Martin Sotai Knipphals. Foto: Holger Crump

Martin Sotai Knipphals ist Künstler, Garten- und Landschaftsbauer. Mit seinem Sohn Jan Philipp entwickelt er japanische Gärten, Teeräume und Teehäuser, nach den Prinzipien des japanischen Teeweges. Denn Knipphals senior ist einer der wenigen Teewegmeistern in Europa. Was dahinter steckt, und woher sein zweiter Name Sotai stammt, erzählen die beiden bei einem Besuch in ihrem Teeraum in Herrenstrunden. Und servieren frischen Matcha-Tee.

Ein Vormittag in Herrenstrunden. Ich knie auf Strohmatten im japanischen Teeraum der Familie Knipphals. Gemeinsam mit Martin Sotai Knipphals und seinem Sohn Jan Philipp.

Draussen versteckt sich der japanischen Garten unter einer Schneeschicht. Drinnen summt – eingelassen in den Boden – ein gusseiserner Wasserkessel vor sich hin. Die Utensilien für eine Schale mit frischem Matcha-Tee (Teepulver aus gemahlenem Grüntee) stehen bereit.

Der wohl proportionierte Raum und die gelassene Sebstverständlichkeit, mit der hier Tee zubereitet wird, verbreitet eine angenehme Ruhe. Das lässt den Alltagstrubel vergessen.

Jan Philipp Knipphals im Teeraum bei der Zubereitung von Matcha-Tee, einem Teepulver aus gemahlenen Grüntee-Blättern, Foto: Holger Crump

Bei der Familie Knipphals dreht sich alles um japanischen Tee. Denn Martin Sotai Knipphals senior ist Teewegmeister.

Einer der wenigen, handverlesenen Meister in Europa in diesem Metier. 30 Jahre hat er in die Schulung investiert, die seither Leben und Arbeit der ganzen Familie prägen.

Der Teeweg ist wie Yoga oder Tai Chi, nur viel weitgreifender.Martin Sotai Knipphals

Dabei geht es für den Senior zunächst ohne Tee los. Mitte der 1970er Jahre beginnt der gebürtige Kieler – damals noch ohne den Namenszusatz Sotai – zunächst mit Kunst. Kommt mit dem Zen-Buddhismus in Berührung, der vor allem die Meditation in den Mittelpunkt stellt.

Und tritt 1989 – nach vielen Gesprächen und Erlebnissen in der Kunst – seine Reise auf dem Teeweg an. Mit Schulungen bei Meistern in Paris und Düsseldorf.

Über 500 Jahre Tradition

2005 wird Martin Knipphals endlich zum Teewegmeister ernannt – und erhält von seinen Lehrern den Namen Sotai. „Das ist Japanisch und bedeutet in etwa Meister, für den die Geduld ein Thema ist“, schmunzelt der Teewegmeister.

Seine Lehrmeister scheinen bei der „Taufe“ wohl Aspekte seiner Lehrzeit mit bedacht zu haben. Nun darf „Sotai“ selbst ausbilden. Und betreut – neben seinem Sohn – Schüler in ganz Deutschland.

Knipphals betont: Der Teeweg – das sei mehr als die weithin verbreitete, folkloristische „Teezeremonie“, das Aufgießen von Tee im Kimono. „Das ist etwa so als würde man ein Kunststudium mit Malen nach Zahlen vergleichen“, macht er klar.

Der Teeweg ist Zen im Alltag.Martin Sotai Knipphals

Beim Teeweg gehe es um das Ganze, um die Überwindung des „Ich-und-die-Welt“ Prinzips, wie er es nennt. Dahinter steckt Klarheit in der Sicht auf die Dinge.

Die Schüler würden eine mehrjährige Schulung durchlaufen und dabei immer höhere Stufen der Erkenntnis anstreben. „Dabei legt man den Ehrgeiz ab, sein Ziel zu erreichen. Nur so erreicht man es letztlich wirklich“, sagt der Altmeister.

Im Ergebnis übertrage man diese Erfahrungen auf den Alltag und gestalte Leben und Arbeit nach dem Teeweg, so Knipphals. „Dieses Zurück-in-den-Alltag ist der Zenweg des Tees!“ Es sei ein Mittel zum Zweck, um sinnerfüllt zu handeln.

Lehrer und Schüler

Jan Philipp gibt mit ruhigen und geübten Handgriffen etwas Teepulver (Matcha) aus einer schwarzen Dose in eine handgeformte Teeschale aus japanischem Ton.

Schöpft mit einer Bambuskelle heißes Wasser aus dem Kessel, gießt es darüber.

Sein Vater schaut gelassen zu. Schüler und Meister bei der Arbeit, scheinbar im stillen Zwiegespräch.

Im Teeraum gibt es nur Lehrer und Schüler.Martin Sotai Knipphals

Mit einem kleinen Bambusbesen verquirlt der Teeweg-Schüler die Zutaten zu einem dampfenden Sud. Schnelle Bewegungen mischen feine Luftbläschen unter den Tee.

Die grünen, zerriebenen Teeblätter geben dem Getränk eine luftig-leichte, fast schon cremige Konsistenz.

Keine japanischen Kopien

Entstanden sei der Teeweg um das Jahr 1470 im japanischen Kyoto, so Knipphals, hervorgegangen aus dem Buddhismus. Der Teeweg verbinde seither die Menschen über soziale Grenzen hinweg, habe die Basis des modernen Japans gelegt. Teewegmeister würden als Haus- und Gartenbauer, Inneneinrichter, Köche, Künstler und Pädagogen arbeiten.

Das Prinzip hat er für sich und seine Familie übernommen. Japan und der Teeweg, das läuft bei ihnen zusammen.

1992 gründet er seine Firma für Haus- und Gartenbau und Inneneinrichtung. Und arbeitet seither nach „japanischen Konstruktionsprinzipien“, wie er es nennt. Gemeinsam mit seinem Sohn, der die Firma 2019 als Diplomingenieur übernommen hat.

Sie betonen: Die Arbeit münde nicht in Gärten oder Bauten, die wie eine billige Kopie japanischer Originale wirkten. „Es geht nie um Folklore, nicht um authentisches Material“, sagt Martin Sotai Knipphals. Sie übertragen vielmehr japanische Gestaltungskriterien, um ihr Ziel zu erreichen. Nutzen den Teeweg bei Planung und Arbeit, bei der Beratung ihrer Kunden.

Mehr Infos
Haus- und Gartenkunst der Familie Knipphals
Der Künstler Martin Sotai Knipphals
Die Teeweg-Schule, Vorführungen, Teezeremonien
Online-Shop für japanische Grüntees

Buchtipp: Martin Sotai Knipphals, Der Teeweg – Nutzen im Alltag, Verlag Tredition, ISBN 978-3-347-88220-1

Teeweg als Lebensprinzip

Im Hause Knipphals herrscht eine umtriebige Gelassenheit. Im Gespräch vernetzen sich immer wieder Aspekte des Teewegs mit Kunst, Philosophie, Architektur, Landschaftsbau. Der Teeweg ist ihr Lebensprinzip. Das Eine lässt sich ohne das Andere nicht mehr denken.

Wenn gerade kein Garten geplant oder kein japanischer Raum gebaut wird, sind Vater und Sohn in Sachen Tee aktiv.

Begleiten Reisen nach Kyoto. Führen Verkostungen durch, bieten Teezeremonien nach ihren Grundsätzen (keine Folklore!) an, in Hotels, bei Firmen, auf Events.

Nichts ist so langweilig wie das Offensichtliche.Jan Philipp Knipphals

Aber man muss nicht weit fahren, um die Knipphals’sche Kunst zu erleben. Ihr japanischer Teeraum in Herrenstrunden steht auch Besucher:innen aus der Region offen: Bei regelmäßig stattfindenden Vorführungen, bei individuellen Teezeremonien, die man für kleine Gruppen veranstaltet.

„Gute japanische Grüntees können Interessenten hier bei uns in authentischem Ambieten genießen“, machen die beiden klar. In ihrer Version der Teezeremonie, die weit über das Übliche hinausgehe, betonen sie immer wieder. Und oft in guten Gesprächen münde, die nicht unbedingt etwas mit Tee zu tun haben müssten.

Kaum verwunderlich, dass dabei ausschließlich erlesener Tee in die Schale kommt. Jan Philipp hat vor ein paar Jahren einen Direktimport aufgebaut und bezieht die Grüntees direkt von japanischen Plantagen. Das sei Grüntee in Bio-Qualität, traditionell hergestellt, der in dieser Güte selten außerhalb Japans zu bekommen sei.

„Die gute Ware ist meist nur auf dem japanischen Markt zu haben.“ Oder eben bei ihm in Herrenstrunden, und über seinen Webshop.

Unerschöpfliches Wissen

Knipphals junior reicht die Schalen rund. Zuvor knabbern wir eine kleine Süßigkeit, um dem Tee-Aufguss eine neutrale Süße hinzuzufügen.

Im Teeraum der Familie Knipphals, Foto: Holger Crump

Der Matcha schmeckt intensiv, aromatisch, erinnert ein wenig an frische Gräser. Und er kommt ohne die Bitternoten daher, die man von handelsüblichen Matchas aus europäischen Geschäften kennt.

Der Genießer schweigt: Lehrer und Schüler machen wenig Aufhebens um das geschmackliche Ereignis, das sich in der Schale befindet. Ob die Zubereitung durch Jan Philipp jedoch nach allen Regeln der Kunst erfolgt ist, werde ich wohl nicht erfahren.

Das Gespräch plätschert weiter. Wie der kleine Springbrunnen draussen im japanischen Garten der Familie Knipphals.

Das Wissen der beiden scheint schier unerschöpflich zu sein. Es reicht von der niedrigen Deckenhöhe im Teeraum („im Sitzen stimmen die Proportionen des Raumes wieder“) bis zu den Besonderheiten japanischer Teeschalen („geformt mit Ton aus Japan, der trotz dicker Wandungen leichte Schalen ermöglicht, die außen nicht zu heiß werden“).

Irgendwann verabschieden wir uns. Ich gehe anders gestimmt hinaus als ich hinein gegangen bin. Ob das an dem Teeweg liegt – vielleicht.

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war bis Anfang 2024 Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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