1. Teil Pharma Insights: VON NATUR AUS DIGITAL
Es ist also soweit! Ich habe die Startlinie überquert und freue mich riesig über dieses neue Kapitel. Wie angekündigt möchte ich dazu beitragen, mehr Einblick in österreichische Pharmafirmen zu gewähren und zur Sichtbarkeit von Unternehmenskulturen beizutragen. Dazu besuche ich verschiedene Firmen und führe Hintergrundgespräche.
Und auf meinen ersten Besuch habe ich mich schon sehr gefreut.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, war die Patient:innen-Kommunikation in den letzten 10 Jahren nicht die Stärke der österreichischen Pharmabranche. Wir waren sehr professionell in der Kommunikation an Ärzt:innen und Apotheker:innen. Die Kommunikation an Patient:innen beschränkte sich vorwiegend auf Werbekampagnen.
Dass ausgerechnet ein Unternehmen, das führender Experte für pflanzliche Arzneimittel ist, eine Kommunikationsstrategie entwickelt, über die aktuell viel gesprochen wird, ist überraschend, aber auch sehr erfreulich: Schwabe Austria .
Über diese Strategie und weitere spannende Maßnahmen durfte ich mit Dr. Dr. Fritz Gamerith und Elisabeth Mondl , MA sprechen.
Natürlich hat auch die Corona-Pandemie in den letzten beiden Jahren bei Schwabe zu jenen Veränderungen geführt, die viele Unternehmen erlebt haben. Die Arbeit wurde auf Remote Arbeit umgestellt. Die Umstellung wurde ohne größere Probleme gemeistert und in Bezug auf Remote-Führungsarbeit hat man sich auch an den bisherigen Führungsprozessen für Außendienstmitarbeiter:innen orientiert, die ja seit jeher remote geführt wurden.
Eine komplette Rückkehr ins Büro ist nicht vorgesehen. Man hat sich aktuell auf ein 3:2 Modell geeinigt. Also 3 Tage im Büro, 2 Tage im Homeoffice. Die 3 Tage Anwesenheit sind für Schwabe vor allem deswegen wichtig, weil dadurch auch die Identifikation mit dem Unternehmen, die Unternehmenskultur und der Zusammenhalt gestärkt werden.
Einen ersten großen Schritt zur Partizipation von Mitarbeiter:innen bei wichtigen Entscheidungen wurde von Dr. Gamerith schon kurz vor der Pandemie gesetzt. Es wurden einige Entscheidungskompetenzen vom Geschäftsführer an die Bereichsleiter:innen übertragen. Damit sollen wichtige Entscheidungen näher an jenen Ort gebracht werden, wo auch die Ergebnisse der Entscheidungen umgesetzt werden müssen.
Wie für die meisten Firmen stellt auch für Schwabe die Personalsuche eine große Herausforderung dar. Man bekommt derzeit nur sehr wenige bis gar keine Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen. Zudem hat es sich gewandelt, dass vermehrt Personal für qualifizierte Stellen selbst ausgebildet werden müssen, da die entsprechenden Fachkräfte nicht mehr verfügbar sind.
Dafür kann man eine sehr erfolgreiche Quote nach Einstellung von neuen Mitarbeiter:innen aufweisen. Das heißt, man verliert kaum neues Personal während der Probezeit bzw. in den ersten Monaten nach der Einstellung. Grund dafür ist ein neuer Onboarding Prozess, der die Employee Experience bei Schwabe massiv verbessert hat.
Folgende Maßnahmen wurden dafür eingeführt:
1.) Day 1 Readiness: Der Arbeitsplatz ist für neue Mitarbeiter:innen ab dem ersten Tag optimal vorbereitet, alle nötigen Arbeitsmaterialien wie Laptop und Firmenhandy sind bereits verfügbar und der Arbeitsplatz mit einem Gingkobaum oder Lavendelstrauch geschmückt.
2.) Welcome Box: Jede:r Mitarbeiter:in erhält eine schöne und gebrandete Welcome-Box mit Infomaterial.
3.) Es gibt für jede:n neue Mitarbeiter:in ein Willkommensfrühstück mit Dr. Gamerith und den Teammitgliedern.
4.) Es gibt für jede:n Mitarbeiter:in einen konkreten Stundenplan für die nötigen Einschulungen. Damit sind die ersten Wochen klar strukturiert und es kommt hier nicht zu unnötigen „Stehzeiten“.
5.) Nach den ersten 1-2 Monaten gibt es ein Gespräch mit HR, wo die neuen Mitarbeiter:innen Feedback zu den bisherigen Arbeitsabläufen geben können. Damit soll der Onboarding Prozess re-evaluiert und verbessert werden.
Dieser spannende Onboarding Prozess wird auch mit Praktikant:innen durchgeführt! Dr. Gamerith ist es generell wichtig, dass Praktikant:innen gleich behandelt werden wie das übrige Personal. Diese Wertschätzung durch das Unternehmen hat auch bei einigen Praktikant:innen dazu geführt, dass sie nach ihrem Studium bei Schwabe zu arbeiten begonnen haben.
Doch nun zurück zur digitalen Kommunikationsstrategie. Auf diesen Teil des Gespräches war ich sehr gespannt, weil Schwabe hier in der österreichischen Pharmabranche einen großen Schritt in die Zukunft gemacht hat.
Die meisten von uns können sich wahrscheinlich noch daran erinnern, als wir von den Unternehmen die Warnung ausgesprochen bekommen haben, dass man während der Arbeitszeit nichts in den sozialen Medien verloren hat. Und bei ganz vielen Unternehmen wird das wahrscheinlich auch heute noch gelten.
Als sich Schwabe Austria dazu entschlossen hatte, eine neue digitale Kommunikationsstrategie zu erarbeiten und dabei auch auf Corporate Influencer zu setzen, hatten sie ein erstes grundsätzliches Problem: Die sozialen Medien waren von der Firmenzentrale gesperrt. Nachdem die Zentrale davon überzeugt worden ist, dass man zukünftig auf diese Medien in der Kommunikation setzen möchte und diese Medien entsperrt wurden, konnte die erarbeitete Strategie in die Umsetzung gebracht werden.
Und der Erfolg gibt Schwabe recht. Die Follower-Zahlen des Unternehmens und der Corporate Influencer auf LinkedIn haben sich massiv verbessert.
Warum ist das Konzept von Schwabe so erfolgreich?
Bei Schwabe wird ganz stark auf die persönlichen Geschichten von Menschen gesetzt. Es ist doch wie beim Film. Egal wie gut der Plot ist, wenn man mit den Charakteren des Films nicht mitfühlt, ist der Film uninteressant. Und das schafft Schwabe ganz ausgezeichnet, dass man die Menschen hinter den Rollen in ihrem Unternehmen spürt.
Was ist das Ziel dieser Strategie?
Einerseits dient die Kommunikation auf LinkedIn dem Employer Branding. Man möchte die Unternehmenskultur nach außen tragen. Damit möchte man jene Personen ansprechen, die sich in dieser Kultur wiederfinden und Interesse daran haben, für Schwabe zu arbeiten.
Andererseits dient in einem Arbeitsumfeld, wo man sich nicht mehr regelmäßig sieht, diese Form der Kommunikation auch zur zusätzlichen Information der Mitarbeiter:innen bzw. Kolleg:innen.
Der digitale Erfolg basiert auf dem Prinzip der Mitarbeiter:innen-Partizipation. In regelmäßigen Meetups werde Ideen von Mitarbeiter:innen eingesammelt, diskutiert und umgesetzt. Daher können sich Mitarbeiter:innen auch mit den Kommunikationsprojekten identifizieren und haben Spaß daran, Beiträge auf LinkedIn zu posten.
Das zweite große digitale Projekt ist meiner Meinung nach visionär für den österreichischen Pharmamarkt: Lilly, die Phytofluencerin
Lilly ist eine virtuelle Influencerin, die auf Instagram Phytotherapie für Laien verständlich macht.
Lilly entstand als Projekt an der Fachhochschule Krems, wo eine Gruppe von Student:innen Lilly in einem Design Thinking Prozess ins Leben gerufen hat. Obwohl es ein Projekt war, das von Schwabe initiiert wurde, hat Schwabe die Idee der Student:innen Gruppe abgekauft, um die Wertschätzung für dieses Projekt auszudrücken.
Warum glaube ich, dass Lilly visionär ist?
Wir werden uns eingestehen müssen, dass stationäre Apotheken in den nächsten 10 Jahren beim Kauf von Arzneimitteln eine untergeordnete Rolle spielen werden. Die digital Natives werden auch ihre Beratung vermehrt im Internet suchen und nicht mehr in der Apotheke.
Daher wird es umso wichtiger, auch als Pharmaunternehmen eine beratende Rolle für ihre Arzneimittel im digitalen Raum einzunehmen. Vielleicht werden zukünftig Pharmareferent:innen nicht mehr von Apotheke zu Apotheke fahren, sondern von sozialem Medium zu sozialem Medium surfen, um über Arzneimittel aufzuklären.
Dr. Gamerith hat es schön zusammengefasst:
„Aktuell sitzt die Kernzielgruppe noch vor dem Fernseher und man kann sie mit klassischer Werbung noch erreichen. Aber um die kommende Generation zu erreichen, braucht es neue Kommunikationsstrategien. Und wer sich nicht auf diese Veränderung vorbereitet, wird wahrscheinlich in Zukunft keine Rolle mehr spielen.“
Ich hoffe, euch hat der kleine Blick hinter die Kulissen bei Schwabe Austria gefallen und ihr habt vielleicht den einen oder anderen kleinen Aha- Moment gehabt.
Ein großes Danke geht an Dr. Fritz Gamerith und Elisabeth Mondl, MA, für Ihre Zeit, das nette Gespräch und auch die Transparenz zu den aktuellen Maßnahmen bei Schwabe Austria.
Mario Koller. September 2022
Inhaber bei DBD Med Wiss Projekte Pharma & Ernährung - Sachverständige in Abgrenzungsfragen (Lebensmittel/Arzneimittel)
2ySehr interessant, vielen Dank für das Teilen dieser Einblicke.
Passionate political observer, supporter of digital transformation and convinced of a diverse and inclusive society
2yVery exciting insights Mario Koller But to be honest, I didn't expect anything different from Team Fritz Gamerith Elisabeth Mondl #BetterSelfCare
Geschäftsführerin bei IGEPHA
2yWow, sehr spannend zu lesen, was Mario Koller bei Schwabe Austria über die dort erfolgreich eingeführten innovativen Methoden im Onboarding-Prozess und in der digitalen Kommunikation herausgefunden hat!
Managing Director Schwabe Austria Experte für pflanzliche Arzneimittel 🌿 und Leadership mit menschlichem Antlitz 😀
2yWie heisst es so schön: man sieht sich im Leben immer zwei Mal. 😎 Mario Koller habe ich in meinem Lehrgang an der Donau University, Krems als Student kennengelernt und jetzt kam er als frischgebackener Firmeninhaber von DREHM Pharma GmbH zu mir und wir führten ein richtig gutes Interview. Herzlichen Dank, lieber Dr. Mario Koller, MBA ! 😀