Europas Wasserstraßen seien noch nicht bereit für ferngesteuerte oder autonome Schiffe, so Interessenvertreter in einem Gespräch mit Euractiv auf der Verkehrskonferenz Connecting Europe Days. Zwar wäre es eine Lösung für den aktuellen Personalmangel, doch habe man noch Sicherheitsbedenken.
Das Schifffahrtsunternehmen SEAFAR stellte seine Technologie vor, die eine ferngesteuerte und automatische Kontrolle von Schiffen ermöglicht, die Europas Flüsse und Schleusen befahren. Die Vertreter der Branche zeigten auf der Veranstaltung in Brüssel am 2. April ein zögerliches Interesse gegenüber dieser relativ neuen Technologie.
„Wir sind noch nicht so weit“, sagte Manfred Seitz, Generaldirektor der Donaukommission, einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation. Er warnte vor der Erwartung eines baldigen Masseneinsatzes von ferngesteuerten und autonomen Schiffen.
Mit dieser Technologie soll unter anderem dem Mangel an Skippern, den Besatzungsmitgliedern, die den Schiffsbetrieb überwachen, begegnet werden. Laut Louis-Robert Cool, Geschäftsführer von SEAFAR, werden in Flandern bis 2030 6.000 Skipper in der Binnenschifffahrt fehlen. In der gesamten Niederlande werden es 20.000 bis 25.000 Skipper sein.
Cool sagte, dass die Zulassung von unbemannten Schiffen auf Europas Binnenwasserstraßen mit den Zielen des Europäischen Green Deals übereinstimmen würde. Schließlich seien Schiffe umweltfreundlichere Transportmittel als Autos und Lastwagen. Zudem würde die automatisierte Schifffahrt eine Kapazitätserhöhung ermöglichen, selbst wenn der Mangel an Skippern nicht behoben werde.
Sicherheitsbedenken
Die Interessenvertreter äußerten Bedenken hinsichtlich der Sicherheitsaspekte der unbemannten Schifffahrt.
Jan Bukovský von der tschechischen Wasserstraßendirektion erklärte, dass die Tschechische Republik bisher keine Erfahrung mit unbemannten Binnenschiffen habe. „Weitere Untersuchungen sind wichtig und notwendig“, bevor die tschechischen Behörden eine breite Einführung befürworteten.
Bukovský äußerte die Befürchtung, dass sich russische Hacker Zugang zur Software unbemannter Schiffe verschaffen und deren GPS-Positionen „fälschen“ könnten. Dadurch wären die Betreiber an Land nicht mehr in der Lage festzustellen, wo sich das Schiff befindet oder wohin es fährt. Die Übernahme der Software könnte es den Hackern auch ermöglichen, die Bewegungen der Schiffe zu kontrollieren oder die Schiffe stillzulegen.
Cool wies darauf hin, dass es bisher keine Hackerangriffe gegeben habe und SEAFAR über eine Cybersicherheitsabteilung verfüge. Allerdings mache er sich „immer“ Sorgen über Einmischungen von Akteuren wie Russland.
Fehlfunktionen
Neue Technologien bergen auch das Risiko von Fehlfunktionen. Der Geschäftsführer räumte ein, dass es bei Schiffen, die die SEAFAR-Technologien nutzen, zu „kleineren Zwischenfällen“ gekommen sei. Er betonte jedoch, dass es sich dabei nicht um Abstürze gehandelt habe.
Er wies darauf hin, dass die Sicherheitsverfahren von SEAFAR viele schwerwiegende Vorfälle verhinderten: „Jeder weiß, was zu tun ist, wenn etwas schiefgeht“, so Cool.
Regulatorische Zurückhaltung
Aufgrund von Sicherheitsbedenken und anderen unbekannten Faktoren bezüglich der ferngesteuerten und KI-gesteuerten Navigation müssen die Gesetzgeber erst noch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, die unbemannte Schiffe auf den Wasserstraßen zulassen würden.
Seitz sagte, dass jeder Rechtsrahmen, den die politischen Entscheidungsträger ausarbeiten, Cyberbestimmungen zum Schutz vor Eingriffen bei Schiffen enthalten muss.
Cool sagte, er wünsche sich einen allgemeinen Rahmen für die Staaten, die bereit sind, Ausnahmeregelungen zu gewähren, um unbemannten Schiffen das Befahren von Wasserstraßen zu ermöglichen.
Er räumte jedoch ein, dass die Forderung nach einem europaweiten Rahmen zum jetzigen Zeitpunkt zu ehrgeizig wäre.
Ein Policy Analyst der EU-Kommission sagte, die Bedenken der Kommission gegenüber unbemannten Schiffen auf Wasserstraßen seien die gleichen wie bei unbemannten Autos.
In der Strategie der Kommission zur Förderung der Binnenschifffahrt von 2021 werden autonome Schiffe als in einem frühen Stadium befindlich beschrieben. Der Grund dafür seien „sowohl technische als auch regulatorische Herausforderungen.“ Sie will jedoch die Entwicklung der Technologie mit Forschungsgeldern unterstützen.
Die Mitgliedstaaten zögern noch, unbemannte Schiffe auf Binnenwasserstraßen in großem Umfang zuzulassen. Cool wies jedoch darauf hin, dass unbemannte Schiffe in der belgischen Region Flandern bereits seit drei oder vier Jahren neben bemannten Schiffen auf den Gewässern unterwegs seien.
„Ferngesteuerte Schiffe gehören dort, wo sie im Einsatz sind, zum normalen Geschäftsbetrieb“, erklärte Cool. „Aber insgesamt ist die ferngesteuerte Navigation immer noch eine Nische.“
„Es ist wichtig, dass wir einen Weg finden, wie wir diese Technologie bei bestehenden Schiffen einsetzen können“, fügte er hinzu.
Trotz seiner Vorbehalte glaubt Seitz, dass unbemannte Schiffe nicht für immer vermieden werden können. „Wir werden in Zukunft auf verschiedenen Abschnitten der europäischen Wasserstraßennetze unbemannte Schiffe sehen“, meinte er.
[Bearbeitet von Donagh Cagney/Rajnish Singh/Kjeld Neubert]