Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire hat angekündigt, nach der Bekanntgabe der neuen Regierung nicht im Amt zu bleiben. Stattdessen nimmt er eine Professur für Wirtschafts- und Geopolitik an der Universität Lausanne an.
Le Maire verlässt nach sieben Jahren das Wirtschaftsministerium und stellt damit einen neuen Amtszeitrekord auf. Während seiner Zeit beaufsichtige er die Coronakrise, die Reindustrialisierungspolitik Frankreichs und schwierige Haushaltsverhandlungen inmitten einer ständig wachsenden Verschuldung und eines wachsenden Defizits.
„Ich liebe Sie und verlasse Sie“, sagte er am Donnerstag (12. September) vor einer großen Menge von Ministern, engen Beratern, Ministerialbeamten und Journalisten. Den größten Teil seiner 30-minütigen Rede verbrachte er damit, den „großen wirtschaftlichen Wandel“ zu feiern, den er nach eigenen Angaben angeführt habe.
Der 55-Jährige, war dreimalige Minister und französische Abgeordneter. Nun wird er wieder als Professor für Wirtschafts- und Geopolitik an der Universität Lausanne lehren.
Bevor er in die Politik ging, war er zwei Jahre lang Literaturprofessor.
Euractiv hat erfahren, dass Le Maire dem Zentrum „Enterprise for Society“ (E4S) beitreten wird. Dessen Ziel ist es, „den Übergang der Wirtschaft zur kommenden industriellen Revolution zu gestalten und zu beschleunigen, einer Wirtschaft, die nachhaltiger und integrativer sein muss“, wie es auf der offiziellen Website heißt.
Die Universität Lausanne hat nicht rechtzeitig auf die Anfrage von Euractiv geantwortet, um eine Stellungnahme zu erhalten.
Schluss mit dem ‚French bashing‘
Le Maire ist nicht nur eine langjährige politische Persönlichkeit in Frankreich, sondern hat sich auch als eine wichtige europäische Führungspersönlichkeit etabliert. Insgesamt hat er an über 90 Sitzungen des Rats für „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN-Rat) teilgenommen.
In den letzten drei Jahren nahm er den Kampf mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt auf, um sich auf flexiblere Ziele für den Defizitabbau zu einigen. Außerdem leitete er EU-weite Verhandlungen über die gemeinsame Verschuldung im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie und setzte sich dafür ein, dass die Kernenergie als eine Technologie anerkannt wird, die europäische Investitionen wert ist.
Am Donnerstag erklärte er, dass er die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Draghi-Berichts zur Wettbewerbsfähigkeit „zu 100 Prozent“ teile. Dazu fordert er, „hart und schnell zu handeln“, damit die EU „nicht zurückfällt“.
Als früher Befürworter der Kapitalmarktunion (CMU) warnte er vor dem Mangel an privaten Investitionen in der EU: „Wenn wir wollen, dass der europäische Kontinent in der gleichen Liga wie die USA und China spielt, müssen wir die Finanzierung unserer Wirtschaft verbessern und diversifizieren.“
Kürzlich hatte er die Mitgliedsstaaten, die die Kapitalmarktunion vorantreiben wollen, dazu ermutigt, einfach voranzugehen, anstatt darauf zu warten, dass andere nachziehen.
Am Donnerstag lobte Le Maire seine Wirtschaftspolitik weiter, indem er behauptete, dem „French bashing“ (der antifranzösischen Stimmung) ein hartes Ende zu setzen. Zusätzlich sei er für die Senkung der Inflation, der Reduzierung der Arbeitslosigkeit sowie der Reindustrialisierung und der Entwicklung der Kernenergie verantwortlich, um nur einige zu nennen.
„Wir haben Frankreich zu einem der attraktivsten Staaten in Europa gemacht“, rühmte er sich.
Zur Lage der öffentlichen Finanzen äußerte er sich jedoch eher zurückhaltend. Das Defizit soll bis zum Jahresende auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken und gegen Frankreich wurde im Sommer ein Defizitverfahren von der EU-Kommission eingeleitet. Im Jahr 2018 hatte Le Maire noch den Ausstieg Frankreichs Ausstieg aus einem vorherigen Defizitverfahren selber beaufsichtigt.
„Frankreich darf bei der Sanierung der öffentlichen Finanzen nicht den Kurs wechseln. Es muss sich weiterhin das Ziel setzen, sein öffentliches Defizit bis 2027 auf unter drei Prozent zu senken“, wobei er leugnete, ein sinkendes Schiff zu verlassen.
Er warnte vor den politischen Gegnern, die „Schlafwandler“ seien und mehr vom Staat wollten, während sie vorgäben, die Schulden abbauen zu wollen.
„Alle wollen weniger Schulden, aber niemand will die öffentlichen Ausgaben kürzen. Das ist französische Heuchelei.“
Bis zur Bekanntgabe einer neuen Regierungskoalition bleibt er weiterhin im Amt. Eine neue Regierungsbildung wird für die nächste Woche erwartet.
[Bearbeitet von Rajnish Singh/Kjeld Neubert]