Ein Parkinson-Betroffener erzählt: »Und es geht trotzdem immer weiter.«

Ein Parkinson-Betroffener erzählt: »Und es geht trotzdem immer weiter.«

Bereits 2021 durften wir Klaus Wirnitzer kennenlernen. Im Unternehmensmagazin Wolfsspur erzählte er von seinem Leben mit Parkinson und macht Betroffenen Mut. Klaus Wirnitzer ist nicht zu bremsen. Ein Jahr später wollten wir noch einmal wissen, wie es ihm inzwischen ergangen ist. Ein erneuter Aufenthalt im Passauer Wolf Bad Gögging gab uns die Gelegenheit.

Wir treffen Klaus Wirnitzer wieder an einem wunderschönen Frühlingstag. Die großen Fenster des Konferenzraums, den wir uns für das Interview herausgesucht haben, erlauben den Blick auf die gerade erwachende Natur rund um das Haus. Ein ruhiger Ort, um sich zu erholen. Seit einer Woche ist der 59-Jährige nun schon in der Passauer Wolf Fachklinik zur Parkinson-Komplexbehandlung. »Ein Heimspiel«, sagt er. Inzwischen ist es sein drittes Mal.

Parkinson ist unheilbar, eine Krankheit, die immer weiter voranschreitet. Mit einer Mischung aus medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien lässt sie sich aber ganz gut in den Griff kriegen, die Lebensqualität, soweit es möglich ist, erhalten. Betroffene lernen, damit zu leben. Trotz der Erkrankung weitermachen – dafür ist Klaus Wirnitzer ein motivierendes Beispiel.

Fahrradfahren als Steckenpferd

Seit seinem letzten Aufenthalt vor einem Jahr ist einiges passiert. So sind insgesamt 2.500 Kilometer auf dem Fahrrad zusammengekommen. Tägliche Besorgungen gehören genauso dazu wie eine lange Radtour am Gardasee in Italien. Fahrradfahren fällt ihm mittlerweile leichter, als zu laufen: »Ich habe das Problem, dass ich einfach so nach vorne falle. Das ist beim Laufen natürlich blöd, aber beim Fahrradfahren muss ich mich ja nach vorne beugen. Deswegen ist das als Fortbewegung für mich einfacher.«

Auch der Artikel im Unternehmensmagazin des Passauer Wolf, Wolfsspur, führte zu unerwarteten Ereignissen: »Nachdem die Wolfsspur erschienen ist (Hier geht´s zum Artikel https://bit.ly/38GWZ4N), bekam ich einen Anruf von einem wildfremden Menschen aus Augsburg. Der hatte die Zeitschrift durch Zufall von seinem Neurologen bekommen. Er hat auch Parkinson und hat sich mit der tiefen Hirnstimulation beschäftigt. Ob er nicht mal vorbeikommen darf, fragte er mich. Also haben wir uns getroffen, war ein echt schöner Abend. Ich konnte ihm Mut machen, und das war auch meine Absicht, als ich meine Geschichte erzählt habe: Dass ich anderen Mut mache.«

»Klar geht es auch bei mir manchmal nicht so voran, wie ich es mir vorstelle. Aber ich will deshalb den Kopf nicht in den Sand stecken.«

Einstellung des Hirnschrittmachers

Letzten November wurde es dann schlagartig wieder schlechter. Die Haltung wurde immer gebeugter, die Sprache total unverständlich. Nur mit mehr Dopamin-Tabletten ging es ein wenig besser. Dass das aber kein Dauerzustand sein kann, war Klaus Wirnitzer klar. Also ging es wieder in eine Klinik, um Hirnschrittmacher und Medikamente neu einzustellen. Der kurze Zwischenstopp half, aber Klaus Wirnitzer wusste, dass es mit einem längeren Aufenthalt noch besser werden könnte. Also stellte er in Absprache mit seinem Neurologen einen Antrag für die Parkinson-Komplexbehandlung in Bad Gögging. Mehr dazu https://bit.ly/3jIlVLD

So ging es also im März 2022 wieder für drei Wochen zur multimodalen Parkinson-Komplexbehandlung in die Passauer Wolf Fachklinik. Ein Zeitraum, in dem Klaus Wirnitzer zusammen mit dem Team aus Ärzten und Therapeuten ohne Ablenkungen an seinen Zielen arbeiten kann. Die Tage sind gefüllt mit Physio- und Ergotherapie, Sprachtraining, und Bewegung, wie Taiji oder Nordic Walking. »Die Dinge, die mir wichtig sind, wurden schon am ersten Tag besprochen. Ich möchte wieder beweglicher werden, meine Aussprache verbessern und besser schlafen können. Das Schöne ist ja, das hier alle so Hand in Hand arbeiten und sich das Team untereinander abspricht. Ich mache auch gern sehr viele körperliche Sachen, weil ich weiß, dass mir das guttut. Morgen zum Beispiel habe ich Visite, dann Sprachtraining, dann kommt Nordic Walking, danach Taiji und nachmittags nochmal Physiotherapie. Das ist alles hier im Haus, man hat kurze Wege.« Auch Medikamente und Hirnschrittmacher werden während dieser Zeit neu eingestellt. So ergänzen sich medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien.

Klaus Wirnitzer hat große Hoffnungen, seine Ziele während seiner Zeit in Bad Gögging zu erreichen. Denn er hat noch viel vor dieses Jahr. Im April erfüllt er sich einen lang gehegten Traum: Zusammen mit seiner Familie geht es nach Kanada, um endlich die Freunde in Vancouver zu besuchen, die er seit mehr als 30 Jahren kennt. »Im April werde ich 60, und ich wollte einfach nicht hierbleiben«, gesteht er, »Also habe ich gesagt ›Haun wir ab, fliegen wir nach Kanada‹.« Lachend fügt er hinzu: »Eine Feier in Deutschland wäre sicher günstiger gewesen!«

Taiji als Therapie bei Morbus Parkinson

»Ich habe eben Parkinson. Das ist einfach so. Punkt.«

Sich zu verkriechen, das kommt für ihn nicht in Frage. Klaus Wirnitzer versucht, alles auszuschöpfen, was er noch machen kann. Radtouren, Reisen, im Chor singen, sich mit anderen Betroffenen austauschen. »Es ist einfach eine Mistkrankheit, aber es geht trotzdem weiter. Das kriegt man trotzdem gebacken. Parkinson verlangsamt eben sehr sehr viel. Aber es ist wichtig, dass man sich deswegen nicht zurückzieht. Und ich will den Leuten sagen ›Geht raus, macht, was ihr noch machen wollt!‹«

Seit sieben Jahren lebt er nun schon mit dieser Einstellung – und mit Parkinson. Auch wenn am Anfang natürlich noch vieles unsicherer war, als jetzt. Klaus Wirnitzer erinnert sich an seine ersten Therapien: »Du weißt natürlich erstmal nicht, was das genau bedeutet, ›Parkinson‹. In den Kliniken sieht man andere Patienten mit unterschiedlichen Graden und Abstufungen. Man sieht, wie es auch stufenweise schlechter werden kann, Leute im Rollstuhl. Da überlegt man sich dann schon: ›Ob mir das auch blüht?‹ Aber ich habe inzwischen auch gelernt, dass Parkinson eben nicht gleich Parkinson ist, sondern dass es unterschiedliche Krankheitsbilder gibt, keins gleicht dem anderen.«

Aber: Es geht immer weiter. Das ist seine Nachricht an alle Mitbetroffenen. Und es geht immer weiter für Klaus Wirnitzer, der jetzt wieder zu seinen Therapien muss. Und danach nach Kanada, und aufs Fahrrad von Prag nach Dresden, und auf Konzerte mit seinem Nürnberger Chor. Stillstehen ist einfach nicht sein Ding.

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