Der Weg zu „These Two Windows“, dem ersten Album von Alec Benjamin, könnte als Warnhinweis aus Hollywood dienen. Für jemanden, der noch am Anfang einer eindrucksvollen Karriere steht, ist der Singer-Songwriter aus Phoenix, Arizona, bereits überraschend gut vertraut mit dem Unterhaltungsgeschäft. Sein ungewohnt reifes Pop-Songwriting, das im Internet bereits Wellen geschlagen hat, bescherte Benjamin noch während des Studiums einen Vertrag mit Columbia Records. Das Label liess ihn später jedoch wieder fallen, und so baute er sich auf eigene Faust eine Anhängerschaft auf. Schliesslich wurde Atlantic Records auf ihn aufmerksam. Dort erschien 2018 „Narrated for You“, ein Folk-Pop-Mixtape, dessen Songs während Benjamins Pechsträhne entstanden waren und an die Offenherzigkeit eines Ed Sheeran erinnerten. Von den süchtig machenden Harmonien des Openers „Mind Is a Prison“ bis zum überraschenden Vocoder-Gesang in „Oh My God“ und dem von John Mayer geschätzten „Jesus in LA“ ist „These Two Windows“ ein wesentlich einheitlicheres Werk. „In der Musik und beim Storytelling beschäftigt sich jeder mit denselben, immer wieder neu aufbereiteten Themen, weil es nicht so viele Dinge gibt, über die es sich zu schreiben lohnt“, sagt Benjamin gegenüber Apple Music. „Was eine Geschichte von der anderen unterscheidet, ist die Perspektive. ‚These Two Windows‘ ist eine Metapher für meine Augen. Es ist meine Version immer und immer wieder recycelter Themen. Das macht meine Erzählung dieser Geschichten einzigartig.“ Hier nimmt Benjamin sie für uns auseinander – Song für Song.Mind Is a Prison„Manchmal fühle ich mich gefangen. Ich kreise in meinem Kopf um Dinge, die ich nicht ändern kann. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich keine echte Kontrolle über meine eigenen Gedanken – und davon handelt der Song. Ich beschäftige mich darin mit dem freien Willen und wie ich manchmal das Gefühl habe, keinen zu besitzen. Ich habe hier mit einer Freundin, Alex Hope, gearbeitet. Sie ist Produzentin und Songwriterin. Ich habe viele dieser Lieder zusammen mit ihr geschrieben und sie hat den Grossteil des Albums produziert. Es ist wichtig, dass ich jemanden habe, der bereit ist, mit mir diese [dunklen] Gefühle zu erkunden, weil es Themen sind, über die ich schreiben möchte. Es ist nicht üblich, dass ein solcher Song auf einem Popalbum landet.“Demons„[Khalid] und ich haben versucht, einen Song zusammen zu schreiben, aber uns fiel nicht wirklich etwas ein. Nachdem er das Studio verlassen hatte, schrieb ich ‚Demons‘, also habe ich ihn verwendet. Um ehrlich zu sein, ist das nicht gerade mein Lieblingssong auf dem Album: Er ist selbst einer der Dämonen, über die ich singe. Es stört mich immer wieder, dass ich nicht weiss, wie ich ihn finde.“Oh My God„Als Kind habe ich mit meinem Vater ‚Verschollen zwischen fremden Welten‘ geguckt. Er hat gern daraus zitiert, deshalb habe ich eine Referenz [zu Will Robinson] in den Song eingebaut. Ich schrieb ihn zu einer Zeit, in der ich mich irgendwie verloren fühlte. Ich war damit beschäftigt, das Album abzuschliessen, und meinte zu jemandem: ‚Mann, wie konnte ich an einen Punkt kommen, an dem ich nicht mal mehr Spass daran habe, Lieder zu schreiben?‘ – wegen des ganzen nervigen Krams, der sich hinter den Kulissen abspielt, wenn du Musik machst, das Geschäft dahinter und solche Sachen. Und ich nehme an, das Traurigste daran ist, dass ich nichts anderes kann. Ich konnte diese Frustration also nur zum Ausdruck bringen, indem ich einen Song darüber schrieb.“The Book of You & I„Ich mag den Song, weil er eine schöne Geschichte erzählt. Die Sprache ist sehr einfach. Ich habe auch dieses Lied zusammen mit Alex Hope geschrieben und zwar sehr fix – in etwa 40 Minuten. Wir haben an dem Tag mit einer Reihe Ideen herumgespielt, konnten aber nichts zu Ende bringen. Ich erinnere mich, dass ich die Nacht zuvor im Flugzeug sass und einen Teil des Songtextes geschrieben habe. Ich sang ihn über einen kleinen Gitarrenpart. Kurz darauf war der Song fertig. Die Leute fragen: ‚Wie lange hast du gebraucht, um das Lied zu schreiben?‘ Es fühlt sich an, als ob [die Antwort] lautet: ‚Mein ganzes Leben.‘ Mein ganzes Leben kulminiert in diesen 40 Minuten.“Match in the Rain„Ich dachte: ‚Was ist eine gute Metapher, wenn man versucht, eine Beziehung zum Laufen zu bringen, die einfach nicht funktioniert?‘ Ein Streichholz im Regen anzuzünden wäre vermutlich ziemlich schwierig. Ich rauche eigentlich nicht, aber dieser Text fiel mir in München ein – fünf Minuten, bevor ich auf die Bühne ging. Ich meinte zu meinen Managern: ‚Hey, haltet mal mein Telefon. Ich singe das hier mal eben rein, weil es ein cooler Text ist.‘ Dann habe ich den Song zwei Monate später geschrieben, als ich im Studio war.“Jesus in LA„Als ich jünger war und Musik machen wollte, dachte ich immer: ‚Oh Mann, es wäre cool, nach L.A. zu gehen. Das ist der Ort, an dem es abgeht.‘ Als ich ankam, wurde ich von meinem Label fallengelassen. Ich hatte Pech. Also musste ich der Tatsache ins Auge sehen, dass meine Vorstellung von L.A. nicht der Realität entsprach. Es ist kein religiöser Song, aber in der westlichen Kultur steht Jesus für Erlösung. Es geht also darum, dass du in Los Angeles nicht finden wirst, wonach du suchst. Oh, und es ist auch ein Song, den ich veröffentlichen wollte, weil ich ihn John Mayer vorgespielt hatte und er ihn mochte.“I’m Not a Cynic„Ich habe definitiv negative Phasen. Wenn du am Strassenrand in Scheisse trittst, hast du Scheisse am Schuh, egal wie du es betrachtest. Es ist okay, das anzuerkennen. Ich denke nicht, dass dich das unbedingt zynisch macht. Du bist einfach nur realistisch. Ich wollte das [in einem Song] ausdrücken. Es ist nicht immer hilfreich zu sagen: ‚Sieh es mal aus einer anderen Perspektive.‘ Wenn es draussen regnet, regnet es draussen, egal wie du es drehst und wendest.“Alamo„Ich würde dem historischen Kontext des Songs nicht so sehr nachgehen, weil ich nicht gerade stolz darauf bin, was die Vereinigten Staaten in dieser Zeit getan haben. Ich hatte nur den Eindruck, dass man uns als Kindern beigebracht hat: ‚Hey, das war das letzte Gefecht‘ – ohne den ganzen Rest zum Mexikanisch-Amerikanischen Krieg. Es war eine Truppe Soldaten, die sich dachte: ‚Wenn wir für diesen Scheiss sterben müssen, dann sterben wir für diesen Scheiss.‘ Ich habe nicht unbedingt etwas gefunden, für das ich genug brenne, um dafür zu sterben. Aber es gibt Zeiten, zu denen ich eine unbeliebte Meinung vertrete und bereit bin, Freunde zu opfern, um mich für das einzusetzen, woran ich glaube.“Must Have Been the Wind„Dieser Song handelt von [häuslicher Gewalt]. Ich kannte jemanden, der sich in einer solchen Situation befand, und ich wollte helfen, aber die Person wollte nicht darüber sprechen. Es ist eine schwierige Lage für einen Freund, weil du dich nicht einmischen und die Situation noch schlimmer machen willst. Und so schwer es ist – manchmal kannst du nichts anderes tun, als die Person wissen zu lassen, dass du für sie da bist. Das ist es, was dieser Song tun soll.“Just Like You„Ich habe diesen Song für einen Freund geschrieben. Er hatte diesen Gitarrenpart, den ich stark fand, also nahm ich einen Teil davon und habe ihn überarbeitet. Eines Abends war ich spät im Studio und dachte: ‚Oh, es wäre schön, wenn ich einen Song über meinen Vater schreiben könnte.‘ Ich erinnere mich an eine Zeit, als ich jünger war und wütend auf meine Eltern wurde, weil sie Dinge taten, die natürlich zu meinem Besten waren. Aber wenn du in dem Alter bist, erkennst du das nicht. Jetzt, wo ich weiss, was ich weiss, wünschte ich, ich wäre nicht so ein Blödmann gewesen. Wenn ich Vater bin, werde ich das Gleiche für meine Kinder tun. Das wollte ich einfach nur in den Song packen.“
Video-Extras
- Alec Benjamin
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- Anson Seabra
- Sara Kays
- Sasha Alex Sloan
- Alexander 23
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