Unternehmensregister stammen. Der Ausschuss bekräftigt die weiter oben bereits geäußerte Hoffnung, dass der Antrag auf Basisinformationen im Rahmen des vereinheitlichten europäischen Systems kostenfrei ist (6).

5.3.1   Nach Ansicht des Ausschusses sollten insbesondere als Basisauskünfte für Handelsgesellschaften von Geschäftspartnern, Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer Informationen über den Ort der Niederlassung, die Eigentümer und wichtigsten Führungskräfte des Unternehmens, die wirtschaftliche und rechtliche Situation der Gesellschaft und über ihre Belastbarkeit sowie exakte Buchhaltungs- und Bilanzdaten gelten.

5.3.2   In diesem Zusammenhang unterstreicht der Ausschuss, dass die Frage der Kosten für Aufbau und Nutzung des Systems nicht geklärt wurde. Er vermisst in dem Vorschlag entsprechende Folgenabschätzungen, hält es jedoch für unabdingbar, dass die EU Mittel zur Kostendeckung vorsieht.

5.4   Der EWSA begrüßt, dass die Daten elektronisch zugänglich sein werden. Er hofft allerdings, dass die Nutzung des Systems einen möglichst direkten Zugang zu den Daten ermöglichen wird. Der Ausschuss räumt jedoch ein, dass hier ein Gleichgewicht zwischen der notwendigen Offenlegung sowie einer schnellen und sicheren Funktionsweise gefunden werden muss. Er ist überzeugt, dass ein zufriedenstellender Kompromiss möglich ist und letztendlich die Offenlegung stärken wird. Eine andere grundlegende Erwartung des Ausschusses gegenüber dem vereinheitlichten System lautet, dass es die Offenlegung von Informationen in Papierform und somit die Offenlegungskosten auf ein Minimum reduziert.

5.4.1   Der EWSA weist darauf hin, dass Widersprüche zwischen europäischen Mitteilungsauflagen einerseits und in der nationalen Zuständigkeit verbleibenden Rechtsnormen (etwa die Frage der Urkundenauthentizität) andererseits entstehen können. Diese Situation darf nicht langfristig andauern.

5.5   Der EWSA ist der Auffassung, dass auch für sprachliche Probleme einfache technische Lösungen existieren, vorausgesetzt, es wurden erhebliche Vorarbeiten durchgeführt. Die derzeitigen Übersetzungsprogramme ermöglichen es, Standardtexte problemlos in jeder beliebigen Sprache zu veröffentlichen, vorausgesetzt, diese Texte sind verfügbar und wurden nach entsprechenden Beratungen genehmigt. Diese Form der Standardisierung ist vor allem für Basisinformationen und Buchhaltungsdokumente denkbar.

5.6   Hinsichtlich des Datenschutzes hält der EWSA es für sinnvoll, die Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG über den Schutz personenbezogener Daten auf das Unternehmensregister anzuwenden.

5.7   Der EWSA akzeptiert den 1. Januar 2014 als letzte Frist für die Umsetzung der notwendigen Rechtsakte durch die Mitgliedstaaten. Er hält es jedoch für unverzichtbar, dass die EU eine „interne“ Frist für die Anwendung der in den delegierten Rechtsakten festgelegten Maßnahmen setzen. So wird die Funktionsfähigkeit der Struktur gewährleistet sein, die einen schnellen und einheitlichen Zugang zu Unternehmensangaben auf dem gesamten EU-Gebiet ermöglicht.

Brüssel, den 15. Juni 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Die erste und die elfte Richtlinie lassen sich aufgrund ihrer ähnlichen Thematik (Offenlegung der Gesellschaften) tatsächlich leicht miteinander kombinieren, während dies bei der Richtlinie über grenzübergreifende Verschmelzungen auf einen bestimmten Aspekt – die Klarheit der Handelsregister im Falle grenzübergreifender Aktivitäten - beschränkt ist.

(2)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 120, Ziffer 1.2.

(3)  Die erste und die elfte Richtlinie können aufgrund ihrer identischen Thematik (Offenlegung der Gesellschaften) tatsächlich leicht miteinander kombiniert werden, während dies bei der Richtlinie über grenzübergreifende Verschmelzungen auf einen bestimmten Aspekt – die Deutlichkeit der Handelsregister im Falle grenzübergreifender Aktivitäten - beschränkt ist.

(4)  Siehe ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 120, Ziffer 6.7.

(5)  Im europäischen elektronischen Netz offengelegte und für interessierte Kreise unmittelbar zugängliche Nachrichten oder Informationen.

(6)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 120, Ziffer 1.5.


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