9.5.2013 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 133/77 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten
COM(2012) 709 final — 2012/0335 (NLE)
2013/C 133/14
Hauptberichterstatter: Wolfgang GREIF
Der Rat beschloss am 11. Dezember 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 148 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten
COM(2012) 709 final – 2012/0335 (NLE).
Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft am 11. Dezember 2012 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.
Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss auf seiner 487. Plenartagung am 13./14. Februar 2013 (Sitzung vom 13. Februar) Wolfgang GREIF zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 170 gegen 5 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Europa schafft es bisher nicht, die Krise zu überwinden, infolgedessen verfestigt sich die Spaltung Europas. Vor dem Hintergrund der derzeit in der EU forcierten austeritätsorientierten Krisenbewältigung bringt der EWSA erneut seine tiefe Besorgnis zum Ausdruck, dass weder die für die Beschäftigung noch die für die Armutsbekämpfung in der Europa-2020-Strategie formulierten Zielvorgaben zu erreichen sein werden. |
1.2 |
Der Ausschuss fordert ein europäisches Konjunkturprogramm mit umfangreicher arbeitsmarktpolitischer Wirkung in Höhe von 2% des BIP. Zusätzliche nationale Investitionen müssen umgesetzt und europäische Investitionsprojekte rasch, zielgerichtet und koordiniert identifiziert werden, um die Beschäftigungslage zu verbessern. |
1.3 |
Die umfassende Einbindung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft in alle Phasen der Gestaltung und Umsetzung der Beschäftigungspolitik ist ein entscheidender Eckpfeiler für den Erfolg der Politikkoordinierung. Der Ausschuss betont, dass allen einschlägigen Akteuren, darunter auch dem Ausschuss selbst, zwischen der Veröffentlichung des nächsten Vorschlags und dem Erlass des Beschlusses ausreichend Zeit für eine eingehende Erörterung des Vorschlags gegeben werden muss. Dies gilt insbesondere für die neuen Leitlinien, die 2014 angenommen werden sollen. |
1.4 |
Daneben bringt der Ausschuss Vorschläge zu folgenden Aspekten vor:
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2. Einleitung
2.1 |
Der Rat der EU beschloss am 21. Oktober 2010, die neuen beschäftigungspolitischen Leitlinien bis 2014 unverändert zu belassen, um das Hauptaugenmerk auf die Umsetzung zu legen (1). Die Europäische Kommission legte am 28. November 2012 ihren Vorschlag für einen Beschluss des Rates vor, durch den die Leitlinien auch 2013 ihre Gültigkeit behalten sollen. |
2.2 |
Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beschäftigungslage in den meisten EU-Mitgliedstaaten und insbesondere angesichts des dramatischen Anstiegs der Jugendarbeitslosigkeit und der gleichbleibend hohen Langzeitarbeitslosigkeit sowie mit Blick auf die Vorbereitung der im nächsten Jahr anstehenden Aktualisierung der Leitlinien nutzt der EWSA die Gelegenheit der jährlichen Befassung auf der Grundlage von Artikel 148 Artikel 2 AEUV, um seine wesentlichen Empfehlungen des vergangenen Jahres zu den Leitlinien und ihrer Umsetzung zu wiederholen (2). |
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 Die Beschäftigungsziele der Europa-2020-Strategie sind wahrscheinlich nicht zu erreichen
3.1.1 |
Europa manövriert sich in den kommenden Jahren in eine äußerst angespannte Beschäftigungslage. Bestimmte Gruppen sind stärker als andere betroffen: Jugendliche, Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderungen, Migranten und Alleinerziehende. Im fünften Jahr der Finanzkrise lassen alle Prognosen, einschließlich des Beschäftigungsberichts der Kommission, darauf schließen, dass die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in ganz Europa zumindest 2013 auch weiterhin düster aussehen werden. Europa schafft es bisher nicht, die Krise zu überwinden, infolgedessen verfestigt sich die Spaltung Europas. |
3.1.2 |
Die Konjunkturerholung ist zum Stillstand gekommen. Die Beschäftigung nimmt ab. In Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen ist die Lage verhalten geblieben bzw. hat sich verschlechtert, obwohl in einigen arbeitsplatzintensiven Branchen im gesamten Binnenmarkt nicht alles Potenzial ausgeschöpft ist. Die Segmentierung der Arbeitsmärkte ist weiter vorangeschritten und die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse und Teilzeitstellen hat zugenommen. Die Besteuerung des Faktors Arbeit ist unverändert hoch und wurde in einigen Mitgliedstaaten weiter angehoben. Die Arbeitslosigkeit steigt wieder und hat ein nie dagewesenes Niveau erreicht, wobei die Langzeitarbeitslosigkeit und nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit alarmierend hoch sind, besonders in Mitgliedstaaten, in denen eine straffe Haushaltskonsolidierung durchgeführt wird. Das Durchschnittseinkommen der Haushalte ist in vielen Mitgliedstaaten rückläufig und aktuelle Daten belegen, dass Armut und soziale Ausgrenzung auf dem Vormarsch sind und ausgeprägtere Formen annehmen, wobei die Erwerbstätigenarmut und die soziale Polarisierung in vielen Mitgliedstaaten zunehmen (3). |
3.1.3 |
In diesem Zusammenhang wiederholt der EWSA seine tiefe Besorgnis, dass vor dem Hintergrund der derzeit in der EU forcierten politischen Prämissen zur austeritätsorientierten Krisenbewältigung die im Rahmen des Schwerpunkts „Integratives Wachstum“ der Europa-2020-Strategie formulierten Zielvorgaben weder für die Beschäftigung noch für die Armutsbekämpfung zu erreichen sein werden. |
3.2 Ein europäisches Konjunkturprogramm für einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung
3.2.1 |
Sparmaßnahmen, durch die die Endnachfrage in einem Mitgliedstaat zurückgeht, lösen Kettenreaktionen in anderen Staaten aus, die zu einer Abwärtsspirale führen. Durch die gleichzeitige Einleitung von Sparprogrammen in mehreren Staaten werden die Wachstumsaussichten weiter eingetrübt, und es ist möglich, dass auf diese Weise ein Teufelskreis der Unsicherheit entsteht, u.a. bei Investitionen in Aus- und Weiterbildung, Forschung und Innovation, Beschäftigung und Verbrauch. |
3.2.2 |
Dennoch kann die Beschäftigungspolitik Fehlsteuerungen makroökonomischer Politik nicht ausgleichen. Der EWSA hält die beschäftigungspolitische Flankierung des Ausbaus europäischer Infrastruktur und qualitativen Wachstums deshalb für zentral. Hier bedarf es rasch zielgerichteter europäischer und nationaler Investitionen mit hoher Beschäftigungswirkung, die koordiniert umgesetzt werden sollten, um beschäftigungspolitische Effekte zu erhöhen. Dafür müssen unter Hochdruck sowohl private als auch öffentliche Investitionen mobilisiert und die erforderlichen Reformen durchgeführt werden. |
3.2.3 |
Der Ausschuss teilt die Analyse der Kommission, dass die Aussichten für das Beschäftigungswachstum entscheidend davon abhängen, ob es der EU gelingt, mithilfe einer Politik in den Bereichen Makroökonomie, Industrie und Innovation für Wirtschaftswachstum zu sorgen und dies durch eine Beschäftigungspolitik zu ergänzen, die darauf ausgerichtet ist, für einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung zu sorgen. Der EWSA ist in Sorge, dass viele der positiven Vorschläge des im April 2012 angenommenen Beschäftigungspakets im Falle einer ungebrochenen Fortsetzung der Sparpolitik in der EU nicht durchführbar sind. |
3.2.4 |
Der EWSA befürchtet zudem, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen allein die in der EU-Beschäftigungsstrategie formulierten Zielvorgaben nicht zu erreichen sein werden. Aus diesem Grund hat der Ausschuss wiederholt ein europäisches Konjunkturprogramm mit umfangreicher arbeitsmarktpolitischer Wirkung in Höhe von 2% des BIP gefordert. Mit dem auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates im Juni 2012 vereinbarten „Pakt für Wachstum und Beschäftigung“ wurden hier erste Schritte getan, dies muss jetzt mit Inhalten gefüllt werden, um europaweit den dringend notwendigen Spielraum für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Ferner mahnte der Ausschuss einen sozialen Investitionspakt an, um nachhaltig die Krise zu überwinden und in die Zukunft zu investieren; er wird das von der Europäischen Kommission für Februar zur Annahme angekündigte Sozialinvestitionspaket aufmerksam prüfen. |
3.3 Einbindung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner
3.3.1 |
Der EWSA hat den mehrjährigen Turnus für die Politikkoordinierung im Rahmen der Europa-2020-Strategie mehrfach begrüßt, dabei aber auch konsequent darauf hingewiesen, dass die umfassende Einbindung der nationalen Parlamente, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft auf europäischer und nationaler Ebene in alle Phasen der Gestaltung und Umsetzung der Beschäftigungspolitik ein entscheidender Eckpfeiler für den Erfolg der Politikkoordinierung ist. |
3.3.2 |
Da die Leitlinien für die Mitgliedstaaten eine Richtschnur für die Konzeption, Durchführung und Überwachung ihrer nationalen Maßnahmen im Rahmen der Gesamtstrategie der EU bilden, betont der Ausschuss, dass allen einschlägigen Akteuren, darunter auch dem Ausschuss selbst, zwischen der Veröffentlichung des nächsten Vorschlags und dem Erlass des Beschlusses ausreichend Zeit für eine eingehende Erörterung des Vorschlags gegeben werden muss. Dies ist umso wichtiger, als die europäische Beschäftigungspolitik einen größeren Beitrag leisten muss, um die Mitgliedstaaten in der Krise zu unterstützen. |
3.3.3 |
Gemäß dem Zeitplan für das Europäische Semester sollten die europäischen Sozialpartner frühzeitig im Rahmen der Vorbereitung des Jahreswachstumsberichts bei der Festlegung der „strategischen Kernprioritäten für die Beschäftigungspolitik“ wie auch bei der Formulierung, Umsetzung und Evaluierung der beschäftigungspolitischen Leitlinien konsultiert werden. Dies gilt insbesondere für die neuen Leitlinien, die 2014 angenommen werden sollen. |
4. Besondere Bemerkungen und konkrete Vorschläge
4.1 |
Generelle Ziele der europäischen Beschäftigungspolitik sollten durch Ziele für gesonderte Gruppen ergänzt werden: In Ergänzung zur Zielvorgabe einer generell EU-weit zu erreichenden Beschäftigungsquote sollten künftig messbare EU-Vorgaben auch zu gesonderten Zielgruppen wie Langzeitarbeitslosen, Frauen, älteren Arbeitnehmern, Menschen mit Behinderungen und insbesondere auch Jugendlichen festgeschrieben werden. Die weitgehende Verlagerung der Formulierung konkreter Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik auf die Ebene der Mitgliedstaaten hat sich bislang wenig bewährt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere ein Indikator zur substanziellen Verringerung der Anzahl jener Jugendlichen erforderlich, die weder in Beschäftigung noch in Ausbildung stehen (sog. NEET). |
4.2 |
Die Jugendgarantie sollte möglichst früh greifen: Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Jugendgarantie, mit der sichergestellt werden soll, dass allen jungen Menschen unter 25 Jahren in kurzer Zeit, nachdem sie arbeitslos werden oder die Schule verlassen, eine hochwertige Arbeitsstelle oder Weiterbildungsmaßnahme oder ein hochwertiger Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz angeboten wird (4). Der EWSA hält eine Intervention nach vier Monaten jedoch für zu spät. Am besten sollte die Jugendgarantie so früh wie möglich, d.h. direkt bei Registrierung bei Arbeitsagenturen, greifen, da ein nicht gelungener Übergang der Volkswirtschaft schadet und Narben für das ganze Leben hinterlässt. Im Rahmen der nationalen Reformpläne sind diesbezüglich konkrete Maßnahmen zu formulieren. |
4.3 |
Ein gesonderter Jugend-Solidaritätsfonds für Länder mit besonderen Schwierigkeiten sollte eingerichtet werden, falls die ESF-Mittel nicht ausreichen: Der EWSA merkt an, dass bei der Planung der finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2014-2020 besonders darauf geachtet werden muss, dass im Rahmen des Europäischen Sozialfonds Mittel für junge Menschen bereitgestellt werden. Der EWSA plädiert angesichts des Ernstes der Lage für die Schaffung eines Jugend-Solidaritätsfonds als solidarische Lösung ähnlich dem Globalisierungsfonds. Länder in besonderen Schwierigkeiten könnten bei der Umsetzung der Jugendgarantie vorübergehend unterstützt werden. Wenn dies nicht allein aus ESF-Mitteln zu bewältigen ist, müssen zusätzliche europäische Mittel (Jugend-Solidaritätsfonds) aufgewandt werden, um dies zu finanzieren. Für die Banken konnten Milliardensummen aufgebracht werden, daher müssten auch diese Mittel mobilisierbar sein. |
4.4 |
Qualitätsstandards, erste Berufserfahrungen und die innerbetriebliche Ausbildung fördern: Der EWSA unterstützt die Entwicklung der auf dem Arbeitsmarkt nötigen Kompetenzen unter aktiver Mitwirkung der Arbeitswelt und von Bildungseinrichtungen. Der EWSA hält die Unterstützung erster Berufserfahrungen und innerbetrieblicher Ausbildung für sinnvoll und teilt daher die Meinung, dass Praktika sowie Freiwilligenprogramme für junge Menschen wichtig sind, um Fähigkeiten zu erwerben und Berufserfahrung zu sammeln. Der EWSA betont, dass Qualitätsstandards für Praktika unverzichtbar sind. Diesbezüglich begrüßt er das Ziel der Kommission, einen Qualitätsrahmen für die Bereitstellung und Inanspruchnahme hochwertiger Praktika vorlegen zu wollen. |
4.5 |
Das duale System der Berufsausbildung sollte im Hinblick auf seine breitere Anwendung näher betrachtet werden: Wichtig ist, die Kluft zwischen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt, der Bildung und den Erwartungen der Jugendlichen zu schließen. Ein Weg, dies zu erreichen, ist die Bereitstellung von Anreizen und die Förderung der Entwicklung von Ausbildungsprogrammen hoher Qualität. Der Ausschuss begrüßt die einschlägigen Leitlinien der Kommission. Das duale System der Lehre mit seinem Mix aus betrieblichen und schulischen Komponenten in der Berufsbildung sollte auf seine Übertragbarkeit hin untersucht werden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Ländern mit einer Berufsausbildung im dualen System erheblich niedriger als in Ländern ohne Lehrlingsausbildungssysteme. In einigen Krisenländern besteht zudem Interesse an der Einführung dualer Ausbildungssysteme. Der EWSA spricht sich für eine bessere Sammlung von Erfahrungen sowie dafür aus, dass die Ausbildungsprogramme durch den ESF gefördert werden. Dieser Austausch und Anschubfinanzierungen müssen gefördert und ein Qualitätsrahmen für die duale Ausbildung muss entwickelt werden. Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung der Einbindung der Sozialpartner in die berufliche Bildung. Er hält daher die enge Einbindung der Sozialpartner in den Mitgliedstaaten in die Gestaltung, Umsetzung und Überwachung der Entwicklung dieser Systeme für unerlässlich. |
4.6 |
Prekäre Beschäftigung eindämmen: Der Ausschuss hat sich bereits wiederholt zum Flexicurity-Ansatz geäußert. Er begrüßt, dass die Erfahrungen im Umgang mit der Krise dazu geführt haben, den Flexicurity-Ansatz zu erweitern. Der Verbesserung der internen Flexibilität wurde bisher im Rahmen der Flexicurity-Debatten nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet. Befristete Beschäftigung und Zeitarbeit können kurzfristig Übergänge ermöglichen und stellenweise notwendig sein, um besonders benachteiligten Gruppen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die damit verbundene Beschäftigungsunsicherheit darf aber nur vorübergehend sein und muss sozial abgesichert werden. Mit Blick auf die Jugendbeschäftigung rät der EWSA von unbeständigen und perspektivlosen Lösungen bei der Integration in die Arbeitswelt ab: Statt auf prekäre Beschäftigung zu setzen, sind Maßnahmen durchzuführen, die sicherstellen, dass befristete Beschäftigung und Arbeitsstellen mit geringer Bezahlung und schlechter sozialer Absicherung nicht zur Norm für Jugendliche werden. |
4.7 |
Stärkere Anerkennung der Rolle der Unternehmen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen: Die Unternehmen in Europa sind zentrale Akteure, um die Arbeitsmarktkrise zu überwinden. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren positive Einstellungsbilanzen zu verzeichnen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, den Zugang der KMU zu Kapital zu verbessern und die Unternehmensgründungskosten zu senken. Der Europäischen Kommission zufolge hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft: zu rechnen wäre mit einem Anstieg des BIP um rund 1,5 % bzw. circa 150 Mrd. EUR, ohne dass das Schutzniveau für die Arbeitnehmer gesenkt würde. Auch die Sozialunternehmen und die Organisationen der Zivilgesellschaft können einen Beitrag zu mehr Beschäftigung leisten, wie der EWSA mehrfach betont hat. Ferner wurde unlängst in einer Initiativstellungnahme der CCMI darauf hingewiesen, dass Genossenschaften, insbesondere Arbeitnehmergenossenschaften, auch in Krisenzeiten mehr Arbeitsplätze sichern, indem sie die Gewinne zu deren Schutz reduzieren (5). |
4.8 |
Stärkung der Rolle der Arbeitsmarkteinrichtungen in den nationalen Reformprogrammen: In vielen Ländern wird es notwendig sein, die von den öffentlichen Arbeitsverwaltungen gewährte spezifische Unterstützung auszubauen, wobei benachteiligten Gruppen vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Die Zugangsbedingungen zu Unterstützungsleistungen für beschäftigungslose Jugendlichen und Langzeitarbeitslose, die einen Arbeitsplatz bzw. eine Ausbildung suchen, sind zu überprüfen und ggf. zu verbessern. Die Aufnahme entsprechender Zielvorgaben in die nationalen Reformprogramme wird angeraten. |
4.9 |
Erleichterter Zugang zu Mitteln aus EU-Fonds für Länder mit angespannter Arbeitsmarktlage: Trotz angespannter Haushaltslagen in den Mitgliedstaaten ist die Bereitstellung nationaler und europäischer Mittel für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen neben Mitteln für die Bildung und Beschäftigung junger Menschen und Langzeitarbeitsloser beizubehalten und wo notwendig aufzustocken. Länder mit besonders angespannter Arbeitsmarktlage, die zugleich restriktive Budgetvorgaben zu erfüllen haben, sollten erleichterten Zugang zu Mitteln aus EU-Fonds erhalten. Gebraucht werden pragmatische und flexible Vorgehensweisen und Vereinfachungen bei der Verwaltung der Mittelnutzung bis hin zum temporären Entfall nationaler Kofinanzierungen beim Mittelbezug durch den ESF sowie anderer europäischer Fonds. |
4.10 |
Zusätzliche EU-Mittel: Die Schwere der Wirtschaftskrise zeigt, dass die Mittel, die die Kommission derzeit für die Strukturfonds im Programmplanungszeitraum 2014-2020 vorschlägt, eventuell nicht ausreichen, um die gewünschte Wirkung auf das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum zu erzielen und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in der EU voranzubringen. Dies sollte im mehrjährigen Finanzrahmen umfassend berücksichtigt werden. |
Brüssel, den 13. Februar 2013
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) Beschluss 2010/707/EU des Rates.
(2) Siehe insbesondere die Stellungnahme des EWSA vom 27. Mai 2010 zu den „Beschäftigungsleitlinien“, (ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 66), die EWSA-Stellungnahme vom 22. Februar 2012 zu den „Beschäftigungsleitlinien“, (ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 94), die EWSA-Stellungnahme vom 22. Februar 2012 zu den „Sozialen Auswirkungen der neuen Vorschriften für die wirtschaftspolitische Steuerung“, (ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 23), die EWSA-Stellungnahme vom 25. April 2012 zu den „Strukturfonds – Allgemeine Bestimmungen“, (ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 30), die EWSA-Stellungnahme vom 12. Juli 2012 zu der Initiative „Chancen für junge Menschen“, (ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 97) und die EWSA-Stellungnahme vom 15. November 2012 zum Thema „Arbeitsplatzintensiver Aufschwung“, (ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 8-15).
(3) COM(2012) 750 final: Jahreswachstumsbericht 2013, Anhang: Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts.
(4) Stellungnahme des EWSA vom 21. März 2013 zum „Jugendbeschäftigungspaket“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(5) Stellungnahme des EWSA vom 25. April 2012 zum Thema „Genossenschaften und Umstrukturierung“, (ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 24).