Experten: TTIP noch nicht vom Tisch

Die Ablehung von TTIP und CETA ist in der europäischen Bevölkerung weiterhin groβ [Mehr Demokratie/Flickr]

Der Widerstand gegen die transatlantischen EU-Freihandelsabkommen ist ungebrochen. TTIP sei noch lange nicht vom Tisch und auch CETA lasse sich noch stoppen, betonen Aktivisten. EURACTIV Frankreich berichtet.

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) schien bereits tot und begraben. Das sei jedoch alles andere als sicher, warnten NGOs am 6. Dezember bei einer Veranstaltung zu Tierzucht und Freihandel im französischen Parlament. Wird der Deal durch die Hintertür zurückkommen?

„Frankreich wollte die Verhandlungen stoppen, hatte jedoch nicht genug Einfluss. Selbst wenn die Gespräche in einigen Punkten ins Stolpern geraten sind, heißt das nicht, dass sie komplett beendet werden“, warnt Thomas Borrell, Verhandlungsführer der NGO Friends of the Earth. Dabei verweist er beispielhaft auf das EU-Verhandlungsmandat von 1999 mit dem Mercosur, mit dem erst kürzlich die Gespräche wieder aufgenommen wurden.

Freihandelsabkommen: Neue Gespräche mit Mercosur

Die EU und der Mercosur-Block könnten bald ein Freihandelsabkommen abschließen, so der argentinische Handelsminister Miguel Braun. Nach dem Brexit sei auch ein separater Deal mit Großbritannien denkbar. EURACTIV Brüssel berichtet.

Das Abkommen liege auf Eis, erklärte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström diese Woche in der Financial Times. So müsse es jedoch nicht bleiben, deutete sie an. Der gleichen Ansicht ist auch Sharon Treat, leitende Beraterin der amerikanischen NGO Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP). „Die Geschichte ist noch nicht zu Ende“, warnt sie. „Donald Trump hat das Thema nie von selbst angesprochen. 100 Prozent seiner landwirtschaftlichen Berater stammen jedoch aus Agrarbetrieben und einige von ihnen waren sogar TTIP-Lobbyisten. Davon ausgehend, denke ich also, dass TTIP bald wieder auf dem Verhandlungstisch liegen könnte“, so Treat.

Es war Barack Obama, der bei seinem Deutschlandbesuch die letzten Hoffnungen der TTIP- Befürworter zunichte gemacht hatte. Er sehe keinen Weg, den Deal noch während seiner Amtszeit abzuschließen, hatte er gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel betont. Diese sagte, man werde die Verhandlungen „später“ fortsetzen. Unabhängig von ihrer eventuellen Wiederwahl im kommenden Jahr wird sich Deutschlands TTIP-Position nicht ändern: Sowohl CDU als auch SPD unterstützen den Deal, ebenso wie Frankreichs konservative Parteien und die Mehrzahl der anderen EU-Länder.

„Vorsicht“, warnt Treat, „TTIP wird dafür sorgen, dass Ihre Landwirtschaft wie die der Vereinigten Staaten wird – mit einer vollintegrierten Industrie, weitaus weniger Landwirten und einer immensen, intensiven Bewirtschaftung.“

CETA im EU-Parlament

Viele sorgen sich derzeit jedoch eher um das unmittelbar bevorstehende Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA). Ende November setzten die Außenhandelsminister der EU-Staaten ihre Unterschrift unter den Deal. Ab März 2017 könnte er bereits vorübergehend Anwendung finden, sollte der europäische Rechtsprozess bis dahin abgeschlossen sein. Dieser scheint jedoch komplizierter als erwartet. Zunächst muss der Deal von mehreren Ausschüssen im EU-Parlament untersucht und in einer Abstimmung bestätigt werden, darunter die Komitees für auswärtige Angelegenheiten, Beschäftigung, Frauenrechte und Verfassungsrecht. Überraschenderweise schlugen sowohl der Transport- als auch der Landwirtschaftsausschuss die Möglichkeit aus, über CETA abzustimmen. Angesichts der Tatsache jedoch, dass die beiden größten EU-Fraktionen, die Europäische Volkspartei (EVP) sowie die Sozialisten und Demokraten (S&D), den Deal befürworten, dürfte die Plenarabstimmung reine Formalität bleiben.

Aber nicht nur die Europäer stehen dem Deal skeptisch gegenüber. „Die meisten Europäer halten die Kanadier für die Guten. Natürlich ist es in Wirklichkeit weitaus komplizierter“, meint Sujata Dey von der NGO Council of Canadians. Auch sie hielt eine Ansprache auf der Veranstaltung im französischen Parlament. Dabei verweis sie auf die vielen Unterschiede in der europäischen und kanadischen Landwirtschaft. So betrage die durchschnittliche Größe eines Agrarbetriebes auf der anderen Seite des Atlantiks etwa 400 Hektar, in Europa hingegen nur 16 Hektar. Außerdem betreibe Kanada eine sehr kostengünstige Tierzucht. Genpflanzen und Antibiotika seien allgegenwärtig und Familienbetriebe quasi ausgestorben. Über eine artgerechte Tierhaltung brauche man gar nicht zu sprechen, so Dey. „Von allen OECD-Ländern schneidet Kanada beim Tierwohl am schlechtesten ab.“

CETA stelle darüber hinaus eine existenzielle Bedrohung für europäische Viehzüchter dar, unterstreicht Aurélie Trouvé, Forscherin bei AgroParisTech. Dass kanadische Landwirte Rindfleisch zu einer weitaus höheren Marge herstellen können als beispielsweise ihre französischen Kollegen, könnte den Wettbewerb verzerren und der europäischen Rindfleischbranche schaden. „Das Paradoxe ist, dass vor allem die Viehzucht für die Zerstörung von Graslandschaften verantwortlich ist, die die EU-Kommission im Rahmen ihrer GAP [Gemeinsamen Agrarpolitik] eigentlich zu schützen versucht“, so die Forscherin.

In einer aktuellen Studie erkennt die Kommission an, dass sich der EU-Kanada-Deal negativ auf den Export von europäischem Rindfleisch, Weizen, Getreide, Pflanzenölen, Obst und Gemüse auswirken wird. Diese Verluste sollten durch CETAs positiven Einfluss auf Molkereiprodukte und Getränke aufgewogen werden.

Obwohl sich die Zivilgesellschaft vehement gegen das Abkommen wehrt, glaubt der grüne EU-Abgeordnete Pascal Durand nicht, dass sich CETA noch von seinem aktuellen Kurs Richtung vorläufiger Umsetzung ab März 2017 abwenden lässt. „Die einzig verbliebene Möglichkeit ist der Rechtsweg“, so der Anwalt. „Wenn man den Europäischen Gerichtshof um eine Stellungnahme bittet, kann es sein, dass die Schiedsgerichte als Verstoß gegen das EU-Recht gesehen werden, da sie den EuGH nicht als oberste Instanz anerkennen.“

EU-Parlament verhindert Prüfung von CETA durch EuGH

Das EU-Parlament will CETA nicht dem EU-Gerichtshof vorlegen. Etliche EU-Abgeordnete kritisieren nun, dass ihre Einwände, auch zu den geplanten Schiedsgerichten, übergangen werden.

Das EU-Parlament verpasste jedoch seine Chance: Die Übertragung des Deals an den EuGH wurde mit 19 Stimmen abgelehnt. Jetzt haben nur noch die Kommission oder die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, einen solchen Verweis ans Gericht vorzunehmen.

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