26.7.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 297/12


Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 10. Juni 2021 (Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Linz — Österreich) — Land Oberösterreich/KV

(Rechtsssache C-94/20) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Richtlinie 2003/109/EG - Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen - Art. 11 - Recht auf Gleichbehandlung in Bezug auf soziale Sicherheit, Sozialhilfe und Sozialschutz - Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der Sozialhilfe und des Sozialschutzes - Begriff „Kernleistungen“ - Richtlinie 2000/43/EG - Grundsatz der Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft - Art. 2 - Begriff „Diskriminierung“ - Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen)

(2021/C 297/11)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Landesgericht Linz

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Land Oberösterreich

Beklagter: KV

Tenor

1.

Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass er selbst dann, wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht worden ist, einer Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, entgegensteht, sofern diese Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellt, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.

2.

Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörigen gilt und nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft.

3.

Wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 Gebrauch gemacht worden ist, ist Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf eine Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, nicht anwendbar, sofern diese Wohnbeihilfe keine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt. Sollte diese Wohnbeihilfe eine solche Kernleistung darstellen, stünde Art. 21 der Charta der Grundrechte, insoweit als er jede Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verbietet, einer solchen Regelung nicht entgegen.


(1)  ABl. C 201 vom 15.6.2020.


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