Bin ich Dr. Jekyll und Mr. Hyde? Oder einfach nur ich?

Bin ich Dr. Jekyll und Mr. Hyde? Oder einfach nur ich?

n den letzten Tagen wurde ich mit einer Rückmeldung konfrontiert, die mich nicht nur überrascht, sondern auch nachhaltig beschäftigt hat. Zwei Menschen, die mich aus unterschiedlichen Kontexten kennen, haben unabhängig voneinander denselben Punkt angesprochen: „Du bist auf LinkedIn ein anderer Mensch als im persönlichen Gespräch.“

Diese Aussagen waren für mich nicht einfach nur Feedback – sie waren wie ein Spiegel, der mir plötzlich vor Augen führte, dass meine Wirkung auf andere nicht immer mit meinem Selbstbild übereinstimmt. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Bin ich wirklich so unterschiedlich? Oder zeigen sich einfach nur verschiedene Seiten von mir, je nach Situation? Und was bedeutet das für mein Auftreten, nicht nur online, sondern auch in meiner Wahrnehmung durch andere?


Zwei Perspektiven, ein Gedanke

Die erste Person hat mich hier auf LinkedIn kennengelernt. Sie schrieb mir, dass sie durch mein Profilbild auf mich aufmerksam wurde: „Dein Bild wirkt so sympathisch – du siehst aus wie jemand, der empathisch, freundlich und offen ist. Aber dann habe ich deine Kommentare und Texte gelesen und mich gefragt: Ist der Mensch hinter diesem Lächeln wirklich so hart und konfrontativ, wie er hier wirkt?“

Diese Frage beschäftigte sie so sehr, dass sie Kontakt zu mir aufnahm. Nach unserem Gespräch sagte sie schließlich: „Jetzt, wo ich dich besser kenne, sehe ich, dass du wirklich empathisch bist. Aber deine Art auf LinkedIn hat mich anfangs total irritiert. Sie passt einfach nicht zu dem Eindruck, den dein Bild vermittelt.“

Die zweite Person hingegen kennt mich privat. Sie hatte mich immer als jemanden erlebt, der sensibel, harmoniebedürftig und empathisch ist. Doch durch einen Hinweis auf mein LinkedIn-Profil wurde sie auf meine Texte und Kommentare aufmerksam und meinte: „Frank, ich hätte niemals gedacht, dass du so schroff sein kannst. In persönlichen Gesprächen bist du jemand, der zuhört und sich mit viel Feingefühl ausdrückt. Aber auf LinkedIn wirkst du manchmal richtig hart. Das passt für mich nicht zusammen.“

Diese beiden Rückmeldungen kamen aus völlig unterschiedlichen Perspektiven – eine Person kannte mich nur von LinkedIn, die andere vor allem aus dem persönlichen Austausch. Trotzdem war die Essenz ihres Feedbacks identisch: Meine Wirkung auf LinkedIn steht für sie in einem starken Kontrast zu meinem Auftreten in der „realen Welt“. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Bin ich wirklich so unterschiedlich? Oder sind das einfach verschiedene Facetten meiner Persönlichkeit, die sich je nach Kontext anders zeigen?


Der rote Buzzer – und warum ich reagiere

Was mich antreibt, ist dieser „rote Buzzer“, den ich spüre, wenn ich auf LinkedIn unterwegs bin. Es ist wie ein Alarm, der schrillt, sobald ich Inhalte sehe, die Menschen angreifen, Desinformation verbreiten oder gezielt spalten wollen. Diese Inhalte lösen in mir eine Art Reflex aus – einen inneren Drang, etwas zu sagen, etwas klarzustellen oder gegen diese Aussagen zu argumentieren.

Dieser Buzzer ist für mich kein Zufall. Er steht für meine Werte, für meinen tiefen Wunsch nach Gerechtigkeit und für meine Überzeugung, dass wir uns solchen Inhalten nicht einfach hingeben dürfen. Ich möchte nicht schweigen, wenn Menschen oder Gruppen angegriffen werden, die sich nicht so wehren können, wie ich es vielleicht kann.

Doch genau hier liegt auch die Herausforderung: Wenn ich auf diesen Buzzer reagiere, dann oft direkt, scharf und ohne große Umwege. Für mich fühlt sich das nicht wie ein Angriff an, sondern wie eine Verteidigung von Werten, die mir wichtig sind. Aber für andere mag es hart oder unnachgiebig wirken – und das passt vielleicht nicht zu dem Bild, das sie von mir haben.


Die #Baulig Brothers und ich: Zwei Welten oder gar nicht so verschieden?

Auf LinkedIn begegnet man immer wieder Namen wie den Baulig Brothers – Vertreter einer markanten, fast schon aggressiven Selbstdarstellung, die auf Polarisierung und Aufmerksamkeit abzielt. Ihre marktschreierischen Strategien, gepaart mit dem unerschütterlichen Erfolgsglauben, den sie vermitteln, sind für viele ein Paradebeispiel für soziopathischen Narzissmus. Sie positionieren sich als unfehlbare Retter, schaffen künstliche Dringlichkeit und nutzen jede Gelegenheit, um sich selbst ins Rampenlicht zu rücken – oft ohne Rücksicht auf die Wirkung ihrer Worte.

Im Vergleich dazu sehe ich mich anders: Ich will nicht verkaufen – ich will aufklären, inspirieren und Diskussionen anregen. Meine Worte können scharf und provokativ sein, aber sie dienen dem Ziel, Missstände sichtbar zu machen, vor allem für Menschen, die oft keine Stimme haben. Trotzdem stelle ich mir die Frage: Unterscheide ich mich wirklich genug? Gibt es Momente, in denen auch ich bewusst polarisiere, um Aufmerksamkeit zu erzeugen? Und falls ja, wie weit entfernt bin ich dann von denen, die ich selbst kritisiere?


Ein Spiegel meiner Werte

Was ich auf LinkedIn tue, ist im Kern von denselben Werten getrieben, die mich auch offline leiten: Empathie, Gerechtigkeit und das Bedürfnis, die Welt ein Stück besser zu machen. Aber die Art, wie ich diese Werte online zum Ausdruck bringe, unterscheidet sich oft von der Art, wie ich sie im persönlichen Gespräch zeige.

Offline bin ich der Frank, der zuhört, der Harmonie sucht und oft auch mit Humor arbeitet, um schwierige Themen leichter zu machen. Online bin ich der Frank, der Missstände anprangert, der Worte wählt, die manchmal wie ein scharfes Schwert wirken können, und der vielleicht nicht immer darauf achtet, wie diese Worte bei anderen ankommen.

Die beiden Personen, die mir dieses Feedback gegeben haben, haben mich dazu gebracht, mich selbst zu fragen: Wie kann ich meine Werte klar und authentisch vertreten, ohne dabei meine empathische Seite zu verlieren? Wie schaffe ich es, diese beiden Facetten von mir – den harmoniesuchenden Zuhörer und den scharfen Kommentator – in Einklang zu bringen?


LinkedIn: Ein Spiegel unserer Gesellschaft

LinkedIn ist für mich mehr als nur ein berufliches Netzwerk. Es ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, mit all ihren Facetten, Höhen und Tiefen. Auf der einen Seite sehe ich Menschen, die inspirieren, die ihre Geschichten teilen, um andere zu motivieren, und die echte Mehrwerte schaffen. Aber auf der anderen Seite sehe ich auch Stimmen, die destruktiv sind, die bewusst polarisieren oder Hass verbreiten.

Manchmal fühlt sich LinkedIn für mich wie eine Bühne an, auf der ich gezwungen bin, Stellung zu beziehen – nicht nur für mich selbst, sondern auch für die Werte, die ich vertreten will. Es ist ein Raum, in dem ich mich zwischen Harmonie und Konfrontation bewegen muss, und genau das macht es manchmal so herausfordernd.

Ich frage mich oft: Wie geht ihr damit um? Seht ihr LinkedIn als reines Karrierenetzwerk, oder nutzt ihr es auch, um für eure Überzeugungen einzutreten? Und was macht ihr, wenn Inhalte euch triggern oder wie ein roter Buzzer wirken? Schweigt ihr, oder reagiert ihr?


Bin ich Dr. Jekyll und Mr. Hyde?

Wenn ich ehrlich bin, habe ich lange mit mir gehadert, ob diese beiden Seiten von mir nicht ein Widerspruch sind. Aber inzwischen glaube ich, dass sie es nicht sind. Beide Seiten entspringen denselben Werten, nur zeigen sie sich in unterschiedlichen Kontexten auf unterschiedliche Weise. Vielleicht bin ich nicht entweder Dr. Jekyll oder Mr. Hyde – vielleicht bin ich einfach ich, ein Mensch mit Facetten, die manchmal harmonieren und manchmal auch im Konflikt stehen.


Was sagt ihr dazu?

Jetzt komme ich zu euch, meiner LinkedIn-Community. Ihr kennt mich wahrscheinlich vor allem durch meine Beiträge und Kommentare. Einige von euch haben mich vielleicht auch persönlich getroffen oder mit mir telefoniert. Daher interessiert mich:

  • Wie nehmt ihr mich wahr – in meinen Beiträgen und im direkten Austausch?
  • Seht ihr diese zwei Seiten an mir? Wenn ja, wie passen sie für euch zusammen?
  • Und wie geht ihr selbst mit diesen Herausforderungen auf LinkedIn um?

Zum Schluss möchte ich betonen: Das ist kein Fishing for Compliments. Ich versuche einfach, selbstreflektiert zu sein, und lade euch ein, mir ehrliches Feedback zu geben – auch wenn es kritisch ist. Ich werde mich bemühen, dieses Feedback anzunehmen und nicht als Rechtfertigung zu interpretieren. Denn nur so kann ich wachsen und mich weiterentwickeln.

Ich freue mich auf eure Perspektiven! 😊 #Reflexion #Authentizität #Selbstwahrnehmung #LinkedInCommunity #FeedbackErwünscht

Marc Antoine Schaut

Senior Partner Account Manager für Serviceprovider und Systemhäuser bei 1&1 Versatel | Verkaufstrainer | Vertrieb, der zuhört, versteht und verbindet.

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Im persönlichen Gespräch begegnen wir doch auch selten den Bauligs dieser Welt und die sozialen Interaktionen verlaufen anders, weil Körpersprache dabei ist und vieles ungesagt bleibt, das in sozialen Medien in den Orkus der Welt gekippt wird. Darauf auch mal schärfer reagieren, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Christoph Greifenhain

Kooperation statt Kon(tra)kurrenz!

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Lieber Frank, bisher sind wir uns im echten Leben noch nicht begegnet, was ich zunehmend schade finde. Empathie drückt sich auch durch zielgruppengerechte Ansprache aus. Da ist es ein Unterschied, ob ich auf die vorhandene Stimmung eines Gegenüber eingehe oder in einer anonymen Menge erst die Stimmung für eine Reaktion erzeugen will. Beides ist von ein und derselben Person authentisch. Als Gesprächspartner Face to Face bist Du einfach in einer anderen Rolle als hier im Social Network und kein anderer Mensch.

Angela Kaemmerling

Sachverständige für Rehabilitation, Pflege und Gesundheit

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Lieber Frank Hennemann, wir kennen uns auch nicht und ich sehe das etwas anders. Gerade diejenigen, die sympathisch, harmoniebedürftig usw sind, können, sollen und müssen klare Worte sprechen. Gerade, weil wir so sind, wie wir sind, ist es wichtig, geradeaus zu sagen, was wir denken und fühlen. Für mich hat das nichts mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu tun. Dieser Umgang in der Anonymität des Netzes tut mir in der Seele weh. Ich kann nur für mich sprechen, alles, was ich schreibe, meine ich aus tiefstem Herzen ❤️

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