Das erste globale Palmöl-Barometer von Solidaridad und kleinbäuerlichen Erzeuger*innenorganisationen aus Asien, Afrika und Lateinamerika wirft ein neues Licht auf die weitgehend negative öffentliche Debatte über Palmöl in westlichen Ländern. Das Barometer zeigt auf, dass Kleinbäuer*innen an maßgeblichen Anteil an einer nachhaltigeren Palmölproduktion haben und macht deutlich: Die umstrittene Kulturpflanze birgt mehr Chancen und Themen, als den meisten Menschen bewusst ist.
WER DIE ABHOLZUNG VON WÄLDERN VERHINDERN WILL, MUSS DIE ARMUT DER KLEINBÄUER*INNEN BEKÄMPFEN
Die Palmölproduktion wird in den Medien immer wieder als Ursache für die Abholzung von Wäldern, für den Verlust der biologischen Vielfalt und für den Klimawandel genannt. Diese Betrachtung isoliert die Auswirkungen auf die Umwelt von der Armutskrise, mit der sie direkt verbunden ist﹘was dazu führt, dass die Rolle der Kleinbäuer*innen bei der Palmölproduktion übersehen wird. Neben den großen Unternehmen, die Ölpalmen in riesigen Monokulturen anbauen, produzieren mehr als drei Millionen Kleinbäuer*innen und ihre Familien etwa 30 Prozent des weltweiten Palmöls. Und eine Vielzahl von Arbeitnehmer*innen findet in der Palmölproduktion Arbeit. Allein in Indonesien arbeiten rund 16 Millionen Menschen im Palmölsektor, die Mehrheit davon in kleinbäuerlicher Produktion. Es ist zu erwarten, dass der Anteil der Kleinbäuer*innen an der Gesamtproduktion von Palmöl noch zunehmen wird, wenn die Industrieunternehmen ihre Expansion aufgrund der Verpflichtung zur Vermeidung von Abholzung in Zukunft einschränken.
DIE MILLIARDENSCHWERE PALMÖLINDUSTRIE VERWEIGERT DEN KLEINBÄUER*INNEN IHREN GERECHTEN ANTEIL
2020 wurden 17 Mrd. USD der insgesamt 282 Mrd. USD des Gesamtjahresumsatzes der Palmölindustrie von Kleinbäuer*innen erwirtschaftet – doch viele von ihnen verdienen nicht genug, um die Lebenshaltungskosten ihrer Familien zu decken. Trotzdem ziehen viele Kleinbauern den Anbau von Ölpalmen anderen Nutzpflanzen wie Kautschuk oder Kaffee vor, weil sie die Ölpalme das ganze Jahr über ernten und so ein höheres und beständigeres Einkommen erzielen können. Für viele Kleinbauern bietet der Anbau von Ölpalmen bessere Perspektiven und lindert ihre Armut.
Mehrere Faktoren beeinflussen die Rentabilität eines landwirtschaftlichen Betriebs, etwa die Größe, die Lohnkosten, der Marktzugang, die Preise und die Kosten für Düngemittel. Schwankende Marktpreise drücken auf die ohnehin geringen Gewinnspannen der Kleinbäuer*innen. Angesichts dieser prekären Bedingungen sind viele Kleinbäuer*innen nicht in der Lage, in Innovationen auf Betriebsebene zu investieren oder sich an Nachhaltigkeitsstandards zu halten. Bis 2030 werden Kleinbäuer*innen rund 60 Prozent der indonesischen Ölpalmen-Anbaufläche ausmachen. Sie bei einer Umstellung auf nachhaltigere Produktionsmethoden zu unterstützen, wird in den kommenden Jahren eine zentrale Herausforderung sein.
EINE FAIRE VERTEILUNG ENTLANG DER LIEFERKETTE IST DER SCHLÜSSEL ZU EINER NACHHALTIGEREN PALMÖLPRODUKTION
Während Kleinbäuer*innen darum kämpfen, über die Runden zu kommen, kassieren am anderen Ende der Lieferkette Lebensmittelhersteller*innen, Unternehmen für Haushalts- und Körperpflegeprodukte und der Einzelhandel 66 Prozent der Bruttogewinne aus der Palmölproduktion. Um ihre Profite noch stärker zu maximieren, konzentrieren sich die Unternehmen darauf, ihre Kosten weiter zu senken﹘und handeln dabei in krassem Gegensatz zu ihren eigenen Nachhaltigkeitsverpflichtungen sowie zu den globalen Klima- und UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung. Besorgniserregend ist, dass die globalen Palmölkäufer*innen wenig Bereitschaft zeigen, die Kleinproduzent*innen für ihr nachhaltiges Handeln zu entschädigen, indem sie beispielsweise einen fairen Preis zahlen und in langfristige Handelsbeziehungen investieren. Eine gerechtere Wert- und Risikoverteilung in der Palmöl-Wertschöpfungskette würde es Bäuer*innen ermöglichen, einerseits nachhaltiger zu produzieren und andererseits ein Einkommen zu erzielen, das den Lebensunterhalt ihrer Familien sichert.
STOPPT DEN BOYKOTT, INVESTIERT IN EINE GUTE PALMÖLPRODUKTION
Die Interessen der Kleinbäuer*innen werden nicht nur entlang der Wertschöpfungskette übersehen, sondern auch in der öffentlichen Debatte ignoriert. Nicht-Regierungsorganisationen und Handelsmarken rufen zum Boykott von Palmöl auf, um so den Verlust der biologischen Vielfalt zu bekämpfen. Dabei sind sich viele Wissenschaftler*innen und Naturschutzorganisationen einig: Ein Verbot von Palmöl würde das Problem nur verlagern und andere Lebensräume und Arten bedrohen! Ölplamen sind weitaus ertragreicher als jede andere Ölpflanzel﹘zum Beispiel im Durchschnitt fünf mal produktiver als Soja. Das Ersetzen von Palmöl durch Alternativen würde den Kampf um knappe Anbauflächen verschärfen. Statt Palmöl zu boykottieren, sollte die Industrie in die nachhaltige Palmölproduktion durch Kleinbäuer*innen investieren.
KLEINBÄUER*INNEN EINE STIMME GEBEN
Bäuer*innenorganisationen sollten eine Schlüsselrolle in der Debatte über die Zukunft des Ölpalmenanbaus spielen. Eine faire Verteilung entlang der Wertschöpfungskette und die Minimierung der Umweltzerstörung müssen in den Fokus rücken. Es ist an der Zeit, dass der Privatsektor und die Regierungen weg von technischer, kleinteiliger Hilfe, hin zu Programmen übergehen, die die strukturellen Nachteile der Kleinbäuer*innen beheben. Diese Programme und Lösungen werden nicht überall gleich ausgestaltet sein und müssen in einer Kombination aus freiwilligen und verbindlichen Ansätzen gefunden werden.