19.9.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 271/70


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance — ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen“

COM(2012) 740 final

2013/C 271/13

Berichterstatter: Edouard DE LAMAZE

Die Kommission beschloss am 19. Februar 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen

COM(2012) 740 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 29. April 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 490. Plenartagung am 22./23. Mai 2013 (Sitzung vom 22. Mai 2013) mit 135 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 11 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die wichtigsten Leitlinien des vorliegenden Aktionsplans zur Corporate Governance.

1.2

Der EWSA warnt vor den Gefahr, dass börsennotierten Unternehmen durch die Einhaltung der Regeln höhere Kosten erwachsen, und verweist darauf, dass Unternehmen unbedingt einen offenen Finanzmarkt benötigen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechtsvorschriften und unverbindlichen Regelungen, d. h. Empfehlungen oder Verhaltenskodizes, wird davon abhängen, wie die verschiedenen vorgeschlagenen Initiativen im Einzelnen umgesetzt werden.

1.3

Insbesondere im Zusammenhang mit der Transparenzpflicht der Unternehmen in Bezug auf ihre Vergütungspolitik, die eine Neuerung darstellt, erwartet der EWSA, dass die Kommission vernünftige Anforderungen festlegt, damit die Entwicklung der Unternehmen nicht durch eine Erhöhung der betrieblichen Aufwendungen gefährdet wird. Er weist darauf hin, dass auch die neuen Vorschriften so ausgelegt sein müssen, dass die Betriebsgeheimnisse gewahrt bleiben.

1.4

In dem wichtigen Punkt einer möglichen Abstimmung der Aktionäre über die Vergütungspolitik ist der EWSA der Auffassung, dass das Streben nach Vereinheitlichung auf europäischer Ebene lediglich auf eine unverbindlichen Beschluss der Aktionäre hinauslaufen darf, da sonst die Grundlagen des Gesellschaftsrechts angetastet werden.

1.5

Der EWSA fordert die Kommission auf, bei der angekündigten Folgenabschätzung die Angemessenheit jeder Initiative für den konkreten Fall der KMU gründlich zu prüfen.

1.6

Der EWSA gibt zu bedenken, dass im Interesse eines effizienten Funktionierens der Unternehmen, insbesondere in Krisenzeiten, ergänzend zu den angekündigten Initiativen auf die Notwendigkeit der stärkeren Einbeziehung der Arbeitnehmer hätte hingewiesen werden müssen.

1.7

Darüber hinaus fordert der EWSA eine bessere Schulung der Mitglieder der Geschäftsführung und weist darauf hin, dass der Austausch bewährter Verfahren in diesem Bereich gefördert werden sollte.

1.8

Im Bereich des Gesellschaftsrechts hält es der EWSA für notwendig, die Prioritäten neu auf das Projekt der Europäischen Privatgesellschaft sowie auf Maßnahmen zur Vereinfachung der Sitzverlegung innerhalb der EU auszurichten. In beiden Fällen muss die Einbeziehung der Arbeitnehmer gesichert und gefördert werden, insbesondere auf der Grundlage der gezielten Konsultation der Sozialpartner, die in den Verträgen der EU vorgesehen ist.

1.9

Der EWSA spricht sich gegen die Anerkennung des Begriffs „Gruppeninteresse“ aus, die letztlich den Grundsatz der Unabhängigkeit juristischer Personen, insbesondere aus Drittstaaten, innerhalb der Unternehmensgruppe unterminieren würde. Für besorgniserregend hält er auch eine Denkweise, nach der das Interesse der Gruppe über das der Tochtergesellschaft zu stellen ist, das ersterem geopfert werden könnte.

2.   Inhalt der Mitteilung

2.1

In Anknüpfung an ihre Mitteilung „Europa 2020“, in der sie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen in Europa gefordert hat, schlägt die Kommission in dem vorliegenden Aktionsplan Initiativen zur Festigung des Corporate-Governance-Rahmens in der EU vor, wobei nach zwei Leitlinien vorgegangen werden soll:

auf der Grundlage von mehr Transparenz sowohl für Aktionäre und Öffentlichkeit als auch für Unternehmen: Offenlegung der Politik der Vielfalt in der Zusammensetzung der Verwaltungsräte und der Politik zur Steuerung nichtfinanzieller Risiken (strategische und operative Risiken sowie Compliance-Risiko), Verbesserung der Qualität der von den Unternehmen beizubringenden Erklärungen bei Abweichung von den Empfehlungen der Corporate-Governance-Kodizes, Offenlegung der Abstimmungsstrategien der institutionellen Anleger, Identifizierung der Aktionäre;

auf der Grundlage einer besseren Einbeziehung der Aktionäre: Überwachung der Vergütungspolitik, bessere Einsicht der Aktionäre in Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen, Regelung der Tätigkeit der Stimmrechtsberater, Klarstellung des Begriffs der „gemeinsam handelnden Personen“, Förderung der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung.

2.2

Zugleich werden verschiedene Initiativen im Bereich des Gesellschaftsrechts angekündigt, die per definitionem über börsennotierte Unternehmen hinaus auch alle Aktiengesellschaften betreffen: Vereinfachung grenzübergreifender Geschäfte (grenzübergreifende Verschmelzungen und Spaltungen sowie gegebenenfalls Verlegung des Unternehmenssitzes), Prüfung der Folgemaßnahmen zum Vorschlag für das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, Informationskampagne über die Statuten der Europäischen Aktiengesellschaft und der Europäischen Genossenschaft, gezielte Maßnahmen bezüglich Unternehmensgruppen (vor allem Anerkennung des Begriffs „Gruppeninteresse“), Kodifizierung des europäischen Gesellschaftsrechts. Sämtliche Initiativen werden Ex-ante-Folgenabschätzungen unterzogen und können dann entsprechend geändert werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Generell begrüßt der EWSA die in dem vorliegenden Aktionsplan angekündigten Maßnahmen, der bezüglich der Corporate Governance mit einer (weiter unten dargelegten) Ausnahme eher auf eine Konsolidierung denn auf eine gründliche Überarbeitung des geltenden Rahmens abzielt.

3.2   Der Aktionsplan vermittelt den Eindruck, dass man bestrebt war, ein gewisses Gleichgewicht zwischen Rechtsvorschriften und unverbindlichen Regelungen, d.h. Empfehlungen oder Verhaltenskodizes, zu erzielen. Der EWSA stellt fest, dass sich jede zusätzliche Verpflichtung in Bezug auf die Transparenz und insbesondere die Vergütungspolitik auf die betrieblichen Aufwendungen der Unternehmen auswirkt.

3.3   Zwar soll mit dem Aktionsplan die Einbeziehung der Aktionäre verbessert werden, doch bedauert der EWSA, dass in Ergänzung dazu die Einbeziehung der Arbeitnehmer nicht gestärkt wird, auf deren Bedeutung er in seiner Stellungnahme zum Grünbuch von 2011 hingewiesen hatte (1). Der EWSA verweist darauf, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer am Beschlussfassungsprozess im Unionsrecht als förderlich für die nachhaltige Entwicklung und die Leistung der Unternehmen anerkannt wird.

3.4   Über den vorliegenden Aktionsplan hinaus stellt er fest, dass der Begriff der Arbeitnehmerbeteiligung bezüglich seines Inhalts und seiner exakten Definition mit Blick auf die Grundlagen des Gesellschaftsrechts präzisiert werden sollte, die sich dadurch ändern könnten (2). Der EWSA befürwortet mit Blick auf die Vielzahl der Beteiligten ein Konzept, das auf der Höhe der Herausforderungen ist, die die Unternehmen bewältigen müssen, die eine langfristig angelegte Entwicklung sowie die Berücksichtigung der Belange ihrer Arbeitnehmer und ihrer Umwelt anstreben. Ein solches Konzept umfasst einen konstruktiven sozialen Dialog und ein Klima des Vertrauens auf der Grundlage eindeutiger Regeln zu Information, Konsultation und Mitbestimmung, wenn diese existieren. Der EWSA möchte deshalb dazu aufrufen, neue Wege zu beschreiten, zum Beispiel das Konzept des nachhaltigen Unternehmens (3) anzuwenden.

3.5   Anknüpfend an seine Stellungnahme zum Grünbuch von 2011 macht der EWSA ferner geltend, dass eine gute Corporate Governance auch von der Kompetenz der Mitglieder des Verwaltungsrates – insbesondere in rechtlichen und finanziellen Fragen – abhängt. Er betont, dass deren Schulung an die Art des Unternehmens angepasst werden muss, insbesondere an seine Größe, und spricht sich für jede Initiative zur Förderung des Austauschs bewährter Verfahren in diesem Bereich aus. Dieser Aspekt sollte seiner Auffassung nach Gegenstand einer künftigen Empfehlung der Kommission sein. Im Interesse von Transparenz und Rechtssicherheit, vor allem für KMU und deren Beschäftigte, sollte bei den Maßnahmen zur Ergänzung des europäischen Gesellschaftsrechts jede Art von régime shopping vermieden werden, bei dem die Registrierung neuer europäischer Unternehmen aus dem Nichts genehmigt wird oder Verwaltungssitz und Gesellschaftssitz getrennt sind.

3.6   Corporate Governance

3.6.1

Der EWSA hatte bereits Gelegenheit, darauf zu verweisen, dass der Zweck der Corporate Governance darin besteht, sicherzustellen, dass das Unternehmen Bestand hat und gedeiht (4), indem Vertrauen zwischen den verschiedenen Beteiligten (5) hergestellt wird. Wie das europäische Gesellschaftsrecht müssen auch Initiativen im Bereich der Corporate Governance dazu beitragen, die Tätigkeit und das Funktionieren von Unternehmen zu erleichtern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu fördern.

3.6.2

Mit Blick auf die rückläufige Zahl der Börsengänge und die steigende Zahl der Börsenabgänge erinnert der EWSA daran, dass die Unternehmen, insbesondere die KMU, unbedingt Zugang zum Finanzmarkt benötigen. Die Entwicklung vieler Unternehmen wird durch ihre aktuellen Finanzierungsschwierigkeiten erheblich gebremst. Damit ein offener Finanzmarkt bestehen bleibt, ist es nach Auffassung des EWSA von grundlegender Bedeutung, die ohnehin bereits sehr starken Zwänge im Zusammenhang mit der Corporate Governance für börsennotierte Unternehmen nicht noch zu verschärfen, insbesondere auch für KMU, um nicht noch mehr Unternehmen von einem Börsengang abzuhalten. Der EWSA weist zudem auf die Gefahr hin, dass sich die Ungleichheit im Wettbewerb zwischen börsennotierten und nicht notierten Unternehmen noch weiter verschärft, wenn letztere nicht den Transparenzanforderungen unterliegen, hingegen als erste von den Informationen profitieren, die die börsennotierten Unternehmen verbreiten.

3.6.3

Der EWSA bedauert, dass das von der Kommission zum Ausdruck gebrachte Anliegen, die Besonderheiten von KMU, sowohl in Bezug auf die Größe als auch in Bezug auf die Aktionärsstruktur, zu berücksichtigen, nur sehr allgemein formuliert ist und nicht für jede der angekündigten Initiativen im Einzelnen spezifiziert wird.

3.6.4

Der EWSA betont in diesem Zusammenhang, dass die europäische Definition des Begriffs KMU überarbeitet werden muss, um deren Besonderheiten besser berücksichtigen zu können.

3.6.5

Anstelle eines normativen Ansatzes empfiehlt der EWSA ein Konzept, das sich weitestgehend darauf beschränkt, Grundsätze festzulegen und es dann den Mitgliedstaaten zu überlassen, diese bestmöglich an die nationalen Besonderheiten anzupassen. 2003 (6) betonte die Kommission bereits das bemerkenswerte Maß an Übereinstimmung zwischen den nationalen Corporate-Governance-Kodizes. Der EWSA begrüßt, dass sich die Kommission in den wesentlichen Punkten des vorliegenden Aktionsplans diesen Ansatz offenbar zueigen gemacht hat, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Qualität der von den Unternehmen beizubringenden Erklärungen bei Abweichung von den Corporate-Governance-Kodizes.

3.6.6

In Bezug auf das allgemeine Ziel der Transparenz unterstützt der EWSA die Initiativen der Kommission zur Übernahme der in einigen Mitgliedstaaten geltenden Regeln in der gesamten EU, insbesondere zur Förderung der langfristigen Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Die eigentliche Schwierigkeit besteht seiner Auffassung nach darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den legitimen Anforderungen an die Transparenz und der Notwendigkeit zu finden, das Wachstum der Unternehmen nicht durch administrativen Mehraufwand und die Offenbarung wettbewerbsrelevanter Informationen zu behindern.

3.6.7

Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Anforderungen, die hinter der Formel „comply or explain“ (Befolge oder begründe) stehen, zu den Grundprinzipien der Corporate Governance gehören, und dass eine strengere Umsetzung dieses Konzepts nötig ist. Er begrüßt eine diesbezügliche Initiative der Kommission.

3.6.8

Der EWSA nimmt die Bereitschaft der Kommission zur Kenntnis, die Rolle der Aktionäre zu stärken, damit ein zufriedenstellendes Machtverhältnis zwischen den unterschiedlichen Akteuren hergestellt wird. Ihm ist bewusst, dass mit den angekündigten Rechten, nach denen sich die Aktionäre stärker einbringen können, auch Pflichten einhergehen.

3.6.9

Der EWSA misst der Initiative, nach der Unternehmen mehr über ihre Aktionäre erfahren sollen, besondere Bedeutung zu, da dies eine unabdingbare Voraussetzung für den Dialog zwischen Aktionären und Emittenten darstellt, er ist sich allerdings bewusst, dass dazu die Förderung dieses Dialogs erforderlich ist. Bei dem künftigen europäischen Instrument, das zu diesem Zweck geschaffen werden soll, sind die Unterschiede in den Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten zu berücksichtigen.

3.6.10

Der EWSA unterstützt auch den Vorschlag, institutionelle Anleger zu verpflichten, ihre Abstimmungsstrategien und Strategien auf dem Gebiet des Engagements im Unternehmen offenzulegen, insbesondere ihren Investitionshorizont in den Gesellschaften, deren Wertpapiere sie halten.

3.6.11

In dem wichtigen Punkt einer möglichen Abstimmung der Aktionäre über die Vergütungspolitik und den Vergütungsbericht ist der EWSA der Auffassung, dass das Streben nach Vereinheitlichung auf europäischer Ebene lediglich auf einen unverbindlichen Beschluss der Aktionäre hinauslaufen darf.

3.7   Gesellschaftsrecht

3.7.1

Bei den verschiedenen angekündigten Initiativen würde der EWSA eine andere Rangfolge als die von der Kommission vorgeschlagene bevorzugen.

3.7.2

Im Unterschied zur Kommission ist der EWSA der Auffassung, dass weiterhin Anstrengungen in Bezug auf das Projekt der Europäischen Privatgesellschaft unternommen werden sollten und dass versucht werden muss, eine möglichst einvernehmliche Lösung zu finden.

3.7.3

Der EWSA hält es gleichfalls für vordringlich, die Verlegung des Unternehmenssitzes innerhalb der EU zu erleichtern. Auch die diesbezügliche Initiative, die seiner Auffassung nach ergriffen werden sollte, müsste die Beibehaltung geeigneter Bedingungen für die aktive Einbeziehung der Arbeitnehmer gewährleisten und fördern.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Corporate Governance

4.1.1

Der EWSA stellt fest, dass die Unternehmen die Qualität der von ihnen beizubringenden Erklärungen bei Abweichung von den Corporate Governance-Kodizes verbessern müssen. Diese Erklärungen sind mitunter rein rhetorischer Natur, obwohl sie eigentlich eine ausführliche Begründung sowie gegebenenfalls die angewandte Alternativlösung enthalten müssten.

4.1.2

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission es den Mitgliedstaaten und den nationalen Kodizes überlässt, die Art und Weise zu präzisieren, wie die Erklärungen zu den Corporate-Governance-Methoden verbessert werden können.

4.1.3

Wie er bereits betont hat (7), liegt eine gute Qualität der Erklärungen vor allem im Interesse der Unternehmen selbst, die im Übrigen vom Markt bestraft werden, wenn sie ungenügende Erklärungen liefern.

4.1.4

Sollte die Kommission den Wunsch entwickeln, die Qualität der für die Märkte bereitgestellten Informationen über die Governance kontrollieren oder sogar zertifizieren, zu lassen, weist der EWSA darauf hin, dass er verbindliche Anforderungen in diesem Bereich nicht befürwortet. Er weist zudem auf die technischen Schwierigkeiten hin, auf die ein solches Vorhaben stoßen würde, das einheitliche, für alle Unternehmen geltende Kriterien auf EU-Ebene voraussetzt, wie sie z.B. in der Richtlinie über die Beaufsichtigung der Abschlussprüfung durch den Prüfungsausschuss festgelegt wurden.

4.1.5

Die Maßnahme, die die Unternehmen vom Verwaltungsaufwand her am stärksten zusätzlich belasten könnte, betrifft die Anforderungen an die Transparenz bei der Vergütungspolitik und die Details zur individuellen Vergütung von Mitgliedern der Geschäftsführung, die gegenwärtig verschiedenen Empfehlungen und nationalen Governance-Kodizes unterliegt. Hier sieht die Kommission in ihrem Aktionsplan ein verbindliches Instrument auf EU-Ebene vor. Der EWSA könnte eine solche Maßnahme nur akzeptieren, wenn durch die konkrete Umsetzung die daraus entstehenden Befolgungskosten für die Unternehmen, die in einer im Voraus durchgeführten Folgenabschätzung einer strengen Bewertung unterzogen werden sollten, nicht erheblich erhöht werden. Der EWSA warnt auch vor der Gefahr, dass die Offenlegung von Kriterien bezüglich des variablen Teils der Vergütung der Mitglieder der Geschäftsführung das Betriebsgeheimnis gefährdet. Der EWSA betont, wie wichtig es ist, den Aktionären nicht nur eindeutige und erschöpfende Informationen über die Höhe der vereinbarten Beträge an sich vorzulegen, sondern auch über ihre Berechnung und die zu ihrer Festlegung angelegten Kriterien.

4.1.6

Einer der nach Ansicht des EWSA problematischsten Punkte ist der Vorschlag, den Aktionären ein Recht auf Abstimmung über die Vergütungspolitik und den Vergütungsbericht einzuräumen. Der EWSA fordert besondere Wachsamkeit, was die konkrete Umsetzung dieses Vorschlags angeht. Der EWSA stellt fest, dass sich die Kommission eher vage zu dieser Frage äußert und keine Aussagen dazu trifft, ob diese Abstimmung eher empfehlenden Charakter haben oder verbindlich sein soll.

4.1.7

Abgesehen von den rechtlichen und technischen Schwierigkeiten der Umsetzung würde eine verbindliche Abstimmung bedeuten, dass Befugnisse des Verwaltungsrates auf die Aktionäre übertragen werden. Der EWSA kann einen solchen Ansatz nicht befürworten, der das Gesellschaftsrecht grundlegend verändern würde, auch wenn jeder Mitgliedstaat seiner Ansicht nach die Möglichkeit haben muss, darüber zu entscheiden, ob diese Abstimmung eher empfehlenden Charakter haben oder verbindlich sein soll.

4.1.8

Der EWSA hat in dieser Frage bereits für ein Zustimmungsvotum plädiert und erläutert, dass ein Beschluss zur Vergütungspolitik, der den Aktionären auf der Hauptversammlung vorgeschlagen wird, im Vorfeld vom gesamten Verwaltungsrat zu erörtern und zu genehmigen ist, wie es bereits in Deutschland gehandhabt wird (8).

4.1.9

Mit Blick auf den variablen Teil der Vergütung der geschäftsführenden Direktoren verweist der EWSA darauf, dass sich die Billigung durch die Aktionäre auf der Hauptversammlung sowohl auf das System und die angewandten Regeln (im voraus festgelegte und quantifizierbare Leistungskriterien) als auch auf den Betrag an sich erstrecken muss, der in Anwendung dieser Regeln gezahlt wird (9).

4.1.10

Der EWSA stellt fest, dass die Tätigkeit der Stimmrechtsberater strenger geregelt werden muss. Seiner Auffassung nach sollten diese insbesondere verpflichtet werden, ihre Abstimmungsstrategie offenzulegen (und ihre Empfehlungen zu begründen), ihre Berichtsentwürfe der Gesellschaft zu übermitteln, bevor sie sie den Investoren vorlegen (so dass die Gesellschaft ihre Bemerkungen übermitteln kann), Interessenkonflikte mitzuteilen, die ihre Tätigkeit beeinflussen könnten, insbesondere durch mögliche Verbindungen zur Gesellschaft und ihren Aktionären, und die Maßnahmen zu nennen, die sie zur Verhinderung solcher Konflikte ergreifen.

4.2   Gesellschaftsrecht

4.2.1

Der EWSA hält es für wichtig, das Projekt der Europäischen Privatgesellschaft weiter voranzutreiben, wobei die konkrete Ausgestaltung im Einklang mit dem Vertrag und dem geltenden Gesellschaftsrecht stehen muss. Neben der Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften kann ein einheitliches Instrument wie die Europäische Privatgesellschaft seiner Auffassung nach einen nachhaltig positiven Einfluss auf die grenzübergreifende Tätigkeit der KMU haben. Die aktive Einbeziehung der Arbeitnehmer im Rahmen der Europäischen Privatgesellschaft nach denselben Regeln, wie sie für die Europäische Aktiengesellschaft und die Europäische Genossenschaft gelten, kann nach Auffassung des EWSA nicht in Frage gestellt werden, ohne das Projekt zu verwässern, und ist grundlegende Bedingung für die Einigung, die nach Ansicht des EWSA hierüber erzielt werden muss.

4.2.2

Auch in Bezug auf die europäischen Regeln zur Vereinfachung der Sitzverlegung zwischen Mitgliedstaaten wünscht der EWSA mehr Entschlossenheit von Seiten der Kommission, die selbst einräumt, dass diesbezüglich echter Bedarf besteht. Der EWSA fordert eine entsprechende Initiative, die weiterhin die Bedingungen für die Einbeziehung der Arbeitnehmer garantiert und stärkt. Die Arbeitnehmer müssen gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2002/14/EG und der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat über die geplante Verlegung unterrichtet und dazu konsultiert werden.

4.2.3

Der EWSA hat jedoch erhebliche Bedenken gegen jede gemeinschaftliche Initiative, die auf die Anerkennung des Begriffs „Gruppeninteresse“ hinausläuft, was letztlich den Grundsatz der Unabhängigkeit juristischer Personen, insbesondere aus Drittstaaten, innerhalb der Unternehmensgruppe unterminieren würde. Trotz der vorsichtigen und gemäßigten Haltung der Kommission hält er eine Denkweise für besorgniserregend, nach der das Interesse der Gruppe über das der Tochtergesellschaft zu stellen ist, das ersterem geopfert werden könnte. Wenn die Kommission allerdings daran festhalten sollte, müsste zunächst eine EU-weit gemeinsame rechtsverbindliche Definition des Begriffs Unternehmensgruppe ausgearbeitet werden, was angesichts der ausgesprochen unterschiedlichen Konzepte in den Mitgliedstaaten eine heikle und schwierige Aufgabe wäre.

4.2.4

Angesichts der Reichweite des Aktionsplans hält der EWSA die – ohnehin langwierige – Kodifizierung des Gesellschaftsrechts in der EU bis Ende des Jahres nicht für vorrangig.

4.2.5

Der EWSA bezweifelt im Übrigen, dass eine solche Kodifizierung vollzogen werden könnte, ohne das geltende Recht zu ändern, zumal die Kommission beabsichtigt, Rechtslücken zu schließen und unbeabsichtigte Überschneidungen zu beseitigen.

4.2.6

Der EWSA weist schließlich auf die Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens hin, da die betreffenden Richtlinien, die verschiedene Optionen enthalten, zum größten Teil schon in nationales Recht umgesetzt worden sind.

Brüssel, den 22. Mai 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 91.

(2)  Das Gesellschaftsrecht basiert nämlich bislang allein auf die Beziehungen zwischen den Aktionären, dem Verwaltungsorgan und der Geschäftsführung.

(3)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 35.

(4)  ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 13.

(5)  Unternehmensleitung, Arbeitnehmervertretung, Investoren, Gebietskörperschaften.

(6)  Siehe Mitteilung der Kommission „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan“, COM(2003) 284 final.

(7)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 91.

(8)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 91.

(9)  Gemäß den Darlegungen der Kommission in ihrer Empfehlung von 2004.


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