DAS INVESTMENT: In kurzer Zeit haben mit Oliver Pradetto, Lars Drückhammer und Oliver Lang drei prägende Persönlichkeiten das Unternehmen verlassen. Ist das nicht eine Zäsur für Blau Direkt?
Kai-Uwe Laag: Das würde ich anders sehen. Der Abgang von Oliver Pradetto aus der operativen Geschäftsführung direkt mit dem Einstieg von Warburg Pincus und dann von Lars Drückhammer waren gestaffelte, geplante Übergaben. Dazu gab es auch eine öffentliche Kommunikation. Bei Lars kamen sehr private und nachvollziehbare Gründe dazu. Der Übergang war ursprünglich für zwei Jahre vorgesehen, Blau Direkt brauchte dann aber schnell einen Nachfolger.
Lars hat trotzdem vor Ort noch das Schiff unter Segel gehalten, bis ein Nachfolger gefunden war und eine hervorragende Übergabe an mich gemacht. Mit ihm und Oliver Pradetto bin ich jetzt noch im regelmäßigem Austausch. Sie helfen auch weiterhin, da beide immer noch Teil des Beirats sind. Oliver Lang ist ein völlig anderes Kapitel. Hier haben sich die Gesellschafter die Frage gestellt: Welches Team brauchen wir jetzt im Management und welche Kompetenzen im Unternehmen?
Die widersprüchlichen öffentlichen Äußerungen von Oliver Pradetto und Ihrem Haus über die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschluss beim Abgang von Oliver Lang haben in der Branche für Irritationen gesorgt. Wie konnte das passieren?
Laag: Die Besetzung der Geschäftsführung erfolgt im Auftrag der Gesellschafter. Es gab dort offensichtlich Uneinigkeit, ob der Prozess eingehalten wurde. Die Verkündung der Personalveränderung verlief ansonsten sehr unkompliziert, wir haben es in- und extern unseren Mitarbeitern und unseren Partnern am Freitag kommuniziert. Als der Artikel am Samstag erschien, waren wir kurz überrascht und haben dann auch sofort den Dialog aufgenommen. Ich hatte kurz Kontakt mit Oliver Pradetto und weiß, dass der Vorgang für ihn mittlerweile abgeschlossen und geheilt ist und er auch hinter der Entscheidung steht. Wir haben einen geschlossenen Gesellschafterkreis, um den Weg nach vorne fortzusetzen.
Jetzt steht eine völlig andere Phase für Blau Direkt an, für die ich ebenfalls hierher gekommen bin: sehr starke Corporate Building-Strukturen zu bauen und ein noch stärkerer Fokus auf Technologie und Digitalisierung. In diesem Kontext haben sich die Gesellschafter entschieden, das Spitzenpersonal neu aufzustellen und sich von Oliver Lang einvernehmlich zu trennen. Manchmal braucht es auch einfach ein bisschen Rotation und frischen Wind. Wir gehen in Frieden auseinander.
Wie war die Organisationsstruktur von Blau Direkt bisher aufgestellt?
Laag: Die Strukturen hier sind gewachsen. Viele unserer heutigen Mitarbeiter haben ihre Karriere als Auszubildende bei Blau Direkt begonnen und haben sich hier entwickelt. Aus unserer heutigen Führungsebene sind etwa 80 Prozent der Abteilungsleiter bis hinauf in die Geschäftsführung innerhalb des Unternehmens aufgestiegen. Die beiden Fälle der Gründer gehören zur Equity-Geschichte eines wachsenden Unternehmens, das unabhängig von Einzelpersonen funktionieren soll. Das war auch Teil der Verkaufsgespräche.
Wenn ich uns mit der Fonds Finanz vergleiche: Wir sind nicht mehr so weit dahinter, wie es noch vor einigen Jahren war. Nach Prognosen sind wir Ende 2025 vielleicht noch 50 Millionen Euro Außenumsatz von ihnen entfernt. Dabei hat die Fonds Finanz das Doppelte an Personal und wesentlich mehr Corporate-Funktionen in der Zentrale, die wir schlicht vermissen.
Das ist Vor- und Nachteil zugleich: Der Blau-Direkt-Apparat wurde hier sehr effizient aufgebaut, auch durch die DNA der Gründer. Wir haben sehr viele alte Verbündete, die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit ist enorm hoch. Aber wir sind derzeit noch personell sehr schlank in den Corporate-Funktionen aufgestellt – zum Beispiel im Marketing oder im Finance, wo nur eine Handvoll Mitarbeiter tätig sind.
Wo liegt dadurch jetzt der konkrete Handlungsbedarf?
Laag: Als ich von außen in die Organisation kam und die Situation analysierte, fiel mir etwas Bemerkenswertes auf: Während die klassischen Managementfähigkeiten, die man an der Universität oder durch externe Trainer erwirbt, weniger ausgeprägt waren, habe ich selten eine Organisation gesehen, in der die Motivation und Verbundenheit zum Unternehmen durchgängig so stark sind.
Genau hier setzen wir jetzt an und starten ein sechsmonatiges Entwicklungsprogramm für alle Führungskräfte des Unternehmens – von der mittleren Führungsebene bis zur Geschäftsführung. Dabei geht es um zentrale Themen wie Personalführung, Unternehmenswerte und Unternehmenskultur. Das hat es bisher hier so nicht gegeben. Ich investiere zunächst gezielt in unsere bestehende Führungsmannschaft. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass wir nicht von einem angenehm schlanken und skalierbaren Unternehmen zu einem schwerfälligen Tanker werden wollen – das wäre kontraproduktiv.
Stattdessen werden wir im kommenden Jahr sehr gezielt in bestimmte Bereiche investieren, etwa in Marketing, Finanzen und HR. Diese Investitionen sind notwendig, um unser starkes Wachstum gut zu bewältigen. Im Prinzip bereiten wir uns auf eine Phase vor, wo wir 500 Millionen Euro Außenumsatz erreichen. Dafür braucht man eine größere Organisation in der Zentrale.
Wie sieht die neue Führungsstruktur konkret aus?
Laag: Wir sind zu viert in der Geschäftsführung: Heiko Kobold ist ein klassischer Chief Financial Officer, dann Hannes Heilenkötter als Chief Operations Officer. Er ist ein altes Gewächs von Blau Direkt, der seit über 15 Jahren dabei ist. Zusätzlich haben wir Dirk Henkies von unserer Tochter Tjara jetzt auch zum Geschäftsführer bei der Blau Direkt GmbH gemacht, einfach weil die geschäftliche Bedeutung entsprechend groß geworden ist.
Alle zentralen Unternehmensfunktionen wie Vertrieb, Marketing, Personal, Finanzen, Technik und Produktmanagement, die vorher auch unter den Geschäftsführern so ein bisschen gleich verteilt waren, berichten jetzt an mich. Ich versuche ein Team zu etablieren, das gemeinsam auf den Markt schaut. Ich bin dann erfolgreich in meiner Rolle, wenn ich jederzeit austreten kann und das Boot trotzdem sauber seinen Kurs fährt. Ich möchte ein System bauen, das langfristig hält.
Das Unternehmen war vorher sehr stark von den Gründern abhängig. Die haben einen unglaublichen Job gemacht. Natürlich ist mit dem Weggang von Oliver Pradetto, der auch polarisiert hat und stark die Richtung der Firma vorgegeben hat, erst einmal ein Loch entstanden, auch wenn Lars das fantastisch kompensiert hat. Das versuche ich aber nicht nachzuahmen, sondern ganz im Gegenteil: Ich will die Organisation so aufbauen, dass sie Fragen, wie sich das Unternehmen entwickelt und welche Innovationen wir an den Markt bringen, selber lösen kann.