Genau in diesem Jahr wird das autonome Fahren endlich in Serienautos möglich sein:
Wie die 37. Fachtagung des VDI e.V. und VDI Wissensforum GmbH zu Fahrerassistenzsystemen und autonomem Fahren zeigte, kann diese Aussage derzeit nicht getroffen werden. Dafür kann ich die Aussage treffen, dass diese Tagung extrem wertvoll war. Zwei Tage lang sehr informative Vorträge von hochkompetenten Menschen hören zu dürfen, ist Vergnügen wie Aufgabe zugleich. Bei soviel Input muss sich der Kopf erstmal sondieren. Auch ich durfte meinen Beitrag zu dieser Tagung liefern und habe die Sichtweise des Autotesters geschildert.
Fünf Hauptpunkte habe ich mitgenommen:
1. Das vollautonome Fahren eines Serienautos ist noch weit entfernt. Keiner der zahlreichen Experten mochte eine Jahreszahl schätzen. Vor allem wenn man es über die "Safety of the intended functionality" (SOTIF) mit dem Mensch als Fehlerratenreferenz definiert. Vollautonome Fahrsysteme sollten keine Unfallrate haben, die höher ist als die des Menschen - im Idealfall viel niedriger. Laut Professor Mirko Maehlisch sind wir hiervon noch weit entfernt und vor allem einzelne Testfahrten nicht aussagekräftig.
2. Der Einsatz künstlicher Intelligenz hat die Fehlerquote in den Versuchsfahrzeugen deutlich gesenkt. Ist aber für sich alleine noch nicht der game changer. Laut KI-Spezialist Andreas Kuhn ist die Situation im realen Verkehr eben nicht streng nach ingenieurtechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen, sondern hier muss im großen Maße nach spieltheoretischen Grundsätzen und damit auch (Fehler)Wahrscheinlichkeiten entschieden werden. Er brachte dazu das schöne Beispiel, dass KI im Schach inzwischen fast jedes Spiel gewinnt, aber beim Pokern öfter gegen den Menschen verliert.
3. Bei der Sensorik herrschte Einigkeit darüber, das allein schon aus Redundanzgründen eine monosensorische Lösung nicht fehlerresistent genug für das autonomen Fahren ist. Vor allem wenn dieses auch bei schwierigen Umweltbedingungen problemlos funktionieren soll. Das kann ich aus meiner Testererfahrung nur stützen.
4. Speziell die klassischen Autobauer - old economy - müssen ihre Entwicklung komplett neu denken, wenn sie mit der softwareseitig gänzlich anders aufgestellten new economy zum Beispiel aus Kalifornien mithalten wollen. Wenn über Jahrzehnte etablierte Strukturen in der Entwicklung nur eher behäbig veränderbar sind, kann es sinnvoll sein, an anderer Stelle gänzlich neu anzusetzen - siehe Joint Venture VW und Rivian. Laut Mählisch ist das dringend nötig, damit die etablierten Hersteller in Zukunft noch eine Chance haben.
5. Es gibt eine Diskrepanz zwischen der stark von persönlichen Markenvorlieben, Wünschen und Marketing geprägten öffentlichen Erwartungshaltung zu autonomem Fahren und dem was in absehbarer Zeit kommen wird. Ich wundere mich auch als Autotester oft über überschwängliche Erfahrungsberichte zu bestimmten Systemen, die so gar nicht mit meinen persönlichen Tests übereinstimmen wollen. #autonomesfahren