Keine Machtübernahme: Das Scheitern des Rassemblement National

"Es gab einige Besetzungsfehler, die meiner Meinung nach unserer Bewegung ein schlechtes Image verliehen haben, ein Image, das nicht mit meinen Werten, meinen Überzeugungen und meiner politischen Linie übereinstimmte", räumte Bardella (M.) ein. Einige Parteimitglieder fordern nun offen eine "Gewissenserforschung", um herauszufinden, was falsch gelaufen ist. [EPA-EFE/CHRISTOPHE PETIT TESSON]

Der Vorsitzende des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, sah sich vergangene Woche bereits als neuer französischer Premierminister. Stattdessen muss er sich nun mit dem Vorsitz der Fraktion „Patrioten für Europa“ im EU-Parlament zufriedengeben.

Nach den Europawahlen und den französischen Parlamentswahlen im vergangenen Monat kann sich der Rassemblement National rühmen, die Zahl seiner Vertreter sowohl in Straßburg als auch in Paris deutlich erhöht zu haben.

Die von Marine Le Pen und ihrem Protegé Bardella angeführte rechtspopulistische Partei verfügt über 30 Abgeordnete im Europäischen Parlament im Vergleich zu den 23 in der vorangegangenen Legislaturperiode. Außerdem stellt sie zusammen mit ihren Verbündeten 143 Abgeordnete in der Nationalversammlung gegenüber 89 im Jahr 2022.

Der Wahlabend vom 7. Juli hat jedoch ihre Hoffnungen auf eine Machtübernahme zunichtegemacht, auf die Le Pen seit der Auflösung des französischen Parlaments durch Präsident Emmanuel Macron am 9. Juni hingearbeitet hatte. Die Partei erhielt zehn Millionen Stimmen, wurde aber durch die Bildung einer schlagkräftigen „Republikanischen Front“ zurückgedrängt. Dies zeigt, dass die Mehrheit der Franzosen immer noch Angst vor den Rechtspopulisten hat.

„Es gab einige Besetzungsfehler, die meiner Meinung nach unserer Bewegung ein schlechtes Image verliehen haben, ein Image, das nicht mit meinen Werten, meinen Überzeugungen und meiner politischen Linie übereinstimmte“, räumte Bardella ein. Einige Parteimitglieder fordern nun offen eine „Gewissenserforschung“, um herauszufinden, was falsch gelaufen ist.

In den letzten Tagen des Wahlkampfs reihte sich ein Skandal an den anderen. Mehr als hundert Vertreter des Rassemblement National wurden wegen rassistischer, homophober, antisemitischer, verschwörungstheoretischer und abtreibungsfeindlicher Äußerungen oder wegen ihrer Verbindungen zu radikalen Gruppen kritisiert.

Dieses Scheitern wird wahrscheinlich zu einem internen Umbruch führen, da Bardella eine Gesamterneuerung der Bewegung in Angriff nimmt.

Gilles Pennelle, der als Europaabgeordneter gewählt wurde und mit der Betreuung der Kandidaten betraut war, trat am Montag (8. Juli) als erster von seinem Posten als Generaldirektor der Partei zurück. Der offizielle Grund dafür war, keine verschiedenen Funktionen auf sich zu vereinen.

Freunde von Viktor Orbán

Der Rassemblement National war auch darauf bedacht, die Verhandlungen mit Viktor Orbán über die Bildung der Fraktion der „Patrioten für Europa“ im EU-Parlament nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Der offizielle Grund war, den Wahlkampf für die französischen Parlamentswahlen nicht zu „beschmutzen“, wie Jean-Paul Garraud, Vorsitzender der Delegation des Rassemblement National in Straßburg, gegenüber Euractiv erklärte.

Der ungarische Ministerpräsident ist ein Sympathisant des Regimes von Wladimir Putin und zögert nicht, die nationalen Gesetze gegen Abtreibung und die LGBTQIA+-Gemeinschaft zu verschärfen. Dagegen hat sich Bardella wiederholt für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die französische Verfassung begrüßt.

Und die Positionen einiger Mitglieder der „Patrioten für Europa“ wie der österreichischen FPÖ spiegeln nicht gerade die von den Spitzenpolitikern des Rassemblement National angestrebte „Normalisierung“ wider. Vorbild einer solchen „Normalisierung“ ist hier die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia/Europäische Konservative und Reformer).

Wenige Wochen vor den Europawahlen, am 23. Mai, leitete der Rassemblement National das Verfahren zum Ausschluss seiner ehemaligen Verbündeten, der AfD, aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID) ein. Zuvor war die AfD in eine Reihe von Skandalen verwickelt worden.

Als jedoch die Fraktionen der Mehrheit der Mitte begannen, die Posten im EU-Parlament untereinander aufzuteilen, wurde klar, dass kein Abgeordneter der „Patrioten für Europa“ den Vorsitz eines parlamentarischen Ausschusses erhalten würde.

„Es gibt einen Konsens in dieser Frage“, erklärte der Renew-Abgeordnete Pascal Canfin gegenüber Euractiv. „Es ist nicht möglich, dass Europa von denen verwaltet wird, die es zerstören wollen.“

Damit scheint der Rassemblement National beide Ziele, die Machtübernahme in Frankreich und die eigene Umgestaltung auf europäischer Ebene, verfehlt zu haben.

Pro-europäische Kräfte wollen "Patrioten" von Ausschussvorsitzen ausschließen

Die pro-europäischen Kräfte des EU-Parlaments haben kurz nach der Gründung der rechtspopulistischen Fraktion „Patrioten für Europa“ eine erste Brandmauer gezogen. Man habe sich darauf geeinigt, die Fraktion von allen parlamentarischen Ausschüssen auszuschließen, so zwei Quellen des EU-Parlaments gegenüber Euractiv.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic/Kjeld Neubert]

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