Frankreichs Einfluss in liberaler EU-Fraktion in Frage gestellt

Die Fraktion stand seit 2021 unter französischer Führung, zunächst unter Stéphane Séjourné, bevor er Außenminister wurde und im Januar den Staffelstab an Valérie Hayer weiterreichte. Sie galt lange Zeit als ein Kanal für Macrons Einfluss im Europäischen Parlament. [CHRISTOPHE PETIT TESSON/EPA-EFE]

Frankreichs Einfluss in der liberalen Fraktion Renew Europe ist bedroht. Die Renaissance-Delegation hat zehn Sitze verloren und das Ansehen von Valérie Hayer als Vorsitzende ist nach ihrer Aufforderung, niederländische Verbündete aus der Fraktion zu werfen, stark geschwächt.

Am Montagnachmittag (10. Juni), kurz vor den vorläufigen Endergebnissen der Europawahlen, verzeichnete die liberale Fraktion Renew Europe einen Nettoverlust von 23 Abgeordneten. Sie sank damit von 102 auf 79. Allein in der französischen Delegation verlor sie zehn Sitze.

Die Liberalen werden weiterhin Teil der Koalition mit den Sozialdemokraten (S&D) und den Konservativen (EVP) bleiben, aber ihr Gesamteinfluss wird wahrscheinlich schwinden.

Während die Verhandlungen über die neue Zusammensetzung der Parlamentsfraktionen zügig voranschreiten, kommen Zweifel an der Bedeutung auf, die Frankreich in der 2019 vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron erneuerten Renew-Fraktion haben wird.

Die Fraktion stand seit 2021 unter französischer Führung, zunächst unter Stéphane Séjourné, bevor er Außenminister wurde und im Januar das Amt an Valérie Hayer weiterreichte. Sie galt lange Zeit Macrons Zugang in das Europäischen Parlament.

„Nicht mehr die Hauptakteure“

Dieser Einfluss wird nun durch eine neue politische Krise in Frankreich und die für den 30. Juni und 7. Juli angesetzten Wahlen infrage gestellt. Es wird erwartet, dass der rechte Rassemblement National bei diesen parlamentarischen Neuwahlen gut abschneiden wird.

Der Einfluss Frankreich gilt umso mehr als angeschlagen, da die Zahl der Abgeordneten der Renaissance von 23 auf 13 geschrumpft ist. Zudem hat die Fraktionsvorsitzende Hayer an Autorität eingebüßt, als sie den Ausschluss der niederländischen VVD-Abgeordneten forderte, nachdem diese eine nationale Koalition mit den Rechten in den Niederlanden gebildet hatten.

„Wir werden diese Woche informelle Gespräche mit dem Delegationsleiter über diese besondere Situation führen“, erklärte Hayer am Montag erneut.

Doch diese für Dienstag (11. Juni) geplanten informellen Gespräche zwischen allen Delegationen von Renew scheinen nun von der Tagesordnung gestrichen worden zu sein.

„Meine Rolle als Fraktionsvorsitzende ist es, einen Meinungsaustausch zu ermöglichen und kohärente Entscheidungen zu treffen“, fügte sie hinzu. Dies ist eine abgeschwächte Version ihrer im Mai aufgestellten Behauptung, dass „die Option, Verbündete zu bleiben, nicht akzeptabel ist, weil [die VVD] unsere Werte nicht respektiert, wenn sie dieses Bündnis [mit den Rechten] eingeht.“

Diese frühere Positionierung habe „jede kollektive Konversation abgebrochen“, teilte ein Abgeordneter Euractiv unter der Bedingung der Anonymität mit. „Ihr Ansatz, die VVD sofort rauszuschmeißen, wird sicherlich nicht von allen geteilt.“

„Es steht außer Frage“, dass die Zusammenarbeit mit der VVD fortgesetzt wird, bestätigte Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Montag gegenüber Euractiv.

Die niederländischen Liberalen „sind erfahrene Kollegen“, sagte ein Mitglied der tschechischen Partei ANO, deren Mitgliedschaft bei Renew mit deren zunehmend euroskeptischen Ansichten kollidiert.

„Wenn die Vorsitzende von Renew, Hayer, und die anderen Befürworter Macrons den Geruch in der Bäckerei nicht mögen, dann können sie ja einfach gehen“, sagte der dänische liberale Abgeordnete Morten Lokkegaard bereits im Mai.

All dies steht im Gegensatz zum Januar. Damals war das mögliche Bündnis der VVD mit der niederländischen islamfeindlichen PVV einer der Gründe, warum Malik Azmani in letzter Minute aus dem Rennen um den Fraktionsvorsitz aussteigen musste und Hayer ohne Gegenkandidaten antrat.

Hayers Glaubwürdigkeit erhielt einen weiteren Schlag, nachdem sie deutsche und belgische Kollegen um Unterstützung für ihre Wiederwahl gebeten hatte. Dies wurde als Umgehung der kollegialen Entscheidungsfindung gewertet, wie Quellen bei Renew bestätigten.

Insgesamt ist die Frustration über die Franzosen bei Renew groß. „Offensichtlich sind sie nicht mehr die Hauptakteure“, schlussfolgerte der Abgeordnete der ANO.

Könnte ALDE profitieren?

Bei einem Treffen der Delegationsleiter am Dienstag (11. Juni) in Brüssel bestätigte die ALDE-Partei ihre Absicht, die französische Renaissance aus der Fraktionsspitze zu verdrängen.

In der Pressemitteilung auf ihrer Website heißt es: „In Anerkennung der entscheidenden Rolle, die wir im Europaparlament und in der Fraktion spielen, ist die ALDE-Partei bereit, die Führung der Fraktion zu übernehmen. Wir sind bereit, einen Kandidaten für den Fraktionsvorsitz vorzuschlagen und eine starke Führung für die nächste Legislaturperiode anzubieten“.

Die Stimmengewinne der ALDE insgesamt – im Gegensatz zu den Einbrüchen bei Renaissance – „zeigen ein klares Mandat, Verantwortung zu übernehmen“ und sind „ein Ruf der Legitimität“, erklärte ein hochrangiges Parteimitglied gegenüber Euractiv unter der Bedingung der Anonymität.

Potenzielle Nachfolger für Hayer sind bereits im Gespräch. Dazu gehören die ehemalige belgische Premierministerin Sophie Wilmès und der ehemalige slowakische Ministerpräsident Ludovit Odor, die beide am Sonntag einen starken Zuwachs an Wählerstimmen verzeichneten.

„Die ALDE-Abgeordneten werden die Mehrheit der nächsten Renew-Europe-Fraktion stellen […] und daher gibt es eine gewisse Erwartungshaltung, dass einige zentrale Verantwortlichkeiten und Führungspositionen in der nächsten Legislaturperiode an ALDE gehen werden“, fügte die hochrangige Quelle hinzu.

Renew hat bis zum 26. Juni Zeit, sich über seine Zusammensetzung und Führung zu einigen. Es wird erwartet, dass ALDE die Frage der VVD-Mitgliedschaft auf einem Gipfel in Vilnius am 21. und 22. Juni behandeln wird.

[Bearbeitet von Aurélie Pugnet/Chris Powers/Kjeld Neubert/Jeremias Lin]

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