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Grüne Gase: Perspektiven aus Europa und den USA

Grüne Gase: Perspektiven aus Europa und den USA

6. August 2021

Politische Konzepte und Geschäftsmodelle in Sachen grünes Gas im Vergleich

Die Zukunft der Gasverteilernetze wird durch das Aufkommen der grünen Gase erheblich beeinflusst. Darum müssen Netzbetreiber den Trendwechsel weg vom Erdgas genauestens verfolgen. Da dieser Wandel hauptsächlich von lokalen Faktoren bestimmt wird, ist es wichtig, verschiedene Regionen wie Nordamerika und Europa zu vergleichen, um die jüngsten Entwicklungen aufzuspüren und die neuesten Trends vorherzusehen.

Der aufkommende Trend der grünen Gase in den USA und auch in Europa bringt wesentliche Risiken für den gesamten Gasmarkt mit sich.
Der aufkommende Trend der grünen Gase in den USA und auch in Europa bringt wesentliche Risiken für den gesamten Gasmarkt mit sich.

Zu diesem Zweck und um einen Wissens- und Erfahrungsaustausch anzuregen, hat Roland Berger kürzlich das Webinar „The Future of Gas Distribution“ erstellt. Zwanzig Strategiemanager aus führenden Gasunternehmen in den USA, Europa und Lateinamerika erörtern darin die Zukunft von Gasverteilernetzen. Keynote Speaker stellen die Perspektiven der in den USA und Europa aufkommenden Konzepte und Programme für die Produktion und Lieferung von kohlenstoffarmem Wasserstoff und Biogas (auch bekannt als Biomethan) vor.

Als Teil des virtuellen Meetings konnten die Teilnehmer an kleineren Diskussionsrunden zu den drei Hauptthemen grüne Gase, Regierungspolitik und Geschäftsmodelle teilnehmen. Im Laufe dieser Gespräche stellte sich heraus, dass es einerseits Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede in Bezug auf die Probleme gibt, denen sich Gasversorgungsunternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks gegenübersehen.

Die Perspektive in Nordamerika

Aufgrund seiner ökonomischen Vorteile spielt Erdgas in Nordamerika nach wie vor eine gewichtige Rolle. Neu entwickelte Strategien und Geschäftsmodelle zum Kohleausstieg mit ihren immensen Möglichkeiten für zum Beispiel Wasserstoff und Biomethan stellen jedoch eine potenzielle Bedrohung für diesen Energiezweig dar.

Allerdings offenbarten erste laufende Modellprojekte gewisse technische Probleme bei der Einspeisung dieser grünen Gase in das amerikanische Verteilernetz – diese gilt es genauestens zu beobachten und zu analysieren. Eine der besonders kritischen Herausforderungen besteht darin, quer durch alle Kundensegmente für die nötige Sicherheit zu sorgen. Auch die Wichtigkeit einer resilienten Energieversorgung kann nicht genug betont werden. Im Februar 2021, während der großen Kältewelle in Texas, wurde die unterirdische Erdgasspeicherung sehr geschätzt. Und schließlich bildet die Versorgung mit grünen Gasen eine weitere Herausforderung. Hier sind vor allem die Farmer gefragt, die mit entsprechenden Anreizen für die Bereitstellung von Biogas ihre Einnahmen erheblich erhöhen können. Außerdem kommt kohlenstoffarmem Gas eine entscheidende Rolle bei der Speicherung und Sicherung in Spitzenzeiten zu, die durch entsprechende Technologien und wirtschaftliche Grundlagen gestützt wird.

Wenn es um die Politik geht, ist es irreführend, zu glauben, dass ganz Europa den USA bei den Dekarbonisierungsstrategien durch Gas voraus ist. In einigen Landesteilen (Nordosten und Westküste) ist die Politik fortschrittlicher als zum Beispiel in Osteuropa. In vielen konservativen amerikanischen Bundesstaaten jedoch scheinen die politischen Entscheidungsträger den lokalen Marktanforderungen weit hinterherzuhinken. Es ist somit schwierig, für regulatorische Unterstützung für die Förderung kohlenstoffarmer Energiequellen zu werben. Verteilnetzbetreiber (VNB) knüpfen neue Partnerschaften mit lokalen Regierungen, Farmern, Universitäten und sogar mit privaten Investoren, um die Verwendung der grünen Gase zu fördern. Den Regulierungsbehörden fällt es immer noch schwer, den Wert der bestehenden Erdgas-Infrastruktur und die Bedeutung der Verteilernetze für die kohlefreie Energieversorgung von morgen zu erkennen. Starke Nachfragespitzen im Sommer und im Winter können nur schwer und zudem nur sehr kostenintensiv durch erneuerbare Energien allein abgedeckt werden. Eine hundertprozentige Elektrifizierung der Energieträger kostet viel mehr und führt zu einer langsameren Dekarbonisierung als ein Energiemix mit grünem Strom und grünem Gas.

Zu den Geschäftsmodellen für den Kohleausstieg vieler privater VNB gehört die Schaffung von Holdingstrukturen, um sowohl regulierte als auch unregulierte Geschäfte unter einem Dach führen zu können (z. B. bei Energiedienstleistungen, beim Bau von Pipelines und in der Zukunft eventuell bei Transport und Verteilung von Wasserstoff und Biogas). Die VNB beabsichtigen nicht, von ihrem Fokus und ihrem Kerngeschäft, den „guten alten“ Pipelines, abzurücken. In nächster Zeit wird da kein besonders großes Verlangen entstehen, sich komplett anderen Geschäftsmodellen zuzuwenden. Die Entwicklung von neuen oder umfunktionierten Infrastrukturen zur Verteilung von Wasserstoff stellt eine besondere Herausforderung für Unternehmen dar, die in Regionen mit geringerer Nachfrage nach Heizenergie oder industrieller Energie angesiedelt sind. Die Nachfrage nach grünen Gasen und die Bereitschaft, dafür zu zahlen kommt bei den Privat- wie auch bei den Firmenkunden derzeit nur von den Early Adopters.

Die Perspektive in Europa

Europäische Gasunternehmen liefern spannende, integrierte Ansätze um das Potential der grünen Gase zu erkennen. Es wird geforscht und getestet, um die Verteilersysteme zu analysieren und herauszufinden, wie ein höherer Wasserstoffanteil im Gasmix beim Endverbraucher ankommt. Viele VNB konzentrieren sich darauf, die Bereitstellung von Biomethan zu vereinfachen und damit einen ersten Schritt in Richtung kohlenstofffreie Versorgungsnetze zu unternehmen. Sie investieren in die Umrüstung der Technologien, um sicherzustellen, dass jede Änderung des Wasserstoffanteils auch mit den Geräten der Kunden kompatibel ist.

In der Energiepolitik sorgen die Wettbewerbsregeln der EU dafür, dass VNB nichts anderes anbieten als Dienstleistungen rund um den Gastransport (z. B. den Bau von Pipelines). Allerdings, können auch hier Strukturen einer Holdinggesellschaft angewendet werden. Einige VNB beantragen spezielle Tarife oder Subventionen, mit deren Hilfe die Entwicklungsarbeit und der Markteinstieg für kohlenstofffreie Treibstoffe gefördert werden. Viele Strom- oder Strom-/Gasversorger in Europa scheinen zu glauben, dass elektrische Energie das Erdgas komplett verdrängen wird. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, zu zeigen, dass es zwar technisch möglich sein mag, einen Großteil des Energiebedarfs, der derzeit durch Gas gedeckt wird, durch elektrische Energie zu ersetzen, dass aber die gleichen Klimaschutzziele schneller und preiswerter durch kohlenstoffarme, molekulare Treibstoffe erreicht werden können. Das Hauptaugenmerk liegt nicht nur auf der Dekarbonisierung der Energieträger, sondern auch darin, den Nutzen der bereits vorhandenen Infrastruktur zu demonstrieren. Dieser besteht unter anderem darin, dass die Systeme bei einer Vielzahl von verschiedenen Szenarien hinsichtlich Klimawandel und entsprechende Resilienz als Backup fungieren können.

Was die Geschäftsmodelle betrifft, so ist es europäischen VNB nur in eingeschränktem Maße möglich, sich an Aktivitäten außerhalb des Bereiches Verteilung, zum Beispiel am Marketing oder der Produktion, zu beteiligen. Diese Felder werden von angeschlossenen Unternehmen abgedeckt. Wertschöpfungspotential für VNB liegt in der Entwicklung von Lösungen für verbrauchsintensive Industriekunden (z. B. Hersteller von Zemen8t, Stahl, Glas). Europäische Unternehmen waren bisher recht erfolgreich im direkten Kontakt mit den Verbrauchern und in der Zusammenarbeit mit Öl- und Gasunternehmen. Auf der Kundenseite besteht, ähnlich wie in den USA, bisher noch keine große Bereitschaft, für grünes Gas eine angemessene Preissteigerung zu akzeptieren.

Die internationalen Vordenker des transatlantischen Gasaustauschs, hatten alle das Gleiche im Sinn: Wege für ihre Unternehmen zu finden, damit diese ihre Fähigkeiten voll und ganz dafür einsetzen konnten, um unser gemeinsames Ziel, die Eindämmung des Klimawandels, so schnell und so kostengünstig wie möglich zu erreichen – zum Vorteil ihrer Kunden in dieser und in zukünftigen Generationen.

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