EU-Kommissarin fordert privates Kapital gegen Finanzierungslücke in EU-Forschung

„Wenn Amerika erfolgreich ist, dann liegt das an dem hohen Anteil an privatem Risikokapital. Der Markt für Risikofinanzierung ist in Amerika etwa sechs bis sieben Mal größer als in Europa“, argumentierte EU-Kommissarin Iliana Ivanova (Bild) und fordert mehr privates Kapital für Investitionen in die Bildung. [Europe by Satellite]

Die EU-Kommissarin für Innovation und Forschung sagte in einem Interview mit Euractiv, dass die EU private Finanzierung in Betracht ziehen müsse. Dies würde helfen, die Finanzierungslücke für Wissenschaft und Innovation zu schließen, die derzeit auf 100 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt werde.

Die Bulgarin Iliana Ivanova trat ihr Amt als EU-Kommissarin für Innovation und Forschung im Juni an, nachdem ihre Vorgängerin Mariya Gabriel in die bulgarische Politik zurückgekehrt war. Zuvor war Ivanova Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied des Europäischen Rechnungshofes.

Insgesamt übernimmt Ivanova das große Ressort für nur rund ein Jahr, da die Kommission nach den EU-Wahlen im Juni neu zusammengesetzt wird. Für Ivanova ist „die Zeit kurz, aber auch lang genug, um wichtige Dinge zu erledigen, wie die Evaluierung aller Programme, die Halbzeitbewertung von Horizon Europe, Erasmus+, Creative Europe und die Planung der nächsten Schritte für die künftigen Programme im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen.“

Sie selbst bezeichnet ihr Resort als „sehr wichtig und strategisch, vielleicht das wichtigste für die Zukunft Europas aus strategischer Sicht“.

Der Entschluss der EU-Staaten im Februar 2,1 Milliarden Euro aus dem Budget des Vorzeigeprogramms Horizon Europe zu kürzen, um andere Prioritäten zu finanzieren, war für Ivanova „enttäuschend“.

„Ich habe oft gesagt, dass ich damit nicht sehr glücklich bin, aber ich verstehe, dass das große Bild Entscheidungen erforderte, bei denen wir dringende Probleme finanzieren mussten“.

Ivanova sagte, dass das Erste, was sie tun wollte, als sie wusste, dass sie dieses Portfolio übernehmen würde, war, die verfügbaren Beträge zu definieren.

Horizon Europe verfügt über ein Budget von fast 100 Milliarden Euro für die siebenjährige EU-Haushaltsperiode.

Mit ihrem Antritt stelte sich Ivanova die Frage: „OK, wir haben 100 Milliarden Euro, aber wie viel benötigen wir [insgesamt]?“ „Und da sehen wir, dass wir in den letzten mehr als 20 Jahren ein Defizit von etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr bei der Finanzierung von Wissenschaft und Innovation hatten“, sagte sie.

Die Kommissarin argumentierte weiter, dass die EU dem US-amerikanischen Modell folgen sollte, um die Finanzierungslücke zu schließen, indem sie erfolgreich privates Kapital anzieht.

„Es ist deutlich, dass Horizon Europe mit 100 Milliarden Euro für sieben Jahre keine Lücke von 100 Milliarden Euro pro Jahr schließen kann.“

Die Antwort liege in der privaten Finanzierung, so Ivanova.

„Wenn Amerika erfolgreich ist, dann liegt das an dem hohen Anteil an privatem Risikokapital. Der Markt für Risikofinanzierung ist in Amerika etwa sechs bis sieben Mal größer als in Europa“, argumentierte sie.

Ivanova erklärte, dass, wenn die Investitionen in Forschung und Entwicklung als Prozentsatz des BIP berechnet werden, das Ziel für alle Industriestaaten bei 3 Prozent liegt.

„Wir [die EU] liegen darunter, bei etwa 2,26 Prozent, plus oder minus ein paar Prozentpunkte über die Jahre, aber insgesamt weit unter diesem Ziel“, fügte sie hinzu.

Bildung ist das Problem

Die Kommissarin sagte, sie habe bereits mehrere Treffen mit Investoren abgehalten, um besser zu verstehen, was sie zurückhält und was sie motiviert.

Als ersten Grund nannten die Investoren die Fragmentierung des EU-Marktes, die „nicht hilfreich“ sei. Als zweiten Grund nannte sie den regulatorischen Rahmen, der ihrer Meinung nach verbessert werden könnte.

Ihre größte Sorge schien jedoch der Rückschritt in der Kindererziehung zu sein, und sie bezog sich auf die jüngste PISA-Studie, die zeigt, dass die Zahl der Schüler mit schlechten Leistungen in Mathematik und Lesen stark angestiegen ist.

„Wir können nicht über digitale Kompetenzen oder künstliche Intelligenz sprechen, wenn Kinder nicht lesen und schreiben können. Also müssen wir dort ansetzen und jede Herausforderung Schritt für Schritt angehen“, sagte Ivanova.

Sie äußerte sich optimistisch über die Arbeit des Europäischen Innovationsrates, der Start-ups mit Geduldskapital unterstützt, um das Risiko für private Investoren zu minimieren.

„Die jüngsten Zahlen stimmen mich schon recht optimistisch. Denn wir sollten nicht nur kritisch sein, sondern auch das Gute sagen, wenn es vorhanden ist. Mehr als 2 Milliarden Euro hat der Europäische Innovationsrat bereits investiert. Im vergangenen Jahr wurden rund 350 Start-ups unterstützt. Jeder Euro, den das EIC investiert, zieht weitere 3,5 Euro an privatem Kapital an. Das ist genau der Punkt. Wir müssen das ausbauen und zum Laufen bringen.“

Europaabgeordnete als Verbündete

Auf die Frage, ob das Europäische Parlament ein Verbündeter sei, antwortete sie sehr positiv.

„Wir hören bereits Zahlen, bei mehreren Gelegenheiten haben Europaabgeordnete öffentlich gefordert, das Budget von Horizon Europe für den nächsten Finanzrahmen zu verdoppeln. Natürlich werde ich mich jetzt nicht auf eine Zahl festlegen. Aber ich freue mich über ihr Engagement und ihre Unterstützung.

Auf die Frage nach ihren Plänen angesichts der politischen Krise in Bulgarien – das Land steht vor der sechsten vorgezogenen Wahl in nur wenigen Jahren – antwortete sie, dass sie sich auf ihre Arbeit in Brüssel konzentriere.

Angesprochen auf die Atmosphäre in der Kommission, in der mehrere Kommissare mit ihren Wahlkampagnen beschäftigt zu sein scheinen, sagte sie, ihre Kollegen seien „engagiert, enthusiastisch, aktiv, und so sollte es in einer Wahlperiode sein“.

Die Frage, ob sie glaube, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit gewinnen werde, beantwortete sie mit: „Ich hoffe es“.

Ivanova gehört der GERB-Partei von Boyko Borissov an, die der Familie der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört.

[Bearbeitet von Alice Taylor/Kjeld Neubert]

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