ISSN 1725-2539 doi:10.3000/17252539.L_2011.055.deu |
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Amtsblatt der Europäischen Union |
L 55 |
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Ausgabe in deutscher Sprache |
Rechtsvorschriften |
54. Jahrgang |
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(1) Text von Bedeutung für den EWR |
DE |
Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben. Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte. |
I Gesetzgebungsakte
VERORDNUNGEN
28.2.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
L 55/1 |
VERORDNUNG (EU) Nr. 181/2011 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 16. Februar 2011
über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004
(Text von Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 91 Absatz 1,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, aufgrund des vom Vermittlungsausschuss am 24. Januar 2011 gebilligten gemeinsamen Entwurfs (2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Die Maßnahmen der Union im Bereich des Kraftomnibusverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, überall ein hohes, dem Standard anderer Verkehrsträger vergleichbares Schutzniveau für die Fahrgäste sicherzustellen. Ferner sollte den allgemeinen Erfordernissen des Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung getragen werden. |
(2) |
Da die Busfahrgäste im Beförderungsvertrag die schwächere Partei sind, sollte allen Fahrgästen ein Mindestmaß an Schutz gewährt werden. |
(3) |
Die Maßnahmen der Union zur Verbesserung der Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr sollten den Besonderheiten dieses überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Sektors Rechnung tragen. |
(4) |
Die Fahrgäste und zumindest diejenigen Personen, für die diese kraft Gesetzes unterhaltspflichtig waren oder zukünftig unterhaltspflichtig geworden wären, sollten nach Maßgabe der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (3) im Falle eines aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfalls angemessen geschützt sein. |
(5) |
Bei der Bestimmung des nationalen Rechts, das für die Entschädigung bei Tod — einschließlich angemessener Kosten für die Bestattung — oder Körperverletzung oder bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck infolge eines aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfalls anwendbar ist, sollten die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (4) und die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (5) berücksichtigt werden. |
(6) |
Die Fahrgäste sollten — abgesehen von der in den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Entschädigung bei Tod oder Körperverletzung oder bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck infolge eines aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfalls — Anspruch auf Unterstützung in Bezug auf ihre unmittelbaren praktischen Bedürfnisse nach einem Unfall haben. Diese Unterstützung sollte erforderlichenfalls erste Hilfe, Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und Beförderung umfassen. |
(7) |
Busverkehrsdienste sollten den Bürgern allgemein zugute kommen. Daher sollten behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität unabhängig von der Ursache der Beeinträchtigung Busreisemöglichkeiten haben, die denen anderer Bürger vergleichbar sind. Behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität haben das gleiche Recht auf Freizügigkeit, Entscheidungsfreiheit und Nichtdiskriminierung wie alle anderen Bürger. |
(8) |
Um behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität Busreisemöglichkeiten zu eröffnen, die denen anderer Bürger vergleichbar sind, sollten vor dem Hintergrund von Artikel 9 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Regeln für die Gleichstellung dieser Personen und für ihre Unterstützung während der Reise festgelegt werden. Die Beförderung dieser Personen sollte daher akzeptiert und nicht wegen ihrer Behinderung oder eingeschränkten Mobilität verweigert werden, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, die aus Gründen der Sicherheit oder wegen der Fahrzeugkonstruktion oder der Infrastruktur gerechtfertigt sind. Im Rahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften über den Schutz der Arbeitnehmer sollten behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität Anspruch auf Hilfe an Busbahnhöfen und in den Fahrzeugen haben. Im Interesse der sozialen Integration sollten die Betroffenen diese Hilfe kostenlos erhalten. Die Beförderer sollten Zugangsbedingungen festlegen, vorzugsweise unter Verwendung des europäischen Normungssystems. |
(9) |
Bei der Entscheidung über die Gestaltung neuer Busbahnhöfe und bei umfassenden Renovierungsarbeiten sollten die Busbahnhofbetreiber bemüht sein, den Bedürfnissen von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität entsprechend den Anforderungen einer Konzeption für alle Verwendungsarten („Design for all“) Rechnung zu tragen. In jedem Fall sollten die Busbahnhofbetreiber Kontaktstellen angeben, bei denen die Betroffenen ihre Ankunft und ihren Bedarf an Hilfeleistung anmelden können. |
(10) |
Entsprechend sollten Beförderer unbeschadet bestehender oder künftiger Rechtsvorschriften über technische Anforderungen für Kraftomnibusse bei der Entscheidung über die Ausrüstung neuer und neu einzurichtender Fahrzeuge solche Bedürfnisse, soweit möglich, berücksichtigen. |
(11) |
Die Mitgliedstaaten sollten bemüht sein, die bestehende Infrastruktur zu verbessern, wo dies notwendig ist, um Beförderer in die Lage zu versetzen, den Zugang für behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität zu gewährleisten und geeignete Hilfestellungen anzubieten. |
(12) |
Damit das Personal auf die Bedürfnisse von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität eingehen kann, sollte es angemessen geschult werden. Um die gegenseitige Anerkennung der nationalen Ausbildungsnachweise der Fahrer zu erleichtern, könnten Fahrer im Rahmen der Grundqualifikation und Weiterbildung im Sinne der Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr (6) auch im Hinblick auf die Sensibilisierung für Behinderungen geschult werden. Damit sich die Einführung der Schulungsanforderungen mit den in jener Richtlinie vorgegebenen Fristen vereinbaren lässt, sollte für einen begrenzten Zeitraum eine Ausnahme gewährt werden können. |
(13) |
Organisationen, die behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität vertreten, sollten bei der inhaltlichen Vorbereitung der Schulungen in Behindertenfragen konsultiert oder in diese Arbeit einbezogen werden. |
(14) |
Zu den Rechten der Busfahrgäste sollte ein Anspruch auf Informationen über den Verkehrsdienst sowohl vor als auch während der Fahrt gehören. Alle wesentlichen Informationen für Busfahrgäste sollten auf Verlangen auch in alternativen, behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglichen Formen bereitgestellt werden, wie zum Beispiel in großen Buchstaben, einfacher Sprache, Blindenschrift, mit Hilfe von Adaptionstechnik zugänglichen Mitteilungen in elektronischer Form oder als Tonbänder. |
(15) |
Diese Verordnung sollte die Möglichkeiten der Beförderer, nach dem anwendbaren nationalen Recht Ausgleichsansprüche gegen andere Personen — auch Dritte — geltend zu machen, nicht einschränken. |
(16) |
Die Unannehmlichkeiten, die den Fahrgästen durch Annullierung oder erhebliche Verspätung von Fahrten entstehen, sollten verringert werden. Deshalb sollten die Fahrgäste, die von einem Busbahnhof abreisen, in angemessener Weise betreut und in für alle Fahrgäste zugänglicher Form informiert werden. Sie sollten zudem die Möglichkeit haben, ihre Fahrt zu stornieren und sich den Fahrpreis erstatten zu lassen oder ihre Reise fortzusetzen oder eine Weiterreise mit geänderter Streckenführung zu annehmbaren Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Versäumen die Beförderer die Leistung der notwendigen Hilfe, sollten die Fahrgäste Anspruch auf finanzielle Entschädigung haben. |
(17) |
Die Beförderer sollten unter Beteiligung der interessierten Kreise, der Berufsverbände und der Verbände von Verbrauchern, Fahrgästen, behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zusammenarbeiten, um auf nationaler oder europäischer Ebene Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen sollten auf die Verbesserung der Information, Betreuung und Unterstützung der Fahrgäste bei Fahrtunterbrechung ausgerichtet sein, insbesondere bei großer Verspätung oder Fahrtannullierung, wobei besonders Fahrgäste mit besonderen Bedürfnissen wegen Behinderungen, eingeschränkter Mobilität, Krankheit, fortgeschrittenem Alter und Schwangerschaft sowie begleitende Fahrgäste und Fahrgäste, die mit Kleinkindern reisen, im Mittelpunkt stehen sollten. Nationale Durchsetzungsstellen sollten von diesen Vereinbarungen in Kenntnis gesetzt werden. |
(18) |
Diese Verordnung sollte die Rechte der Fahrgäste, die in der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (7) begründet sind, nicht berühren. Diese Verordnung sollte nicht in Fällen gelten, in denen eine Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Busverkehrsdienstes annulliert wird. |
(19) |
Die Fahrgäste sollten umfassend über ihre Rechte nach dieser Verordnung informiert werden, damit sie diese Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können. |
(20) |
Die Fahrgäste sollten ihre Rechte durch geeignete Beschwerdeverfahren der Beförderer wahrnehmen können und indem sie gegebenenfalls Beschwerde bei den vom betreffenden Mitgliedstaat hierzu benannten Stellen erheben. |
(21) |
Die Mitgliedstaaten sollten die Einhaltung dieser Verordnung sicherstellen und eine oder mehrere zuständige Stellen zur Wahrnehmung der Überwachungs- und Durchsetzungsaufgaben benennen. Das Recht der Fahrgäste, Forderungen nach nationalem Recht gerichtlich geltend zu machen, wird dadurch nicht berührt. |
(22) |
Unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Beschwerdeverfahren sollte eine Beschwerde über die Hilfeleistung vorzugsweise an die Stelle bzw. Stellen gerichtet werden, die zur Durchsetzung dieser Verordnung in dem Mitgliedstaat benannt wurde(n), in dem der Abfahrtsort bzw. der Ankunftsort liegt. |
(23) |
Die Mitgliedstaaten sollten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und die Benutzung integrierter Informationen und integrierter Fahrscheine werben, um bestmögliche Ergebnisse hinsichtlich der Benutzung und der Interoperabilität der verschiedenen Verkehrsträger und Betreiber zu erzielen. |
(24) |
Die Mitgliedstaaten sollten für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen festlegen und deren Anwendung sicherstellen. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. |
(25) |
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich zu gewährleisten, dass Busfahrgäste in allen Mitgliedstaaten Schutz und Unterstützung auf gleichwertigem Niveau genießen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. |
(26) |
Diese Verordnung sollte die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (8) unberührt lassen. |
(27) |
Die Durchsetzung dieser Verordnung sollte sich auf die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden („Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz“) (9) stützen. Daher sollte die genannte Verordnung entsprechend geändert werden. |
(28) |
Die Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union genannten Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, wobei auch die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (10) sowie die Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (11) zu berücksichtigen sind — |
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
KAPITEL I
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1
Gegenstand
Diese Verordnung enthält Vorschriften für den Kraftomnibusverkehr, die Folgendes betreffen:
a) |
das Verbot der Diskriminierung von Fahrgästen hinsichtlich der Beförderungsbedingungen der Beförderer; |
b) |
die Rechte der Fahrgäste bei Tod oder Körperverletzung oder bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck infolge von aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfällen; |
c) |
das Verbot der Diskriminierung und die obligatorische Unterstützung von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität; |
d) |
die Rechte der Fahrgäste bei Annullierung und Verspätung; |
e) |
die Informationen, die den Fahrgästen mindestens verfügbar zu machen sind; |
f) |
den Umgang mit Beschwerden; |
g) |
allgemeine Durchsetzungsvorschriften. |
Artikel 2
Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für Fahrgäste von Linienverkehrsdiensten für nicht näher bestimmte Gruppen von Fahrgästen, bei denen der Abfahrts- oder der Ankunftsort des Fahrgastes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats liegt und bei denen die planmäßige Wegstrecke 250 km oder mehr beträgt.
(2) Bezüglich der Verkehrsdienste gemäß Absatz 1, bei denen die planmäßige Wegstrecke weniger als 250 km beträgt, gelten Artikel 4 Absatz 2, Artikel 9, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 16 Absatz 2, Artikel 17 Absätze 1 und 2 sowie die Artikel 24 bis 28.
(3) Zudem gilt diese Verordnung mit Ausnahme der Artikel 9 bis 16, des Artikels 17 Absatz 3 und der Kapitel IV, V und VI für Passagiere von Gelegenheitsverkehrsdiensten, wenn der ursprüngliche Abfahrtsort oder der endgültige Ankunftsort des Fahrgastes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats liegt.
(4) Mit Ausnahme von Artikel 4 Absatz 2, Artikel 9, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 16 Absatz 2, Artikel 17 Absätze 1 und 2 sowie Artikel 24 bis 28 kann ein Mitgliedstaat inländische Linienverkehrsdienste in transparenter und nichtdiskriminierender Weise von der Anwendung dieser Verordnung ausnehmen. Diese Ausnahmen können ab dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung für einen Zeitraum von höchstens vier Jahren gewährt werden, der einmal verlängert werden kann.
(5) Ein Mitgliedstaat kann in transparenter und nichtdiskriminierender Weise für einen Zeitraum von höchstens vier Jahren ab dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung bestimmte Linienverkehrsdienste von der Anwendung dieser Verordnung ausnehmen, weil ein erheblicher Teil dieser Linienverkehrsdienste, der mindestens einen planmäßigen Halt umfasst, außerhalb der Union betrieben wird. Diese Ausnahmen können einmal verlängert werden.
(6) Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission von den Ausnahmen, die sie für einzelne Arten von Diensten gemäß den Absätzen 4 und 5 gewähren, in Kenntnis. Die Kommission ergreift die geeigneten Maßnahmen, wenn sie der Auffassung ist, dass eine solche Ausnahme nicht mit diesem Artikel im Einklang steht. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens bis zum 8. März 2018 einen Bericht über die gemäß den Absätzen 4 und 5 gewährten Ausnahmen vor.
(7) Die Bestimmungen dieser Verordnung sind nicht als gegenläufig zu oder als Einführung zusätzlicher Anforderungen zu denen in bestehenden Rechtsvorschriften über die technischen Anforderungen für Kraftomnibusse oder Infrastruktur oder Einrichtungen an den Bushaltestellen und Busbahnhöfen auszulegen.
(8) Diese Verordnung berührt nicht die Fahrgastrechte nach der Richtlinie 90/314/EWG und gilt nicht für Fälle, in denen eine Pauschalreise gemäß der genannten Richtlinie aus anderen Gründen als der Annullierung eines Linienverkehrsdienstes annulliert wird.
Artikel 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff
a) |
„Linienverkehrsdienste“ Dienste zur Beförderung von Fahrgästen mit Kraftomnibussen in festgelegten Abständen auf einer bestimmten Verkehrsstrecke, wobei Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen aufgenommen oder abgesetzt werden; |
b) |
„Gelegenheitsverkehrsdienste“ Verkehrsdienste, die nicht der Begriffsbestimmung der Linienverkehrsdienste entsprechen und deren Hauptmerkmal die Beförderung vorab gebildeter Fahrgastgruppen mit Kraftomnibussen auf Initiative eines Auftraggebers oder des Verkehrsunternehmers selbst ist; |
c) |
„Beförderungsvertrag“ einen Vertrag zwischen einem Beförderer und einem Fahrgast über die Erbringung eines oder mehrerer Linien- oder Gelegenheitsverkehrsdienste; |
d) |
„Fahrschein“ ein gültiges Dokument oder einen anderen Nachweis für einen Beförderungsvertrag; |
e) |
„Beförderer“ eine natürliche oder juristische Person, die kein Reiseveranstalter, kein Reisevermittler und kein Fahrscheinverkäufer ist und die im Rahmen eines Linien- oder Gelegenheitsverkehrsdienstes Beförderungen für die allgemeine Öffentlichkeit anbietet; |
f) |
„ausführender Beförderer“ eine andere natürliche oder juristische Person als den Beförderer, die die Beförderung tatsächlich ganz oder teilweise durchführt; |
g) |
„Fahrscheinverkäufer“ jeden Vermittler, der im Namen eines Beförderers Beförderungsverträge schließt; |
h) |
„Reisevermittler“ jeden Vermittler, der im Namen eines Fahrgasts Beförderungsverträge schließt; |
i) |
„Reiseveranstalter“ einen Veranstalter oder Vermittler im Sinne des Artikels 2 Nummern 2 und 3 der Richtlinie 90/314/EWG, der kein Beförderer ist; |
j) |
„behinderter Mensch“ oder „Person mit eingeschränkter Mobilität“ eine Person, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförderungsmitteln wegen einer körperlichen (sensorischen oder motorischen, dauerhaften oder zeitweiligen) Behinderung, einer geistigen Behinderung oder Beeinträchtigung, wegen anderer Behinderungen oder aufgrund des Alters eingeschränkt ist und deren Zustand angemessene Unterstützung und eine Anpassung der für alle Fahrgäste bereitgestellten Dienstleistungen an ihre besonderen Bedürfnisse erfordert; |
k) |
„Zugangsbedingungen“ die einschlägigen Normen, Leitlinien und Informationen betreffend die Zugänglichkeit von Kraftomnibussen und/oder bestimmten Busbahnhöfen einschließlich ihrer Einrichtungen für behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität; |
l) |
„Reservierung“ die Buchung eines Sitzplatzes in einem Kraftomnibus eines Linienverkehrsdienstes für eine bestimmte Abfahrtszeit; |
m) |
„Busbahnhof“ einen mit Personal besetzten Busbahnhof, an dem ein Linienverkehrsdienst auf einer bestimmten Strecke planmäßig hält, um Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen, und der mit Einrichtungen wie Abfertigungsschaltern, Warteräumen oder Fahrscheinschaltern ausgestattet ist; |
n) |
„Bushaltestelle“ jede Stelle, die kein Busbahnhof ist und an der ein Linienverkehrsdienst auf einer bestimmten Strecke planmäßig hält, um Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen; |
o) |
„Busbahnhofbetreiber“ eine Stelle in einem Mitgliedstaat, die für den Betrieb eines bestimmten Busbahnhofs verantwortlich ist; |
p) |
„Annullierung“ die Nichtdurchführung eines geplanten Linienverkehrsdienstes; |
q) |
„Verspätung“ eine Differenz zwischen der planmäßigen Abfahrtszeit des Linienverkehrsdienstes gemäß dem veröffentlichten Fahrplan und dem Zeitpunkt seiner tatsächlichen Abfahrt. |
Artikel 4
Fahrscheine und nichtdiskriminierende Beförderungsbedingungen
(1) Die Beförderer stellen dem Fahrgast einen Fahrschein aus, sofern nicht andere Dokumente den Beförderungsanspruch begründen. Ein Fahrschein kann in elektronischer Form ausgestellt werden.
(2) Unbeschadet der Sozialtarife werden die von Beförderern angewandten Vertragsbedingungen und Tarife der Allgemeinheit ohne jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Endkunden oder des Ortes der Niederlassung des Beförderers oder Fahrscheinverkäufers in der Union angeboten.
Artikel 5
Andere ausführende Parteien
(1) Wurde die Erfüllung der Verpflichtungen nach dieser Verordnung einem ausführenden Beförderer, einem Fahrscheinverkäufer oder einer anderen Person übertragen, so haftet der Beförderer, Reisevermittler, Reiseveranstalter oder Busbahnhofbetreiber, der diese Verpflichtungen übertragen hat, dennoch für Handlungen und Unterlassungen dieser ausführenden Partei.
(2) Außerdem unterliegt die Partei, der der Beförderer, Reisevermittler, Reiseveranstalter oder Busbahnhofbetreiber die Erfüllung einer Verpflichtung übertragen hat, in Bezug auf die ihr übertragene Verpflichtung den Bestimmungen dieser Verordnung.
Artikel 6
Ausschluss des Rechtsverzichts und der Rechtsbeschränkung
(1) Die Verpflichtungen gegenüber den Fahrgästen gemäß dieser Verordnung dürfen nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden, insbesondere nicht durch abweichende oder einschränkende Bestimmungen im Beförderungsvertrag.
(2) Die Beförderer können Vertragsbedingungen anbieten, die für den Fahrgast günstiger sind als die in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen.
KAPITEL II
ENTSCHÄDIGUNG UND HILFELEISTUNG BEI UNFÄLLEN
Artikel 7
Tod oder Körperverletzung von Fahrgästen und Verlust oder Beschädigung von Gepäck
(1) Die Fahrgäste haben gemäß den geltenden nationalen Rechtsvorschriften Anspruch auf Entschädigung bei Tod — einschließlich angemessener Kosten für die Bestattung — oder Körperverletzung sowie bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck bei aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfällen. Beim Tod eines Fahrgasts gilt dieses Recht mindestens für Personen, für die der Fahrgast kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder zukünftig unterhaltspflichtig geworden wäre.
(2) Die Höhe der Entschädigung wird gemäß den geltenden nationalen Rechtsvorschriften berechnet. Darin vorgesehene Höchstgrenzen für die Entschädigung bei Tod oder Körperverletzung sowie bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck dürfen pro Schadensfall nicht weniger betragen als
a) |
220 000 EUR je Fahrgast; |
b) |
1 200 EUR je Gepäckstück. Die Entschädigung im Falle einer Beschädigung von Rollstühlen und anderen Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräten entspricht stets dem Wiederbeschaffungswert oder den Reparaturkosten der verloren gegangenen oder beschädigten Ausrüstung. |
Artikel 8
Unmittelbare praktische Bedürfnisse von Fahrgästen
Bei aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfällen leistet der Beförderer angemessene und verhältnismäßige Hilfe im Hinblick auf die unmittelbaren praktischen Bedürfnisse der Fahrgäste nach dem Unfall. Diese Hilfe umfasst erforderlichenfalls Unterbringung, Verpflegung, Kleidung, Beförderung und die Bereitstellung erster Hilfe. Hilfeleistung stellt in keinem Fall eine Haftungsanerkennung dar.
Der Beförderer kann die Gesamtkosten der Unterbringung je Fahrgast auf 80 EUR pro Nacht und auf höchstens zwei Nächte beschränken.
KAPITEL III
RECHTE VON BEHINDERTEN MENSCHEN UND PERSONEN MIT EINGESCHRÄNKTER MOBILITÄT
Artikel 9
Anspruch auf Beförderung
(1) Beförderer, Reisevermittler und Reiseveranstalter dürfen sich nicht allein aufgrund der Behinderung oder der eingeschränkten Mobilität einer Person weigern, eine Reservierung vorzunehmen, einen Fahrschein auszustellen oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen oder die Person an Bord des Fahrzeugs zu nehmen.
(2) Reservierungen und Fahrscheine sind für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität ohne Aufpreis anzubieten.
Artikel 10
Ausnahmen und besondere Bedingungen
(1) Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 1 können Beförderer, Reisevermittler und Reiseveranstalter sich aufgrund der Behinderung oder eingeschränkten Mobilität einer Person weigern, eine Reservierung vorzunehmen, einen Fahrschein auszustellen oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen oder die Person an Bord des Fahrzeugs zu nehmen,
a) |
um geltenden Sicherheitsanforderungen nachzukommen, die durch Vorschriften des internationalen Rechts, des Unionsrechts oder des nationalen Rechts festgelegt sind, oder um Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen nachzukommen, die von den zuständigen Behörden erlassen wurden; |
b) |
wenn es wegen der Bauart des Fahrzeugs oder der Infrastruktur, einschließlich der Busbahnhöfe und Bushaltestellen, physisch nicht möglich ist, den Einstieg, den Ausstieg oder die Beförderung des behinderten Menschen oder der Person mit eingeschränkter Mobilität auf sichere und operationell durchführbare Weise vorzunehmen. |
(2) Weigert sich ein Beförderer, Reisevermittler oder Reiseveranstalter aus den in Absatz 1 angeführten Gründen, eine Reservierung vorzunehmen oder einen Fahrschein auszustellen oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen, so unterrichtet er die betreffende Person über jede annehmbare Beförderungsalternative mit einem Dienst des Beförderers.
(3) Wird einer Person, die eine Reservierung oder einen Fahrschein besitzt und die Anforderungen des Artikels 14 Absatz 1 Buchstabe a erfüllt hat, die Beförderung aufgrund ihrer Behinderung oder eingeschränkten Mobilität dennoch verweigert, so wird dieser Person und allen Begleitpersonen im Sinne des Absatzes 4 des vorliegenden Artikels Folgendes zur Auswahl angeboten:
a) |
die Erstattung des Fahrpreises und gegebenenfalls zum frühest möglichen Zeitpunkt die kostenlose Rückfahrt zum ersten Ausgangspunkt wie im Beförderungsvertrag angegeben und |
b) |
sofern machbar, die Fortsetzung der Fahrt oder die Weiterreise mit geänderter Streckenführung durch einen angemessenen alternativen Verkehrsdienst zum im Beförderungsvertrag angegebenen Bestimmungsort. |
Der Anspruch auf Erstattung des für den Fahrschein entrichteten Entgelts wird nicht dadurch berührt, dass keine Meldung gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a erfolgt ist.
(4) Weigert sich ein Beförderer, Reisevermittler oder Reiseveranstalter aus den in Absatz 1 genannten Gründen aufgrund der Behinderung oder der eingeschränkten Mobilität einer Person, eine Buchung vorzunehmen, einen Fahrschein auszustellen oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen oder die Person an Bord des Fahrzeugs zu nehmen, so kann diese Person verlangen, von einer anderen Person ihrer Wahl begleitet zu werden, die in der Lage ist, die von dem behinderten Menschen oder der Person mit eingeschränkter Mobilität benötigte Hilfe zu leisten, damit die in Absatz 1 angeführten Gründe nicht mehr zutreffen.
Eine solche Begleitperson wird kostenlos befördert; sofern machbar, wird ihr ein Sitzplatz neben dem behinderten Menschen oder der Person mit eingeschränkter Mobilität zugewiesen.
(5) Machen Beförderer, Reisevermittler oder Reiseveranstalter von der Ausnahmeregelung nach Absatz 1 Gebrauch, so unterrichten sie den behinderten Menschen oder die Person mit eingeschränkter Mobilität unverzüglich — und auf Verlangen schriftlich innerhalb von fünf Arbeitstagen nach dem Antrag — über die entsprechenden Gründe.
Artikel 11
Zugänglichkeit und Information
(1) Die Beförderer und Busbahnhofbetreiber müssen über nicht diskriminierende Zugangsbedingungen für die Beförderung von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität verfügen oder solche — gegebenenfalls über ihre Organisationen — in Zusammenarbeit mit Interessenverbänden von behinderten Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität aufstellen.
(2) Die Beförderer und Busbahnhofbetreiber bringen der Öffentlichkeit die in Absatz 1 vorgesehenen Zugangsbedingungen – einschließlich den Text internationaler Rechtsvorschriften, Rechtsvorschriften der Union sowie einzelstaatlicher Rechtsvorschriften, die die Sicherheitsanforderungen festlegen, auf denen diese nicht diskriminierenden Zugangsbedingungen beruhen – physisch oder im Internet, auf Verlangen in zugänglicher Form, in denselben Sprachen zur Kenntnis, in denen Informationen in der Regel allen Fahrgästen zugänglich gemacht werden. Bei der Bereitstellung dieser Informationen wird den Bedürfnissen von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität besonders Rechnung getragen.
(3) Reiseveranstalter geben die in Absatz 1 vorgesehenen Zugangsbedingungen bekannt, die für Fahrten im Rahmen der von ihnen veranstalteten, verkauften oder zum Verkauf angebotenen Pauschalreisen gelten.
(4) Die Information über die Zugangsbedingungen nach den Absätzen 2 und 3 wird auf Verlangen des Fahrgasts physisch zur Verfügung gestellt.
(5) Beförderer, Reisevermittler und Reiseveranstalter gewährleisten, dass alle wesentlichen allgemeinen Informationen — einschließlich Online-Buchung und -Information — in Bezug auf die Fahrt und die Beförderungsbedingungen in einer für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität geeigneten und zugänglichen Form verfügbar sind. Auf Verlangen des Fahrgasts wird die Information physisch zur Verfügung gestellt.
Artikel 12
Benennung von Busbahnhöfen
Die Mitgliedstaaten benennen die Busbahnhöfe, an denen Hilfeleistung für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität vorzusehen ist. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission hierüber. Die Kommission macht eine Liste der benannten Busbahnhöfe über das Internet zugänglich.
Artikel 13
Anspruch auf Hilfeleistung an benannten Busbahnhöfen und an Bord von Kraftomnibussen
(1) Vorbehaltlich der Zugangsbedingungen gemäß Artikel 11 Absatz 1 bieten Beförderer und Busbahnhofbetreiber innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität an den von den Mitgliedstaaten benannten Busbahnhöfen kostenlos zumindest in dem in Anhang I Abschnitt a beschriebenen Umfang Hilfe an.
(2) Vorbehaltlich der Zugangsbedingungen gemäß Artikel 11 Absatz 1 bieten Beförderer behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität in Kraftomnibussen kostenlos zumindest in dem in Anhang I Abschnitt b beschriebenen Umfang Hilfe an.
Artikel 14
Voraussetzungen für das Erbringen von Hilfeleistungen
(1) Beförderer und Busbahnhofbetreiber arbeiten zusammen, um behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität unter der Voraussetzung Hilfe zu leisten, dass
a) |
der Hilfsbedarf dem Beförderer, Busbahnhofbetreiber, Reisevermittler oder Reiseveranstalter spätestens 36 Stunden vor dem Zeitpunkt, zu dem die Hilfeleistung benötigt wird, gemeldet wurde und |
b) |
sich der Betreffende an der benannten Stelle einfindet, und zwar
|
(2) Zusätzlich zu Absatz 1 müssen behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität dem Beförderer, Reisevermittler oder Reiseveranstalter zum Zeitpunkt der Reservierung oder des Vorauskaufs des Fahrscheins spezifische Bedürfnisse bezüglich Sitzgelegenheiten melden, sofern die Bedürfnisse ihnen zu diesem Zeitpunkt bekannt sind.
(3) Beförderer, Busbahnhofbetreiber, Reisevermittler und Reiseveranstalter treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um den Erhalt der Meldungen von Hilfsbedarf von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zu erleichtern. Diese Verpflichtung gilt an allen benannten Busbahnhöfen und Verkaufsstellen, auch beim Vertrieb per Telefon und über das Internet.
(4) Ist keine Meldung gemäß Absatz 1 Buchstabe a oder Absatz 2 erfolgt, unternehmen die Beförderer, Busbahnhofbetreiber, Reisevermittler und Reiseveranstalter alle zumutbaren Anstrengungen, um zu gewährleisten, dass die Hilfeleistung derart erfolgt, dass behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität in abfahrende Verkehrsdienste einsteigen, zu Anschlussverkehrsdiensten umsteigen und aus ankommenden Verkehrsdiensten aussteigen können, für die sie einen Fahrschein erworben haben.
(5) Die Busbahnhofbetreiber legen innerhalb oder außerhalb des Busbahnhofs eine Anlaufstelle fest, an der behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität ihre Ankunft melden und um Hilfe ersuchen können. Diese Anlaufstelle muss klar ausgeschildert sein und in zugänglicher Form grundlegende Auskünfte über den Busbahnhof und die angebotene Hilfeleistung bieten.
Artikel 15
Mitteilungen an Dritte
Erhalten Reisevermittler oder Reiseveranstalter eine Meldung nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a, so leiten sie diese innerhalb ihrer normalen Bürozeiten so bald wie möglich an den Beförderer oder den Busbahnhofbetreiber weiter.
Artikel 16
Schulung
(1) Beförderer und gegebenenfalls Busbahnhofbetreiber legen Verfahren für Schulungen in Behindertenfragen einschließlich entsprechender Instruktionen fest und stellen sicher,
a) |
dass ihre Mitarbeiter, bei denen es sich nicht um Fahrer handelt, einschließlich der Mitarbeiter aller anderen ausführenden Parteien, die behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität unmittelbar Hilfe leisten, eine Schulung oder Instruktionen gemäß Anhang II Abschnitte a und b erhalten haben; und |
b) |
dass ihre Mitarbeiter einschließlich der Fahrer, die unmittelbar mit den Fahrgästen oder deren Belangen in Kontakt kommen, eine Schulung oder Instruktionen gemäß Anhang II Abschnitt a erhalten haben. |
(2) Ein Mitgliedstaat kann für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren ab dem 1. März 2013 eine Ausnahme von der Anwendung des Absatzes 1 Buchstabe b in Bezug auf die Schulung der Fahrer gewähren.
Artikel 17
Entschädigung für Rollstühle und andere Mobilitätshilfen
(1) Beförderer und Busbahnhofbetreiber haften für von ihnen verursachte Verluste oder Beschädigungen von Rollstühlen und anderen Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräten. Die Entschädigungspflicht trifft den Beförderer oder Busbahnhofbetreiber, der für diesen Verlust oder diese Beschädigung haftet.
(2) Die Entschädigung gemäß Absatz 1 muss dem Wiederbeschaffungswert oder den Reparaturkosten der verloren gegangenen oder beschädigten Ausrüstung oder Geräte entsprechen.
(3) Erforderlichenfalls wird jede Anstrengung unternommen, um rasch vorübergehenden Ersatz zu beschaffen. Die technischen und funktionellen Merkmale der Rollstühle und anderen Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräte entsprechen nach Möglichkeit denjenigen der verloren gegangenen oder beschädigten Rollstühle und anderen Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräte.
Artikel 18
Ausnahmen
(1) Unbeschadet von Artikel 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten nationale Linienverkehrsdienste von der Anwendung aller oder einiger der Bestimmungen dieses Kapitels ausnehmen, sofern sie sicherstellen, dass das Schutzniveau für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität im Rahmen ihrer nationalen Rechtsvorschriften dem dieser Verordnung mindestens entspricht.
(2) Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission von den gemäß Absatz 1 gewährten Ausnahmen in Kenntnis. Die Kommission ergreift geeignete Maßnahmen, wenn sie der Auffassung ist, dass eine solche Ausnahme nicht mit diesem Artikel im Einklang steht. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 2. März 2018 einen Bericht über die gemäß Absatz 1 gewährten Ausnahmen vor.
KAPITEL IV
FAHRGASTRECHTE BEI ANNULLIERUNG ODER VERSPÄTUNG
Artikel 19
Fortsetzung der Fahrt, Weiterreise mit geänderter Streckenführung und Fahrpreiserstattung
(1) Muss ein Beförderer vernünftigerweise davon ausgehen, dass die Abfahrt eines Linienverkehrsdienstes von einem Busbahnhof annulliert wird oder sich um mehr als 120 Minuten verzögert, oder im Fall einer Überbuchung bietet er den Fahrgästen unverzüglich Folgendes zur Auswahl an:
a) |
zum frühest möglichen Zeitpunkt Fortsetzung der Fahrt oder Weiterreise mit geänderter Streckenführung zum im Beförderungsvertrag festgelegten Zielort ohne Aufpreis und unter vergleichbaren Bedingungen wie im Beförderungsvertrag angegeben; |
b) |
Erstattung des Fahrpreises und gegebenenfalls zum frühest möglichen Zeitpunkt kostenlose Rückfahrt mit dem Bus zum im Beförderungsvertrag festgelegten Abfahrtsort. |
(2) Bietet der Beförderer dem Fahrgast nicht die in Absatz 1 genannte Auswahl an, so hat der Fahrgast zusätzlich zu der Erstattung des Fahrpreises nach Absatz 1 Buchstabe b einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 50 % des Fahrpreises. Der Beförderer zahlt diesen Betrag innerhalb eines Monats nach Einreichung des Antrags auf Entschädigung.
(3) Wird der Kraftomnibus während der Fahrt betriebsunfähig, bietet der Beförderer entweder die Fortsetzung des Verkehrsdienstes mit einem anderen Fahrzeug von dem Ort, an dem sich das betriebsunfähige Fahrzeug befindet, oder die Beförderung von dem Ort, an dem sich das betriebsunfähige Fahrzeug befindet, zu einem geeigneten Wartepunkt oder Busbahnhof, von dem aus die Fortsetzung der Reise möglich ist, an.
(4) Wird ein Linienverkehrsdienst annulliert oder verzögert sich seine Abfahrt von einer Bushaltestelle um mehr als 120 Minuten, so haben die Fahrgäste Anspruch auf Fortsetzung der Fahrt oder Weiterreise mit geänderter Streckenführung oder auf Erstattung des Fahrpreises durch den Beförderer nach Absatz 1.
(5) Die in Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 4 genannte Erstattung des Fahrpreises erfolgt binnen 14 Tagen, nachdem das Angebot gemacht worden oder der Erstattungsantrag eingegangen ist. Die Erstattung des vollen Fahrpreises in der entrichteten Höhe erfolgt für die nicht durchgeführten Teile der Fahrt sowie für bereits durchgeführte Teile, falls die Fahrt nach den ursprünglichen Reiseplänen des Fahrgastes zwecklos geworden ist. Die Kosten für Zeitfahrkarten werden anteilsmäßig erstattet. Die Erstattung erfolgt in Geld, es sei denn, der Fahrgast ist mit einer anderen Erstattungsform einverstanden.
Artikel 20
Informationen
(1) Bei Annullierung oder Verspätung der Abfahrt eines Linienverkehrsdienstes informiert der Beförderer oder gegebenenfalls der Busbahnhofbetreiber die Fahrgäste, die von einem Busbahnhof abfahren, so rasch wie möglich, jedoch spätestens 30 Minuten nach der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit, über die Lage und, sobald diese Informationen vorliegen, über die voraussichtliche Abfahrtszeit.
(2) Versäumen Fahrgäste nach Maßgabe des Fahrplans aufgrund einer Annullierung oder Verspätung einen Anschluss an einen Verkehrsdienst, so unternimmt der Beförderer oder gegebenenfalls der Busbahnhofbetreiber alle zumutbaren Anstrengungen, um die betreffenden Fahrgäste über alternative Anschlüsse zu unterrichten.
(3) Der Beförderer oder gegebenenfalls der Busbahnhofbetreiber sorgt dafür, dass behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität die nach den Absätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Informationen in zugänglicher Form erhalten.
(4) Sofern machbar, werden die in den Absätzen 1 und 2 geforderten Informationen allen Fahrgästen, auch denen, die von einer Bushaltestelle abreisen, innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist auf elektronischem Wege bereitgestellt, falls der Fahrgast dies verlangt und dem Beförderer die erforderlichen Kontaktangaben zur Verfügung gestellt hat.
Artikel 21
Hilfeleistung bei Annullierung oder Verzögerung der Abfahrt
Bei Annullierung einer Fahrt sowie bei einer Verzögerung der Abfahrt von einem Busbahnhof von mehr als 90 Minuten bei Fahrten mit einer planmäßigen Dauer von über drei Stunden bietet der Beförderer den Fahrgästen kostenlos Folgendes an:
a) |
Imbisse, Mahlzeiten oder Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit oder Verspätung, sofern sie im Bus oder im Busbahnhof verfügbar oder in zumutbarer Weise zu beschaffen sind; |
b) |
ein Hotelzimmer oder eine andere Unterbringungsmöglichkeit sowie Beistand bei der Organisation der Beförderung zwischen dem Busbahnhof und dem Ort der Unterbringung, sofern ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehr erforderlich ist. Der Beförderer kann die Gesamtkosten der Unterbringung — ohne die Kosten der Beförderung zwischen dem Busbahnhof und der Unterkunft — je Fahrgast auf 80 EUR pro Nacht und auf höchstens zwei Nächte beschränken. |
Bei der Anwendung dieses Artikels richtet der Beförderer besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität und etwaigen Begleitpersonen.
Artikel 22
Weitergehende Ansprüche
Keine Bestimmung dieses Kapitels schließt das Recht der Fahrgäste aus, gemäß den nationalen Rechtsvorschriften vor nationalen Gerichten Ansprüche aufgrund von Nachteilen zu verfolgen, die sie wegen Annullierung oder Verspätung von Linienverkehrsdiensten erlitten haben.
Artikel 23
Ausnahmen
(1) Die Artikel 19 und 21 gelten nicht für Fahrgäste mit Fahrscheinen mit offenen Reisedaten, solange keine Abfahrtszeit festgelegt ist, mit Ausnahme von Fahrgästen, die eine Zeitfahrkarte besitzen.
(2) Artikel 21 Buchstabe b kommt nicht zur Anwendung, wenn der Beförderer nachweist, dass die Annullierung oder Verspätung durch widrige Wetterbedingungen oder schwere Naturkatastrophen, die den sicheren Betrieb des Busverkehrsdienstes beeinträchtigen, verursacht wurde.
KAPITEL V
ALLGEMEINE REGELN ZU INFORMATIONEN UND BESCHWERDEN
Artikel 24
Recht auf Reiseinformationen
Beförderer und Busbahnhofbetreiber sorgen innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs während der gesamten Fahrt für eine angemessene Information der Fahrgäste. Sofern machbar, wird diese Information auf Verlangen in zugänglicher Form bereitgestellt.
Artikel 25
Unterrichtung über Fahrgastrechte
(1) Beförderer und Busbahnhofbetreiber gewährleisten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich, dass die Fahrgäste spätestens bei der Abfahrt geeignete und verständliche Informationen über ihre Rechte nach dieser Verordnung erhalten. Diese Informationen werden an den Busbahnhöfen und gegebenenfalls im Internet bereitgestellt. Behinderten Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität werden diese Informationen auf Verlangen in zugänglicher Form bereitgestellt, wenn dies machbar ist. Diese Informationen müssen die zur Kontaktaufnahme notwendigen Angaben zu der Durchsetzungsstelle oder den Durchsetzungsstellen umfassen, die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 28 Absatz 1 benannt wurden.
(2) Um der Informationspflicht gemäß Absatz 1 nachzukommen, können die Beförderer und Busbahnhofbetreiber eine Zusammenfassung der Bestimmungen dieser Verordnung verwenden, die die Kommission in allen Amtssprachen der Organe der Europäischen Union erstellt und ihnen zur Verfügung stellt.
Artikel 26
Beschwerden
Die Beförderer errichten oder unterhalten ein System zur Bearbeitung von Beschwerden im Zusammenhang mit den in der vorliegenden Verordnung festgelegten Rechten und Pflichten.
Artikel 27
Einreichung von Beschwerden
Unbeschadet von Schadenersatzforderungen gemäß Artikel 7 muss ein Fahrgast, wenn er im Rahmen dieser Verordnung eine Beschwerde an den Beförderer richten will, diese innerhalb von drei Monaten nach der tatsächlichen oder geplanten Durchführung des Linienverkehrsdienstes einreichen. Der Beförderer muss dem Fahrgast innerhalb eines Monats nach Eingang der Beschwerde mitteilen, ob seiner Beschwerde stattgegeben wurde, ob sie abgelehnt wurde oder ob sie noch bearbeitet wird. Die Frist für die endgültige Beantwortung darf drei Monate ab Eingang der Beschwerde nicht überschreiten.
KAPITEL VI
DURCHSETZUNG UND NATIONALE DURCHSETZUNGSSTELLEN
Artikel 28
Nationale Durchsetzungsstellen
(1) Jeder Mitgliedstaat benennt eine oder mehrere neue oder bestehende Stellen, die für die Durchsetzung dieser Verordnung in Bezug auf Linienverkehrsdienste von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Orten und in Bezug auf Linienverkehrsdienste von einem Drittland zu diesen Orten zuständig sind. Jede dieser Stellen trifft die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass diese Verordnung eingehalten wird.
Jede Stelle muss in Aufbau, Finanzierungsentscheidungen, Rechtsstruktur und Entscheidungsfindung von den Beförderern, Reiseveranstaltern und Busbahnhofbetreibern unabhängig sein.
(2) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über die gemäß diesem Artikel benannte Stelle oder benannten Stellen.
(3) Jeder Fahrgast kann bei der nach Absatz 1 benannten entsprechenden Stelle oder jeder anderen von einem Mitgliedstaat benannten entsprechenden Stelle gemäß den nationalen Rechtsvorschriften eine Beschwerde über einen mutmaßlichen Verstoß gegen diese Verordnung einreichen.
Ein Mitgliedstaat kann beschließen, dass der Fahrgast als ersten Schritt eine Beschwerde an den Beförderer zu richten hat; in diesem Fall dient die nationale Durchsetzungsstelle oder eine andere von dem Mitgliedstaat benannte geeignete Stelle als Beschwerdeinstanz für Beschwerden, für die keine Lösung gemäß Artikel 27 gefunden wurde.
Artikel 29
Berichterstattung über die Durchsetzung
Die gemäß Artikel 28 Absatz 1 benannten Durchsetzungsstellen veröffentlichen bis zum 1. Juni 2015 und danach alle zwei Jahre einen Bericht über ihre Tätigkeiten in den zwei vorangegangenen Kalenderjahren, der insbesondere eine Beschreibung der Maßnahmen, die zur Durchführung dieser Verordnung getroffen wurden, und Statistiken über Beschwerden und verhängte Sanktionen enthält.
Artikel 30
Zusammenarbeit der Durchsetzungsstellen
Die in Artikel 28 Absatz 1 genannten nationalen Durchsetzungsstellen tauschen, wann immer dies zweckmäßig ist, Informationen über ihre Arbeit, ihre Entscheidungsgrundsätze und ihre Entscheidungspraxis aus. Die Kommission unterstützt sie bei dieser Aufgabe.
Artikel 31
Sanktionen
Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen diese Verordnung zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten melden der Kommission diese Regeln und Maßnahmen bis zum 1. März 2013 und melden ihr unverzüglich alle späteren Änderungen.
KAPITEL VII
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 32
Bericht
Bis zum 2. März 2016 erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Anwendung und Wirkung dieser Verordnung. Dem Bericht sind erforderlichenfalls Gesetzgebungsvorschläge beizufügen, mit denen die Bestimmungen dieser Verordnung weiter ausgestaltet oder geändert werden sollen.
Artikel 33
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004
Im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 wird die folgende Nummer angefügt:
„(19) |
Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr (12) |
Artikel 34
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem 1. März 2013.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Straßburg am 16. Februar 2011.
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
J. BUZEK
Im Namen des Rates
Der Präsident
MARTONYI J.
(1) ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 99.
(2) Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23. April 2009 (ABl. C 184 E vom 8.7.2010, S. 312), Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 11. März 2010 (ABl. C 122 E vom 11.5.2010, S. 1), Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2010 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht), Beschluss des Rates vom 31. Januar 2011 und legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Februar 2011 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(3) ABl. L 263 vom 7.10.2009, S. 11.
(4) ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40.
(5) ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6.
(6) ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 4.
(7) ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 59.
(8) ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
(9) ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1.
(10) ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
(11) ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37.
(12) ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 1.“
ANHANG I
HILFELEISTUNG FÜR BEHINDERTE MENSCHEN UND PERSONEN MIT EINGESCHRÄNKTER MOBILITÄT
a) Hilfeleistung in benannten Busbahnhöfen
Hilfeleistungen und Vorkehrungen, um behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität in die Lage zu versetzen,
— |
ihre Ankunft am Busbahnhof und ihren Bedarf an Hilfeleistungen bei angegebenen Kontaktstellen anzumelden; |
— |
sich von der angegebenen Kontaktstelle zum Abfertigungsschalter, zum Wartesaal und zum Einstiegsbereich zu begeben; |
— |
gegebenenfalls mithilfe von Lifts, Rollstühlen oder sonstigen benötigten Hilfen in das Fahrzeug zu gelangen; |
— |
ihr Gepäck einzuladen; |
— |
ihr Gepäck wieder in Besitz zu nehmen; |
— |
aus dem Fahrzeug auszusteigen; |
— |
einen anerkannten Begleithund im Bus mitzuführen; |
— |
sich zum Sitzplatz zu begeben; |
b) Hilfeleistung im Fahrzeug
Hilfeleistungen und Vorkehrungen, um behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität in die Lage zu versetzen,
— |
wesentliche Informationen über eine Fahrt auf Verlangen des Fahrgasts in zugänglicher Form zu erhalten; |
— |
während der Fahrpausen in das Fahrzeug einzusteigen bzw. aus dem Fahrzeug auszusteigen, sofern anderes Personal als der Fahrer an Bord des Fahrzeugs ist. |
ANHANG II
SCHULUNG IN BEHINDERTENFRAGEN
a) Sensibilisierung für Behindertenfragen
Die Schulung der unmittelbar mit den Fahrgästen in Kontakt kommenden Mitarbeiter umfasst Folgendes:
— |
Sensibilisierung für Behinderungen und angemessenes Verhalten gegenüber Passagieren mit körperlichen, sensorischen Behinderungen (Hör- und Sehbehinderungen), versteckten Behinderungen oder Lernbehinderungen, einschließlich der Unterscheidung der verschiedenen Fähigkeiten von Personen, deren Mobilität, Orientierungs- oder Kommunikationsvermögen eventuell eingeschränkt ist; |
— |
Hindernisse, denen behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität gegenüberstehen, darunter Haltung von Mitmenschen, konkrete/physische und organisatorische Barrieren; |
— |
anerkannte Begleithunde, unter Berücksichtigung der Rolle und der Bedürfnisse eines Begleithunds; |
— |
Umgang mit unerwarteten Situationen; |
— |
soziale Kompetenz und Möglichkeiten der Kommunikation mit Schwerhörigen und Gehörlosen sowie Personen mit Seh-, Sprech- und Lernbehinderungen; |
— |
sorgfältiger Umgang mit Rollstühlen und anderen Mobilitätshilfen, zur Vermeidung von Beschädigungen (alle für die Gepäckabfertigung zuständigen Mitarbeiter, wenn solche vorhanden sind). |
b) Schulung im Hinblick auf die Hilfeleistung für behinderte Menschen
Die Schulung der Mitarbeiter, die behinderten Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität unmittelbar Hilfe leisten, umfasst Folgendes:
— |
Hilfeleistung für Rollstuhlfahrer beim Umsetzen in den und aus dem Rollstuhl; |
— |
Hilfeleistung für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität, die mit anerkannten Begleithunden reisen, unter Berücksichtigung der Rolle und der Bedürfnisse dieser Hunde; |
— |
Techniken der Begleitung von Fahrgästen mit Sehbehinderungen sowie des Umgangs mit und der Beförderung von anerkannten Begleithunden; |
— |
Arten von Hilfsmitteln für behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität und Umgang mit diesen Hilfsmitteln; |
— |
Nutzung von Ein- und Ausstiegshilfen, Kenntnisse über angemessene Arten der Hilfeleistung beim Ein- und Aussteigen, die die Sicherheit und Würde von behinderten Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität wahren; |
— |
Verständnis für die Notwendigkeit zuverlässiger und professioneller Hilfeleistung. Bewusstsein für das Gefühl der Verletzlichkeit, das bestimmte Fahrgäste mit Behinderungen wegen ihrer Abhängigkeit von der geleisteten Hilfe während der Reise möglicherweise empfinden; |
— |
Kenntnisse in erster Hilfe. |
28.2.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
L 55/13 |
VERORDNUNG (EU) Nr. 182/2011 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 16. Februar 2011
zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 291 Absatz 3,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Bedarf es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union, so werden mit diesen Rechtsakten (nachstehend „Basisrechtsakte“ genannt) der Kommission oder, in entsprechend begründeten Sonderfällen und den in den Artikeln 24 und 26 des Vertrags über die Europäische Union vorgesehenen Fällen, dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen. |
(2) |
Es ist Sache des Gesetzgebers, unter Beachtung aller im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) festgelegten Kriterien im Hinblick auf den jeweiligen Basisrechtsakt zu entscheiden, ob der Kommission Durchführungsbefugnisse gemäß Artikel 291 Absatz 2 AEUV übertragen werden. |
(3) |
Bisher wurde die Ausübung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission durch den Beschluss 1999/468/EG des Rates (2) geregelt. |
(4) |
Gemäß dem AEUV sind nunmehr das Europäische Parlament und der Rat gehalten, allgemeine Regeln und Grundsätze festzulegen, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren. |
(5) |
Es muss sichergestellt werden, dass die Verfahren für eine solche Kontrolle transparent, wirksam und der Art der Durchführungsrechtsakte angemessen sind und dass sie die institutionellen Anforderungen des AEUV sowie die bisherigen Erfahrungen und die gängige Praxis bei der Durchführung des Beschlusses 1999/468/EG widerspiegeln. |
(6) |
Für jene Basisrechtsakte, bei denen die Kontrolle der Mitgliedstaaten Bedingung für den Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission ist, sollten zum Zwecke dieser Kontrolle Ausschüsse eingerichtet werden, die sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzen und in denen die Kommission den Vorsitz führt. |
(7) |
Gegebenenfalls sollte der Kontrollmechanismus die Befassung eines Berufungsausschusses einschließen, der auf der geeigneten Ebene zusammentreten sollte. |
(8) |
Im Interesse einer Vereinfachung sollte die Kommission die Durchführungsbefugnisse nur nach einem von zwei Verfahren wahrnehmen: dem Beratungsverfahren oder dem Prüfverfahren. |
(9) |
Zur weiteren Vereinfachung sollten für die Ausschüsse einheitliche Verfahrensregeln gelten, einschließlich der wichtigsten Bestimmungen über ihre Funktionsweise und die Möglichkeit, eine Stellungnahme im schriftlichen Verfahren abzugeben. |
(10) |
Es sollten Kriterien festgelegt werden, nach denen das Verfahren für den Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission bestimmt wird. Im Hinblick auf eine stärkere Kohärenz sollten die verfahrensrechtlichen Anforderungen in einem angemessenen Verhältnis zur Art und zu den Auswirkungen der zu erlassenden Durchführungsrechtsakte stehen. |
(11) |
Das Prüfverfahren sollte insbesondere beim Erlass von Rechtsakten von allgemeiner Tragweite zur Umsetzung von Basisrechtsakten und von spezifischen Durchführungsrechtsakten mit potenziell bedeutenden Auswirkungen zur Anwendung kommen. Dieses Verfahren sollte sicherstellen, dass die Kommission keine Durchführungsrechtsakte erlassen kann, die nicht im Einklang mit der Stellungnahme des Ausschusses stehen, es sei denn, es liegen sehr außergewöhnliche Umstände vor; dann sollten sie für einen begrenzten Zeitraum gelten. Das Verfahren sollte auch sicherstellen, dass die Kommission die Möglichkeit hat, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts unter Berücksichtigung der im Ausschuss vorgetragenen Standpunkte zu überarbeiten, wenn der Ausschuss keine Stellungnahme abgibt. |
(12) |
Sofern der Basisrechtsakt der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf Programme überträgt, die erhebliche Auswirkungen auf den Haushalt haben oder sich an Drittländer richten, sollte das Prüfverfahren zur Anwendung gelangen. |
(13) |
Der Vorsitz eines Ausschusses sollte sich um Lösungen bemühen, die im Ausschuss bzw. Berufungsausschuss eine möglichst breite Unterstützung finden, und sollte erläutern, inwieweit die Beratungen und die vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt wurden. Hierfür sollte die Kommission den im Ausschuss bzw. Berufungsausschuss vorgetragenen Standpunkten hinsichtlich von Entwürfen für endgültige Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen besondere Aufmerksamkeit schenken. |
(14) |
Erwägt die Kommission die Annahme von Entwürfen von anderen Durchführungsrechtsakten in besonders sensiblen Bereichen, insbesondere Besteuerung, Gesundheit der Verbraucher, Nahrungsmittelsicherheit und Umweltschutz, wird sie es im Bemühen um eine ausgewogene Lösung so weit wie möglich vermeiden, sich einem gegebenenfalls im Berufungsausschuss vorherrschenden Standpunkt, dass der Durchführungsrechtsakt nicht angemessen sei, entgegenzustellen. |
(15) |
Das Beratungsverfahren sollte grundsätzlich in allen anderen Fällen, oder wann immer dies für zweckmäßiger erachtet wird, zur Anwendung gelangen. |
(16) |
Sofern dies im Basisrechtsakt vorgesehen ist, sollte es möglich sein, in Fällen äußerster Dringlichkeit sofort geltende Durchführungsrechtsakte zu erlassen. |
(17) |
Das Europäische Parlament und der Rat sollten rasch und regelmäßig über die Ausschussverfahren informiert werden. |
(18) |
Angesichts ihrer Rechte im Zusammenhang mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten der Union sollten das Europäische Parlament oder der Rat die Kommission jederzeit darauf hinweisen können, dass der Entwurf eines Durchführungsrechtsakts ihres Erachtens die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet. |
(19) |
Der Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Ausschussverfahren sollte im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (3) sichergestellt werden. |
(20) |
Die Kommission sollte ein Register führen, das Informationen über Ausschussverfahren enthält. Folglich sollten die für die Kommission geltenden Vorschriften zum Schutz von als vertraulich eingestuften Dokumenten auch für die Benutzung des Registers gelten. |
(21) |
Der Beschluss 1999/468/EG sollte aufgehoben werden. Um den Übergang von der Regelung gemäß Beschluss 1999/468/EG auf die Regelung gemäß der vorliegenden Verordnung sicherzustellen, sollte jede Bezugnahme in bestehenden Vorschriften auf in dem Beschluss vorgesehene Verfahren, mit Ausnahme des Regelungsverfahrens mit Kontrolle im Sinne von Artikel 5a jenes Beschlusses, als Bezugnahme auf die entsprechenden Verfahren dieser Verordnung gelten. Artikel 5a des Beschlusses 1999/468/EG sollte für die Zwecke bestehender Basisrechtsakte, in denen auf jenen Artikel verwiesen wird, vorläufig weiterhin seine Wirkung entfalten. |
(22) |
Diese Verordnung berührt nicht die im AEUV niedergelegten Befugnisse der Kommission zur Durchführung der Wettbewerbsvorschriften — |
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Gegenstand
Diese Verordnung legt die allgemeinen Regeln und Grundsätze fest, die anzuwenden sind, wenn ein verbindlicher Rechtsakt der Union (nachstehend „Basisrechtsakt“ genannt) die Notwendigkeit einheitlicher Durchführungsbedingungen feststellt und vorschreibt, dass Durchführungsrechtsakte von der Kommission vorbehaltlich einer Kontrolle durch die Mitgliedstaaten erlassen werden.
Artikel 2
Wahl des Verfahrens
(1) Ein Basisrechtsakt kann die Anwendung des Beratungsverfahrens oder des Prüfverfahrens vorsehen, wobei die Art oder die Auswirkungen des erforderlichen Durchführungsrechtsakts berücksichtigt werden.
(2) Das Prüfverfahren wird insbesondere angewendet zum Erlass von:
a) |
Durchführungsrechtsakten von allgemeiner Tragweite; |
b) |
sonstigen Durchführungsrechtsakten in Bezug auf:
|
(3) Das Beratungsverfahren wird grundsätzlich zum Erlass von Durchführungsrechtsakten angewendet, die nicht in den Anwendungsbereich des Absatzes 2 fallen. Das Beratungsverfahren kann jedoch in hinreichend begründeten Fällen zum Erlass von in Absatz 2 genannten Durchführungsrechtsakten angewendet werden.
Artikel 3
Gemeinsame Bestimmungen
(1) Die in diesem Artikel genannten gemeinsamen Bestimmungen werden auf alle in den Artikeln 4 bis 8 genannten Verfahren angewendet.
(2) Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Den Vorsitz führt ein Vertreter der Kommission. Der Vorsitz nimmt nicht an den Abstimmungen im Ausschuss teil.
(3) Der Vorsitz unterbreitet dem Ausschuss den Entwurf des von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakts.
Außer in hinreichend begründeten Fällen setzt der Vorsitz eine Sitzung frühestens 14 Tage, nachdem der Entwurf des Durchführungsrechtsakts und der Entwurf der Tagesordnung dem Ausschuss vorgelegt wurden, an. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu dem Entwurf des Durchführungsrechtsakts innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitz entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festsetzen kann. Die Frist muss angemessen sein und den Ausschussmitgliedern frühzeitig und effektiv die Möglichkeit geben, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.
(4) Bis der Ausschuss eine Stellungnahme abgibt, kann jedes Ausschussmitglied Änderungen vorschlagen und der Vorsitz kann geänderte Fassungen des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts vorlegen.
Der Vorsitz bemüht sich um Lösungen, die im Ausschuss eine möglichst breite Unterstützung finden. Der Vorsitz unterrichtet den Ausschuss darüber, in welcher Form die Beratungen und die vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt wurden, insbesondere was diejenigen Vorschläge angeht, die im Ausschuss breite Unterstützung gefunden haben.
(5) Der Vorsitz kann in hinreichend begründeten Fällen die Stellungnahme des Ausschusses im schriftlichen Verfahren einholen. Hierzu übermittelt der Vorsitz den Ausschussmitgliedern den Entwurf des Durchführungsrechtsakts und setzt entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache eine Frist für die Stellungnahme fest. Wenn ein Ausschussmitglied den Entwurf des Durchführungsrechtsakts nicht innerhalb der festgesetzten Frist ablehnt oder sich nicht ausdrücklich innerhalb der festgesetzten Frist der Stimme enthält, so gilt dies als stillschweigende Zustimmung zum Entwurf des Durchführungsrechtsakts.
Sofern im Basisrechtsakt nichts anderes vorgesehen ist, wird das schriftliche Verfahren ohne Ergebnis abgeschlossen, wenn der Vorsitz dies innerhalb der in Unterabsatz 1 genannten Frist beschließt oder ein Ausschussmitglied dies innerhalb der in Unterabsatz 1 genannten Frist verlangt. In einem solchen Fall beruft der Vorsitz innerhalb einer angemessenen Frist eine Ausschusssitzung ein.
(6) Die Stellungnahme des Ausschusses wird im Protokoll vermerkt. Jedes Ausschussmitglied kann verlangen, dass sein Standpunkt im Protokoll festgehalten wird. Der Vorsitz übermittelt das Protokoll unverzüglich den Ausschussmitgliedern.
(7) Gegebenenfalls schließt der Kontrollmechanismus die Befassung eines Berufungsausschusses ein.
Der Berufungsausschuss gibt sich auf Vorschlag der Kommission mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder eine Geschäftsordnung.
Wird der Berufungsausschuss befasst, so tritt er — außer in hinreichend begründeten Fällen — frühestens 14 Tage und spätestens sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Befassung zusammen. Unbeschadet des Absatzes 3 gibt der Berufungsausschuss seine Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt der Befassung ab.
Den Vorsitz im Berufungsausschuss führt ein Vertreter der Kommission.
Der Vorsitz legt in enger Zusammenarbeit mit den Ausschussmitgliedern den Zeitpunkt für die Sitzung des Berufungsausschusses fest, damit die Mitgliedstaaten und die Kommission für eine Vertretung auf angemessener Ebene sorgen können. Die Kommission beruft bis zum 1. April 2011 die erste Sitzung des Berufungsausschusses zur Annahme seiner Geschäftsordnung ein.
Artikel 4
Beratungsverfahren
(1) Findet das Beratungsverfahren Anwendung, so gibt der Ausschuss — erforderlichenfalls auf der Grundlage einer Abstimmung — seine Stellungnahme ab. Im Falle einer Abstimmung gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder ab.
(2) Die Kommission beschließt über den zu erlassenden Entwurf des Durchführungsrechtsakts; wobei sie soweit wie möglich das Ergebnis der Beratungen im Ausschuss und die abgegebene Stellungnahme berücksichtigt.
Artikel 5
Prüfverfahren
(1) Findet das Prüfverfahren Anwendung, so gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der Mehrheit nach Artikel 16 Absätze 4 und 5 des Vertrags über die Europäische Union und gegebenenfalls nach Artikel 238 Absatz 3 AEUV bei Rechtsakten, die auf Vorschlag der Kommission zu erlassen sind, ab. Die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten im Ausschuss werden gemäß den vorgenannten Artikeln gewichtet.
(2) Gibt der Ausschuss eine befürwortende Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt.
(3) Unbeschadet des Artikels 7 erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt nicht, wenn der Ausschuss eine ablehnende Stellungnahme abgibt. Wird ein Durchführungsrechtsakt für erforderlich erachtet, so kann der Vorsitz entweder demselben Ausschuss innerhalb von zwei Monaten nach Abgabe der ablehnenden Stellungnahme eine geänderte Fassung des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts unterbreiten oder den Entwurf des Durchführungsrechtsakts innerhalb eines Monats nach Abgabe der ablehnenden Stellungnahme dem Berufungsausschuss zur weiteren Beratung vorlegen.
(4) Wird keine Stellungnahme abgegeben, so kann die Kommission außer in den in Unterabsatz 2 vorgesehenen Fällen den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt erlassen. Erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt nicht, so kann der Vorsitz dem Ausschuss eine geänderte Fassung des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts unterbreiten.
Unbeschadet des Artikels 7 erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt nicht,
a) |
wenn dieser Rechtsakt die Besteuerung, Finanzdienstleistungen, den Schutz der Gesundheit oder der Sicherheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder endgültige multilaterale Schutzmaßnahmen betrifft, |
b) |
wenn im Basisrechtsakt vorgesehen ist, dass der im Entwurf vorgesehene Durchführungsrechtsakt ohne Stellungnahme nicht erlassen werden darf, oder |
c) |
wenn die Mitglieder des Ausschusses ihn mit einfacher Mehrheit ablehnen. |
In allen in Unterabsatz 2 genannten Fällen kann der Vorsitz, wenn ein Durchführungsrechtsakt für erforderlich erachtet wird, entweder dem selben Ausschuss innerhalb von zwei Monaten nach der Abstimmung eine geänderte Fassung des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts unterbreiten oder den Entwurf des Durchführungsrechtsakts innerhalb eines Monats nach der Abstimmung dem Berufungsausschuss zur weiteren Beratung vorlegen.
(5) Abweichend von Absatz 4 gilt das folgende Verfahren für die Annahme von Entwürfen für endgültige Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen, wenn keine Stellungnahme im Ausschuss abgegeben wird und die Mitglieder des Ausschusses den Entwurf des Durchführungsrechtsakts mit einfacher Mehrheit ablehnen.
Die Kommission führt Konsultationen mit den Mitgliedstaaten durch. Frühestens 14 Tage und spätestens einen Monat nach der Sitzung des Ausschusses unterrichtet die Kommission die Ausschussmitglieder über die Ergebnisse dieser Konsultationen und legt dem Berufungsausschuss den Entwurf eines Durchführungsrechtsakts vor. Abweichend von Artikel 3 Absatz 7 tritt der Berufungsausschuss frühestens 14 Tage und spätestens einen Monat nach der Vorlage des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts zusammen. Der Berufungsausschuss gibt seine Stellungnahme gemäß Artikel 6 ab. Die in diesem Absatz festgelegten Fristen lassen die Notwendigkeit, die Einhaltung der in dem betreffenden Basisrechtsakt festgelegten Fristen zu wahren, unberührt.
Artikel 6
Befassung des Berufungsausschusses
(1) Der Berufungsausschuss gibt seine Stellungnahme mit der in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehenen Mehrheit ab.
(2) Bis zur Abgabe einer Stellungnahme kann jedes Mitglied des Berufungsausschusses Änderungen am Entwurf des Durchführungsrechtsakts vorschlagen und der Vorsitz kann beschließen, ihn zu ändern bzw. nicht zu ändern.
Der Vorsitz bemüht sich um Lösungen, die im Berufungsausschuss möglichst breite Unterstützung finden.
Der Vorsitz unterrichtet den Berufungsausschuss darüber, in welcher Form die Beratungen und die vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt wurden, insbesondere was Änderungsvorschläge angeht, die im Berufungsausschuss breite Unterstützung gefunden haben.
(3) Gibt der Berufungsausschuss eine befürwortende Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt.
Wird keine Stellungnahme abgegeben, so kann die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt erlassen.
Gibt der Berufungsausschuss eine ablehnende Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt nicht.
(4) Abweichend von Absatz 3 erlässt die Kommission bei der Annahme endgültiger multilateraler Schutzmaßnahmen die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen nicht, wenn keine befürwortende Stellungnahme vorliegt, die mit der in Artikel 5 Absatz 1 genannten Mehrheit angenommen wurde.
(5) Abweichend von Absatz 1 gibt der Berufungsausschuss bis zum 1. September 2012 seine Stellungnahme zu Entwürfen für endgültige Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder ab.
Artikel 7
Erlass von Durchführungsrechtsakten in Ausnahmefällen
Abweichend von Artikel 5 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 2 kann die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt erlassen, wenn er unverzüglich erlassen werden muss, um eine erhebliche Störung der Agrarmärkte oder eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Union im Sinne des Artikels 325 AEUV abzuwenden.
In diesem Fall legt die Kommission den erlassenen Durchführungsrechtsakt unverzüglich dem Berufungsausschuss vor. Gibt der Berufungsausschuss eine ablehnende Stellungnahme zu dem erlassenen Durchführungsrechtsakt ab, so hebt die Kommission diesen Rechtsakt unverzüglich auf. Gibt der Berufungsausschuss eine befürwortende Stellungnahme oder keine Stellungnahme ab, so bleibt der Durchführungsrechtsakt in Kraft.
Artikel 8
Sofort geltende Durchführungsrechtsakte
(1) Abweichend von den Artikeln 4 und 5 kann ein Basisrechtsrecht vorsehen, dass in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit dieser Artikel anzuwenden ist.
(2) Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt, der sofort gilt, ohne dass er vorher einem Ausschuss unterbreitet wurde, und für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten in Kraft bleibt, sofern im Basisrechtsakt nicht etwas anderes bestimmt ist.
(3) Der Vorsitz legt den in Absatz 2 genannten Rechtsakt spätestens 14 Tage nach seinem Erlass dem zuständigen Ausschuss zur Stellungnahme vor.
(4) Findet das Prüfverfahren Anwendung und gibt der Ausschuss eine ablehnende Stellungnahme ab, so hebt die Kommission den gemäß Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakt unverzüglich auf.
(5) Nimmt die Kommission vorläufige Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen an, so findet das in diesem Artikel vorgesehene Verfahren Anwendung. Die Kommission ergreift solche Maßnahmen nach Konsultation oder — bei äußerster Dringlichkeit — nach Unterrichtung der Mitgliedstaaten. In letzterem Fall finden spätestens zehn Tage, nachdem die von der Kommission ergriffenen Maßnahmen den Mitgliedstaaten mitgeteilt wurden, Konsultationen statt.
Artikel 9
Geschäftsordnung
(1) Jeder Ausschuss gibt sich mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder auf Vorschlag seines Vorsitzes sowie auf der Grundlage der von der Kommission nach Konsultation mit den Mitgliedstaaten festzulegenden Standardgeschäftsordnung eine Geschäftsordnung. Die Standardgeschäftsordnung wird von der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Soweit erforderlich passen bestehende Ausschüsse ihre Geschäftsordnung an die Standardgeschäftsordnung an.
(2) Die für die Kommission geltenden Grundsätze und Bedingungen für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten und die für sie geltenden Datenschutzvorschriften gelten auch für die Ausschüsse.
Artikel 10
Information über Ausschussverfahren
(1) Die Kommission führt ein Register der Ausschussverfahren, das Folgendes enthält:
a) |
eine Liste der Ausschüsse, |
b) |
die Tagesordnungen der Ausschusssitzungen, |
c) |
die Kurzniederschriften sowie Listen der Behörden und Stellen, denen die Personen angehören, die die Mitgliedstaaten in deren Auftrag vertreten, |
d) |
die Entwürfe der Durchführungsrechtsakte, zu denen die Ausschüsse um eine Stellungnahme ersucht werden, |
e) |
die Abstimmungsergebnisse, |
f) |
die endgültigen Entwürfe der Durchführungsrechtsakte nach Abgabe der Stellungnahme der Ausschüsse, |
g) |
Angaben zum Erlass der im endgültigen Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakte durch die Kommission sowie |
h) |
statistische Angaben zur Arbeit der Ausschüsse. |
(2) Die Kommission veröffentlicht darüber hinaus einen jährlichen Bericht über die Arbeit der Ausschüsse.
(3) Das Europäische Parlament und der Rat haben im Einklang mit den geltenden Vorschriften Zugriff auf die in Absatz 1 genannten Angaben.
(4) Die Kommission stellt die in Absatz 1 Buchstaben b, d und f genannten Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat zur gleichen Zeit, zu der sie den Ausschussmitgliedern übermittelt werden, zur Verfügung und unterrichtet sie über die Verfügbarkeit dieser Dokumente.
(5) Die Fundstellen der in Absatz 1 Buchstaben a bis g genannten Dokumente sowie die in Absatz 1 Buchstabe h genannten Angaben werden in dem Register öffentlich zugänglich gemacht.
Artikel 11
Kontrollrecht des Europäischen Parlaments und des Rates
Wurde der Basisrechtsakt nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, so können das Europäische Parlament oder der Rat die Kommission jederzeit darauf hinweisen, dass der Entwurf eines Durchführungsrechtsakts ihres Erachtens die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet. In diesem Fall überprüft die Kommission den Entwurf des Durchführungsrechtsakts unter Berücksichtigung der vorgetragenen Standpunkte und unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat darüber, ob sie beabsichtigt, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts beizubehalten, abzuändern oder zurückzuziehen.
Artikel 12
Aufhebung des Beschlusses 1999/468/EG
Der Beschluss 1999/468/EG wird aufgehoben.
Artikel 5a des Beschlusses 1999/468/EG behält bei bestehenden Basisrechtsakten, in denen darauf verwiesen wird, weiterhin seine Wirkung.
Artikel 13
Übergangsbestimmungen: Anpassung bestehender Basisrechtsakte
(1) Wenn vor Inkrafttreten dieser Verordnung erlassene Basisrechtsakte die Wahrnehmung von Durchführungsbefugnissen durch die Kommission gemäß dem Beschluss 1999/468/EG vorsehen, gelten folgende Regeln:
a) |
Wird im Basisrechtsakt auf Artikel 3 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug genommen, so findet das in Artikel 4 der vorliegenden Verordnung genannte Beratungsverfahren Anwendung; |
b) |
wird im Basisrechtsakt auf Artikel 4 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug genommen, so findet das in Artikel 5 der vorliegenden Verordnung genannte Prüfverfahren Anwendung, mit Ausnahme von Artikel 5 Absatz 4 Unterabsätze 2 und 3; |
c) |
wird im Basisrechtsakt auf Artikel 5 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug genommen, so findet das in Artikel 5 der vorliegenden Verordnung genannte Prüfverfahren Anwendung und es wird davon ausgegangen, dass der Basisrechtsakt vorsieht, dass die Kommission, wie in Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 2 Buchstabe b vorgesehen, den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt ohne Stellungnahme nicht erlassen darf; |
d) |
wird im Basisrechtsakt auf Artikel 6 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug genommen, so findet Artikel 8 der vorliegenden Verordnung Anwendung; |
e) |
wird im Basisrechtsakt auf die Artikel 7 und 8 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug genommen, so finden die Artikel 10 und 11 der vorliegenden Verordnung Anwendung. |
(2) Die Artikel 3 und 9 dieser Verordnung gelten für die Zwecke von Absatz 1 für alle bestehenden Ausschüsse.
(3) Artikel 7 dieser Verordnung gilt nur für bestehende Verfahren, in denen auf Artikel 4 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug genommen wird.
(4) Die Übergangsbestimmungen nach diesem Artikel greifen der Art der betreffenden Rechtsakte nicht vor.
Artikel 14
Übergangsregelung
Laufende Verfahren, in denen ein Ausschuss bereits eine Stellungnahme gemäß dem Beschluss 1999/468/EG abgegeben hat, bleiben von dieser Verordnung unberührt.
Artikel 15
Überprüfung
Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 1. März 2016 einen Bericht über die Durchführung dieser Verordnung vor, dem erforderlichenfalls geeignete Gesetzgebungsvorschläge beigefügt werden.
Artikel 16
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. März 2011 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Straßburg am 16. Februar 2011.
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
J. BUZEK
Im Namen des Rates
Der Präsident
MARTONYI J.
(1) Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. Dezember 2010 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 14. Februar 2011.
(2) ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.
(3) ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.
ERKLÄRUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS, DES RATES UND DER KOMMISSION
Nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung muss die Kommission den Entwurf eines Durchführungsrechtsakts annehmen, wenn der Ausschuss eine befürwortende Stellungnahme abgibt. Diese Bestimmung schließt nicht aus, dass die Kommission, wie derzeit üblich, in ganz außergewöhnlichen Fällen neue Umstände, die sich nach der Abstimmung ergeben haben, berücksichtigen und beschließen kann, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts nicht anzunehmen, nachdem sie den Ausschuss und den Gesetzgeber ordnungsgemäß davon in Kenntnis gesetzt hat.
ERKLÄRUNGEN DER KOMMISSION
Die Kommission wird alle geltenden Rechtsakte, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht an das Regelungsverfahren mit Kontrolle angepasst waren, überprüfen, um zu bewerten, ob diese Rechtsakte an die neuen Bestimmungen über delegierte Rechtsakte, die mit Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingeführt wurden, angepasst werden müssen. Die Kommission wird die betreffenden Vorschläge baldmöglichst, spätestens aber zu den Daten, die in dem diesen Erklärungen beigefügten vorläufigen Zeitplan vorgesehen sind, vorlegen.
Während dieser Arbeiten wird die Kommission das Europäische Parlament in regelmäßigen Abständen über die Entwürfe für Durchführungsmaßnahmen zu diesen Rechtsakten, die in der Zukunft als delegierte Rechtsakte zu erlassen sind, unterrichten.
Für jeden geltenden Rechtsakt mit Bezügen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle, den die Kommission ändern möchte, wird sie die Bestimmungen dieses Verfahrens überprüfen, um sie zu gegebener Zeit auf der Grundlage der im Vertrag festgelegten Kriterien anzupassen. Darüber hinaus können das Europäische Parlament und der Rat mitteilen, welche Basisrechtsakte ihrer Meinung nach vorrangig angepasst werden sollten.
Die Kommission wird die Ergebnisse dieser Vorgehensweise Ende 2012 auswerten, um die Zahl der weiterhin geltenden Rechtsakte, die Bezüge auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle enthalten, einschätzen zu können. Die Kommission wird sodann die Rechtsetzungsmaßnahmen vorbereiten, mit denen der Anpassungsprozess abgeschlossen wird. Die Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass bis zum Ende der 7. Amtszeit des Parlaments sämtliche Bestimmungen, die sich auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle beziehen, aus allen Rechtsinstrumenten entfernt worden sind.
Die Kommission hat unlängst eine Studie in Auftrag gegeben, die lückenlos und objektiv Aufschluss über sämtliche Aspekte der Handelsschutzpolitik und über die Handelspraktiken der EU geben wird. Sie umfasst u. a. eine Bewertung der Ergebnisse, die im Hinblick auf die Erreichung der handelspolitischen Ziele der EU mit den derzeitigen handelspolitischen Schutzinstrumenten erzielt wurden, sowie der Methoden, der Anwendung und der Wirksamkeit des Systems; ferner eine Bewertung der Wirksamkeit bestehender und potenzieller strategischer Entscheidungen der Europäischen Union (z. B. Prüfung der Wahrung des Interesses der Union, Regel des niedrigeren Zolls, Zollerhebungssystem) im Vergleich mit den strategischen Entscheidungen bestimmter Handelspartner und eine Überprüfung der grundlegenden Antidumping- und Antisubventionsverordnungen im Lichte der Verwaltungsgepflogenheiten der EU-Organe, der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie der Empfehlungen und Entscheidungen des WTO-Streitbeilegungsgremiums.
Die Kommission beabsichtigt, im Lichte der Ergebnisse der Studie und der Entwicklungen bei den Verhandlungen über die Entwicklungsagenda von Doha auszuloten, ob und wenn ja, wie die handelspolitischen Schutzinstrumente der EU aktualisiert und modernisiert werden sollten.
Die Kommission erinnert in diesem Zusammenhang an die Initiativen, die sie unlängst zur Verbesserung der Transparenz der Arbeitsweise der handelspolitischen Schutzinstrumente ergriffen hat (z.B. Ernennung eines Anhörungsbeauftragten) sowie an ihre Arbeit mit den Mitgliedstaaten, um zentrale Elemente der Handelsschutzpraktiken zu klären. Die Kommission misst dieser Arbeit sehr große Bedeutung bei und ist daher bestrebt, in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten, ähnliche diesem Ziel dienende Initiativen zu ermitteln.
Für den Fall, dass ein Verwaltungsausschuss für Gemeinsame Agrarpolitik eine ablehnende Stellungnahme abgibt, sehen die im Beschluss 1999/468/EG des Rates festgelegten Komitologieregeln vor, dass die Kommission den Entwurf für die beabsichtigte Maßnahme dem Rat übermittelt, der binnen einer Frist von einem Monat anders entscheiden kann. Allerdings kann die Kommission tätig werden, indem sie die Maßnahme entweder einleitet oder die Anwendung der Maßnahme aussetzt. Somit kann die Kommission die Maßnahme einleiten, wenn sie insgesamt gesehen der Auffassung ist, dass die Aussetzung der Anwendung der Maßnahme beispielsweise unumkehrbare negative Auswirkungen auf den Markt hätte. Wenn der Rat dann anders entscheidet, wird die von der Kommission eingeleitete Maßnahme selbstredend überflüssig. Die derzeitigen Regeln statten die Kommission demzufolge mit einem Instrument aus, das es ermöglicht, das gemeinsame Interesse der gesamten Union zu wahren, indem sie die beabsichtigte Maßnahme zumindest für den Übergangszeitraum verabschiedet.
Mit Artikel 7 dieser Verordnung wird das Ziel verfolgt, diesen Ansatz im Rahmen der neuen Komitologieregelung beizubehalten, seine Anwendung aber auf außergewöhnliche Situationen zu begrenzen und auf eindeutig definierte und restriktive Kriterien zu stützen. So soll die Kommission auch bei einer ablehnenden Stellungnahme des Prüfausschusses die beabsichtigte Maßnahme erlassen können, „wenn die Tatsache, dass diese Maßnahmen nicht innerhalb einer zwingenden Frist erlassen werden, zu erheblichen Marktstörungen führen, die Sicherheit von Menschen bedrohen oder die finanziellen Interessen der Union gefährden würde“. Diese Bestimmung bezieht sich auf Situationen, in denen es nicht möglich ist, zu warten bis der Ausschuss erneut über denselben oder einen anderen Vorschlag für eine Maßnahme abstimmt, da dies – beispielsweise wegen spekulativen Verhaltens bestimmter Akteure – massive Störungen des Marktes zur Folge hätte. Diese Bestimmung würde die Handlungsfähigkeit der Union gewährleisten und gleichzeitig den Mitgliedstaaten und der Kommission die Gelegenheit bieten, die beabsichtigte Maßnahme erneut in Sachkenntnis zu erörtern, ohne dass Entscheidungen ausstehen und der Spekulation mit ihren negativen Auswirkungen auf die Märkte und den Haushalt Tür und Tor offenstehen.
Derartige Situationen können insbesondere im Rahmen der laufenden Verwaltung der GAP entstehen (z. B. Festlegung von Ausfuhrerstattungen, Verwaltung von Lizenzen, besondere Schutzklauseln), wo Entscheidungen, die bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Märkte und damit für die Landwirte und sonstigen Akteure, aber auch auf den Haushalt der Union haben können, häufig rasch getroffen werden müssen.
Teilt das Europäische Parlament oder der Rat der Kommission mit, dass ein Entwurf für einen Durchführungsrechtsakt seiner Auffassung nach die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet, überarbeitet die Kommission den Entwurf unverzüglich und trägt dabei den Standpunkten des Europäischen Parlaments oder des Rates Rechnung.
Die Kommission geht dabei auf eine Art und Weise vor, die der Dringlichkeit der Angelegenheit in gebührendem Maße Rechnung trägt.
Bevor die Kommission beschließt, den Durchführungsrechtsakt zu erlassen oder ihren Entwurf zu ändern oder zurückzunehmen, unterrichtet sie das Europäische Parlament oder den Rat über ihre Absicht und begründet diese.