Digitalisierungsstufen in der Schule

Digitalisierungsstufen in der Schule

Die Digitalisierung ist zweifelsohne ein grosses Trendthema in allen Bereichen unseres Lebens, einige erfüllt das mit Euphorie für all die neuen Möglichkeiten, andere eher mit Angst und Bedenken. Auch die Schule ist von der Digitalisierung nicht ausgeschlossen und es tobt seit einiger Zeit eine grosse Diskussion, wo diese hinführen soll: Einige möchten die Lehrer gleich ganz abschaffen und durch Maschinen ersetzen, andere möchten lieber ganz auf Computer im Klassenzimmer verzichten. Ich möchte einmal versuchen die verschiedenen Stufen der Digitalisierung im Klassenzimmer zu beschreiben und zeigen, wo die Möglichkeiten und Gefahren liegen.

1. Stufe: E-Learning

E-Learning ist vielen bereits bestens bekannt, wird es doch schon seit ca. 10 Jahren in verschiedenen Bereichen angewendet. E-Learning baut in der Regel auf einem traditionellen Unterrichtskonzept auf, indem Lernende die Inhalte statt auf Papier auf einem Computer eingeben. Es sind verschiedene Übungstypen möglich wie z.B. Lückentexte, richtig oder falsch, Multiple choice, Ordnungsübungen etc.

Vorteile

Die Übungen korrigieren sich automatisch und geben den Lernenden ein schnelles Feedback. Lehrende werden von der Korrekturarbeit befreit.

Nachteile

Individualisierung und selbstbestimmtes Lernen werden bei der 1. Stufe nicht berücksichtigt. E-Learning ist in der Regel genauso langweilig wie ein herkömmliches Übungsbuch auf Papier. Bei Studien zum Thema wurde bekannt, dass nur etwa 10-15 % einen reinen E-Learning- Lehrgang im Internet fertig machen.

2. Stufe: Individualisierung

Auf dieser Stufe gibt es zwei verschiedene Ansätze:

Der flipped classroom oder auf deutsch das umgekehrte Klassenzimmer. Die Lehrerin produziert Videos, welche sich die Kinder als Hausaufgabe anschauen. Sie können diese unterbrechen, zurückspulen und wiederholen so oft sie wollen. In der Schule werden dann die Inhalte besprochen und die Schülerinnen und Schüler lösen die Übungen in der Klasse. Die Lehrerin kann dann auf die Fragen jedes einzelnen eingehen und eine individuelle Betreuung anbieten.

Die zweite Möglichkeit ist der sozio-konstruktivistische Ansatz: Anstatt das die Lernenden vorgegebene Übungen lösen, entwickeln sie eigene. Sie können zum Beispiel eigene Texte schreiben, Audios aufnehmen, eigene Erklärvideos drehen etc. Die Lehrkraft unterstützt die Schülerinnen und Schüler dabei und hilft die Produktionen zu korrigieren. Die Übungen werden für die Mitschüler produziert und um zu gewährleisten, dass diese die Lektion verstanden haben, müssen sie sich überlegen, welche Fragen sie dazu stellen müssen. Die Eigenproduktionen werden online gestellt und werden von den Klassenkameraden gelöst, diese lösen die Übungen nicht nur, sondern sie dürfen die Qualität der Übungen auch kommentieren.

Skizze eines auf sozio-konstruktivistischen Prinzipien aufgebauten Lernnetzwerks.

Vorteile

Beide Ansätze erlauben den Lernenden auf ihre konkreten Fragen bzw. Schwächen einzugehen. Der sozio-konstruktivistische Ansatz gewährleistet ausserdem, dass die Schülerinnen und Schüler von ihrer eigenen Umgebung und ihrem eigenen Wissensstand ausgehen. Die Lernenden sind von sich aus neugierig, was andere Mitschüler zusammengebracht haben und werden die Übungen der anderen ohne äusseren Druck machen wollen. Wenn die Übungen online sind, kann eine interessante Dynamik entstehen, wer am meisten «Likes» und Kommentare sammeln kann. Diese Dynamik muss natürlich von der Lehrkraft angemessen gesteuert werden und sollte nicht zu Bulling oder Diskriminierung führen.

Nachteile

Der flipped classroom hat bereits viele Anhänger gefunden, der Anfangsaufwand ist aber relativ hoch, denn für jedes Thema muss ein eigenes Video produziert werden. Für den sozio-konstruktivistischen Ansatz gibt es noch recht wenige Werkzeuge, die einfach zu bedienen sind. Am besten geeignet dafür ist im Moment www.learningapps.org . Die Anwendung braucht aber trotz aller Einfachheit noch einiges an Fachwissen und Zusatzsoftware (vor allem im Bereich Audio und Video).

Beispiele

Hier einige Beispiele von Hörverstehen, welche von Schülerinnen und Schülern selber produziert wurden:

3. Stufe: KI unterstütztes Lernen

Diese 3. Stufe ist im Moment noch in weiter Ferne aber die Ideen dazu existieren bereits: Denkbar wäre, dass jeder Lernende von Zeit zu Zeit einen Test absolviert, der seine Lernfähigkeiten und -gewohnheiten überprüft. Dieser psychologische Test kann zum Beispiel feststellen, ob jemand analytische Fähigkeiten hat, visuell oder auditiv besonders begabt ist, oder eher ein Praktiker ist, der eine Aufgabe mehrmals lösen muss bis er sie beherrscht. Aufgrund dieses individuellen Lernprofils kann die KI Übungen zum jeweiligen Thema aus der Datenbank holen, die am ehesten dem Profil dieses Schülers entsprechen. So wie eine gute Privatlehrerin oder -lehrer die Stärken und Schwächen ihres Schülers kennt, könnte eine entsprechend trainierte KI die Schüler so individuell fördern. Natürlich geht dies auch in Zukunft nicht ohne menschliche Unterstützung, denn die Klassenlehrerin wird die Fortschritte auch selber mitverfolgen und entsprechend eingreifen, wenn es Schwierigkeiten gibt.

Vorteile

KI unterstütztes Lernen wäre Individualisierung auf höchster Stufe und würde es erlauben, die Schüler ganz spezifisch zu fördern. Eine Möglichkeit die heute nur mit menschlichen Privatlehrern möglich ist und deshalb für die allermeisten unerschwinglich bleibt. Die Rolle der Lehrenden würde sich grundsätzlich Ändern: Weg vom traditionellen Unterricht hin zum Lerncoach und menschlichen Motivator.

Nachteile

Eine solch weit entwicklente KI würde ganz besondere Ansprüche an den Datenschutz stellen. Arbeiteten Schüler während Jahren mit diesem System, würde ein ganz genaues und sehr spezifisches Persönlichkeitsprofil entstehen. Würde es in falsche Hände gelangen, könnten schwächere Schüler gravierende Nachteile haben und umgekehrt würden sehr guten Schülern plötzlich alle Türen offen stehen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob man diese Daten am Ende der Schulzeit vernichtet oder so anonymisiert, dass dem Besitzer keine Nachteile oder ungerechtfertigte Vorteile mehr entstehen.

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