15.3.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 88/9 |
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 26. Januar 2021 (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts — Deutschland) — Johannes Dietrich (C-422/19), Norbert Häring (C-423/19)/Hessischer Rundfunk
(Verbundene Rechtssachen C-422/19 und C-423/19) (1)
(Vorlage zur Vorabentscheidung - Wirtschafts- und Währungspolitik - Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV - Währungspolitik - Ausschließliche Zuständigkeit der Union - Art. 128 Abs. 1 AEUV - Protokoll [Nr. 4] über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank - Art. 16 Abs. 1 - Begriff „gesetzliches Zahlungsmittel“ - Wirkungen - Pflicht zur Annahme von Euro-Banknoten - Verordnung [EG] Nr. 974/98 - Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, Zahlungen mit Euro-Banknoten und -Münzen zu beschränken - Voraussetzungen - Landesrechtliche Regelung, die die Barzahlung des Rundfunkbeitrags an eine öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt ausschließt)
(2021/C 88/09)
Verfahrenssprache: Deutsch
Vorlegendes Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Johannes Dietrich (C-422/19), Norbert Häring (C-423/19)
Beklagter: Hessischer Rundfunk
Tenor
1. |
Art. 2 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 128 Abs. 1 und Art. 133 AEUV sowie mit Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ist dahin auszulegen, dass er unabhängig davon, ob die Europäische Union ihre ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ausgeübt hat, einen Mitgliedstaat daran hindert, eine Vorschrift zu erlassen, die in Anbetracht ihres Ziels und ihres Inhalts die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel determiniert. Hingegen hindert er einen Mitgliedstaat nicht daran, in Ausübung einer ihm eigenen Zuständigkeit, wie etwa der Organisation seiner öffentlichen Verwaltung, eine Vorschrift zu erlassen, die diese Verwaltung verpflichtet, die Erfüllung der von ihr auferlegten Geldleistungspflichten in bar zu akzeptieren. |
2. |
Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV, Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sowie Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die die Möglichkeit ausschließt, eine hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht mit Euro-Banknoten zu erfüllen, nicht entgegenstehen, vorausgesetzt erstens, dass diese Regelung nicht zum Zweck oder zur Folge hat, die rechtliche Ausgestaltung des Status dieser Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel zu determinieren, zweitens, dass sie weder rechtlich noch faktisch zu einer Abschaffung dieser Banknoten führt, insbesondere, indem sie die Möglichkeit untergräbt, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit solchem Bargeld zu erfüllen, drittens, dass sie aus Gründen des öffentlichen Interesses erlassen wurde, viertens, dass die durch diese Regelung bewirkte Beschränkung von Barzahlungen geeignet ist, das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse zu erreichen, und fünftens, dass sie die Grenzen dessen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, insofern nicht überschreitet, als andere rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, um die Geldleistungspflicht zu erfüllen. |