Frankreichs Macron löst Nationalversammlung auf und verkündet Neuwahlen

„Nachdem ich die in Artikel 12 unserer Verfassung vorgesehenen Konsultationen durchgeführt habe, habe ich beschlossen, Ihnen die Entscheidung über unsere parlamentarische Zukunft durch Wahlen zurückzugeben“, sagte Macron (Bild). [ANDRE PAIN/EPA-EFE]

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am Sonntag (9. Juni) Konsequenzen aus dem EU-Wahlergebnis seiner Partei gezogen. Er gekündigte an, die Nationalversammlung aufzulösen und rief vorgezogene Neuwahlen aus.

In Frankreich wählten 32,3 Prozent der Bevölkerung die rechtspopulitische Rassemblement National von Marine Le Pen. Macrons Liste Besoin d’Europe kam mit 15,2 Prozent auf nicht einmal die Hälfte der Stimmen.

„Die rechtsextremen Parteien, die sich in den letzten Jahren gegen so viele Errungenschaften unseres Europas gestellt haben, sind auf dem ganzen Kontinent auf dem Vormarsch“, sagte der Präsident am Sonntagabend (9. Juni) in einer Rede im Élysée-Palast.

„Nachdem ich die in Artikel 12 unserer Verfassung vorgesehenen Konsultationen durchgeführt habe, habe ich beschlossen, Ihnen die Entscheidung über unsere parlamentarische Zukunft durch Wahlen zurückzugeben“, sagte er.

Er kündigte neue Wahltermine für den 30. Juni und den 7. Juli an – nur wenige Wochen bevor Frankreich Gastgeber der Olympischen Sommerspiele wird.

Die Ankündigung löste in Frankreich ein politisches Erdbeben aus, da die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) bei den Europawahlen stark zulegen konnte, was Umfragen seit Monaten vorausgesagt hatten.

Der RN, angeführt von der altgedienten Marine Le Pen und dem aufstrebenden Jordan Bardella, wird 31 Abgeordnete ins Europäische Parlament entsenden, wo sie in der rechts-außen Fraktion Identität und Demokratie (ID) sitzen werden.

Der Spitzenkandidat der Sozialisten, Raphaël Glucksmann, kritisierte Macron und sagte, er verstehe nicht, warum der französische Präsident „Jordan Bardella gehorcht. Wir werden den Kampf gegen die extreme Rechte führen“.

RN-Spitzenkandidat Bardella hatte Macron wiederholt aufgefordert, die Nationalversammlung aufzulösen, sollten die Rechtsextremen die Wahl gewinnen.

Macrons Liste Besoin d’Europe liegt mit 15,2 Prozent der Stimmen weit abgeschlagen und wird voraussichtlich 14 Abgeordnete nach Brüssel entsenden, während Glucksmanns Sozialisten auf 13 Sitze kommen.

Die RN hat die Europawahlen zum dritten Mal in Folge gewonnen, aber noch nie hatte sie eine so große Unterstützung in allen Bevölkerungsgruppen und einen so großen Abstand zum Zweitplatzierten.

Nach den vorliegenden Hochrechnungen wird sie auch die zahlenmäßig größte Delegation im Europäischen Parlament stellen, noch vor der CDU/CSU.

Sollten sich die konsolidierten Daten bestätigen, wäre dies ein symbolischer Sieg und würde den Einfluss der Partei innerhalb ihrer ID-Fraktion stärken.

Es könnte auch dazu beitragen, künftige Verhandlungen mit der national-konservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) unter dem Vorsitz der Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu erleichtern. Marine Le Pen hatte vor einigen Wochen angedeutet, dass sie bereit sei, sich mit anderen europäischen rechtsextremen Bewegungen zusammenzuschließen.

Eine weitere Niederlage für Macron ist der Erfolg von Eric Zemmours rechtsextreme Anti-Einwanderungsbewegung Reconquête!, die 5,1 Prozent der Stimmen erhielt, und nun vier oder fünf Abgeordnete in die EKR-Fraktion des Europäischen Parlaments entsenden wird.

Scharfe Warnung

Mit diesen Ergebnissen haben die Wählerinnen und Wähler ein scharfes Urteil über Macrons Regierung gerichtet. Seine Liste wird im Vergleich zu vor fünf Jahren voraussichtlich acht oder neun Abgeordnete einbüßen.

Seiner Spitzenkandidatin Valérie Hayer gelang es nicht, dem Wahlkampf den nötigen Schwung zu verleihen, und auch das persönliche Engagement von Macron und Premierminister Gabriel Attal, einschließlich der Fernsehdebatte von Attal mit Bardella von RN, konnte das Blatt nicht wenden.

„Wir haben uns auf ein hartes Ergebnis vorbereitet“, sagte ein Berater des Ministeriums gegenüber Euractiv und weigerte sich, die Schuld auf Hayer zu schieben, „die ihren Job so gut gemacht hat, wie sie konnte“.

Dies wird bald Fragen über den Einfluss der französischen Liberalen auf Renew Europe aufwerfen: Die Fraktionsvorsitzende Hayer sah sich bereits einer Gegenreaktion ausgesetzt, weil sie die niederländische Partei VVD wegen ihrer nationalen Koalitionsvereinbarung mit der extremen Rechten zum Ausschluss aufgefordert hatte.

Jetzt, wo das Land in den Wahlkampf eintritt, ist alles noch mehr in der Schwebe.

Die konservative Partei Les Républicains ist von 8,48 Prozent im Jahr 2019 auf 6,9 Prozent und möglicherweise sechs Sitze gefallen.

Ihr Spitzenkandidat Bellamy setzte auf die scharfe Kritik seiner Partei an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und schloss politische Ad-hoc-Bündnisse mit den Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) nicht aus – doch das scheint die Wähler nicht überzeugt zu haben.

Die gespaltenen linken Bewegungen verzeichneten bittersüße Ergebnisse.

Frankreichs neuer sozialdemokratischer Favorit Glucksmann verdoppelte die Größe seiner Delegation von sechs auf möglicherweise 13 Abgeordnete und zog damit enttäuschte Wähler sowohl aus dem Macron-Lager als auch von der extremen Linken an. Er schaffte es jedoch nicht, Besoin d’Europe auf den zweiten Platz zu überholen und begnügte sich mit 14,3 Prozent der Stimmen.

„Ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben, aber mir ist nicht nach Feiern zumute. Die Rechtsextremen haben jetzt 40 Prozent der Stimmen in Frankreich“, sagte er. „Unsere Aufgabe ist es, den unaufhaltsamen Aufstieg der extremen Rechten zu bekämpfen. Wir werden uns niemals damit abfinden.

Die linkspopulistische Partei La France insoumise (LFI) schien von der stark auf die Verteidigung Palästinas ausgerichteten Kampagne zu zu profitieren. Sie erhielt 8,3 Prozent der Stimmen und dürfte im Vergleich zu den Ergebnissen von 2019 ein bis zwei Sitze hinzugewinnen.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic/Kjeld Neubert]

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