6.4.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 152/181


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems“

(COM(2021) 564 final — 2021/0214 (COD))

(2022/C 152/30)

Berichterstatter:

Andrés BARCELÓ DELGADO

Mitberichterstatter:

John COMER

Befassung

Europäisches Parlament, 13/09/2021

Rat, 21.9.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

25.11.2021

Verabschiedung im Plenum

8.12.2021

Plenartagung Nr.

565

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

179/3/7

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM), um ein stärkeres Bewusstsein für die Klimaschutzziele der EU zu schaffen und gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt herzustellen.

1.2.

Der EWSA fordert eine Ausweitung der Folgenabschätzung auf Exporttätigkeiten der unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Sektoren. Die EU muss ihre Klimaschutzziele weiterverfolgen, parallel dazu aber auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die europäische Industrie auf der internationalen Bühne sicherstellen, sprich die EU muss es ihrer Industrie ermöglichen, im Binnenmarkt konkurrenzfähig zu sein und auf internationale Märkte zu exportieren.

1.3.

Der EWSA fordert die EU-Gesetzgeber auf zu prüfen, wie Ausfuhren gehandhabt werden können, damit die EU-Industrie auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig bleiben kann. Der EWSA empfiehlt eine Folgenabschätzung zu der Frage, wie die WTO-Vorschriften ausgelegt bzw. angepasst werden müssen, damit sie die Ziele und die Wirksamkeit des CO2-Grenzausgleichsystems unterstützen und so zur weltweiten Vermeidung industrieller CO2-Emissionen beitragen.

1.4.

Viele wichtige Aspekte müssen durch delegierte Durchführungsrechtsakte weiter ausgestaltet werden. Dies führt in Verbindung mit dem vorgenannten Punkt dazu, dass es mithin fast unmöglich ist vorauszusagen, welche Folgen die Umsetzung für die einzelnen verarbeitenden Industriezweige haben wird. Aufgrund der Unwägbarkeiten in Bezug auf wichtige Einzelaspekte der vorgeschlagenen Verordnung gestaltet sich ihre Bewertung schwierig, solange das Legislativverfahren noch nicht weiter fortgeschritten ist. Unsichere Rahmenbedingungen müssen jedoch vermieden werden, insbesondere bei der Bewertung des CO2-Gehalts von Einfuhren, um die proaktiven und antizipativen Klimaschutzmaßnahmen europäischer Unternehmen nicht zu untergraben.

1.5.

Der EWSA appelliert an die EU-Gesetzgeber, die aus dem CO2-Grenzausgleichssystem erzielten Einnahmen unmittelbar für die Unterstützung des industriellen Wandels in den betroffenen Branchen einzusetzen. Bestimmte Wirtschaftszweige, die unter ungerechten Wettbewerbsbedingungen im Klimabereich leiden, benötigen möglicherweise zusätzliche Unterstützung zur Anerkennung ihrer Bemühungen, da sie gegenüber Branchen, die die Kosten ihres Klima-/Umweltfußabdrucks nicht internalisieren, an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen könnten.

1.6.

Der EWSA fordert die Europäische Union auf, weniger entwickelte Länder bei der Verbesserung ihrer technologischen Kapazitäten zu unterstützen, um der Gefahr einer Umgehung des CO2-Grenzausgleichssystems vorzubeugen.

1.7.

Eine gründliche Prüfung der tatsächlichen mit den eingeführten Waren verbundenen grauen Emissionen ist ausschlaggebend für eine gerechte Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems. Der EWSA empfiehlt der Kommission, gezielte Ersuchen an zugelassene Prüfstellen zu richten.

1.8.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Industrie in Europa einen starken Fußabdruck braucht, der uneingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet und klimaverträglich ist.

1.9.

Parallel zum Legislativverfahren sollte die Kommission eine Folgenabschätzung zu den möglichen Auswirkungen des CO2-Grenzausgleichssystems durchführen, die sich durch seine Umsetzung entlang der Wertschöpfungskette ergeben.

1.10.

Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems würde wesentliche Veränderungen im Welthandelssystem hervorrufen. Die EU muss alle gebotenen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass das CO2-Grenzausgleichssystem nicht zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) in anderen Teilen der Welt und somit zu einer potenziellen Zunahme der weltweiten Emissionen führt. Keinesfalls darf das CO2-Grenzausgleichssystem zu einer Deindustrialisierung der EU führen. Die EU darf bei ihren Klimaschutzzielen nicht aus den Augen verlieren, dass die Verringerung der THG-Emissionen ein weltweites Anliegen ist.

1.11.

Die politische Dimension des CO2-Grenzausgleichssystems wurde nicht ausreichend behandelt. Die endgültigen Entscheidungen über das CO2-Grenzausgleichssystem werden weitgehend nicht nur ausgehend von Gesprächen innerhalb der EU, sondern auch auf der Grundlage von Verhandlungen mit Handelspartnern getroffen, die erforderlich sein werden, um einvernehmlich zu einem Ergebnis zu gelangen und Handelskonflikte zu vermeiden.

1.12.

Der EWSA geht davon aus, dass ein funktionierendes CO2-Grenzausgleichssystem für eine stabilere Beschäftigung in den klimafreundlich umgestalteten CO2-intensiven Unternehmen und Branchen sorgen wird. Er warnt jedoch auch vor der Gefahr eines Scheiterns des CO2-Grenzausgleichssystems im Zusammenspiel mit dem Emissionshandelssystem. Die vollständige Abschaffung kostenloser Zertifikate mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems könnte zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in der EU führen.

1.13.

Mit dem CO2-Grenzausgleichssystem werden sowohl die Klimaschutzziele der EU als auch ein stärkerer Fußabdruck der europäischen Industrie in der Zukunft unterstützt. Offensichtliche Risiken wie Schwierigkeiten bei der Überprüfung der CO2-Emissionsangaben von Drittländern und Umgehungsrisiken müssen bei der Umsetzung des CO2-Grenzausgleichssystems während des Übergangszeitraums und danach berücksichtigt werden.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1.

Am 14. Juli veröffentlichte die Kommission das Paket „Fit für 55“: Auf dem Weg zur Klimaneutralität — Umsetzung des EU-Klimaziels für 2030 (1), zu dem u. a. ein Vorschlag für ein CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) (2) gehört, der in engem Zusammenhang mit der Überarbeitung der Richtlinie über das Emissionshandelssystem (EHS) (3) steht. Das „Fit für 55“-Paket selbst ergibt sich aus der am 15. Dezember 2019 vorgelegten Mitteilung über den europäischen Grünen Deal (4).

2.2.

In dem Vorschlag ist ein „fiktives“ EHS vorgesehen, das bei der Einfuhr bestimmter Industrieprodukte sowie von Strom zur Anwendung kommt. In der ersten Phase werden die Sektoren Zement, Stahl, Düngemittel, Aluminium und Strom erfasst.

2.3.

Mit Blick auf Stoffe mit einer intensiveren nachgelagerten Weiterverarbeitung sind in dem Vorschlag bereits zahlreiche nachgelagerte Produkte enthalten. Es wird jedoch auch auf „komplexe Waren“ verwiesen, wodurch sich der Anwendungsbereich des Vorschlags erweitern könnte.

2.4.

Der mit dem CO2-Grenzausgleichssystem verbundene Verwaltungsaufwand liegt bei der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Importeuren, die Waren in den EU-Markt einführen.

2.5.

Das „fiktive“ EHS entspricht dem geltenden EHS, allerdings mit einigen wesentlichen Unterschieden: Die Emissionszertifikate sind nicht handelbar, und die Importeure müssen die Zertifikate zum aktuellen CO2-Preis in der EU abgeben, der auf den grauen Emissionen beruht, die mit den in die EU einzuführenden Waren verbunden sind.

2.6.

Die unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Sektoren und Waren sind in Anhang I des Vorschlags aufgeführt. Die Kommission weitet den Anwendungsbereich des CO2-Grenzausgleichssystems ggf. auf weitere Waren aus, wenn ihrer Ansicht nach ein ernstzunehmendes Umgehungsrisiko besteht. Vorschläge der Kommission zur Einbeziehung neuer Sektoren oder Waren müssen das gesamte Legislativverfahren durchlaufen.

2.7.

Bei dem vorgeschlagenen System werden nur direkte Emissionen (Bereich 1), nicht aber indirekte Emissionen im Zusammenhang mit Energie (Strom- oder Wärmeerzeugung) (Bereich 2) oder indirekte Emissionen von Produkten in der nachgelagerten Wertschöpfungskette berücksichtigt. Emissionen in der vorgelagerten Wertschöpfungskette (ohne Verkehr oder Unternehmenswertschöpfungskette) (Bereich 3) würden allerdings in begrenztem Ausmaß im Rahmen des Konzepts komplexer Waren einbezogen. Wie genau das System funktionieren soll, ist in dem Vorschlag nicht im Einzelnen beschrieben und wird von der Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten festgelegt.

2.8.

Der geografische Geltungsbereich erstreckt sich auf alle Drittländer außerhalb der Zollunion mit Ausnahme von Ländern, die am aktuellen EU-EHS beteiligt oder daran gekoppelt sind. Zur Berücksichtigung des in verschiedenen Drittländern erhobenen CO2-Preises sind spezifische Maßnahmen vorgesehen.

2.9.

Das CO2-Grenzausgleichssystem unterscheidet sich insofern vom EHS, als dabei Produkte (mit bestimmten Code-Nummern der kombinierten Nomenklatur (KN-Codes)) und nicht wie beim EHS Anlagen ins Visier genommen werden.

2.10.

Langfristig soll das CO2-Grenzausgleichssystem schrittweise an die Stelle der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten in den darunter fallenden Sektoren treten. Nach dem dreijährigen Übergangszeitraum wird die kostenlose Zuteilung ab 2026 über einen Zeitraum von zehn Jahren allmählich eingestellt und um 10 Prozentpunkte pro Jahr reduziert. Einzelheiten zum schrittweisen Auslaufen der kostenlosen Zuteilung in den betroffenen Sektoren sind nicht in dem Vorschlag für das CO2-Grenzausgleichssystem enthalten, sondern Teil der Überprüfung der EHS-Richtlinie.

2.11.

Im Rahmen des CO2-Grenzausgleichssystems werden die der EU-Industrie gewährten kostenlosen Zuteilungen berücksichtigt, um einen doppelten Schutz zu vermeiden. In Durchführungsrechtsakten der Kommission wird genau festgelegt, wie der CO2-Grenzausgleichspreis für die einzelnen Waren berechnet wird.

2.12.

Die Vorschriften zur Bestimmung der mit den Waren verbundenen grauen Emissionen sind allgemein gehalten, wobei für Stromeinfuhren ein spezifischer und vereinfachter Ansatz gilt.

2.13.

Nach Auffassung der Kommission wird eine Übergangsphase von drei Jahren erforderlich sein, um die Berechnung der grauen Emissionen zu optimieren und akkreditierte Prüfstellen für diese Emissionen zu bestimmen. 2025 muss das CO2-Grenzausgleichssystem vor Anlaufen seiner zweiten Phase einer allgemeinen Überprüfung unterzogen werden.

2.14.

Die Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem werden von den nationalen Behörden eingezogen, die sie nach Abzug der ihnen entstandenen Verwaltungskosten grundsätzlich an die EU abführen.

2.15.

In dem Vorschlag ist eine dreijährige (2023–2025) administrative Testphase ohne wirtschaftliche Folgen vorgesehen. Die Importeure müssen bestimmte Berichterstattungsverfahren durchführen, ohne indes die grauen Emissionen prüfen zu müssen, zuvor zugelassen zu sein oder für die Zertifikate für die eingeführten Waren zahlen zu müssen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die Kommission hat unter der Federführung der GD TAXUD gute Arbeit bei der Erarbeitung des Vorschlags geleistet und dabei sowohl den ehrgeizigeren Klimaschutzzielen der EU als auch der Notwendigkeit Rechnung getragen, die drohende Verlagerung von CO2-Emissionen zu verhindern.

3.2.

In dem Vorschlag werden einige technische Einzelheiten ausgespart, über die die Kommission in der ersten Phase (Testphase) entscheidet. Sowohl der Rat als auch das Parlament sind entschlossen, 2023 mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems zu beginnen, d. h. der Zeitplan ist eng.

3.3.

Viele wichtige Aspekte müssen durch delegierte Durchführungsrechtsakte weiter ausgestaltet werden. Dies führt in Verbindung mit dem vorgenannten Punkt dazu, dass es mithin fast unmöglich ist vorauszusagen, welche Folgen die Umsetzung für die einzelnen verarbeitenden Industriezweige haben wird. Aufgrund der Unwägbarkeiten in Bezug auf wichtige Einzelaspekte der vorgeschlagenen Verordnung gestaltet sich ihre Bewertung schwierig, solange das Legislativverfahren noch nicht weiter fortgeschritten ist. Unsichere Rahmenbedingungen müssen jedoch vermieden werden, insbesondere bei der Bewertung des CO2-Gehalts von Einfuhren, um die proaktiven und antizipativen Klimaschutzmaßnahmen europäischer Unternehmen nicht zu untergraben.

3.4.

Mit Blick auf Stromeinfuhren ist nicht klar, ob die Kommission angemessen bewertet hat, welche Auswirkungen das System auf den Strompreis auf dem EU-Strommarkt haben wird und inwieweit es zu höheren Kosten für die Verbraucher führen und somit das Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen in stromintensiven Branchen erhöhen würde. Es darf nicht vergessen werden, dass der Stromverbrauch bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks eingeführter Waren nicht berücksichtigt wird (5).

3.5.

Die europäische Industrie ist exportorientiert; wenn sie durch das CO2-Grenzausgleichssystem zwar einen gewissen Schutz vor Einfuhren gewinnt, aber auf internationalen Märkten nicht mit Konkurrenten mithalten kann, leidet die Wettbewerbsfähigkeit erheblich, und Europa wird nicht mehr in der Lage sein, Industrieinvestitionen anzuziehen.

3.6.

Eine sehr rasche Ersetzung bestehender Maßnahmen gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen durch das CO2-Grenzausgleichssystem könnte zu erheblichen Unwägbarkeiten führen und mithin langfristige Investitionsentscheidungen beeinträchtigen, die bereits auf der Grundlage der jüngst revidierten Ziele für 2030 getroffen wurden. Außerdem könnten dadurch die Kapazitäten der Industrie zur Investition in CO2-arme Technologien verringert werden und Wettbewerbshindernisse beim Zugang zu Märkten in Drittstaaten entstehen. Daher sollte die Zahl der kostenlosen Zertifikate gegebenenfalls zunächst beibehalten werden, um den unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Branchen die Möglichkeit zu geben, CO2-effizienter zu werden. Anschließend sollten die kostenlosen Zertifikate nach und nach in angemessener Weise verringert werden, um die Dekarbonisierung weiter voranzutreiben.

3.7.

Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Preise entlang der Wertschöpfungskette sollten sorgfältig geprüft werden, um die Folgen insbesondere für Exportbranchen wie die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft zu begrenzen, die stark von Waren aus Sektoren abhängig sind, die bereits in dem Vorschlag für das CO2-Grenzausgleichssystem erfasst sind.

3.8.

Das CO2-Grenzausgleichssystem kann seine Ziele nur dann wirksam erreichen, wenn das Erfordernis der Vermeidung von CO2-Emissionen bei Einfuhren in die EU durch die Vorteile einer klimafreundlichen Ausfuhrproduktion europäischer Erzeuger ausgeglichen wird. Auch wenn die Wettbewerbsbedingungen zwischen Unternehmen aus Drittländern und EU-Unternehmen im Binnenmarkt relativ ausgeglichen sein mögen, könnte kein EU-Unternehmen im Wettbewerb außerhalb der EU bestehen, da Erzeuger aus der EU in vollem Umfang CO2-Abgaben leisten müssen, während Konkurrenten aus Drittländern keine oder geringe derartige Abgaben leisten.

3.9.

Das System kann verschiedenen Umgehungsstrategien Tür und Tor öffnen, wie z. B. im Zusammenhang mit Quellverschiebung, einzelnen Prüfmodalitäten, Unternehmen mit Standorten in Drittländern, die fälschlicherweise behaupten, dass in Anlagen mit hohem CO2-Fußabdruck hergestellte Erzeugnisse in Anlagen mit niedrigem CO2-Fußabdruck hergestellt wurden, „resource shuffling“ und Begriffsbestimmung von Waren, was Fortschritten bei der Verwirklichung der ehrgeizigeren Klimaschutzziele des CO2-Grenzausgleichssystems im Wege stehen könnte. Der Vorschlag sollte im Laufe des Legislativverfahrens dahingehend weiterentwickelt werden, dass solch schädigendes Verhalten vermieden wird, durch das das Ziel der Rechtsvorschriften ernsthaft gefährdet wird: Unabhängig von der Herkunft der Waren muss ihr tatsächlicher Klimafußabdruck abgegolten werden, um den Klimawandel weltweit wirksam aufzuhalten anstatt ihn durch die Verlagerung von Emissionen lokal einzudämmen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA hat sich sehr aktiv mit den Möglichkeiten, Beschränkungen und zentralen Aspekten befasst, die im Rahmen eines Grenzausgleichssystems oder steuerbezogener Alternativen berücksichtigt werden sollten, um die Verlagerung von CO2-Emissionen durch eine ausgeglichene Berücksichtigung von Klimakosten und Klimaschutzanstrengungen sowohl bei Waren aus der EU als auch aus Drittstaaten zu verringern. Der EWSA war die erste EU-Institution, die auf solche Optionen als ergänzende Maßnahme zur Begrenzung der Verlagerung von CO2-Emissionen hingewiesen hat.

4.2.

Die Kommission beabsichtigt, den Geltungsbereich des CO2-Grenzausgleichssystems auf Emissionen des Bereichs 2 (aus der Strom- oder Wärmeerzeugung) auszuweiten, die aktuell nicht erfasst werden. Die EU-Gesetzgeber müssen berücksichtigen, dass die Ausgleichsleistungen für mit der Stromerzeugung verbundene indirekte Kosten bei weitem nicht einheitlich sind, da sie auf Entscheidungen der Mitgliedstaaten beruhen. Im schlechtesten Fall bewirkt das CO2-Grenzausgleichssystem, dass der von der Industrie für indirekte Kosten erhaltene Ausgleich begrenzt wird und so letztendlich geringer ausfällt als nach EU-Leitlinien möglich.

4.3.

Ferrolegierungen (KN-Code 7202) fallen nicht unter den Vorschlag für ein CO2-Grenzausgleichssystem, es ist jedoch nicht klar, ob die mit Ferrolegierungen verbundenen grauen Emissionen im Zusammenhang mit einschlägigen Waren (z. B. rostfreier Stahl (KN-Code 7218)) berücksichtigt werden, da zahlreiche Aspekte im Rahmen abgeleiteter Rechtsvorschriften festgelegt werden sollen, die technische und andere wesentliche Gesichtspunkte umfassen wird.

4.4.

Auf EU-Ebene ist Rechtssicherheit ein zentrales Gebot, und der Vorschlag für ein CO2-Grenzausgleichssystem muss im Laufe des Legislativverfahrens optimiert werden, um allen Wirtschaftsakteuren aus Europa wie auch Drittländern Sicherheit zu bieten.

4.5.

Eine effiziente Industrie mit einer fairen „Wettbewerbsfähigkeit im Klima- und Umweltbereich“, die faire, in Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern festgelegte Arbeitsbedingungen einschließt, sollte auf internationaler Ebene sowohl in der EU als auch in Drittstaaten gleichermaßen gefördert werden. Nur durch ein klimafreundliches Umfeld mit fairen Arbeitsbedingungen und Sozialstandards kann die gesellschaftlich wünschenswerte neue Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie erreicht werden. Wenn sich ein solches Verständnis sowohl auf dem EU-Binnenmarkt als auch auf internationalen Märkten durchsetzt, kommt dies der Förderung eines fairen Wettbewerbs im Klimabereich zugute.

4.6.

Ob Einfuhren in die EU den Anforderungen des CO2-Grenzausgleichssystems entsprechen, wird anhand von Dokumenten bestimmt, die außerhalb der EU ausgestellt werden. Dies wirft die Frage der Extraterritorialität und der Zuständigkeit der EU für die Feststellung der Gültigkeit derartiger Dokumente auf. Aufgrund des für eine solche Bewertung benötigten Zeitaufwands könnten außerdem eingeführte Waren auf den EU-Markt gelangen, deren CO2-Fußabdruck höher ist als angegeben, was den vorgeschlagenen Verordnungen und der europäischen Industrie schaden würde.

4.7.

Es bleibt unklar, wie graue Emissionen von Veredelungserzeugnissen berechnet werden, die nicht in Anhang I aufgeführt sind, aber in Anhang I aufgeführte Stoffe enthalten.

4.8.

Berichterstattung, Prüfung, Rückverfolgbarkeit und Überwachung sind allesamt wichtige Aspekte, wobei ebenso wie bei der Überwachung im Rahmen des EHS nicht nur auf Stichproben zurückgegriffen werden sollte. Im Fall einer möglichen Umgehung oder mangelnden Einhaltung des CO2-Grenzausgleichssystems sollte ein klares und zügiges Verfahren zur Anwendung kommen, damit rasch Abhilfe geschaffen wird, um Umgehungen sowie Störungen des Handels/der Lieferketten zu verhindern.

4.9.

Die Überprüfung und Überwachung sollte auf Ebene der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten vollkommen transparent und zuverlässig sein. Einschlägige Informationen sollten den für die Überwachung zuständigen Stellen — selbstverständlich unter Wahrung der Vertraulichkeit — zur Verfügung stehen.

4.10.

Die Europäische Kommission sollte Mitgliedstaaten mit geringen Grenzverwaltungskapazitäten ihre Unterstützung anbieten, da sie Opfer unlauterer Praktiken werden und als Schlupfloch für die Umgehung des CO2-Grenzausgleichssystems genutzt werden könnten. Auch sollte die Kommission im Rahmen ihrer Förderprogramme für Entwicklungs- und Nachbarländer unbedingt „Schulungsmaßnahmen“ zum CO2-Grenzausgleichssystem vorsehen, um diese Länder bei der Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz zu unterstützen und der Gefahr einer Umgehung entgegenzuwirken.

4.11.

Die Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem sollten für die Unterstützung eines gerechten industriellen Wandels in Europa in Richtung einer CO2-neutralen Wirtschaft in den beteiligten Sektoren eingesetzt werden. Die EU könnte einen spezifischen Innovationsfonds für technologische Entwicklung einrichten, um die Umstellung der Industrie zu fördern, ohne dass ihre Wettbewerbsfähigkeit im Klimabereich gefährdet wird.

5.   Bemerkungen im Zusammenhang mit der WTO

5.1.

Die Kommission war sehr auf die Vereinbarkeit mit den WTO-Regeln bedacht. Deshalb wurden Ausfuhren in dem Vorschlag ausgeklammert. Da die Meinungen über die Vereinbarkeit mit den WTO-Regeln auseinandergehen, müssen diesbezügliche Fragen eingehend analysiert und ehrliche diplomatische Gespräche mit Handelspartnern geführt werden, um einen Handelskrieg zu vermeiden und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie auf internationalen Märkten zu gewährleisten.

5.2.

Wahrscheinlich wird Artikel XX Buchstabe b und g des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT, 1994) zur Rechtfertigung des CO2-Grenzausgleichssystems als Umweltschutzmaßnahme herangezogen werden. Wie ein WTO-Panel oder -Rechtsmittelgremium in dieser Sache befinden würde, ist schwer abzusehen.

5.3.

Angesichts der Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels ist es unter den derzeitigen Umständen entscheidend, dass die WTO nach der Neubesetzung den Umwelt- und Klimaschutz in ihre Agenda aufnimmt. Die EU könnte das CO2-Grenzausgleichssystem als Gelegenheit nutzen, um gemeinsam mit anderen Handelspartnern eine diesbezügliche Debatte im Rahmen der WTO anzustoßen. Dies war vom EWSA bereits in seiner Stellungnahme REX/531 (6) vorgeschlagen worden.

Brüssel, den 8. Dezember 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  COM(2021) 550 final.

(2)  COM(2021) 564 final.

(3)  COM(2021) 551 final.

(4)  COM(2019) 640 final.

(5)  Folgenabschätzung der Europäischen Kommission zum CO2-Grenzausgleichssystem, Anhang 8.

(6)  EWSA-Stellungnahme „CO2-Märkte: Entstehung, Struktur und Herausforderungen für die europäische Industrie“ (REX/531) (ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 122).


ANHANG

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen (Art. 43 Abs. 2 der Geschäftsordnung):

ÄNDERUNGSANTRAG 1

Ziffer 3.6

Ändern:

Stellungnahme der Fachgruppe

Änderung

Eine sehr rasche Ersetzung bestehender Maßnahmen gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen durch das CO2-Grenzausgleichssystem könnte zu erheblichen Unwägbarkeiten führen und mithin langfristige Investitionsentscheidungen beeinträchtigen, die bereits auf der Grundlage der jüngst revidierten Ziele für 2030 getroffen wurden. Außerdem könnten dadurch die Kapazitäten der Industrie zur Investition in CO2-arme Technologien verringert werden und Wettbewerbshindernisse beim Zugang zu Märkten in Drittstaaten entstehen. Daher sollte die Zahl der kostenlosen Zertifikate gegebenenfalls zunächst beibehalten werden, um den unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Branchen die Möglichkeit zu geben, CO2-effizienter zu werden. Anschließend sollten die kostenlosen Zertifikate nach und nach in angemessener Weise verringert werden, um die Dekarbonisierung weiter voranzutreiben.

Eine sehr rasche Ersetzung bestehender Maßnahmen gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen durch das CO2-Grenzausgleichssystem könnte zu erheblichen Unwägbarkeiten führen und mithin langfristige Investitionsentscheidungen beeinträchtigen, die bereits auf der Grundlage der jüngst revidierten Ziele für 2030 getroffen wurden. Außerdem könnten dadurch die Kapazitäten der Industrie zur Investition in CO2-arme Technologien verringert werden und Wettbewerbshindernisse beim Zugang zu Märkten in Drittstaaten entstehen. Daher sollte die Zahl der kostenlosen Zertifikate gegebenenfalls zunächst beibehalten werden, um den unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Branchen die Möglichkeit zu geben, CO2-effizienter zu werden. Anschließend sollten die kostenlosen Zertifikate nach und nach verringert werden, bis die neuen Maßnahmen wirksam greifen , um die Dekarbonisierung weiter voranzutreiben.


Begründung

Da in Ziffer 3.6 im Wesentlichen darauf eingegangen wird, dass kostenlose Zertifikate zunächst beibehalten werden sollten, um den unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Branchen die Möglichkeit zu geben, CO2-effizienter zu werden, und dass sie anschließend nach und nach verringert werden sollten, sollte dieser Wortlaut auch in das Kapitel „Schlussfolgerungen und Empfehlungen“ aufgenommen und durch den Zusatz „bis die neuen Maßnahmen wirksam greifen“ ergänzt werden. Dadurch wird der Standpunkt untermauert, dass das CO2-Grenzausgleichssystem als ergänzendes Instrument zur Zuteilung kostenloser Zertifikate betrachtet werden sollte, bis das System voll funktionsfähig und wirksam ist und nicht zu einer Verlagerung von CO2-Emissionen führt, sodass wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen für die EU-Industrie gewährleistet werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

66

Nein-Stimmen:

90

Enthaltungen:

24

ÄNDERUNGSANTRAG 2

Ziffer 1.12

Ändern:

Stellungnahme der Fachgruppe

Änderung

Der EWSA geht davon aus, dass ein funktionierendes CO2-Grenzausgleichssystem für eine stabilere Beschäftigung in den klimafreundlich umgestalteten CO2-intensiven Unternehmen und Branchen sorgen wird. Er warnt jedoch auch vor der Gefahr eines Scheiterns des CO2-Grenzausgleichssystems im Zusammenspiel mit dem Emissionshandelssystem. Die vollständige Abschaffung kostenloser Zertifikate mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems könnte zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in der EU führen.

Der EWSA geht davon aus, dass ein funktionierendes CO2-Grenzausgleichssystem für eine stabilere Beschäftigung in den klimafreundlich umgestalteten CO2-intensiven Unternehmen und Branchen sorgen wird. Er warnt jedoch auch vor der Gefahr eines Scheiterns des CO2-Grenzausgleichssystems im Zusammenspiel mit dem Emissionshandelssystem. Die vollständige Abschaffung kostenloser Zertifikate mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems könnte zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in der EU führen. Die Zahl der kostenlosen Zertifikate sollte zunächst beibehalten werden, um den unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Branchen die Möglichkeit zu geben, CO2-effizienter zu werden. Anschließend sollten die kostenlosen Zertifikate nach und nach verringert werden, bis die neuen Maßnahmen wirksam greifen, um die Dekarbonisierung weiter voranzutreiben.


Begründung

Mit diesem Änderungsantrag soll ein sehr wichtiger Textteil aus Ziffer 3.6 (siehe oben) in die Schlussfolgerungen verschoben werden.

Dabei sollte der Aspekt im Vordergrund stehen, dass die kostenlosen Zertifikate im Rahmen des CO2-Grenzausgleichssystems nur dann vollständig abgeschafft werden sollten, wenn der neue Mechanismus wirksam greift.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

60

Nein-Stimmen:

94

Enthaltungen:

26


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