Das Kunstmuseum Villa Zanders hat mit Ina Dinter im vergangenen Jahr eine neue Direktorin bekommen, die gleich mit einigen Ausstellungen gestartet ist. In einem Interview mit unserer Kunstreporterin Antje Schlenker-Kortum stellt sie sich und ihr Programm vor. Ein Beitrag, der stellvertretend für die vielen außergewöhnlichen Kunst- und Ausstellungsberichte des Bürgerportals steht. Darüber hinaus gab es im Juni 2024 einige weitere herausragenden Personalien.

Hinweis der Redaktion: Wir veröffentlichen den Beitrag vom 20.6.2024 noch einmal im Rahmen unseres Jahresrückblicks, ergänzt durch weitere Themen des Monats.

Frau Dinter, Sie kommen ursprünglich aus Köln und kennen die Villa Zanders auch aus Sicht einer Besucherin. Was denken Sie heute als Kunstexpertin und Direktorin: Welche Rolle spielt das Erleben dieser Räume für den Kunstgenuss?

Ina Dinter: Wenn man ins Erdgeschoss kommt, betritt man die historischen Räume, die historisch ausgestattet sind. Malereien des 19. Jahrhunderts an den Wänden zeigen, wie es damals hier ausgesehen haben könnte; auch der Flügel der Musikschule spiegelt den Geist dieses Hauses wider. Darüber thront Maria Zanders, die das Haus zu einem Salon der Künste, der Literatur und der Musik gemacht hat.

Diese Ausstattung macht etwas mit den Leuten. Diejenigen, die das Gebäude nicht kannten, sind sehr beeindruckt. Das Erleben ist anders als in einem Gebäude, das im 21. Jahrhundert als Kunstmuseum errichtet wurde. Ich empfinde diesen Ort als angenehm, auch wegen seiner Architektur, die von dem schönen Park umgeben ist. Im Sommer ist hier viel los auf der Wiese, die Leute picknicken oder spielen Frisbee.

Kunstvermittlung ist Ihnen ein besonderes Anliegen. In großen Kunsthäusern in Berlin und Reutlingen haben sie viel Erfahrung mit unterschiedlichen Zielgruppen gesammelt. Wie bekommt man die Leute ins Museum?


Die Schwellenangst ist natürlich eine Hürde – aber ein Museum ist heute nicht elitär, sondern ein Ort für breite Besuchergruppen. Ich denke, als Museum kann man nur versuchen, jedem einzelnen diese Angst zu nehmen. Wenn man einmal im Museum war, dann hat hat man im besten Fall gemerkt: Das ist ein Ort, der mich anspricht, der auch für mich interessant sein kann.

Hede Brühl war 2021 in der Villa Zanders zu Gast. Foto: Thomas Merkenich

Das Kunstmuseum Villa Zanders umfasst auf drei Etagen rund 1.000 qm Ausstellungsfläche. Der Rote und Grüne Salon bieten einen glanzvollen Rahmen für die Werke der Düsseldorfer Malerschule des 19. Jahrhunderts, die oberen Etagen zeigen Wechselausstellungen zur Kunst der Gegenwart.

Erbaut wurde die Villa 1874. Seit 1974 fanden sporadisch erste Ausstellungen statt, und nach umfangreichen Umbaumaßnahmen eröffnete die Stadt Bergisch Gladbach 1992 hier ihr eigenes Kunstmuseum. Gründungsdirektor war Wolfgang Vomm, von 2011 bis 2024 leitete Petra Oelschlägel die Villa.

Mehr Infos zur Historie des Museums finden Sie in diesem Beitrag.

Andererseits gibt es viele Menschen, die wollen ins Museum und können nicht – aus verschiedensten Gründen. Was verbinden Sie mit dem Thema Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit meint nicht nur Maßnahmen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen – beispielsweise, dass es eine Rampe für Rollstuhlfahrer gibt. Barrierefreiheit hat mehr Dimensionen. Dazu gehören Fragen wie: Wie tritt das Museum nach außen? Wie ist die Sprache? Wie wird man empfangen? Auch Freundlichkeit zählt dazu!

Beispielsweise ging es in der letzten LVR-Kulturkonferenz rund um das Thema Teilhabe. Es ist gut, den Blick auszuweiten und aus der eigenen Bubble herauszutreten und zu schauen, wie man mit anderen zusammenarbeiten und das Museum über gemeinsame Projekte öffnen kann.

Dr. Ina Dinter (rechts im Bild sitzend) im Gespräch mit in-gl-Reporterin Antje Schlenker-Kortum (links im Bild).
Die neue Museumsdirektorin des Kunstmuseums Villa Zanders Dr. Ina Dinter im Gespräch. Foto: Thomas Merkenich

Über Teilhabe wird aktuell viel diskutiert. Viele Institutionen bieten heute auch einfache Sprache an – ein umstrittenes Thema. Haben Sie dahingehend etwas geplant?

Das muss man sich überlegen. Einerseits: Wer sind die Besucher, die schon da sind und was erwarten sie? Andererseits: Wird das nachgefragt? Es geht um beides. Außerdem sind solche Angebote auch eine Frage der personellen und zeitlichen Ressourcen. Für Leichte Sprache gibt es spezifische Vorgaben, die in Weiterbildungen vermittelt werden. Kurzfristig ist das erstmal nicht geplant. Nachgefragt werden bei uns vor allem englische Texte. Außerdem plane ich, mehr mit Werktexten in den Ausstellungen zu arbeiten – die wir teils auch direkt an die Wand aufbringen werden.

Wandtexte sieht man häufig in Museen. Warum macht man das?

Das ist übersichtlicher und flexibler als Flyer, die auch eher allgemeinere Texte beinhalten. Dabei ist es mir wichtig, dass ich Texte interessant gestalte: mit Informationen, mal mit einer Anekdote, mal mit Details, die man über die Künstler:innen noch nicht wusste. Da darf auch mal ein Fachbegriff drin stecken. Aber der Text ist so gestaltet, dass man ihn dennoch versteht. In Texten in Leichter Sprache kann man eben nicht alle Informationen unterbringen.

Man kann nie alle Menschen mit einem Text erreichen. Die Texte in meinen bisherigen Ausstellungen waren eine Mischung und das kam gut an. Wir haben so unterschiedliche Besucher:innen in den Kunstmuseen: Ein Teil des Stammpublikums hat einen gewissen Grad an Vorbildung in Kunstthemen; andere Besucher:innen lernen gern etwas Neues dazu; und viele jüngere Leute nutzen das Smartphone, um sich weiterführende Infos zu holen.

Treten Sie ein und erkunden die Villa Zanders von unten nach oben in unserer interaktiven Panoramatour. Mit einem Klick öffnet sich die große Ansicht. Wirkt am besten auf einem großen Bildschirm oder auf dem Handy im Querformat.


Das Kunstmuseum Villa Zanders hat etablierte Veranstaltungsformate: beispielsweise „Mit Baby ins Museum“ oder „Mit allen Sinnen“ – ein Angebot für Menschen mit Demenzerkrankung. Was steckt hinter diesen Konzepten? 


Wir versuchen, damit verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Die Herangehensweisen der Kunstvermittler:innen sind natürlich von Format zu Format verschieden. Beispielsweise „Mit Baby im Museum“: Hier bekommen die Babys sicher nicht viel von den Inhalten mit (lacht) – aber sie erleben ihre Umgebung. Kinder sind entspannt, wenn die Eltern entspannt sind.

„Mit allen Sinnen“ richtet sich an ein völlig anderes Besucherspektrum. Mit diesen Gruppen geht man ganz anders durchs Haus, zum Beispiel singt die Gruppe in der Ausstellung.

Und das Angebot „Kunstgenuss“ bietet eine lockere Atmosphäre mit Kaffee und Kuchen. Das spricht erfahrungsgemäß eher ältere Menschen an.

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Welche Rolle spielen klassische Führungen?

Da weiß man vorher nie, wer kommt. Das können Experten sein, die mehr wissen, als man selbst. Das können Jugendliche aus dem Kunstleistungskurs sein, Erwachsene mit und ohne Vorwissen oder Gäste, die bereits die gleiche Führung besucht haben. Dann denke ich: Oje, denen kann ich nichts Neues mehr erzählen. Aber anscheinend hat es ihnen gefallen, denn sie kommen wieder.

Man muss sich auf jede Gruppe neu einstellen. Außerdem haben wir viele Angebote für Schulklassen – teilweise feste Kooperationen mit Schulen. Das sind Workshops mit Künstler:innen, die eng mit den Lehrenden zusammenarbeiten. Die Werke entstehen hier im Haus. Mit unseren festen Kooperationspartnern gibt es anschließend eine kleine Ausstellung in den Kabinett-Räumen. Dauer, Aufbautermin, Vernissage der Ausstellung werden festgelegt und die Schüler:innen bereiten teilweise musikalische Beiträge vor. Es ist schon toll, wie die Lehrenden dahinterstehen und den Schüler:innen sogar das Kuratieren beibringen. Solche Veranstaltungen sind für uns und für die Schulklassen gut.

Zur Person: Dr. Ina Dinter

Geboren 1985, studierte sie in Tübingen Kunstgeschichte und Philosophie und beendete ihr Studium mit der Promotion an der Universität Eichstätt. Berufliche Erfahrungen sammelte die gebürtige Kölnerin als Volontärin im Kupferstichkabinett und im Hamburger Bahnhof bei den Staatlichen Museen zu Berlin, wo sie ab 2017 als Ausstellungsleiterin am Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart tätig war.

2019 übernahm sie die Leitung des Kunstmuseums Reutlingen, das an zwei Standorten auf 2.000 qm Ausstellungsfläche jährlich etwa zehn Sonderausstellungen in den Bereichen Grafik und Hochdruck, konkrete Kunst sowie zeitgenössische Positionen zeigt und über umfangreiche Sammlungen verfügt.

Foto: Thomas Merkenich

Welche der aktuell geplanten Ausstellungen werden bereits von Ihnen kuratiert? Geben Sie uns einen kleinen Vorgeschmack!

Die Kabinett-Ausstellung „Honig für Kunst und Gesellschaft“ war in den Grundzügen von Petra Oelschlägel und Hartmut Kraft vorbesprochen. Dann war es meine Aufgabe, das Ausstellungsprogramm für das restliche Jahr zu konzipieren.

Die Kabinett-Ausstellung vom „Wert der Wahrnehmung“ läuft begleitend zur aktuell laufenden Ausstellung von Oskar Holweck: Kurt Wagner war ein Schüler Holwecks. Und es finden sich künstlerische Parallelen im Werk Marga und Anna C. Wagners. So war es naheliegend, diese Linie in einer eigenen kleinen Ausstellung aufzuzeigen.

Ausstellungsprogramm der Villa Zanders

Oskar Holweck – Meister der Reduktion

Verlängert bis 7.7., kuratiert von Dr. Petra Oelschlägel. Ein ausführliche Rezension und weitere Fotos finden Sie hier.

Martin Noël – Otto Freundlich Die Entdeckung der Moderne

Bis 25.8., kuratiert von Dr. Petra Oelschlägel. Ein ausführliche Rezension und weitere Fotos finden Sie hier.

Kurt Wagner – Vom Wert der Wahrnehmung

Arbeiten von Kurt Wagner (1936–2009) – Schüler von Oskar Holweck – Marga Wagner (1934–2020) und Anna C. Wagner (1964)
Bis 23.6., kuratiert von Dr. Ina Dinter. Eine Rezension zu dieser Ausstellung finden Sie hier.

Honig für Kunst und Gesellschaft

Bienen und ihre Produkte in Werken von Joseph Beuys, Hede Bühl, Felix Droese u.a.
Eröffnung: Freitag, 12.7., 18 Uhr, kuratiert von Prof. Dr. Hartmut Kraft
Seit jeher haben Bienen die Menschen fasziniert. Schon griechische und römische Philosophen wie Aristoteles oder Vergil haben über sie berichtet. Bienen und ihre Produkte finden sich auch in den Werken zeitgenössischer Künstler wie bei Joseph Beuys, Hede Bühl, Felix Droese, Michael Buthe, Timm Ulrichs und anderen Künstlerinnen und Künstlern

Eine Auswahl ihrer Werke stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Die Bienen brauchen die Menschen nicht – wir Pressemitteilung aber brauchen die Bienen zum Erhalt einer blühenden Umwelt und zur Sicherstellung unserer Nahrung. In der Ausstellung geht es um den neuen Blick auf Kunstwerke vergangener Jahrzehnte, in denen Bienen, Wachs und Honig zum Thema werden.

Jenny Michel: Soft Ruins

27.7.-10.11.
Eröffnung: Freitag, 26.7., 18:00 Uhr, kuratiert von Dr. Ina Dinter

Informationen aus vergangener Zeit überwuchern die Oberfläche der Welt. Texte sind nicht mehr lesbar, Datenspeicher werden zu nutzlosem Material, ausgediente Bibliotheken werden zu rätselhaften Ruinen fragmentierten Wissens. Die Künstlerin Jenny Michel (1975 in Worms; lebt und arbeitet in Berlin) nimmt uns mit in vergangene Utopien und verweist mit ihren ästhetischen Gebilden auf das dystopisch Zukünftige. Ihre Kunst spricht Intellekt und Gefühl gleichermaßen an und ihr Medium ist das der Collage, obgleich Zeichnung, Modell, Skulptur, Wand- oder Rauminstallation zunächst anderes vermuten lassen würden.

Jenny Michel hat sich den Materialien Papier und Holz verschrieben, die von hoher haptischer Qualität sind. Scheinbar Alltägliches und Abfall werden zum Baustoff ihrer künstlerischen Manifestationen. Über Jahre hinweg ist so ein dichtes Werk entstanden, das eine Gegenerzählung zu den dominierenden Narrativen der Wissenschaft bildet.

Paper / Elements

Kunst aus Papier und die vier Elemente
Eröffnung: Sonntag, 22.9.2024, 11:30 Uhr 1. OG
Kuratiert von Dr. Ina Dinter und Sabine Majer

Die Ausstellung zeigt Werke von ca. 40 Künstlerinnen aus der Sammlung Kunst aus Papier, u.a. von Bernard Aubertin, Mary Bauermeister, John Cage, Tina Haase, Oskar Holweck, Jenny Holzer, Wolfgang Mally, Robert Rauschenberg, Takako Saito, Regine Schumann, Yoko Terauchi, Günther Uecker und Timm Ulrichs.

Michael Buthe 80/30

Arbeiten mit und auf Papier.
Eröffnung: Freitag, 15.11.2024, 18:00 Uhr, Kabinett
Kuratiert von Dr. Ina Dinter
Die Kabinett-Ausstellung nimmt Michael Buthes ( 1. August 1944 in Sonthofen; † 15. November 1994 in Bad Godesberg) 80. Geburtstag und 30. Todestag in diesem Jahr zum Anlass für eine Erinnerung an den Künstler, der nicht nur in der Region für seine Gemälde, Skulpturen, Collagen und Texte bekannt ist.

Ruth Marten: All About Eve

Eröffnung: Sonntag, 1.12.2024, 11:30 Uhr, kuratiert von Dr. Ina Dinter

Die US-amerikanische Künstlerin Ruth Marten (*1949) begann ihre Karriere in den 1970er Jahren als Tätowiererin und war danach als Illustratorin für verschiedene Verlage und Magazine tätig. 2006 begann Marten, alte Postkarten, Stiche und Illustrationen zu übermalen oder als Grundlage für ihre Collagen zu nutzen. 2018 richtete ihr das Max-Ernst-Museum des LVR in Brühl eine umfassende Retrospektive aus.

In der Ausstellung im Kunstmuseum Villa Zanders wird ihre aktuelle Werkserie All About Eve gezeigt. Die Serie basiert auf einem Portfolio mit 100 Heliogravüren des Fotografen Laryew (1863–1929) von 1923. In ihrer malerischen Überarbeitung setzt sie sich mit Ikonen der Kunstgeschichte auseinander, mit dem Verhältnis Mensch-Tier, hinterfragt den voyeuristischen männlichen Blick, die Rolle Frau in der Kunst und den weiblichen Akt als dekoratives Objekt. Die bisweilen skurrilen, obszönen und abgründigen Momente verlieren in den Gouachen dennoch nie ihre Leichtigkeit.

Die Einzelausstellung mit Jenny Michel ab Ende Juli zeigt ihre künstlerische Auseinandersetzung mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild als nur einem möglichen Erklärungsmodell. Die Künstlerin reflektiert alternative Erklärungsmodelle auf eine poetische Art und Weise: Sie arbeitet mit alten Enzyklopädien, mit Flucht- und Rettungsplänen, mit Modellen, Utopien, es passieren unvorhersehbare Beeinflussungen der Wahrnehmung. Außerdem werden Fußnoten zu sehen sein – an Orten, an denen man es nicht erwartet …

Das klingt alles sehr spannend, vielen Dank für das Gespräch.

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