Die Bestattungskultur verändert sich – und damit auch der Friedhof Quirlsberg. Neben traditionellen Grabstätten entstehen naturnahe Bestattungsgärten und freie Grünflächen. Der Friedhof wandelt sich damit zunehmend zu einem Stadtpark, zu einer grünen schattenspendende Oase, die Angehörigen der Verstorbenen und allen Besucher:innen guttut. Dafür setzt sich der Förderverein Evangelischer Friedhof Quirlsberg e.V. unter anderem ein.
Text: Annette Voigt. Fotos: Thomas Merkenich
Der ältere Teil des Friedhofs auf dem Quirlsberg ist mit seinen über 30 historischen Grabstätten ein Stück Stadtgeschichte und soll mit den neuen Gartenflächen und den vom Förderverein Evangelischer Friedhof Quirlsberg e.V. umzugestaltenden Wiesenflächen eine harmonische Einheit bilden. Und damit zu einem kühlen Stadtpark in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt werden.
Schon 1777 errichteten die Gladbacher Protestanten neben der neu gebauten Kirche (heute Gnadenkirche) einen Friedhof, womit sich die evangelischen Christen ziemlich verbesserten. Bisher fanden ihre Bestattungen in Mülheim statt und dies bedeutete jedes Mal von Bergisch Gladbach aus drei Stunden Fußmarsch.
Schon hundert Jahre später war der Friedhof gemäß eines Aktenvermerks von 1869, „durchaus gefüllt und keine einzige Stelle mehr vorhanden“. Die Gemeinde verkaufte daher ihr Land oberhalb der Kirche auf dem Quirlsberg an den Kommerzienrat Wilhelm vom Hövel, der dieses Land wiederum der Stadt mit der Auflage zur Verfügung stellte, hier einen neuen Friedhof für die Evangelische Kirchengemeinde zu genehmigen.
Denn seit den Zeiten Napoleons durften Friedhöfe nur noch auf städtischem Grund und Boden entstehen. 1871 fand hier die erste Bestattung statt.
Neues Buch nimmt Friedhof Quirlsberg unter die Lupe
Rund 3000 Gräber gibt es auf dem Evangelischen Friedhof auf dem Quirlsberg, davon haben Peter Lückerath und Michael Werling 61 historisch besonders wichtige Grabstätten in ihrem neuen Buch detailliert in den Blick genommen.
Gnadenkirche: Die evangelische Mutterkirche
Sie ist die älteste evangelische Kirche und drittälteste Kirche der Stadt und geht auf die ersten Papiermacher zurück. Ihren prägnanten Namen hat die Gnadenkirche aber erst Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten. Zahlreiche Umbauten prägen die Geschichte des achteckigen Baudenkmals. Ein neuer Plan aus prominenter Hand könnte einige Bausünden rückgängig machen. Im Inneren bewahrt sie einen kunsthistorischen Fauxpas, den nur aufmerksame Beobachter entdecken. In der Serie #KulturMitteGL und einer 360-Grad-Panoramatour können Sie die Kirche erforschen…
Doch heute kann von „überfülltem“ Friedhof keine Rede mehr sein. Es gibt zunehmend freie Grünflächen, die es zu begrünen und zu verschönern gilt. Die Zahl der üblichen Reihengräber bzw. die flächenintensiven Familiengräber geht zurück, während Urnengräber oder eine gemeinschaftliche Ruhestätte mit mehreren Einzelgräbern zunehmen.
Somit ergeben sich freie Pflanz – und Gestaltungsflächen, die nun zur Parklandschaft umgestaltet werden sollen. Eine Aufgabe, der sich der noch relativ junge Förderverein Evangelischer Friedhof Quirlsberg e.V. angenommen hat.
Die Idee landschaftlich gestalteter Grabfelder und Friedhöfe ist dabei nicht neu. In Deutschland gab es bereits um 1865 große Parkfriedhöfe, für die die ab 1830 entstandenen amerikanischen Landschaftsfriedhöfe wie in Boston, Cincinnati, New York oder in Paris den Friedhof Père Lachaise Vorbild waren.
Die „Gärten der Erinnerung“
Der alte Baumbestand in gemischtem Grün, mächtige Großbäume wie Esche, Ahorn, Eiche und Kiefer, der angrenzende kleine Buchenwald, viele weitläufige, aber auch kleine Rasenflächen zwischen einzelnen Gräbern bieten auf dem Friedhof Quirlsberg ideale Voraussetzungen zur Umgestaltung in eine Parklandschaft. Der Förderverein verfolgt dabei das Ziel, so die Vereinsvorsitzende Irmtraud Schumacher, „die Aufenthaltsqualität auf dem bestehenden Friedhofsgelände zu erhöhen“.
Mit den farbenprächtigen seit 2003 angelegten Bestattungsgärten, den „Gärten der Erinnerung“ mit Rosen, – Stein, – Bauern- und Schilfgarten, von der Genossenschaft der Kölner Friedhofsgärtner angelegt und gepflegt, wurde bereits ein Anfang gemacht.
Der Förderverein wirbt nach Anerkennung als Gemeinnütziger Verein um Spenden, die beispielsweise dafür verwendet werden sollen, die derzeit unansehnlichen Bänke durch neue ansprechende Sitzgelegenheiten zu ersetzen.
„Eine Sitzgruppe beispielsweise unter einer alten schattenspendenden Birke auf dem Rasen mit Blick auf ein ansprechendes historisches Grab lädt zum Verweilen ein“, meint Frau Schumacher. Kleine Wohlfühloasen und blühende Wildblumenwiesen sollen diejenigen motivieren, die bislang den Friedhof nicht besuchen, sich aber gerne in gepflegtem Grün der Natur aufhalten und die die angenehme Kühle besonders in der Sommerzeit suchen. „Ein Park an sich besitzt eine beruhigende Wirkung und dies wollen wir hier auf dem Quirlsberg mit unserem Verschönerungsbeitrag erreichen.“
… will unsere Autorin Annette Voigt auf Musterbeispiele für grünes Engagement in Bergisch Gladbach und im Rheinisch-Bergischen Kreis aufmerksam machen.
Angesichts der zunehmenden Negativauswirkungen des Klimawandels wie Hitze -und Trockenperioden, Starkregen und Hochwasser ist der Erhalt von Grünflächen und die Neuanpflanzung klimaresistenter und schattenspendender Pflanzen, Bäume und Gehölze notwendiger denn je. In Zeiten knapper werdenden Wasserressourcen gilt es auch hier umzudenken und einzusparen, z. B. indem Rasenflächen zu blühenden Blumenwiesen umgewandelt werden. Möglichst viel Grün gehört in die Stadt, denn das sind die grünen Lungen der Bergisch Gladbacher Bevölkerung, unsere Sauerstoffproduzenten. Dazu gehört auch das aktuelle Projekt „Jeder m² zählt“, in Kooperation der VHS Bergisch Gladbach, des Vereins NaturGarten e.V. und der Initiative „Blühendes GL“. Diese Gartenprojekte leisten mit ihrem Engagement wertvolle Beiträge für mehr Grün in der Stadt und somit für mehr Lebensqualität der Bergisch Gladbacher.
Kennen Sie weitere Projekte dieser Art? Melden Sie sich gerne bei der Autorin.
Hintergund: Mit der Serien „Mehr Grün für die Stadt …“
Doch statt dessen ersetzen Schottergärten und durchgeflieste Flächen ehemals grüne Vorgärten. Sie wirken der Biodiversität entgegen und berauben den Insekten und Kleingetier ihren Lebensraum. Da es von der Stadt keine Verfügungen gibt, die diese grauen „Steinwüsten“ verbieten oder zumindest reglementieren, können diese Beispiele dazu beitragen, an die grüne Vernunft zu appellieren.
Der so entstehende Stadtpark soll mit den bereits bestehenden Bestattungsgärten sowie dem „Campus Quirlsberg“, zu dem das Krankenhaus, die Seniorenanlage und das Hospiz zählen, eine Einheit bilden. Schon jetzt rahmen die traditionellen Grabstätten die Bestattungsgärten harmonisch ein.
Der Arbeitskreis „Friedhofskultur“ des Bergischen Geschichtsvereins Rhein-Berg e. V., der die historischen Grabstätten erhält und die Verwilderten wieder herrichtet, trägt mit seiner Arbeit sehr dazu bei. „Verwaiste Grabstätten wieder ansprechend zu gestalten, das erfreut das Auge des Parkbesuchers genauso wie die Bäume in unterschiedlichem Grün, den Blickachsen und den Licht – und Schattenspielen beispielsweise in der Lebensbaumallee,“ bemerkt Irmtraud Schumacher.
Bereits jetzt besuchen die Senioren aus der naheliegenden Senioreneinrichtung sowie Patienten und Mitarbeitende des Evangelischen Krankenhauses das Friedhofsgelände. Sie sollen sich hier zukünftig noch wohler fühlen, denn „die Kombination von Historie und Park, ist reizvoll und wertet diesen Friedhof auf“, wie die Vereinsvorsitzende aus eigenem Erleben weiß.
Was ist ein Bestattungsgarten?
Bestattungsgärten sind eine neue Form der Bestattung und bieten Ruhestätten, die sich inmitten einer Gartenanlage auf dem Friedhof befinden. Eingebettet in einen, je nach Friedhofsgröße kleinen oder größeren Themengarten befinden sich hier einzelnen Gräber.
Im Unterschied zu einer klassischen Friedhofsgestaltung liegen die Gräber nicht in Reihen, sondern in einer Art Gartenlandschaft, wobei die einzelnen Themengärten in ihrer Gesamtheit an eine kleine Parklandschaft erinnern.
Das Besondere an diesen Bestattungsgärten ist ihre abwechslungsreiche farbenreiche Bepflanzung, meist mit Pflanzen, die man ansonsten nicht auf einer Grabstätte vermutet wie wehende Gräser oder hochwachsende Bauernblumen. Bestattungsgärten erinnern damit eher an häusliche Zier- oder Vorgärten.
„Ein Garten verlockt, nährt und erfreut den Geist“. Der englische Dichter Nicholas Grimald (1519-1562) hätte seine Aussage ganz sicher auch auf einen solchen Stadtpark bezogen.
Kühle Erholungsstätte
Der Verein macht sich zusammen mit der evangelischen Kirchengemeinde Bezirk Stadtmitte, dem Bergischen Geschichtsverein und den Friedhofsgärtnern dafür stark, dass einer der kühlsten Standorte in Bergisch Gladbach als grüne Erholungsstätte zum Ausruhen und Verweilen erhalten bleibt und erweitert wird, um somit für mehr Stadtgrün beizutragen.
Diese neuen Grabstätten inmitten blühender Pflanzen, Bambus, kleinen Teichen und schmalen Kieswegen bilden mit den bisherigen Grabstätten (den Wahlgräbern), den neuen Sitzgruppen und Wildblumenwiesen in einer natürlich wirkenden Umgebung eine harmonische Einheit. Eine attraktive Parklandschaft, zu der der Förderverein „Evangelischer Friedhof Quirlsberg“ e.V. beitragen möchte.
Interessierte und Ehrenamtliche Paten zur Pflege historischer Grabstätten wenden sich bitte an Irmtraud Schumacher, Tel. 02202-53811.
Ein wirklich schöner Friedhof mit vielen unterschiedlich gestalteten Bereichen! In Hospiznähe gibt es eine sonnenbeschienene Wiese, in anderen Teilen lässt sich schattige Kühle genießen – und überall eine ruhige und würdige Atmosphäre mit teilweise überraschenden Grabsteinen.